Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2008 - I ZB 101/06

bei uns veröffentlicht am09.04.2008
vorgehend
Landgericht Hamburg, 312 O 934/05, 23.05.2006
Hanseatisches Oberlandesgericht, 5 U 118/06, 08.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 101/06
vom
9. April 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Ein Rechtsanwalt kann die einfach zu erledigende Aufgabe der Übermittlung
eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax seinem geschulten und zuverlässig
arbeitenden Büropersonal überlassen. Er braucht die Ausführung der
erteilten Weisung nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren.
BGH, Beschl. v. 9. April 2008 - I ZB 101/06 - OLG Hamburg
LGHamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert,
Dr. Bergmann und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 8. November 2006 aufgehoben. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 75.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das Landgericht hat die auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit dem am 23. Mai 2006 verkündeten Urteil abgewiesen. Gegen das ihr am 26. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006, der am 28. Juni 2006 im Original bei der Gemeinsamen Annahmestelle beim Amtsgericht Hamburg eingegangen ist, Berufung eingelegt. Im Adressfeld trägt der Schriftsatz den fettgedruckten Zusatz „Vorab per Telefax: 040 ... “. Nach Darstellung der Klägerin ist eine Vorabversendung der Berufungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht nicht erfolgt. Obwohl ein Sendebericht hinsichtlich der Versendung der Berufungsschrift an das Berufungsgericht nicht vorlag, wurde die Berufungsfrist im Fristenkalender von der für die Fristenkontrolle zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten des Prozessbevollmächtigten gestrichen.
2
Die Klägerin hat am 3. Juli 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die unterbliebene Vorabversendung der Berufungsschrift beruhe weder auf einem eigenen noch auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten , sondern auf einem individuellen Fehler einer ansonsten zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese habe die Berufungsschrift versehentlich nicht vorab per Telefax an das Berufungsgericht gesandt. Entgegen der allgemeinen Kanzleianweisung habe sie vor Streichung der Berufungsfrist auch keinen Abgleich mit einem Faxprotokoll vorgenommen.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
4
II. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation müsse sichergestellt werden, dass die angeordnete Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax auch tatsächlich ausgeführt werde. Denkbar sei eine Anweisung des Prozessbevollmächtigten , dass Faxprotokolle über die erfolgte Versendung fristwahrender Schriftsätze ihm stets persönlich vorgelegt werden müssten. Daran fehle es in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die weitergehende Kontrolle durch den Prozessbevollmächtigten einer Partei müsste zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der fristwahrende Schriftsatz erst am letzten Tag der Notfrist erstellt und an einen anderen Ort in Deutschland versandt werden solle.
5
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
6
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip), und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG, Kammerbeschl. v. 14.12.2001 - 1 BvR 1009/01, NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschl. v. 9.11.2005 - XII ZB 270/04, FamRZ 2006, 192). Dies bedeutet, dass einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden darf, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste (BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze überspannt.
8
a) Die Einhaltung der Berufungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax mittels einer allgemeinen Kanzleianweisung verfügt. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung kann der Rechtsanwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936; Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Er braucht die Ausführung der erteilten Weisung nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (BGH NJW 2004, 367, 368).
9
Werden in dieser konkreten Situation weitere Sicherungsvorkehrungen von dem Prozessbevollmächtigten verlangt, führt dies zu einer Überspannung der gebotenen Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle unmittelbar nach Durchführung der Weisung bestehen. Dies kann allenfalls ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist (BGH NJW 2004, 367, 368). Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt.
10
b) Ebenso wenig beruht die Streichung der Berufungsfrist im Fristenkalender auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin besteht in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung, alle fristwahrenden Schriftsätze nach ihrer Unterzeichnung vorab per Telefax an das jeweils zuständige Gericht zu schicken. Anhand des Sendeberichtes ist dann zu prüfen, ob die Sendung vollständig beim richtigen Empfänger angekommen ist. Erst nach einer Kontrolle des Faxprotokolls darf die Frist im Fristenkalender gelöscht werden. Damit ha- ben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, dass Fristen im Fristenkalender erst dann gestrichen oder mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519; Beschl. v. 18.7.2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Tz. 6 m.w.N.). Die weisungswidrige Außerachtlassung der maßgeblichen Anordnungen durch eine bis dahin beanstandungsfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte braucht sich die Klägerin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen zu lassen.
11
c) Der Umstand, dass der fristwahrende Schriftsatz erst am letzten Tag der Berufungsfrist erstellt wurde, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall ebenfalls keine andere Beurteilung. Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat zwar wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschl. v. 23.4.1998 - I ZB 2/98, NJW 1998, 2677, 2678; Beschl. v. 23.6.2004 - IV ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1502; Beschl. v. 9.5.2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Tz. 8). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt daher nicht in Betracht, wenn von dem Rechtsanwalt nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (BGH NJW 2006, 2637 Tz. 8). Die bei Ausnutzung einer Frist bis zum Ablauf des letzten Tages aufzuwendende erhöhte Sorgfalt geht aber nicht so weit, dass die Partei bzw. ihr Prozessbevollmächtigter damit rechnen muss, dass eine den Anforderungen genügende allgemeine Weisung von einer bis dahin zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten weisungswidrig nicht ausgeführt wird.
12
d) Der Umstand, dass die auf dem Berufungsschriftsatz vermerkte Telefaxnummer des Berufungsgerichts unrichtig ist, ändert an der Beurteilung nichts. Denn es ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - wenn sie den Berufungsschriftsatz per Telefax übermittelt hätte - auf den Fehler aufmerksam geworden wäre. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin sind die Kanzleimitarbeiter ihrer Prozessbevollmächtigten angewiesen, die Telefaxnummer anhand einer Liste abzugleichen, auf der die zutreffenden Nummern vermerkt sind. Auch insoweit sind die organisatorischen Vorkehrungen mithin ausreichend.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 23.05.2006 - 312 O 934/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.11.2006 - 5 U 118/06 -

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 270/04
vom
9. November 2005
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. November 2004 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 2.740 €.

Gründe:


I.

