Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2017 - II ZR 123/16

bei uns veröffentlicht am20.06.2017
vorgehend
Landgericht München I, 3 O 11195/15, 16.10.2015
Oberlandesgericht München, 23 U 4187/15, 11.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 123/16
vom
20. Juni 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:200617BIIZR123.16.0

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2017 durch den Richter Prof. Dr. Drescher als Vorsitzenden, die Richter Wöstmann, Born und Dr. Bernau sowie die Richterin Grüneberg
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. April 2016 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Streitwert: bis 19.000 €

Gründe:

1
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen seiner Beteiligung an der E. P. M. GmbH & Co. KG IV aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch und verlangt - soweit für die Festsetzung des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer von Bedeutung - die Zahlung von 10.388,88 € sowie die Feststellung der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen , die ihm durch die Zeichnung seiner Beteiligung entstanden sind und noch entstehen werden.
2
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 9. November 2005 als Treugeber mit der Mindesteinlage von 20.000 € zzgl. Agio i.H.v. 3 % an der Kommanditgesellschaft. Er zahlte lediglich 50 % der Einlage, mithin also 10.000 €, ein und leistete am 11. Dezember 2012 eine weitere Zahlung in Höhe von 388,88 € für den Rückkauf einer Inhaberschuldverschreibung. Die Beklagte war bis zum 1. August 2011 Mittelverwendungskontrolleurin und Treuhandkommanditistin.
3
Das Landgericht hat die Beklagte weitgehend antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht im Beschlusswege zurückgewiesen.
4
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer liegt nicht über dem gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Mindestbetrag von 20.000 €. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist keinen höheren Wert glaubhaft gemacht.
5
1. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang erstreben will, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt. Maßgebend für die Bewertung der Beschwerder Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - II ZR 156/13, NZI 2014, 357 Rn. 9). Der Senat ist an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 8. November 2016 - II ZR 8/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 6. Dezember 2010 - II ZR 99/09, juris Rn. 3).
6
2. Durch die Verurteilung zur Zahlung ist die Beklagte in Höhe von 10.388,88 € beschwert. Der Wert der Beschwer durch die Feststellung der Freistellungsverpflichtung beträgt nicht mehr als 8.480 €.
7
a) Bei dem Freistellungsantrag handelt es sich um einen (positiven) Feststellungsantrag. Entscheidend für die Bemessung seines Werts ist, in welcher Höhe die Beklagte mit einer (späteren) Inanspruchnahme durch den Kläger rechnen muss. Sodann ist nach ständiger Rechtsprechung ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - III ZR 300/15, juris Rn. 10).
8
b) Nach der Behauptung des Klägers bestehen aufgrund der Beteiligung gegen ihn gerichtete Forderungen in Höhe der noch ausstehenden 50 % der zu erbringenden Einlage zuzüglich Agio, mithin in Höhe von maximal 10.600 €. Nur bis zu dieser Höhe muss der Kläger mit einer Inanspruchnahme rechnen, sei es durch die Fondsgesellschaft zur Aufbringung der hälftig ausstehenden Einlage zzgl. Agio, oder sei es durch Gesellschaftsgläubiger gemäß § 171 Abs. 1 HGB. Eventuelle Zahlungen an Gesellschaftsgläubiger kämen im Ergebnis einer Einlageleistung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2015 - II ZR 403/13, BGHZ 207, 54 Rn. 24; siehe auch Staub/Thiessen, HGB, 5. Aufl. § 171 Rn. 99 ff. mwN). Nach Abzug von 20 % verbleiben 8.480 €. Eine darüber hin- ausgehende Beschwer der Beklagten aus der Feststellung ihrer Verpflichtung, den Kläger freizustellen, hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht dargelegt.
Drescher Wöstmann Born Bernau Grüneberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.10.2015 - 3 O 11195/15 -
OLG München, Entscheidung vom 11.04.2016 - 23 U 4187/15 -

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(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. (2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so

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aa) Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BGH, Beschluss vom 27. August 2008 - VI ZR 78/07, VersR 2009, 279 Rn. 3; Beschluss vom 24. Februar 2011 - II ZR 288/09, juris Rn. 1; Beschluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 141/10, VersR 2012, 204 Rn. 5). Neue Tatsachen können für die Wertbemessung nur soweit von Bedeutung sein, als sie bereits zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht relevant sind.
5
d) Die abweichende Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts im Berufungsverfahren bindet den Senat nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - XII ZR 8/13, NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8).
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2. Die sich hieraus ergebende Beschwer des mit allen Anträgen unterlegenen Klägers entspricht seinem nach § 3 ZPO zu bemessenden Interesse an der Bestellung eines Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl und an der Kandidatur einer Liste der Beklagten bei dieser Wahl bzw. seinem Interesse an der Einberufung einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Betriebsgruppenvorstands. Dieses Interesse hat das Berufungsgericht bei der Festsetzung des Streitwerts in Anwendung von § 48 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO insgesamt mit 4.000 € bewertet. Zwar ist der Senat an die Bewertung des Berufungsgerichts nicht gebunden (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2004 - XII ZR 110/02, MDR 2005, 228). Sie ist aber - auch mit Blick auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG - unter den hier gegebenen Umständen des Falles angemessen.
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aa) Nach dem Vorbringen des Klägers in der Klageschrift bezieht sich die Freistellungsverpflichtung auf den noch nicht erbrachten Teil des Anlagebetrags in Höhe von 10.000 €. Davon ist der bei positivenFeststellungsklagen übliche Abschlag von 20 Prozent abzusetzen, was die Vorinstanzen allerdings überse- hen haben. Es verbleiben demnach 8.000 € als zu berücksichtigende Be- schwer.

(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

(2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter ausgeübt.

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Hinzu kommt, dass der Beklagte jedenfalls nicht schlechter steht, als wenn die Zedenten die Zahlungen nicht geleistet hätten und die Gesellschaft in die Insolvenz geraten wäre. Wäre es zur Insolvenz gekommen, hätte der Beklagte summenmäßig begrenzt durch die Höhe seiner (Haft-)Einlage nach Maßgabe der §§ 171 f. HGB mittelbar durch Freistellung der nach § 171 HGB haftenden Treuhänderin für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen müssen. Abgesehen davon wird der Beklagte, sofern er den geforderten Ausgleich leistet, in dieser Höhe von der ihn - wenn auch nur mittelbar - nach §§ 171 f. HGB treffenden Außenhaftung befreit, weil die Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeiten in Höhe des gezahlten Betrages ihm zuzurechnen ist. Befriedigt ein (mittelbarer) Kommanditist einen Gesellschaftsgläubiger, ist in diesem Umfang seine nach § 171 Abs. 1 HGB summenmäßig beschränkte (mittelbare ) Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern insgesamt erschöpft (vgl. Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 171 Rn. 37, 76). Angesichts dessen ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Beklagten nicht zumutbar sein sollte, sich in den von §§ 171 f. HGB vorgegebenen Grenzen mittelbar an der Tilgung der Gesellschaftsschulden zu beteiligen und den zahlenden Treugebern anstelle der entsprechend dem Gesellschaftskonzept an der Sanierung nicht beteiligten Treuhänderin anteiligen Ausgleich zu leisten.