Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2011 - IX ZB 260/09

bei uns veröffentlicht am17.02.2011
vorgehend
Amtsgericht Cottbus, 64 IK 74/03, 10.04.2008
Landgericht Cottbus, 7 T 180/08, 29.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 260/09
vom
17. Februar 2011
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Grupp und die Richterin Möhring
am 17. Februar 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 29. Oktober 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Das Beschwerdegericht hat den Antrag des Schuldners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und seine sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO als verfristet verworfen.
2
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Schuldners ist statthaft (§§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
Es bedarf entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keiner Klärung der Frage, ob Beschlüssen, mit denen dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird, eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt werden muss. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen begann auch dann zu laufen, wenn eine etwa erforderliche Rechtsmittelbelehrung fehlte (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2002 - V ZB 36/01, BGHZ 150, 390, 397; vom 28. Februar 2008 - V ZB 107/07, WM 2008, 1567 Rn. 8; vom 26. März 2009 - V ZB 174/08, WM 2009, 1056 Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03, WM 2003, 2478). Die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung hätte die Versäumung der Frist unter den gegebenen Umständen auch nicht verhindert. Die Übermittlung der Beschwerde per Telefax am vermeintlich letzten Tag der Frist zeigt, dass die Rechtsmittelfrist dem Schuldner, jedenfalls aber seinem Verfahrensbevollmächtigten bekannt war. Einer tatsächlichen Vermutung für den Ursachenzusammenhang zwischen einem Belehrungsmangel und der Fristversäumung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. März 2009, aaO Rn. 21 a.E.) fehlte die Grundlage, weil der Schuldner in offener Frist einen Rechtsanwalt mandatiert hat.
4
von Die der Rechtsbeschwerde beanstandete Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes liegt nicht vor. Das Beschwerdegericht hat die Anforderungen an den Gegenbeweis des Schuldners gegen die Zustellungsurkunde (§ 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 und 2 ZPO) und an die Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens an der Fristversäumung (§§ 233, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht überspannt. Dass es die eidesstattliche Versicherung des Schuldners bei Berücksichtigung der gegen seine Darstellung sprechenden Umstände insoweit nicht hat ausreichen lassen, ist nicht zu beanstanden. Auf eine förmliche Vernehmung des Zustellers als Zeugen hat sich der Schuldner im Beschwerdeverfahren nicht berufen.
Kayser Raebel Lohmann
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
AG Cottbus, Entscheidung vom 10.04.2008 - 64 IK 74/03 -
LG Cottbus, Entscheidung vom 29.10.2009 - 7 T 180/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 418 Beweiskraft öffentlicher Urkunden mit anderem Inhalt


(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. (2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Lande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Insolvenzordnung - InsO | § 290 Versagung der Restschuldbefreiung


(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1. der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolv

Insolvenzordnung - InsO | § 289 Einstellung des Insolvenzverfahrens


Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 182 Zustellungsurkunde


(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418. (2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:1.die Bezeichnung der Person, der

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(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 36/01
vom
2. Mai 2002
in der Wohnungseigentumssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
WEG § 45 Abs. 1; FGG § 22 Abs. 2

a) Für die gemäß § 45 Abs. 1 WEG befristeten Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen
ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung das Erfordernis einer
Rechtsmittelbelehrung.

b) Zu belehren ist in schriftlicher Form über das Rechtsmittel selbst, über einzuhaltende
Form- und Fristerfordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das
Rechtsmittel einzulegen ist.

c) Unterbleibt die erforderliche Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen
, so steht dies weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch
dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen.

d) Ist der Belehrungsmangel im Einzelfall für das Versäumen der Rechtsmittelfrist
ursächlich geworden, so ist bei Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand fehlendes Verschulden des Rechtsmittelführers - entsprechend dem
Rechtsgedanken aus § 44 Satz 2 StPO - unwiderlegbar zu vermuten.
BGH, Beschl. v. 2. Mai 2002 - V ZB 36/01 - BayObLG
LG Ingolstadt
AG Ingolstadt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Mai 2002 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein,
Dr. Lemke und Dr. Gaier

