Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2010 - I ZB 66/09

bei uns veröffentlicht am25.02.2010
vorgehend
Landgericht Frankenthal (Pfalz), 6 O 199/08, 03.03.2009
Landgericht Zweibrücken, 4 U 58/09, 27.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 66/09
vom
25. Februar 2010
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch
die Richter Dr. Bergmann, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und
Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 27. Juli 2009 aufgehoben.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das Landgericht Frankenthal (Rheinland-Pfalz) hat die unter anderem auf Unterlassung, Übertragung eines Geschmacksmusters, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit der Klägerin am 11. März 2009 zugestelltem Urteil abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 9. April 2009 beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken Berufung eingelegt. Auf Antrag der Klägerin wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 12. Juni 2009 verlängert. Am 12. Juni 2009 ging die an das Oberlandesgericht gerichtete Berufungsbegründung, die im Adressfeld unterhalb der Anschrift des Oberlandesgerichts die Telefaxnummer des Landgerichts Frankenthal aufwies und von Rechtsanwalt F. aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet war, beim Landgericht ein. Dieses leitete den Schriftsatz an das Oberlandesgericht weiter, wo er am 15. Juni 2009 einging.
2
Die Klägerin hat am 30. Juni 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegründung an das Landgericht beruhe allein auf einem Fehler einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese habe zur Ermittlung der Telefaxnummer das vermeintlich letzte Anschreiben des Oberlandesgerichts in der Akte heraussuchen wollen. Sie sei dabei jedoch aufgrund geringfügiger Unaufmerksamkeit auf ein Schreiben des Landgerichts gestoßen, ohne dies zu bemerken, und habe in der irrigen Annahme, das Schreiben des Oberlandesgerichts aufgeschlagen zu haben, die dort angegebene Telefaxnummer in das Adressfeld des Berufungsbegründungsschriftsatzes übertragen. Rechtsanwalt F. sei, als er sich von der korrekten Adressierung des Schriftsatzes überzeugt habe, die angegebene Telefaxnummer nicht als unrichtig aufgefallen. Er habe daraufhin, nachdem ihm die Vorlage des Telefaxprotokolls bestätigt worden sei, die Berufungsbegründungsfrist im Fristenbuch gestrichen.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
4
II. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Ein Rechtsanwalt habe durch organisatorische Maßnahmen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass eine Telefaxnummer zuverlässig festgestellt werde und jede einzelne Sendung beispielsweise anhand des Sendeberichts auf die Richtigkeit des Adressaten und der Telefaxnummer überprüft werde. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Richtigkeit der von der Kanzleiangestellten auf dem Schriftsatz niedergeschriebenen Telefaxnummer nicht überprüft, sondern lediglich einer "Plausibilitätskontrolle" unterzogen und daher die Verwechslung der Telefaxnummern übersehen habe. Ihn habe aber selbst die Pflicht getroffen, im Rahmen der gebotenen Ausgangskontrolle organisatorisch sicherzustellen, dass das Telefax an die richtige Telefaxnummer gesandt werde. Das habe er nach seinem eigenen Vorbringen versäumt.
5
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
6
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG, Kammerbeschl. v. 14.12.2001 - 1 BvR 1009/01, NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschl. v. 9.11.2005 - XII ZB 270/04, FamRZ 2006, 192). Einer Partei darf daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste (BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehenden Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze überspannt.
8
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruhen die Übersendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Landgericht und damit die Versäumung der Begründungsfrist nicht auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten.
9
aa) Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin hat die Kanzleiangestellte die Telefaxnummer, die sie in das Adressfeld des Begründungsschriftsatzes eingefügt hat, einem Schriftstück in der Handakte entnommen , weil die Telefaxnummer des Pfälzischen Oberlandesgerichts in der Adressdatenbank der in Frankfurt ansässigen Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht hinterlegt war. Dabei hat sie versehentlich nicht einen Briefbogen des Oberlandesgerichts, sondern des Landgerichts verwendet. Nach Versendung des Schriftsatzes an die im Adressfeld angegebene Telefaxnummer hat sie die auf dem Sendebericht ausgewiesene Telefaxnummer mit derjenigen auf dem Adressfeld verglichen. Sodann hat sie dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt F. bestätigt, dass ihr der Sendebericht mit "OK"Vermerk , der korrekten Seitenzahl und Faxnummer vorliege. Dieser hat daraufhin die Begründungsfrist im Fristenkalender gestrichen.
10
bb) Darin kann ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht gesehen werden. Zwar muss sich, wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts eines per Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsatzes auch darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgeräts angewählt wurde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 Tz. 7 m.w.N.). Die Anwahl einer falschen Telefaxnummer kann auf einem Fehler bei der Eingabe der richtig ermittelten Nummer beruhen. Der Fehler kann seine Ursache aber auch darin haben, dass die Nummer des Gerichts schon nicht zutreffend ermittelt worden ist. Nur wenn die Telefaxnummer einem elektronischen oder buchmäßigen allgemeinen Verzeichnis entnommen wurde, muss sich wegen des dabei bestehenden besonders hohen Verwechslungsrisikos nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Überprüfung im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht nur auf Eingabefehler, sondern auch auf die Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefaxnummer erstrecken. Soll die zur Übermittlung verwendete Telefaxnummer dagegen wie hier unmittelbar einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten Telefaxnummer auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgegli- chen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 22.6.2004 - VI ZB 14/04, NJW 2004, 3491 f.; Beschl. v. 13.2.2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690 Tz. 11).
11
b) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Kanzleiangestellte die Telefaxnummer des Landgerichts an Stelle derjenigen des Oberlandesgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, braucht sich die Klägerin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen zu lassen.
12
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand , dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich nicht selbst davon überzeugt hat, ob es sich bei der auf dem Schriftsatz und dem Sendebericht enthaltenen Telefaxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelt, sondern sich insoweit auf eine "Plausibilitätskontrolle" beschränkt hat, keine andere Beurteilung. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung kann der Rechtsanwalt seinem Personal überlassen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2008 - I ZB 101/06, NJW-RR 2008, 1288 Tz. 8 m.w.N.). In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war die Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax durch eine allgemeine Weisung geregelt. Die Ausführung der erteilten Weisung braucht der Rechtsanwalt nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (BGH NJW-RR 2008, 1288 Tz. 8 m.w.N.). Er muss daher die Telefaxnummer, die von einer ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten ermittelt und in den Schriftsatz eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen (BGH NJW 2007, 1690 Tz. 7).
Bergmann Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 03.03.2009 - 6 O 199/08 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 27.07.2009 - 4 U 58/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 270/04
vom
9. November 2005
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. November 2004 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 2.740 €.