1
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen das ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 30. Juni 2004 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004, beim Oberlandesgericht eingegangen am 14. Juli 2004, Berufung eingelegt. Eine Begründung des Rechtsmittels ist bis zum Ablauf der bis zum 20. September 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht eingegangen. Am 13. Oktober 2004 hat er - per Telefax - eine Berufungsbegründung eingereicht, in der als Datum der 16. September 2004 angegeben ist. Gleichzeitig hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen: Die Überwachung von Notfristen sei im Büro seiner Rechtsanwältin so organisiert, dass die zuständige Bürovorsteherin B. mit der Zusendung der eingehenden Post die Rechtsmittelfristen oder andere Fristen vermerke und den Vorgang an die zuständige Büroangestellte weiterleite. Diese Fristen würden ebenfalls im Fristenkalender und zusätzlich im Computer jeweils mit Vorfrist und Fristablauf notiert. Zusätzlich werde eine Eintragung der Frist im Kalender der jeweiligen Handakte vorgenommen. Bei Ablauf der Vorfrist werde die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem auffälligen Vermerk vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufs werde die Sache auf Erledigung überprüft und, wenn sie noch nicht erledigt sei, noch einmal mit einem auffälligen Aufkleber "heute Fristablauf" in der gleichen Weise vorgelegt. Zum Büroschluss werde weiter kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Die Eintragung und die Kontrolle der Fristen obliege der Bürovorsteherin B. Im vorliegenden Fall habe sie zwar richtig die Vor- und Hauptfrist notiert, doch versehentlich die Frist vom 20. September 2004 gestrichen, obwohl sie nicht kontrolliert habe, ob die Berufungsbegründungsschrift fristgerecht abgesandt worden sei. Diese sei nach dem Diktat am 16. September 2004 gefertigt und in die normale Post gegeben , jedoch nicht sicherheitshalber per Telefax versandt worden. Die Bürovorsteherin habe nach der Fertigung des Schriftsatzes eine Abschrift in der Akte abgeheftet, das Original zur Post gegeben und den Fristablauf vom 20. September bereits am 16. September gestrichen, obwohl nicht sichergestellt gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsschrift auch am 20. September 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangen sei.
3
Zur Glaubhaftmachung des tatsächlichen Ablaufs hat der Beklagte eine eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin B. vorgelegt, in der es hinsichtlich der Büroorganisation heißt, der Bürovorsteherin seien die Vorschriften der Kanzlei über die Behandlung von Fristen bekannt.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5
Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 der Bestimmung nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
7
a) Die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen liegen hier nicht vor.
8
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich, wenn das Berufungsgericht bei der Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung indessen nicht.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten , durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschlüsse vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1 und vom 22. Oktober 1986 - IVb ZB 89/86 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelbegründung 1; BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 13). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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3. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nicht auszuschließen, dass die Fristversäumung auf einer fehlenden wirksamen Ausgangskontrolle hinsichtlich fristwahrender Schriftsätze in der vom Beklagten beauftragten Rechtsanwaltskanzlei beruhe. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Der Beklagte hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist weder von ihm selbst noch von seinem Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verschuldet worden ist. Dass die Fristen- und insbesondere die Ausgangskontrolle in dem Büro der erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten in einer den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Weise organisiert waren, lässt sich der eidesstattlichen Versicherung der Bürovorsteherin B. nicht entnehmen. Denn in dieser werden die diesbezüglichen Vorschriften der Kanz- lei nicht im Einzelnen dargelegt. Damit kann nach den allein glaubhaft gemachten Tatsachen aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Fristversäumnis verhindert worden wäre, wenn eine wirksame Ausgangskontrolle bestanden hätte.
Hahne Sprick Weber-Monecke Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Herne-Wanne, Entscheidung vom 08.06.2004 - 3 F 404/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.11.2004 - 3 UF 332/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 38/02
vom
11. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung
erteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichnete
Rechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die Angestellte
aber aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.
BGH, Beschluß vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - OLG Jena
LG Gera
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 95.743,64

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem Beklagten im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 VVG Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen; zwei Tage später das Original. Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mit dem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von
Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das Oberlandesgericht die Pro- zeßbevollmächtigten des Klägers am 9. oder 10. April 2002 hin. Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einem Versehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W. habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten H. unterzeichnet und diese angewiesen , den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Da Frau H. auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postalische Übersendung an das Oberlandesgericht habe fertigen sollen, habe sie weitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. Anschließend habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes Exemplar übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es versäumt , sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung auf Unterzeichnung zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der Unterzeichnung nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstücke von den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005). 1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluß des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB
56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmäch- tigte des Klägers hatte der Auszubildenden H. konkret aufgetragen, die von ihm in ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden. Hätte Frau H. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten H. steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht entgegen. Einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - VersR 1994, 955). Zwar trägt ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Zur Erfüllung seiner Pflicht darf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestellten übertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - VersR 1982, 190). Das gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - VersR 1994, 1494 f. und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine einfache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende Auszubildende beauftragt werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und
eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - VersR 1995, 238, 239; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - VersR 1996, 910 und vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Rechtsanwalts W. und der Auszubildenden H. glaubhaft gemacht hat. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeichnung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) Berufungsschrift nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Die Unterzeichnung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat Frau H. weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten ausgedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen und rechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars genügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung nicht.
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender Ausgangskontrolle , weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht von den zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt würden. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchen Trennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanweisung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre und sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 5/00
vom
29. Juni 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 233 Fb, 85 Abs. 2
Einer Partei kann nicht angelastet werden, daß im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten
nicht eine doppelte Fristenkontrolle stattfindet.
BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - VII ZB 5/00 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2000 durch die
Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Wendt

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Januar 2000 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 23. August 1999 (7 O 427/98) gewährt.

Gründe:


I.