beschlossen:
Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 13. August 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer größeren Wohnungseigentumsanlage in I. Die Antragsteller verlangen von dem Antragsgegner den Ausgleich der auf ihn entfallenden Nachzahlungsbeträge aus den Wohngeldabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 1995 bis 1998 in Höhe von insgesamt 2.178,80 DM zuzüglich Verzugszinsen. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung verpflichtet. Diesen Beschluß hat der - nicht anwaltlich vertretene - Antragsgegner angefochten und den Gegenantrag gestellt, den Antragstellern die Zahlung von 2.730 DM zum Ausgleich seiner Aufwendungen bei Unterbindung der Prostitution in der Wohnungseigentumsanlage aufzugeben. Das Beschwerdegericht hat den Gegenantrag nicht zugelassen und im übrigen die sofortige Beschwerde des Antragsgegners im wesentlichen zurückgewiesen. Nach Zustellung am 18. August 2001 hat der
Antragsgegner gegen die Beschwerdeentscheidung durch ein von ihm selbst unterzeichnetes Schreiben "Einspruch erhoben". Nach gerichtlichem Hinweis hat er am 18. September 2001 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bayerischen Obersten Landesgerichts sofortige weitere Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist beantragt.
Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte zunächst über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheiden und diesem stattgeben. Es sieht sich hieran jedoch durch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle vom 10. September 1998 (NJW-RR 1999, 811) und des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Mai 2000 - 16 Wx 72/00 - gehindert und hat deshalb die Sache mit Beschluû vom 24. Oktober 2001 (BayObLGZ 2001, 297 = NZM 2002, 30 = WuM 2002, 45 = FGPrax 2002, 14 = ZfIR 2002, 239 = ZWE 2002, 177 = ZMR 2002, 287) dem Bundesgerichtshof zur "zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist" vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 1 WEG i.V. mit § 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht will dem Antragsgegner gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 2
FGG gewähren. Es vertritt unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsansicht (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 606) die Auffassung, der Antragsgegner habe die Versäumung der ihm unbekannten Frist nicht verschuldet, weil ihn keine Obliegenheit getroffen habe, sich alsbald nach Zustellung der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheidung des Beschwerdegerichts nach Form und Frist des beabsichtigten Rechtsmittels zu erkundigen. Demgegenüber vertreten verschiedene Oberlandesgerichte - auch noch in Entscheidungen , die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1995 (BVerfGE 93, 99) auf weitere Beschwerden ergangen sind - bei der Auslegung des § 22 Abs. 2 FGG die Ansicht, ein Beteiligter habe sich in zumutbarer Weise rechtzeitig nach Form und Frist eines beabsichtigten Rechtsmittels zu erkundigen. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung könne die Fristversäumung grundsätzlich nicht entschuldigen, weil in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung nur in den ausdrücklich gesetzlich geregelten Fällen bestehe. Mit dieser Begründung haben das Oberlandesgericht Celle (NJW-RR 1999, 811), das Oberlandesgericht Köln (Beschl. v. 29. Mai 2000, 16 Wx 72/00 - nicht veröffentlicht ) und das Oberlandesgericht Hamburg (ZMR 2001, 845) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur sofortigen Beschwerde verweigert. Damit wird eine Rechtsprechung der Oberlandesgerichte fortgesetzt, die schon zuvor in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und insbesondere in Wohnungseigentumssachen unter Hinweis auf eine Erkundigungspflicht der Beteiligten das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nicht als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt hat (vgl. OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1979, 16, 18; OLG Köln, OLGZ 1991, 403, 406). Die Divergenz zur Auffassung des vorlegenden Gerichts rechtfertigt die Vorlage.

III.


Der Antrag auf Erteilung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die vom Antragsgegner versäumte Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Der Antragsgegner hat am 18. September 2001 rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und ebenfalls rechtzeitig die versäumte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nachgeholt. Beides ist, wie es § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG i.V. mit § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG verlangt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses geschehen. Erst durch die gerichtlichen Hinweise im Schreiben vom 6. September 2001 war die bis dahin nicht verschuldete Unkenntnis des Antragsgegners über die Formerfordernisse einer (sofortigen) weiteren Beschwerde und damit der Umstand, der der Wahrung der Beschwerdefrist entgegenstand , ausgeräumt.
2. Auch die materiellen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung gemäû § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG sind erfüllt. Der Antragsgegner war ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde einzuhalten.