Gründe:


I.

1
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin Trennungsunterhalt zu zahlen. Gegen das ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 30. Juni 2004 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004, beim Oberlandesgericht eingegangen am 14. Juli 2004, Berufung eingelegt. Eine Begründung des Rechtsmittels ist bis zum Ablauf der bis zum 20. September 2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht eingegangen. Am 13. Oktober 2004 hat er - per Telefax - eine Berufungsbegründung eingereicht, in der als Datum der 16. September 2004 angegeben ist. Gleichzeitig hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen: Die Überwachung von Notfristen sei im Büro seiner Rechtsanwältin so organisiert, dass die zuständige Bürovorsteherin B. mit der Zusendung der eingehenden Post die Rechtsmittelfristen oder andere Fristen vermerke und den Vorgang an die zuständige Büroangestellte weiterleite. Diese Fristen würden ebenfalls im Fristenkalender und zusätzlich im Computer jeweils mit Vorfrist und Fristablauf notiert. Zusätzlich werde eine Eintragung der Frist im Kalender der jeweiligen Handakte vorgenommen. Bei Ablauf der Vorfrist werde die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem auffälligen Vermerk vorgelegt. Am Morgen des Fristablaufs werde die Sache auf Erledigung überprüft und, wenn sie noch nicht erledigt sei, noch einmal mit einem auffälligen Aufkleber "heute Fristablauf" in der gleichen Weise vorgelegt. Zum Büroschluss werde weiter kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Die Eintragung und die Kontrolle der Fristen obliege der Bürovorsteherin B. Im vorliegenden Fall habe sie zwar richtig die Vor- und Hauptfrist notiert, doch versehentlich die Frist vom 20. September 2004 gestrichen, obwohl sie nicht kontrolliert habe, ob die Berufungsbegründungsschrift fristgerecht abgesandt worden sei. Diese sei nach dem Diktat am 16. September 2004 gefertigt und in die normale Post gegeben , jedoch nicht sicherheitshalber per Telefax versandt worden. Die Bürovorsteherin habe nach der Fertigung des Schriftsatzes eine Abschrift in der Akte abgeheftet, das Original zur Post gegeben und den Fristablauf vom 20. September bereits am 16. September gestrichen, obwohl nicht sichergestellt gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsschrift auch am 20. September 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangen sei.
3
Zur Glaubhaftmachung des tatsächlichen Ablaufs hat der Beklagte eine eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin B. vorgelegt, in der es hinsichtlich der Büroorganisation heißt, der Bürovorsteherin seien die Vorschriften der Kanzlei über die Behandlung von Fristen bekannt.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5
Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 der Bestimmung nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
7
a) Die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen liegen hier nicht vor.
8
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich, wenn das Berufungsgericht bei der Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist. Nach gefestigter Rechtsprechung dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung indessen nicht.
9
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten , durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (Senatsbeschlüsse vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1 und vom 22. Oktober 1986 - IVb ZB 89/86 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelbegründung 1; BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 13). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
10
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nicht auszuschließen, dass die Fristversäumung auf einer fehlenden wirksamen Ausgangskontrolle hinsichtlich fristwahrender Schriftsätze in der vom Beklagten beauftragten Rechtsanwaltskanzlei beruhe. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
11
Der Beklagte hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist weder von ihm selbst noch von seinem Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verschuldet worden ist. Dass die Fristen- und insbesondere die Ausgangskontrolle in dem Büro der erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten in einer den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Weise organisiert waren, lässt sich der eidesstattlichen Versicherung der Bürovorsteherin B. nicht entnehmen. Denn in dieser werden die diesbezüglichen Vorschriften der Kanz- lei nicht im Einzelnen dargelegt. Damit kann nach den allein glaubhaft gemachten Tatsachen aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Fristversäumnis verhindert worden wäre, wenn eine wirksame Ausgangskontrolle bestanden hätte.
