Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - III ZR 363/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Böttcher
beschlossen:
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten ihrer Streithelfer, die diese selbst zu tragen haben.
Streitwert: 116.455,61 €
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld unter dem Vorwurf, sie habe ein unrichtiges aussagepsychologisches Gutachten in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs seiner damaligen Pflegetochter erstellt. Das Landgericht hat die materiellen Schadensersatzansprüche des Klägers (Zahlungsanspruch ge- mäß Klageantrag zu 1) gemäß § 839a BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Beklagte - unter Abweisung des diesbezüglich weitergehenden Klageantrags - zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 50.000 € verurteilt. Des Weiteren hat es den Feststellungsanträgen des Klägers (bezogen auf künftige und weitere Schäden) stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Anschlussberufung des Klägers - unter gleichzeitiger Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds von 10.000 € (also: insgesamt 60.000 €) verurteilt.Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
- 2
- 1. Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.
- 3
- a) Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Gutachten der Beklagten und dem Strafurteil gegen den Kläger einen fehlerhaften Maßstab angelegt, greift nicht durch.
- 4
- b) Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-) ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und ob der entstandene Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beein- flusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende Kausalität).
- 5
- aa) Die (Mit-)Ursächlichkeit des Gutachtens der Beklagten für die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers kommt hinreichend deutlich darin zum Ausdruck, dass sich die Jugendkammer ausdrücklich auf dieses Gutachten gestützt hat.
- 6
- bb) Die darüber hinausgehenden Ausführungen des Berufungsgerichts betreffen die Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf das vom unrichtigen Gutachten der Beklagten beeinflusste Strafurteil zurückzuführen ist, und somit die haftungsausfüllende Kausalität. Hierfür ist maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dies entspricht wohl allgemeiner Auffassung (s. etwa BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rn. 58 [Stand 1. April 2018]; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 35. Kapitel Nr. 7 Rn. 11; MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 31 und 41). In seinem Urteil vom 11. März 2010 (III ZR 124/09, VersR 2010, 811) hat der erkennende Senat zugrunde gelegt, dass, wenn es für die Frage der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankomme, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen (aaO S. 813 Rn. 11). Für die an § 839 BGB angelehnte Haftung nach § 839a BGB kann insoweit nichts anderes gelten. Die abweichende Einschätzung von Mäsch (AnwBl 2009, 855, 858) ist, soweit ersichtlich , vereinzelt geblieben.
Reiter Böttcher
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.01.2015 - 3 O 295/13 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 23.11.2017 - 4 U 26/15 -
moreResultsText
Annotations
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.