a) Durch das vom Antragsgegner unterzeichnete, bereits am 22. August 2001 beim Landgericht eingegangene Schreiben vom 20. August 2001 konnte die zweiwöchige Rechtsmittelfrist (§ 45 Abs. 1 WEG i.V. mit § 22 Abs. 1 FGG) nicht eingehalten werden. Zur Wahrung der Frist ist nur eine in der richtigen Form eingelegte weitere Beschwerde geeignet (vgl. Keidel/Kahl, FGG,
14. Aufl., § 22 Rdn. 14). Das Schreiben vom 20. August 2001 ist jedoch nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet und genügt damit nicht der Form, die § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG im Fall einer weiteren Beschwerde für die Beschwerdeschrift verlangt. Erfüllt wurde das Formerfordernis erst am 18. September 2001 mit Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 4 i.V. mit § 21 Abs. 2 Satz 1 FGG). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde bereits abgelaufen.

b) Der Lauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist ist nämlich bereits mit der Zustellung (§ 16 Abs. 2 FGG) der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts am 18. August 2001 in Gang gesetzt worden. Zwar ist wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG) und aus Gründen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in Wohnungseigentumssachen die Erteilung einer Belehrung über fristgebundene Rechtsmittel erforderlich. Unterbleibt sie aber, so steht das dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist nicht entgegen.
aa) Die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung ist im Wohnungseigentumsgesetz nicht vorgeschrieben. Eine dahingehende Verpflichtung folgt auch nicht auch aus dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit , auf dessen Verfahrensregeln § 43 Abs. 1 WEG verweist. Dort ist eine Rechtsmittelbelehrung - entgegen dem Vorschlag der Kommission zur Reform der Zivilgerichtsbarkeit (vgl. Bericht der Kommission zur Reform der Zivilgerichtsbarkeit , 1961, S. 385) - nicht schlechthin, sondern nur in bestimmten - hier nicht einschlägigen - Sonderbestimmungen (§ 69 Abs. 1 Nr. 6, § 70 f Abs. 1 Nr. 4 FGG; auch § 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG) vorgesehen. Das Erfordernis
einer Rechtsmittelbelehrung ergibt sich jedenfalls für die gemäû § 45 Abs. 1 WEG befristeten Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen jedoch unmittelbar aus der Verfassung (vgl. Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl, § 44 WEG Rdn. 50; Demharter, FGPrax 1995, 217 f; ders., WuM 2000, 43 f; ders., WuM 2001, 311 f; allgemein für die freiwillige Gerichtsbarkeit: abweichende Meinung des Richters Kühling, BVerfGE 93, 117, 120; Keidel/Schmidt, aaO, § 16 Rdn. 61; Kunz, FPR 1997, 189, 191; einschränkend aber ders., Rechtsmittelbelehrung durch die Zivilgerichte, 2000, S. 157 ff; für befristete Rechtsmittel nach der GBO: Demharter, GBO, 24. Aufl., § 1 Rdn. 53; Budde in Bauer /von Oefele, GBO, § 73 Rdn. 13; a.A. für Wohnungseigentumssachen: Bärmann /Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 44 Rdn. 122; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rdn. 646). Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG) besteht auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2095, 2096). Er gebietet eine Rechtsmittelbelehrung, wenn diese erforderlich ist, um unzumutbare Schwierigkeiten der Rechtsverfolgung im Instanzenzug , die durch die Ausgestaltung eines Rechtsmittels bedingt sind, auszugleichen. Solche können insbesondere dann gegeben sein, wenn - namentlich in Verfahren ohne Anwaltszwang - die Formerfordernisse des Rechtsmittels so kompliziert und schwer zu erfassen sind, daû nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber rechtzeitig Aufklärung verschaffen können (BVerfGE 93, 99, 108). Diese Voraussetzungen sind für die gemäû § 45 Abs. 1 WEG befristeten Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen erfüllt. Anders als bislang in den Klageverfahren des Zivilprozesses (vgl. BVerfGE 93, 99, 112; BGH, Beschl. v. 19. März 1997, XII ZB 139/96, NJW 1997, 1989; Greger, JZ 2000, 131 ff) kann den Rechtsuchenden hier nicht zugemutet werden, sich über die deutlich komplizierteren Rechtsmittelmöglich-