Die Beklagte ist mit Urteil des Landgerichts vom 23. August 1999 zur Zahlung von Vorschuß wegen Baumängel verurteilt worden. Sie hat gegen das am 15. Oktober 1999 zugestellte Urteil am 18. November 1999 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung der Wiedereinsetzung haben die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten glaubhaft gemacht:
Für die Notierung von Berufungsfristen sei seit Jahren nur die gewissenhafte , zuverlässige Sekretärin B. zuständig. Sie habe die Aufgabe, im Fristenkalender die Berufungsfrist mit Vorfristen zu notieren, die Notierung durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Urteil zu dokumentieren und die Sache anschließend rechtzeitig vor Fristablauf der Sekretärin des sachbearbeitenden Anwalts zur Bearbeitung vorzulegen. Ferner sei sie angewiesen, vor Verlassen des Büros die Fristen im Fristenkalender zu kontrollieren und erst zu streichen, wenn sie sich davon überzeugt habe, daß sie erledigt seien. Ausweislich des Fristenkalenders sei der Ablauf der Berufungsfrist mit zwei Notfristen vom 8. November und 12. November 1999 korrekt auf den 15. November 1999 notiert worden. Aus der Streichung der Fristen vom 8. und 11. November ergebe sich, daß B. die Sache der Anwaltssekretärin K. vorgelegt habe. Diese habe es unterlassen, die Akten dem Berufungsanwalt vorzulegen, vermutlich deswegen, weil sie wegen Ausscheidens eines Anwalts zusätzliche Arbeiten zu erledigen hatte. Dies allein habe noch nicht zur Versäumung der Berufungsfrist führen können. Hinzu komme, daß B. es weisungswidrig versäumt habe, am 15. November 1999 vor Verlassen des Büros die Frist zu kontrollieren. Im Fristenkalender sei die Berufungsfrist nicht gestrichen worden. Die Fristenkontrolle gehöre seit 1992 zu den wichtigsten Aufgaben von B.. Es sei bisher niemals zu Versäumnissen gekommen. Das einmalige Fehlverhalten von B. sei nur damit zu erklären, daß sie damals Eheprobleme gehabt habe, die ihren Vorgesetzten nicht bekannt gewesen seien. Sie habe wohl deswegen am 15. November 1999 nach Feierabend das Büro verlassen, ohne sich zuvor zu vergewissern, daß die Berufung in der vorgemerkten Frist gefertigt worden sei. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Berufung "zurückgewiesen". Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Beklagte war ohne Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es liege ein Organisationsverschulden darin, daß die Anwaltssekretärin keinen eigenen Fristenkalender führe. Es sei daher aus organisatorischen Gründen nicht ausgeschlossen, daß die Akten dem Anwalt nicht fristgerecht vorgelegt würden. Da die Durchsicht des Fristenkalenders erst abends erfolge, sei es nicht ausgeschlossen, daß die Sekretärin B. weder die Sekretärin des sachbearbeitenden Anwalts noch diesen selbst mehr erreiche. Den individuellen Fehlern der Angestellten hätten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entgegenwirken müssen. Die eigene Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts sei erhöht, wenn Störungen in der Organisation des Büros auftreten. Bei den mitgeteilten personellen Problemen sei es notwendig gewesen , daß der Anwalt delegierte Aufgaben, wie zum Beispiel die Fristenkontrolle, wieder an sich ziehe. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, wann sie die Anwälte beauftragt habe, Berufung einzulegen. Wäre eine entsprechende Bitte an ihre Anwälte erfolgt, wären die Handakten außerhalb der notierten Fristen dem Anwalt vorgelegt worden, der rechtzeitig vor Fristablauf die Berufung hätte einlegen können. 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Fristversäumung beruht auf einem Fehlverhalten der Angestellten der Prozeßbevollmächtigten
der Beklagten und nicht auf einem zurechenbaren Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO).
a) Der Beklagten kann nicht angelastet werden, daß im Büro ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht zwei Fristenkalender geführt wurden. Es ist ausreichend , zur Beachtung der Fristen einen Fristenkalender zu führen. Der Fristenkalender wurde hier auch ordnungsgemäß geführt. Die Wahrung der Fristen ist dadurch doppelt abgesichert, daß Vorfristen und Ablauffristen eingetragen werden und die allein zuständige Sekretärin B. angewiesen ist, diese Fristen nur zu streichen, wenn sie sich persönlich überzeugt hat, daß der fristgebundene Vorgang erledigt ist.
b) Das Berufungsgericht mißt dem Vortrag der Beklagten falsche Bedeutung zu, die Sekretärin B. sei angewiesen, sich vor Verlassen des Büros zu vergewissern, daß alle im Fristenkalender vermerkten Fristen erledigt seien; denn damit wird nicht, worauf die Beklagte zulässig in der Begründung der sofortigen Beschwerde hinweist, zum Ausdruck gebracht, daß die Fristenkontrolle nur zum Ende der täglichen Dienstzeit erstmalig vorgenommen wird. Der Vortrag ist vielmehr dahin zu verstehen, daß für die Sekretärin die Weisung bestand , den Fristenkalender vor ihrem Dienstschluß (um 17 Uhr) noch einmal durchzugehen, um zu kontrollieren, ob keine Frist übersehen wurde. Unzutreffend ist auch, daß zu diesem Zeitpunkt kein zur Abfassung einer Berufung bereiter Rechtsanwalt mehr erreichbar wäre. Denn nach dem Beschwerdevorbringen verlassen die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten das Büro üblicherweise nicht vor 19 Uhr. Ein Berufungsanwalt kann jederzeit verständigt werden.
c) Nicht gefolgt werden kann der auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 26. August 1999 - VII ZR 12/99, NJW 1999, 3783 =
EBE 1999, 338 = MDR 1999, 1411) gestützten Ansicht, die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten habe wegen des Ausscheidens eines Rechtsanwalts und privater persönlicher Probleme der Sekretärin eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen. Von den privaten Problemen der Sekretärin B. haben diese erst erfahren , als B. nach Versäumung der Berufungsfrist zur Rede gestellt wurde. Die Beklagte hat das Fehlverhalten der Angestellten auch nicht damit begründet, daß das Personal drastisch reduziert oder chronisch überlastet war. Sie hat nur die Vermutung geäußert, daß die Anwaltssekretärin K. wegen des Ausscheidens eines Kollegen mehr als üblich belastet war. Insofern handelte es sich nach der Begründung der sofortigen Beschwerde um eine Mehrbelastung, die nicht über die in einer Anwaltskanzlei urlaubs- und saisonbedingt üblicherweise auftretenden Schwankungen des Arbeitsausfalls hinausgeht. Besondere organisatorische Maßnahmen waren daher nicht erforderlich. Das Versehen der Anwaltssekretärin hätte zudem nicht zur Fristversäumung geführt, wenn die Sekretärin B. die Fristenkontrolle bei Ablauf der Berufungsfrist am 15. November 1999 ordnungsgemäß vorgenommen hätte.

d) Ohne Bedeutung ist, daß die Beklagte nicht dargelegt hat, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Anwälten den Auftrag erteilt hat, die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil einzulegen. Dies steht in keinem kausalen Zusammenhang zur Fristversäumung, weil die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unabhängig vom Zeitpunkt der Beauftragung die Frist bis zum letzten Tag ausnutzen konnten. Thode Hausmann Kuffer Kniffka Wendt

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 64/05
vom
26. Januar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Zu den Anforderungen an eine Ausgangskontrolle bei der Versendung einer
Rechtsmittelschrift per Telefax (hier: Einschaltung einer Auszubildenden in der
Anfangsphase der Ausbildung im Rahmen der Ausgangskontrolle und zeitliches
Auseinanderfallen der Kontrollmaßnahmen).
BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2006 durch
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg und Pokrant, die Richterin Ambrosius und
die Richter Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 100.000 €.

