Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZB 113/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.200.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Sachentscheidung auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 2
- Die Frage, welche Anforderungen an die Bejahung der Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das Insolvenzgericht zu stellen sind, erfordert nicht die Aufstellung neuer Leitsätze zur Fortbildung des Rechts. Sie ist nach einhelliger Meinung dahin zu beantworten, dass sich das Insolvenzgericht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen eine persönliche Überzeugung zu verschaffen hat, die dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO entspricht (MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 5 Rn. 54; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 5 Rn. 19; Jaeger/Gerhardt, InsO § 5 Rn. 13; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 5 Rn. 5).
- 3
- Dieses Beweismaß hat das Beschwerdegericht ersichtlich zugrunde gelegt. Seine Formulierung, es bestünden "hinreichende Anhaltspunkte" dafür, dass im Zeitpunkt der Antragstellung der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses des Schuldners im Bezirk des Amtsgerichts Göttingen und nicht im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats lag, ist im Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Beschwerdegerichts nicht dahin zu verstehen, dass das Beschwerdegericht sich mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit begnügen wollte, der unter der Schwelle der persönlichen Gewissheit des § 286 ZPO liegt. Eine Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist daher auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
- 4
- Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht den Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die Begründung der Entscheidung setzt sich zwar nicht ausdrücklich mit dem Vortrag auseinander , der Schuldner sei auch Gesellschafter zweier Gesellschaften in Schleswig-Holstein und Präsident einer Aktiengesellschaft in der Schweiz. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Beschwerdegericht diese Umstände nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat (BVerfGE 86, 133, 145 f; 96, 205, 216 f; BGHZ 154, 288, 300).
- 5
- die Ob Klärung der Frage der Zuständigkeit in Fällen, in denen der Schuldner mehreren Tätigkeiten als Gesellschafter an verschiedenen Orten nachgeht, grundsätzliche Bedeutung hat, kann offen bleiben. Sie betrifft, soweit vom Schuldner dargelegt, die örtliche und nicht die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Die Rechtsbeschwerde kann aber nicht darauf gestützt werden, dass das Insolvenzgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, wenn der Schuldner - wie hier - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreichend Gelegenheit hatte, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 2004 - IX ZB 24/04, NZI 2005, 184; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 3 Rn. 32 m.w.N.).
Vorinstanzen:
AG Göttingen, Entscheidung vom 02.01.2008 - 74 IN 28/07 NOM -
LG Göttingen, Entscheidung vom 02.04.2008 - 10 T 41/08 -
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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.
(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.
(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.
(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.