keiten und -erfordernisse zu erkundigen (ähnlich bereits Keidel, Rpfleger 1957, 173, 178; a.A. OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1979, 16, 18; OLG Köln, OLGR 1991, 403, 406; OLG Celle, NJW-RR 1999, 811, 812; OLG Hamburg, ZMR 2001, 845).
(1) Eine anwaltliche Vertretung ist in Wohnungseigentumssachen weder in erster Instanz noch im Beschwerdeverfahren vorgeschrieben. Für das Verfahren der weiteren Beschwerde ordnet § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG (mit Ausnahmen für Behörden und Notare in § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG) die Mitwirkung eines Rechtsanwalts bei Einlegung des Rechtsmittels an. Abgesehen davon, daû die anwaltliche Vertretung auch hier bei Einlegung der weiteren Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 29 Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 1 FGG) entbehrlich ist, wird damit eine sachkundige Beratung des Rechtsuchenden über die Formund Fristerfordernisse des beabsichtigten Rechtsmittels nicht sichergestellt. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, hat im Gegenteil der Anwaltszwang bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift für den Beteiligten, der bis zu dahin - auch bei Einlegung der Erstbeschwerde - ohne anwaltliche Vertretung handeln konnte, zunächst die Wirkungen eines überraschenden Formerfordernisses.
(2) Wegen der vom Gesetzgeber gewählten Regelungstechnik erschlieûen sich zudem für den Rechtsuchenden die maûgeblichen Vorschriften nur schwer. So verweist § 43 Abs. 1 WEG auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens auf die Regelungen im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, was zunächst den Eindruck vermitteln kann, für die Anfechtung seien die Beschwerde (§ 19 FGG) bzw. die weitere Beschwerde (§ 27 FGG) eröffnet. Tatsächlich enthält das Wohnungseigentumsgesetz in § 45
Abs. 1 WEG vorrangige Bestimmungen (vgl. § 43 Abs. 3 WEG), nach denen gegen End- und Zwischenentscheidungen des Amtsgerichts nur die sofortige Beschwerde und gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nur die sofortige weitere Beschwerde eröffnet ist. Für die Feststellung der danach einzuhaltenden Frist gibt das Wohnungseigentumsgesetz keinen Hinweis, so daû der Rechtsuchende nun wieder den Weg zu den allgemeinen Verfahrensregelungen für die freiwillige Gerichtsbarkeit (§ 22 Abs. 1 FGG) finden muû. Hierbei hat er jedoch als Sonderbestimmung für Wohnungseigentumssachen zu beachten , daû nach § 45 Abs. 1 WEG die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde und der sofortigen weiteren Beschwerde zusätzlich von dem Erreichen eines Beschwerdewertes von mehr als 750 ? abhängi g ist. Prüft der Rechtsuchende diese Voraussetzung, darf er nicht dem Miûverständnis erliegen, der Beschwerdewert bestimme sich nach dem festgesetzten Geschäftswert (vgl. Demharter, FGPrax 1995, 217 f; ders., WuM 2000, 43). Maûgeblich ist insoweit vielmehr das Änderungsinteresse des Beschwerdeführers, weshalb Geschäftswert und Beschwerdewert nicht notwendigerweise übereinstimmen müssen (Senat, BGHZ 119, 216, 218 f).
(3) Kompliziert sind aus der Sicht eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten auch die Vorschriften zur Einlegung der Rechtsmittel. Die Einlegung der (Erst-)Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Ausgangs- oder dem Beschwerdegericht (§ 21 Abs. 2 Satz 1 FGG) mag zwar noch den gängigen Vorstellungen entsprechen, für das grundsätzliche Erfordernis der Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt bei Einlegung der weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG) kann das jedoch - wie ausgeführt - nicht mehr gelten. Überdies erschlieût sich für den Rechtsuchenden aus der pauschalen Verweisung in § 29 Abs. 4 FGG auf die "Vorschriften über die Be-