Gründe:


1
I. Das Urteil des Landgerichts München I, durch das die Klage abgewiesen worden ist, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24. November 2004 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist beim Berufungsgericht am Montag, 27. Dezember 2004, eingegangen.
2
Die Klägerin hat gegen die Versäumung der am 24. Dezember 2004 abgelaufenen Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu ausgeführt:
3
Ihr Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt Dr. H. , habe die seit August 2004 in der Rechtsanwaltskanzlei beschäftigte, stets zuverlässige Auszubildende Frau K. am 23. Dezember 2004 angewiesen, die Berufungsschrift im vorliegenden Verfahren an das Berufungsgericht und ein Bestätigungsschreiben an die Klägerin jeweils per Telefax vorab zu übermitteln. Am späten Nachmittag desselben Tages habe Rechtsanwalt Dr. H. sich durch eine Rückfrage bei der Auszubildenden versichert, ob die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht abgesandt worden sei, ein OK-Vermerk vorliege und sie die Fax-Nummern kontrolliert habe. Dies sei von der Auszubildenden bestätigt worden. Daraufhin habe ihr Prozessbevollmächtigter die Frist im Fristenkalender und auf seiner gesondert geführten Fristenliste abgehakt. Erst am 29. Dezember 2004 habe sich herausgestellt, dass die Auszubildende lediglich das Bestätigungsschreiben per Telefax übermittelt habe; die Berufungsschrift habe sie nur mit der Post versandt.
4
II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
5
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe die erforderliche Sorgfalt vermissen lassen, weil eine Ausgangskontrolle gänzlich unterblieben sei. Zwar brauche sich ein Rechtsanwalt nicht über die ordnungsgemäße Erledigung einer jeden Einzelanweisung vergewissern. Von einer Verpflichtung, generell für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, sei er aber auch im Fall von Einzelanweisungen nicht entbunden. Er habe sicherzustellen, dass eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet werde, wenn der Schriftsatz abgesandt sei. An die in der Rechtsanwaltskanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehende allgemeine Anweisung, dass Fristen von der zuständigen Sekretärin erst nach vollständiger Erledigung, also erst nach dem Vorliegen des OK-Vermerks des Faxgerätes im Fristenbuch abzuhaken seien, habe sich ihr Prozessbevollmächtigter selbst nicht gehalten. Er habe die Frist gestrichen, ohne sich von der tatsächlichen Erledigung anhand des konkreten Sendeberichts zu überzeugen. Auf die bloße Nachfrage bei der mit der Versendung betrauten Auszubildenden, die erst wenige Monate in der Kanzlei beschäftigt und bislang nicht selbständig, sondern nur unter Aufsicht tätig gewesen sei, habe sich der Prozessbevollmächtigte nicht verlassen dürfen. Das Fehlverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei mitursächlich für das Fristversäumnis gewesen.
6
III. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
7
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO müssen auch bei einer Rechtsbeschwerde vorliegen, die sich gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss richtet (BGHZ 161, 86, 87). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Streitfall nicht auszugehen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts Verfahrensgrundrechte der Klägerin, namentlich den Grundsatz des rechtlichen Gehörs , den Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip

).


8
Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (§§ 233, 517 ZPO). Ihr Prozessbevollmächtigter hat die Berufungs- frist von einem Monat schuldhaft versäumt; sein Verschulden muss sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
9
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen (BGH, Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 4.10.2000 - XI ZB 9/00, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 14). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschl. v. 18.10.1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778 f. = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 44; Beschl. v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907). Ob dem die allgemeine Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Ziff. 1.4.3) genügt, kann offen bleiben. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass die Anweisung allgemein gehalten ist und die vorstehend nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Prüfungsschritte nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Die Frage kann aber dahinstehen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufungsfrist im Terminkalender als erledigt gekennzeichnet hat, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist in der dargelegten Weise ausreichend kontrolliert worden war. Dies begründet ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
10
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass eine bislang zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelanweisung befolgt und bei mündlichen Anweisungen nur sichergestellt werden muss, dass diese nicht in Vergessenheit geraten. Die Einzelanweisung, die Berufungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln, machte die Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; Beschl. v. 3.5.2005 - XI ZB 41/04, Umdruck S. 5). Zwar kann der Rechtsanwalt die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106). Übernimmt der Rechtsanwalt aber generell oder im Einzelfall die Ausgangskontrolle selbst, muss er für eine wirksame Kontrolle Sorge tragen.
11
Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Ausgangskontrolle selbst übernommen, indem er anstelle der sonst zuständigen Sekretärin Frau Ky. die Berufungsfrist im Fristenkalender als erledigt vermerkte. Wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, war seine Ausgangskontrolle aber unzureichend, weil er das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Sendeprotokolls nicht selbst überprüfte, bevor er die Erledigung im Fristenkalender vermerkte. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung (einschließlich der Kontrolle des Sendeprotokolls) kann der Anwalt allerdings grundsätzlich seinem Personal überlassen. Er braucht ihre Erfüllung dann nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (vgl. BGH NJW 2004, 367, 368). Dies kann auch bei einer Auszubildenden der Fall sein, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich hier aber trotz seiner konkreten Nachfrage, ob die Berufungsschrift durch Telefax übermittelt worden sei, nicht allein auf die Auskunft der Auszubildenden verlassen. Diese war bislang nicht mit der Ausgangskontrolle als solcher befasst.
12
Nach den getroffenen Feststellungen bedurfte die Auszubildende, auch wenn sie sich bis dahin als zuverlässig erwiesen haben mag, selbst in Fragen ihres angestammten Zuständigkeitsbereichs, zu dem die Versendung von Telefaxen gehörte, noch der Anleitung, Begleitung und Überwachung durch die zuständigen Sekretärinnen und den jeweils sachbearbeitenden Rechtsanwalt. Dazu kam - wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat - die für die Auszubildende noch ungewohnte besondere Situation des "vorweihnachtlichen Stoßgeschäfts" vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel, bei dem in einer Anwaltskanzlei vermehrt Fristsachen anfallen und bei dem auch langjährig erfahrene und zuverlässige Kräfte einer gesteigerten Fehleranfälligkeit unterliegen.
13
Aber auch wenn die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin beauftragte Mitarbeiterin mit der Ausgangskontrolle hinreichend vertraut gewesen wäre, genügte die praktizierte Verfahrensweise nicht den Anforderungen, die an eine ausreichende Ausgangskontrolle zu stellen sind. Zwischen der vermeintlichen Absendung der Berufungsschrift per Telefax am frühen Nachmittag und der Kontrolle des Absendevorgangs ausschließlich durch Nachfrage bei der mit der Versendung befassten Mitarbeiterin am späten Nachmittag lag eine nicht unerhebliche Zeitspanne. Hieraus ergeben sich zusätzliche Risiken, die bei einer im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorgang durchgeführten Kontrolle nicht bestanden hätten und die eine genügende Ausgangskontrolle nicht gewährleisteten , weil die gesamte Ausgangskontrolle auf dem Erinnerungsbild beruhte, das die Mitarbeiterin von dem von ihr ausgeführten, bereits einige Zeit zurückliegenden Vorgang der Telefaxversendung hatte.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Ambrosius
Schaffert Büscher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.11.2004 - 9 HKO 6145/04 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 5835/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 32/07
vom
18. Juli 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 B, E, Fd, 520 Abs. 2

a) Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle
fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist,
nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen
, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt
ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (im Anschluss
an die Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ
2005, 1534 und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle kann sich entweder
aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung
ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden allgemeinen Kanzleianweisung
, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per
Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die
Ausgangskontrolle erstrecken.

c) Ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten
schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit
durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes
Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität).

d) Dem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen der Briefbeförderung oder
Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet
werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten
werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt
werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück
so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen
und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den
Empfänger fristgerecht erreichen kann (im Anschluss an BGH Beschluss
vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.
BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - OLG Köln
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Februar 2007 aufgehoben. Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 4.226 €.