schwerde" nicht ohne weiteres, daû die weitere Beschwerde auch durch Erklärung zu Protokoll des Ausgangsgerichts, des Beschwerdegerichts oder des Gerichts der weiteren Beschwerde eingelegt werden kann. Für einzelne Bundesländer gelten schlieûlich besondere Regelungen, die von § 28 Abs. 1 FGG, der "das Oberlandesgericht" als Gericht der weiteren Beschwerde bestimmt, abweichen. So ist nach § 199 Abs. 1 FGG für Bayern die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 BayAGGVG) und für Rheinland-Pfalz die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Zweibrücken (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 lit. a RhPfGerOrgG) vorgesehen.
bb) Angesichts der geschilderten Vorschriften ist das Rechtsmittelsystem in Wohnungseigentumssachen schon für die Anfechtung erstinstanzlicher End- und Zwischenentscheidungen, namentlich aber für die Anfechtung von Beschwerdeentscheidungen für den rechtsuchenden Bürger nur schwer überschaubar. Es ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was ihm etwa aus den Klageverfahren des Zivilprozesses bislang als herkömmlich vertraut sein mag. Damit erfordert auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung. Die ungleichen Rechtsfolgen, die aus den für andere Gerichtsbarkeiten vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrungen folgen, konnten bisher für Urteile über zivilrechtliche Klagen nur wegen des ausnahmslosen Anwaltszwangs im Rechtsmittelverfahren und der allgemeinen Kenntnis vom Rechtsmittelsystem gerechtfertigt sein (BVerfGE 93, 99, 111 f). An beidem fehlt es in Wohnungseigentumssachen. Verstärkt wird die durch keinerlei sachliche Gründe gerechtfertigte Ungleichbehandlung noch dadurch, daû der Gesetzgeber mit § 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG in einem Verfahren, das ebenfalls den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt, eine Rechtsmittelbelehrung vorgeschrieben hat (vgl. Staudinger/Wenzel, aaO, § 44 WEG Rdn. 50). Auf die zu
§ 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG entwickelten Grundsätze kann daher auch für die Bestimmung des erforderlichen Inhalts der Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen zurückgegriffen werden (vgl. Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 21 Rdn. 65 f). Zu belehren ist in schriftlicher Form über das Rechtsmittel selbst, über einzuhaltende Form- und Fristerfordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das Rechtsmittel einzulegen ist. Einer "Negativbelehrung" dahin, daû ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung nicht gegeben ist (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 2 ArbGG), bedarf es dagegen für die Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht.
cc) Unterbleibt - wie hier gegenüber dem Antragsgegner - die erforderliche Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen, so steht dies weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 1979, V BLw 33/78, LM § 6 HöfeO Nr. 22 für § 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG) noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen.
(1) Allerdings wird auch für die Fälle, in denen das Gesetz für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Rechtsmittelbelehrung vorschreibt, ohne die Folgen bei deren Unterbleiben zu regeln (§ 69 Abs. 1 Nr. 6, § 70 f Abs. 1 Nr. 4 FGG), die Auffassung vertreten, eine Rechtsmittelfrist beginne bei fehlender Rechtsmittelbelehrung nicht zu laufen (vgl. BayObLGZ 1999, 232; OLG Stuttgart, FamRZ 1996, 1342, 1343; Keidel/Kayser, aaO, § 69 Rdn. 9, § 70 f Rdn. 7). Diese Folge ergibt sich für andere gesetzliche Vorschriften, die eine Rechtsmittelbelehrung vorsehen, bereits unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG; § 58 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 1 SGG; § 55 Abs. 1 FGO), teilweise mit der Maûgabe, daû für den Fall der Zustellung einer Entscheidung ohne Rechtsmittelbelehrung ein gesonderter Beginn des Fristlaufs bestimmt ist
(vgl. § 21 Abs. 2 Satz 3 LwVG: fünf Monate nach Zustellung). Hieraus läût sich jedoch nichts für den vorliegenden, gesetzlich nicht geregelten Fall herleiten; denn der Rechtsordnung ist ein allgemeiner Grundsatz nicht zu entnehmen, nach dem das Fehlen einer erforderlichen Belehrung den Lauf einer Rechtsmittelfrist nicht in Gang setzen kann. So ordnet § 35 a StPO bei befristeten Rechtsmitteln die Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen an. Das Unterbleiben dieser Belehrung hindert jedoch den Lauf der Rechtsmittelfrist nicht (BGH, Beschl. v. 29. November 1983, 4 StR 681/83, NStZ 1984, 181; Löwe/Rosenberg /Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 35 a Rdn. 28; HKStPO/Lemke, 3. Aufl., § 35 a Rdn. 9). Das Gesetz eröffnet vielmehr über die unwiderlegbare Vermutung fehlenden Verschuldens (§ 44 Satz 2 StPO) für den Betroffenen die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, falls ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und der Fristversäumnis besteht (BGH, Beschl. v. 16. August 2000, 3 StR 339/00, NStZ 2001, 45). Ferner soll auch bei § 89 Abs. 2 GBO das Unterlassen der dort vorgesehenen Rechtsmittelbelehrung für den Beginn des Laufs der zweiwöchigen Beschwerdefrist ohne Bedeutung sein (KGJ 16, 322, 323; Demharter, aaO, § 89 Rdn. 7; KEHEKuntze , Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 89 GBO Rdn. 7; Meikel/Ebeling, Grundbuchrecht , 7. Aufl., § 89 Rdn. 7; a.A. aber Budde in Bauer/von Oefele, aaO, § 89 Rdn. 3).
(2) Auch die Tragweite des Grundrechts auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz, die der Senat bei Auslegung der Verfahrensvorschriften zu beachten hat (vgl. BVerfGE 88, 118, 125), erfordert in Wohnungseigentumssachen nicht, den Lauf der Fristen für die sofortige Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde von einer Rechtsmittelbelehrung abhängig zu machen. Die
unterbliebene Rechtsmittelbelehrung darf zwar nicht dazu führen, daû den Beteiligten der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfG, NJW 1996, 1811; 1997, 2941). Dies ist aber auch nicht der Fall, wenn trotz unterbliebener Rechtsmittelbelehrung von einem Beginn des Fristenlaufs ausgegangen wird. Dem Rechtsuchenden bleibt nämlich bei Ablauf der Anfechtungsfrist noch immer der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2 FGG), um sich den Weg in die Beschwerdeinstanzen zu eröffnen.
Für den Rechtsuchenden ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht unzumutbar. Selbst wenn wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung der Lauf der Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt worden wäre, hätte das an der Wirksamkeit der Entscheidung nichts geändert. Ihre Aufhebung kann der Beteiligte mithin in jedem Fall nur nach einer Anfechtung erreichen. Zusätzlich wird von ihm lediglich ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 22 Abs. 2 FGG verlangt. Dabei steht für einen schutzbedürftigen Beteiligten auûer Frage, daû die Voraussetzungen für den Erfolg dieses Antrages erfüllt sind. Es kann nämlich - entsprechend der § 44 Satz 2 StPO zugrundeliegenden Wertung des Gesetzgebers, fehlendes Verschulden zu fingieren, wenn eine unterlassene Rechtsmittelbelehrung keine fristhemmende Wirkung hat (vgl. BTDrucks. 7/551 S. 58) - auch zugunsten des Beteiligten in Wohnungseigentumssachen unwiderlegbar vermutet werden, daû er die Versäumung der Fristen für die sofortige Beschwerde oder die sofortige weitere Beschwerde bei fehlender Rechtsmittelbelehrung nicht verschuldet hat. Das gleichwohl bestehende Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis (vgl. BGH, Beschl. v. 16. August 2000, aaO, zu § 44