Gründe:


I.

1
Auf Antrag der Klägerin verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt. Gegen das am 15. September 2006 zugestellte Urteil legte der Beklagte rechtzeitig Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde auf seinen Antrag bis zum 15. Dezember 2006 (Freitag ) verlängert. Erst am 18. Dezember 2006 (Montag) gingen beim Berufungsgericht ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die Berufungsbegründung und ein weiterer Schriftsatz ein, in dem beantragt wurde, zunächst über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden, "bevor das Berufungsverfahren seinen Fortgang nimmt". Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 11. Januar 2007, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag verspätet eingegangen seien, beantragte der Beklagte mit einem am 29. Januar 2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Berufung erneut.
2
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und dem Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Fristversäumung auf ein - dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares - Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen sei. Der Prozessbevollmächtigte habe weder durch eine allgemeine Kanzleianweisung noch durch seine Einzelanweisung eine ausreichende Postausgangs- und Fristwahrungskontrolle sichergestellt. Deswegen sei es zur Löschung der Frist gekommen, noch bevor sich die Kanzleiangestellte anhand des Sendeprotokolls von der ordnungsgemäßen Übermittlung der Berufungsbegründung überzeugt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung oder des Prozesskostenhilfeantrags auch nicht durch andere organisatorische Maßnahmen sichergestellt. Zwar habe die Kanzleiangestellte in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie habe am 13. Dezember 2006 (Mittwoch) auf dem Heimweg mit der übrigen Post auch diese Schriftsätze vom gleichen Tage in den Briefkasten geworfen. Dabei sei allerdings offen geblieben, wann dies geschehen sein soll, um welchen Briefkasten es sich gehandelt habe und vor allem , zu welchem Zeitpunkt die nächste Leerung erfolgen sollte. Diese Unklarheit spreche dafür, dass die erst am folgenden Montag beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung zu spät zur Post gegeben worden sei. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 533 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
4
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.
5
1. Allerdings kann es den Beklagten nicht entlasten, dass die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag ursprünglich schon am 13. Dezember per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt werden sollten. Denn insoweit geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die unterlassene Übermittlung per Telefax auf ein dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zurückzuführen ist.
6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05 - NJW 2007, 601 f.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden , in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich hier nach dem Vortrag des Beklagten weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung seines Prozessbevollmächtigten.
7
b) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sich auf eine ausdrücklich erteilte Einzelanweisung beruft, hätte er außerdem dafür sorgen müssen , dass diese nicht vergessen wird.
8
Zwar erstreckte sich die Einzelanweisung des Prozessbevollmächtigten darauf, den Berufungsschriftsatz und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt auch darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Die Anweisung sollte aber nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Beklagten nicht unverzüglich, sondern lediglich im Laufe desselben Tages ausgeführt werden. In solchen Fällen kann die Einzelanweisung auch wegen der Gefahr des Vergessens eine wirksame Ausgangskontrolle nicht ersetzen.
9
Denn wenn eine Einzelanweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittelbegründungsfrist betrifft, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH Beschlüsse vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - FamRZ 2007, 1007, vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1362 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689; vgl. auch Senatsbeschluss vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - FamRZ 2006, 1663).
10
2. Dem Beklagten ist allerdings gleichwohl Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil das Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden ist. Denn nach dem an Eides statt versicherten Vortrag des Beklagten erstreckte sich die konkrete Einzelanweisung seines Prozessbevollmächtigten auch darauf, die Berufungsbegründung und den Prozesskostenhilfeantrag nebst den entsprechenden Unterlagen noch am 13. Dezember 2006 auf den Postweg zu bringen. Entsprechend hat die Kanzleiangestellte die Schriftsätze nach dem Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherung noch am Abend des 13. Dezember 2006 kuvertiert , frankiert und in einen Postbriefkasten eingeworfen.
11
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt dieser glaubhaft gemachte Sachverhalt, um ein für die Verspätung ursächliches Verschul- den des Prozessbevollmächtigten des Beklagten auszuschließen. Denn ein früheres Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität). So liegt der Fall auch hier.
12
b) Die Berufungsbegründung ist durch die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am 13. November 2006 zur Post gegeben worden. Damit scheidet ein Verschulden aus, auch wenn die Schriftsätze erst verspätet beim Berufungsgericht eingegangen sind. Der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben, sondern berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen. Sie mussten lediglich dafür Sorge tragen, dass die Berufungsbegründung so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, dass sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging (BGH Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f.). Weil das hier geschehen ist, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt wurde.
13
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschulden des Beklagten oder seines Prozessbevollmächtigten auch nicht darin, dass die Berufungsbegründung erst am Abend des 13. November 2006 zur Post gegeben wurde. Denn nach ständiger Rechtsprechung dürfen dem Rechtsmittelführer Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Dabei darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH Beschlüsse vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - NJW-RR 2004, 1217 f. und vom 15. April 1999 - IX ZB 57/98 - NJW 1999, 2118). Weil die Berufungsbegründung und der Prozesskostenhilfeantrag hier schon am Abend des 13. Dezember 2006 eingeworfen wurden, war die Versendung spätestens mit Leerung des Briefkastens am 14. Dezember 2006 sichergestellt. Dann durften der Beklagte und sein Prozessbevollmächtigter darauf vertrauen, dass die Schriftsätze am Folgetag, dem 15. Dezember 2006, bei dem nahe gelegenen Oberlandesgericht eingehen werden.
14
bb) Selbst wenn dem Berufungsgericht weitere Unklarheiten oder Zweifel zum konkreten Ablauf verblieben wären, hätte es die Berufung nicht verwerfen dürfen, sondern den Beklagten nach § 139 ZPO zur Konkretisierung seines Vortrags auffordern müssen. Die weitere Konkretisierung des im Wiedereinsetzungsverfahren rechtzeitig eingegangenen Vortrags des Beklagten, wie er jetzt im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt ist, hätte das Berufungsgericht dann bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen. Das gilt insbesondere für die Tatsache, dass die Kanzleiangestellte am 13. Dezember 2006 bis 18.35 Uhr arbeitete und die Schriftsätze sodann in der etwa drei Gehminuten von der Kanzlei entfernten Hauptpost eingeworfen habe, wo die Briefkästen stündlich bis 19.00 Uhr geleert werden.
15
c) Wegen der überholenden Kausalität bei der Versendung der Schriftsätze im Postweg entfällt somit ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Auf den rechtzeitig eingegangenen Antrag ist ihm deswegen die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen. Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird das Berufungsgericht erneut unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und der Erfolgsaussicht der Berufung zu befinden haben.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 25.08.2006 - 28 F 27/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 13.02.2007 - 10 UF 168/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 9/04
vom
23. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 23. Juni 2004

beschlossen:
1. Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wird auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin der Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2004 aufgehoben, soweit die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 29. Juli 2003 als unzulässig verworfen worden ist.
2. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
3. Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 340.441,50 €

Gründe:


I. Unter Abweisung der Widerklage im übrigen hat d as Landgericht die Klägerin zur Zahlung von 340.441,50 € verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte und Widerkläger fristgerecht Berufung eingelegt und diese - eingehend am 3. November 2003 - auch fristgerecht begründet. Die Klägerin hat gegen das ihr am 5. August 2003 zugestellte Urteil am 29. August 2003 "selbständige Anschlussberufung" eingelegt, sodann Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 6. November 2003 beantragt, die ihr gewährt worden ist.
Mit Schriftsatz vom 6. November 2003, der bei Geri cht erst am 7. November 2003 eingegangen ist, hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ihre Berufung begründet. Die Berufungsbegründung endet mit folgendem Zusatz: "V. Da die Berufungsbegründung dem Oberlandesgericht nach Ablauf der verlängerten Frist zugegangen ist, stelle ich klar, dass die Berufung als unselbständige Anschlussberufung aufrecht erhalten bleibt." Mit am 20. November 2003 beim Oberlandesgericht ei ngegangenem Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin für diese Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe am letzten Tag der Frist kurz nach 23.00 Uhr von seiner in der Rechtsanwaltskanzlei mitarbeitenden Ehefrau die vierte Fassung des Entwurfs der Berufungsbegründung als Computerausdruck vorgelegt bekommen. Er habe sodann bis 23.15 Uhr noch kleine Änderungen dik-

tiert, unter anderem eine geringfügig andere Anordnung eines Absatzes auf Seite 20 des Schriftsatzes, die Aufhebung einer Absatztrennung auf Seite 14 und eine Änderung der Position eines Geldb etrages von Seite 20 auf Seite 22. Gegen 23.35 Uhr habe er die vermeintliche Endfassung der Berufungsbegründung dem Oberlandesgericht per Telefax übermitteln wollen, dabei jedoch festgestellt, daß ganze Textteile gefehlt hätten. Beim Versuch, die Endfassung des Textes im Computer aufzurufen, habe sich gezeigt, daß wesentliche Teile des Textes verschwunden gewesen seien. Seine Ehefrau müsse vergessen haben, die Änderungen und Ergänzungen auf der Festplatte abzus peichern. Deshalb habe die Endfassung der Berufungsbegründung erst nach Mitternacht erstellt werden können.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesg ericht das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Auslegung der von der Klägerin im Zuge des Berufungsverfahrens abgegebenen Erklärungen ergebe, daß sie mit ihrer selbständigen Anschlußberufung eine selbständige Berufung habe einlegen wollen. Als solche sei das Rechtsmittel verspätet begründet und mithin unzulässig. Das Wiedereinsetzungsgesuch bleibe erfolglos, weil den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist treffe. Da er die Frist voll ausgeschöpft habe, habe ihn eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen. Es sei ihm insoweit möglich und zuzumuten gewesen, in der gegebenen Situation die wenigen Änderungen, soweit sie angesichts der ablaufend en Frist nicht ohnehin verzichtbar gewesen seien, auf der ihm als Ausdruck vorgelegten vierten Fassung des Entwurfs der Berufungsbegründung handschriftlich

zu ergänzen und den so ergänzten Schriftsatz sodann per Fax an das Oberlandesgericht zu versenden.
II. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Kl ägerin hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses , soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4 und 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings de n Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Denn der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verhalten ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, war hier nicht ohne sein Verschulden daran gehindert, die Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Zwar darf eine Partei eine Frist grundsätzlich bis zum Ablauf (24.00 Uhr) des letzten Tages ausnutzen. Sie hat in diesem Falle jedoch erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschluß vom 23. April 1998 - I ZB 2/98 - NJW 1998, 2677 unter II m.w.N.; vgl. auch VGH München, Beschluß vom 9. November 2001 - 15 ZB 01.30255 - veröffentlicht in juris ; BVerwG CR 1991, 753).
Diese besonderen Anforderungen hat der Prozeßbevol lmächtigte der Klägerin nicht beachtet. Denn es wäre ihm möglich und zumutbar

gewesen, die am letzten Tag der Frist um kurz nach 23.00 Uhr vorgelegte , ausgedruckte Fassung des vierten (und letzten) Entwurfs der Berufungsbegründung heranzuziehen, um rechtzeitig vor Fristablauf die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Nach seinem Vorbringen hat er spätestens um 23.40 Uhr entdeckt, daß die vermeintliche Endfassung der Berufungsbegründung erhebliche Lücken enthielt, die vermutlich auf einem Fehler seiner Ehefrau beim Abspeichern des Textes beruhten. In dieser Situation war es ihm zuzumuten , die lediglich marginalen Änderungen, die er im Anschluß an die Vorlage der vierten Fassung des Entwurfs noch diktiert hatte, handschriftlich in den Ausdruck einzufügen, um diesen sodann zu unterzeichnen und per Telefax zu versenden (vgl. dazu auch OLG München, OLGR 1994, 165). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von solchen Fällen, in denen es infolge einer Computerpanne kurz vor Fristablauf gänzlich unmöglich wird, einen Text rechtzeitig zu erstellen (OLG Celle NJW-RR 2003, 1439 f.) oder in denen ein defektes Faxgerät die rechtzeitige Übermittlung unmöglich macht (BGH, Beschluß vom 20. Februar 2003 - V ZB 60/02 - NJW-RR 2003, 861 f.).
Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, grundsätzli ch bestimme allein der Rechtsanwalt, wann er eine Rechtsmittelbegründung als fertiggestellt ansehe, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin müsse sich deshalb nicht auf handschriftliche Änderungen und E rgänzungen verweisen lassen, verkennt sie die Bedeutung der Berufungsbegründungsfrist. Es entspricht nicht den erhöhten Anforderungen an die bei der Fristwahrung aufzubringende Sorgfalt, wenn der Prozeßbevollmächtigte wegen nur geringfügigen Textveränderungen die Berufungsbegrün-

dungsfrist verstreichen läßt, um statt dessen auf eine Wiedereinsetzung zu vertrauen.
3. Steht somit zwar fest, daß die Klägerin die Ber ufungsbegründungsfrist versäumt hat, kann dennoch die Verwerfung ihrer Berufung als unzulässig keinen Bestand haben.