Satz 2 StPO) erlaubt es, insbesondere die Fälle von einer Wiedereinsetzung auszunehmen, in denen ein Beteiligter wegen ohnehin vorhandener Kenntnis zur effizienten Verfolgung seiner Rechte nicht der Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf (vgl. dazu BayObLG, ZWE 2001, 602, 603; zur Entbehrlichkeit einer Rechtsmittelbelehrung in Notarsachen wegen Rechtskenntnis der Beteiligten vgl. BGHZ 42, 390, 391 f; BGH, Beschl. v. 11. Dezember 1978, NotZ 3/78, DNotZ 1979, 373, 375; Beschl. v. 22. Juni 1981, NotZ 4/81, DNotZ 1982, 381). Ferner kann nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG (vgl. dazu BayObLG, NJW-RR 2001, 444, 445) bei anwaltlicher Vertretung eines Beteiligten dessen geringerer Schutzbedürftigkeit Rechnung getragen werden (vgl. Staudinger/Wenzel, aaO, § 45 WEG Rdn. 20). Dagegen wird der Rechtsuchende durch die Möglichkeit der Versäumung der zweiwöchigen Antragsfrist nicht erheblich benachteiligt. Deren Lauf beginnt erst dann, wenn das Hindernis für die Fristwahrung nicht mehr besteht oder sein Weiterbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. BGHZ 4, 389, 396); von diesem Zeitpunkt an ist der Beteiligte jedoch auch nicht mehr schutzbedürftig. Ebensowenig stellt für den Rechtsuchenden die einjährige Ausschluûfrist für die Wiedereinsetzung (§ 22 Abs. 2 Satz 4 FGG) eine unzumutbare Belastung dar. Das Rechtsstaatsprinzip erfordert nicht nur wirkungsvollen Rechtsschutz zugunsten des einzelnen Rechtsuchenden, sondern auch die Herstellung von Rechtssicherheit. Strittige Rechtsverhältnisse müssen in angemessener Zeit geklärt und verbindlich entschieden werden (vgl. BVerfGE 60, 253, 269). Diesem Ziel dient die Ausschluûfrist, die mit der verfassungsrechtlich unbedenklichen Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 24. September 1986, VIII ZB 42/86, VersR 1987, 256) übereinstimmt. Vergleichbare Ausschluûfristen von einem Jahr - wenngleich mit Ausnahmen für Fälle höherer Gewalt oder unzutreffender Belehrung über eine Unanfechtbar-
keit - sehen im übrigen auch die Vorschriften vor, die ausdrücklich den Fristbeginn von einer Rechtsmittelbelehrung abhängig machen (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG; § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO; § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG; § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Auch aus Sachgründen ist es geboten, daû in Wohnungseigentumssachen eine unterbliebene Rechtsmittelbelehrung keine Fristhemmung nach sich zieht. Ohne Ablauf der Rechtsmittelfrist erwächst eine gerichtliche Entscheidung nicht in formelle Rechtskraft. Es fehlt dann nicht nur eine das Verfahren abschlieûende, im Interesse von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit unanfechtbare gerichtliche Entscheidung, sondern wegen § 45 Abs. 3 WEG auch die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung. Das so begründete Fehlen eines Vollstreckungstitels kann der Schuldner über § 45 Abs. 3 WEG mit den im Zwangsvollstreckungsverfahren eröffneten Rechtsbehelfen - etwa mit der Erinnerung nach § 766 ZPO oder der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO (vgl. Staudinger/Wenzel, aaO, § 45 WEG Rdn. 85 f; Bärmann/ Pick/Merle, aaO, § 45 Rdn. 159) - jederzeit geltend machen. Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zu den Folgen fehlender Rechtsmittelbelehrungen lassen keinen allgemeinen Rechtsgedanken erkennen, mit dem eine etwa gleichwohl bestehende Unanfechtbarkeit begründet werden könnte. Selbst im Anwendungsbereich der Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden sich einerseits mit § 21 Abs. 2 Satz 3 LwVG, der lediglich einen verzögerten Beginn der Rechtsmittelfrist vorsieht und auf diese Weise zu einer formell rechtskräftigen Entscheidung führen kann, und anderseits mit § 69 Abs. 1 Nr. 6, § 70 f Abs. 1 Nr. 4 FGG, die im Sinne einer andauernden Fristhemmung verstanden werden, gegenläufige Bestimmungen.

c) Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG). Der anwaltlich nicht vertretene Antragsgegner war ohne sein Verschulden gehindert, die Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluû des Beschwerdegerichts zu wahren. Hierbei sind die Umstände, aus denen sich der Wiedereinsetzungsgrund herleitet, aktenkundig. Über die Formerfordernisse für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde war der Antragsgegner nicht informiert. Nachdem er bereits den Beschluû des Amtsgerichts durch eine von ihm unterschriebene Beschwerdeschrift in zulässiger Weise angefochten hatte, ging er davon aus, daû für die Anfechtung der Entscheidung des Beschwerdegerichts nichts anderes gelten könne. Dies und das Nachholen des Rechtsmittels in der vorgeschriebenen Form alsbald nach den gerichtlichen Hinweisen belegt die Ursächlichkeit der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung für die Fristversäumung. Sein fehlendes Verschulden ist den Umständen nach zu vermuten.

IV.


Der Senat beschränkt seine Entscheidung auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu zwingt allerdings nicht die Begrenzung des Vorlagebeschlusses auf diese Frage. Mit der zulässigen Vorlage ist die Entscheidung über die weitere Beschwerde im ganzen auf den Bundesgerichtshof übergegangen. Der Senat hat deshalb nicht nur über die streitige Rechtsfrage zu entscheiden , sondern an Stelle des vorlegenden Gerichts nach jeder Richtung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu prüfen, ob der mit der sofortigen weiteren Beschwerde angefochtene Beschluû des Landgerichts auf einer Ver-
letzung des Rechts beruht (vgl. Senat, BGHZ 47, 41, 46; 64, 194, 200). Von der Entscheidungszuständigkeit des Senats wird auch die Entscheidung über die Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand umfaût (vgl. BGH, Beschl. v. 30. September 1971, VII ZB 14/71, NJW 1972, 52, 53).
Allerdings kann auch bei Anwendung des § 22 Abs. 2 FGG das Verfahren zunächst auf den Wiedereinsetzungsantrag beschränkt werden (vgl. Jansen , FGG, 2. Aufl., § 22 Rdn. 28; Keidel/Kahl, aaO, § 22 Rdn. 39). Der Senat macht von dieser Möglichkeit im Hinblick auf die vom vorlegenden Gericht angestellten Erwägungen Gebrauch. Die Verfahrenslage ist damit vergleichbar mit der bei Verbindung mehrerer selbständiger Verfahrensgegenstände, bei der vom Bundesgerichtshof ebenfalls nur der zur Vorlage führende Verfahrensgegenstand vollständig zu erledigen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. Januar 1985, V ZB 5/84, NJW 1985, 3070, 3071).
Im Rahmen seiner Entscheidung über das Rechtsmittel des Antragsgegners wird das vorlegende Gericht auch über die Kosten der Wiedereinsetzung zu befinden haben (vgl. BGH, Beschl. v. 31. Januar 1979, IV ZB 44/78, VersR 1979, 443, 444).
Wenzel Krüger Klein Lemke Gaier
8
b) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Vollstreckungsgericht keine Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Eine solche Belehrung sieht weder das Zwangsversteigerungsgesetz noch die grundsätzlich auch im Zwangsversteigerungsverfahren anwendbare Zivilprozessordnung (§ 869 ZPO) vor. Allerdings hat der Senat eine dahingehende Verpflichtung für das frühere – von dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beherrschte – WEG-Verfahren unmittelbar aus der Verfassung unter dem Blickwinkel des Anspruchs der Rechtssuchenden auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG) hergeleitet (BGHZ 150, http://www.juris.de/jportal/portal/t/xqf/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027603301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/xqf/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE027603301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - 390, 393 ff.; ebenso für das gesamte Verfahren FGG-Verfahren nunmehr OLG Hamm, OLGR 2003, 302 ff.). Ob eine solche Verpflichtung zur Rechtsmittelbelehrung auch für das Zwangsversteigerungsverfahren anzunehmen ist, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Unterbleibt nämlich eine von der Verfahrensordnung nicht vorgesehene, aber gleichwohl von Verfassungs wegen gebotene Rechtsmittelbelehrung, hindert dies nicht den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist. Vielmehr ist der Rechtssuchende in solchen Fällen auf den Weg der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen. Dabei kommt ihm – entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 44 Satz 2 StPO – die unwiderlegliche Vermutung zugute, dass ihn an der Versäumung der Rechtsmittelfrist kein Verschulden trifft, sofern der Belehrungsmangel für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist (Senat, BGHZ, aaO., 397 ff.).
11
1. Weil der Schuldner an dem Versteigerungstermin vom 4. Juni 2008 teilgenommen hat, begann die Beschwerdefrist ihm gegenüber gemäß § 98 Satz 2 ZVG mit der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses am 11. Juni 2008. Die Frist endete gemäß § 96 ZVG, §§ 569 Abs. 1, 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des 25. Juni 2008. Die am 26. Juni 2008 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde ist daher verspätet. Daran ändert es nichts, dass der Schuldner über Form und Frist des gegen den Zuschlagsbeschluss eröffneten Rechtsmittels nicht belehrt worden ist (vgl. schon Senat, Beschluss vom 28. Februar 2008, V ZB 107/07, NJW-RR 2008, 1084, 1085).

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.