a) Die Klägerin hatte ihr Rechtsmittel ursprünglic h als selbständige Anschlußberufung bezeichnet und dabei übersehen, daß diese früher in § 522 Abs. 2 ZPO a.F. geregelte Form der Anschlußberufung dem neuen Zivilprozeßrecht fremd ist (BGH, Beschluß vom 30. April 2003 - V ZB 71/02 - BB 2003, 1356 = NJW 2003, 2388 unter II 2 a; BTDrucks. 14/4722 S. 98). Der Berufungsbeklagte hat nach neuem Recht zwei Möglichkeiten. Er kann sich entweder der Berufung des Gegners anschließen (§ 524 ZPO) oder, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, selbständig Berufung einlegen. Nur im ersten Fall verliert die Berufung ihre Wirkung, wenn der Gegner sein Rechtsmittel zurücknimmt (§ 524 Abs. 4 ZPO). Wird hingegen eine selbständige Berufung eingelegt, bleibt diese vom Schicksal der gegnerischen Berufung unabhängig. Für sie laufen eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO). Welche Möglichkeit der Berufungsbeklagte wählt, steht grundsätzlich in seinem Belieben. Erst wenn die Fristen zur Einlegung oder Begründung der selbständigen Berufung verstrichen sind, ist er - im Rahmen der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO - auf die Anschlußberufung beschränkt (BGH aaO). Daß er sich grundsätzlich zwischen den beiden genannten Möglichkeiten der Berufung entscheiden muß, schließt es nicht aus, die Anschlußberufung

für den Fall zu erklären, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen der selbständigen Berufung nicht erfüllt sind.

b) Hat - wie hier - der Berufungsbeklagte innerhal b der Berufungsfrist ein als selbständige Anschlußberufung bezeichnetes Rechtsmittel einlegt, so ist durch Auslegung seiner prozessualen Erklärungen zu ermitteln , für welche der genannten Möglichkeiten er sich entscheiden will (BGH aaO unter II 2 b). Das Berufungsgericht hat wegen der Anträge der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO und wegen des nachfolgenden Wiedereinsetzungsgesuchs angenommen, der Klägerin sei es darum gegangen, eine selbständige Berufung durchzuführen.
Das ist zwar richtig. Das Berufungsgericht hat dab ei aber erkennbar übersehen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im letzten Absatz des Berufungsbegründungsschriftsatzes selbst auf dessen verspäteten Eingang hingewiesen und aus diesem Grunde klargestellt hat, daß die Berufung nunmehr als unselbständige Anschlußberufung aufrecht erhalten werden solle. Die Klägerin hat damit von der in § 524 ZPO geregelten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO für die Anschlußerklärung hatte hier erst am 5. November 2003 zu laufen begonnen.

c) Selbst wenn die Klägerin ungeachtet der Anschlu ßerklärung vorrangig weiterhin eine selbständige Berufung angestrebt hat, worauf insbesondere das nachträgliche Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hindeutet, ist die Anschließung jedenfalls dahin zu verstehen, daß sie für den Fall der Zurückwei-

sung des Wiedereinsetzungsgesuchs erklärt ist. Deshalb durfte die Berufung der Klägerin nicht verworfen werden.
Legt eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung ein, handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel; ihr Begehren richtet sich im Ergebnis nur auf eine sachliche Überprüfung des angefochtenen Urteils. Daher ist über das Rechtsmittel nach ständiger Rechtsprechung einheitlich zu entscheiden (BGH, Beschluß vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96 - NJW 1996, 2659 unter 2 c). Das gilt auch dann, wenn der Berufungsbeklagte sowohl eine selbständige Berufung einlegt als auch eine Anschlußerklärung nach § 524 ZPO abgibt. Entspricht die zunächst eingelegte Berufung den förmlichen Anforderungen des Gesetzes nicht, darf sie daher auch nicht gesondert als unzulässig verworfen werden (BGH aaO m.w.N.).
Hier liegt zwar eine - aus den oben genannten Grü nden - unzulässige selbständige Berufung vor. Sie durfte aber nicht verworfen werden, solange es möglich blieb (und bleibt), sie als unselbständige Anschlußberufung zu behandeln (vgl. BGH aaO m.w.N.; BGH, Beschluß vom 26. Oktober 1999 - X ZB 15/99 - VersR 2001, 730 m.w.N.).

Die Sache war deshalb nach Aufhebung der Berufungs verwerfung zur Fortsetzung des Berufungsverfahrens an das Berufungsgericht zurück zu verweisen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 45/04
vom
9. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur Frage, wie sich ein pflichtbewusster Rechtsanwalt verhalten muss, wenn die
Berufungsbegründung wegen eines erst kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist aufgetretenen
Defekts des Druckers seines Laptops nicht ausgedruckt werden kann,
in der Kanzlei aber ein weiterer Computer mit Drucker vorhanden war.
BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04 - OLG München in Augsburg
LG Memmingen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller und Dr. Joeres, die Richterin
Mayen und den Richter Prof. Dr. Schmitt
am 9. Mai 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in Augsburg vom 30. August 2004 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 1.108.100,44 €

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat der Feststellungsklage der Kläger stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Gegen das am 16. Januar 2004 zugestellte Urteil legte die Beklagte, eine Rechtsanwältin , am 16. Februar 2004 Berufung ein. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. April 2004 ging die 104 Seiten umfassende Berufungsbegründung erst am nächsten Morgen von 00.04 Uhr bis 01.29 Uhr per Fax beim Oberlandesgericht ein. Am 29. April 2004 hat die Beklagte gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2
Sie macht für die Fristversäumung den Defekt eines Druckers und einen Computerfehler verantwortlich. Nachdem ihre Sekretärin den schon seit einigen Tagen vorliegenden Berufungsbegründungsentwurf am Morgen des 16. April 2004 noch einmal überarbeitet habe, habe sie, die Beklagte, die Arbeit nach Büroschluss fortgesetzt. Der um 22.32 Uhr endgültig fertig gestellte und in ihrem Laptop gespeicherte Schriftsatz habe aber mit Hilfe des an den Laptop angeschlossenen Druckers wegen einer erstmals aufgetretenen Funktionsstörung nicht ausgedruckt werden können. Den an den Computer ihrer Sekretärin angeschlossenen Drucker habe sie ebenfalls zunächst nicht benutzen können, weil die die Berufungsbegründung enthaltende Datei im Speicher dieses Computers wegen eines weiteren unvorhersehbaren technischen Defektes nicht mehr auffindbar gewesen sei. Sie habe die Berufungsbegründungsschrift deshalb unter Verwendung bereits bearbeiteter Einzeldokumente noch einmal hergestellt und um 23.56 Uhr an das Berufungsgericht faxen wollen. Da sie aufgrund emotionaler Erregung zunächst eine falsche Faxnummer des Oberlandesgerichts eingegeben habe, habe mit der Faxübertragung erst nach Mitternacht und damit verspätet begonnen werden können.
3
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass für einen Rechtsanwalt , der eine Frist bis zum letzten Tag ausnütze, grundsätzlich ein besonders strenger Sorgfaltsmaßstab gelte. Danach treffe die Beklagte an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ein Verschulden. Der plötzliche Ausfall des Druckers ihres Laptops sei ohne Bedeutung, weil auch der im Sekretariat stehende Drucker habe benutzt werden können. Zwar sei der Umstand, dass die Berufungsbegründungschrift in dem Speicher des Computers der Sekretärin angeblich nicht mehr auffindbar gewesen sei, für die Fristversäumung ursächlich geworden. Angesichts des nachgewiesenen einwandfreien Zustands und der laufenden Wartung des Computer-Systems sei aber bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Beklagte den Computer falsch bedient habe. Auch die Verwendung der seit 2001 nicht mehr gültigen Faxnummer des Oberlandesgerichts beruhe auf Fahrlässigkeit. Die Fristversäumung sei außerdem auch deshalb verschuldet, weil die Beklagte sich nach dem gescheiterten Ausdruck der Berufungsbegründungsschrift trotz der fortgeschrittenen Zeit dazu entschlossen habe, diese noch einmal zu erstellen, statt mit einer Übersendung der bereits vollständig ausgedruckt vorliegenden Erstfassung den sichersten Weg zu wählen.
4
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.


5
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22; Se- natsbeschluss vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04, NJW-RR 2006, 284), sind nicht erfüllt.
6
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich. In der angefochtenen Entscheidung wird kein abstrakter Rechtssatz aufgestellt, der von einem in einer anderen Entscheidung eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (vgl. Senat BGHZ 152, 182, 186 m.w.Nachw.). Im von der Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 17. Mai 2004 (II ZB 22/03, NJW 2004, 2525) ist insoweit lediglich ausgeführt, dass es für einen auf einen vorübergehenden "Computer -Defekt" oder "Computer-Absturz" gestützten Wiedereinsetzungsantrag näherer Darlegungen zur Art des Defekts und zu seiner Behebung bedarf. Solche Ausführungen finden sich im Wiedereinsetzungsantrag nur zum Defekt des mit dem Laptop der Beklagten verbundenen Druckers , nicht aber zum angeblichen Verschwinden der die Berufungsbegründung enthaltenden Datei im Computer der Sekretärin. Insoweit kommt, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, bei lebensnaher Betrachtung lediglich ein Bedienungsfehler der Beklagten in Betracht.
7
2. Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts , die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, die Berufungsbegründungsfrist unverschuldet versäumt zu haben (§ 233 ZPO), über- spannt unter den gegebenen Umständen und Verhältnissen nicht die an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen.
8
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat ein Anwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschlüsse vom 23. April 1998 - I ZB 2/98, NJW 1998, 2677 und vom 23. Juni 2004 - IV ZB 9/04, FamRZ 2004, 1481 m.w.Nachw.). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist infolgedessen ausgeschlossen , wenn von ihm nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217). Diesen Maßstäben ist die Beklagte nicht gerecht geworden.
9
Aus b) ihrem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich nicht ausreichend , dass die Fristversäumung wegen eines Defekts ihres Druckers oder eines Fehlers des Computers ihrer Sekretärin unabwendbar war.
10
aa) Für einen Fehler des Computers der Sekretärin mangelt es, wie bereits ausgeführt, an ausreichendem Vorbringen der Beklagten. Für das angebliche Verschwinden der die Berufungsbegründungsschrift enthaltenden Datei im Computer der Sekretärin fehlt, wenn kein Bedienungsfehler der Beklagten vorliegt, jede nachvollziehbare Erklärung. Wenn die Rechtsbeschwerde das angebliche Verschwinden der Datei auf den Ausfall des Druckers zurückführt, so handelt es sich hierbei um eine bloße Vermutung, die von dem Systemspezialisten nicht bestätigt worden ist und für die so gut wie nichts spricht, da der defekte Drucker offenbar nur für den Laptop der Beklagten der aktuelle Drucker war, nicht aber für den Computer der Sekretärin, der mit einem anderen Drucker verbunden war. Überdies ist dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht - wie es erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW-RR 2004, 2525, 2526) - zu entnehmen, dass sie den Computer der Sekretärin auch bei nächtlicher Arbeit und unter Zeitdruck sicher bedienen konnte.
11
bb) Die Ansicht der Beklagten, es sei ihr nicht vorzuwerfen, dass sie den Defekt des Druckers für ihren Laptop und das angebliche Verschwinden der Datei im Computer der Sekretärin zum Anlass genommen habe, aus bearbeiteten Einzeldokumenten die Berufungsbegründung erneut zusammenzustellen und auszudrucken, trifft nicht zu. Die nach den eigenen Angaben der Beklagten im Laptop gespeicherte endgültige Fassung der Berufungsbegründungsschrift hätte - worauf die Beschwerdeerwiderung mit Recht hinweist - mit Hilfe des Druckers des Computers der Sekretärin ausgedruckt werden können, weil offenbar ein gemeinsamer Server vorhanden war. Abgesehen davon ist nicht nachvollziehbar, warum die im Laptop gespeicherte Berufungsbegründung nicht mit Hilfe eines gebräuchlichen Speichermediums (z.B. Diskette oder CD-Rom) in den Computer der Sekretärin übertragen worden und von dort ausgedruckt worden ist. Nichts spricht dafür, dass die Berufungsbegründungsfrist auch dann versäumt worden wäre.
12
c) Unabhängig davon hat die Beklagte die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch deshalb zu verantworten, weil sie es pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen hat, zum Schutz ihres Mandanten den sichersten Weg zu wählen. Wie sich aus ihren eigenen Angaben ergibt, lag am Tag des Fristablaufs gegen 18.00 Uhr eine ausgedruckte vollständige Fassung der Berufungsbegründung vor, als sie diese noch einmal überarbeitete. Diesen Schriftsatz hätte sie per Telefax fristgerecht beim Oberlandesgericht einreichen können, und zwar auch noch als sie um 22.32 Uhr die Endfassung in ihrem Laptop abgespeichert hatte. Dazu war die Beklagte verpflichtet, weil ein pflichtbewusster Rechtsanwalt kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist jedes Risiko meidet, das zu einer Fristversäumung führen oder beitragen kann. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, es liege grundsätzlich im freien Ermessen des Prozessbevollmächtigten , welche Fassung eines bestimmenden Schriftsatzes er für endgültig und unterschriftswürdig erachtet, greift hier nicht, zumal für eine wesentliche inhaltliche Änderung der seit 18.00 Uhr ausgedruckt vorliegenden Fassung der Berufungsbegründung nichts vorgetragen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2004 - IV ZB 9/04, FamRZ 2004, 1481).
Nobbe Müller Joeres
Mayen Schmitt
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 13.01.2004 - 2 O 1262/03 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 30.08.2004 - 24 U 140/04 -