Hahne Sprick Weber-Monecke Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Herne-Wanne, Entscheidung vom 08.06.2004 - 3 F 404/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.11.2004 - 3 UF 332/04 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 267/04
vom
10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, muss sich die im
Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts auch
darauf erstrecken, ob die zutreffende Faxnummer des Empfangsgerichts angewählt
wurde (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -
FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
Ergab sich die Faxnummer des Gerichts nicht aus in der Handakte befindlichen
Schreiben dieses Gerichts und hatte der Rechtsanwalt es zulässigerweise einer
ausreichend ausgebildeten und zuverlässigen Kanzleiangestellten überlassen,
die Faxnummer des Gerichts (hier: anhand einer Internet-Telefonbuchseite der
Telekom) zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, darf sich die Kontrolle
des Sendeberichts nicht darauf beschränken, die darin ausgedruckte Faxnummer
mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen.
Der Abgleich hat vielmehr anhand des zuvor verwendeten oder eines anderen,
ebenso zuverlässigen Verzeichnisses zu erfolgen, um nicht nur Fehler bei der
Eingabe, sondern auch schon bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer
Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (Fortführung von Senatsbeschluss
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 19. Zivilsenat in Freiburg - vom 16. Dezember 2004 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Beschwerdewert: 93.982 €

Gründe:

I.

1
Am 30. September 2004 legte die Klägerin durch ihre zunächst beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Berufung gegen das ihr am 31. August 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem ihre Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Mietvertrages abgewiesen worden war. Auf ihren am 29. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30. November 2004 verlängert.
2
Mit Schriftsatz vom 30. November 2004 zeigten die jetzigen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an, diese nunmehr zu vertreten, und begründeten die Berufung. Dieser Schriftsatz ging am selben Tag per Fax beim Landgericht Freiburg und nach Weiterleitung am Mittwoch, dem 1. Dezember 2004, bei den Freiburger Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ein.
3
Auf gerichtlichen Hinweis vom 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin , ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Angestellte der Kanzlei ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten W. habe im Anschluss an die ihr erteilte Weisung, die Faxnummer der Zivilsenate in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu ermitteln und in den Schriftsatz einzufügen, versehentlich die Faxnummer des Landgerichts eingesetzt und den Schriftsatz dorthin übermittelt , wie sich aus den anwaltlich versicherten Angaben des Rechtsanwalts W. im Wiedereinsetzungsgesuch und der ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ergebe. Die Verwechslung beruhe darauf, dass sie eine Internet-Seite der Telekom aufgerufen und dabei versehentlich die eine Zeile über dem Oberlandesgericht aufgeführte Nummer des Landgerichts abgelesen habe.
4
Das Oberlandesgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin durch Beschluss zurück und verwarf die Berufung zugleich als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
6
2. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und infolge dessen die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser dürfe die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes zwar im Rahmen einer die nötige Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen und brauche die von ihr ermittelte Faxnummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die Klägerin habe jedoch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine allgemeine Büroanweisung zur Ausgangskontrolle von per Fax zu übermittelnden fristwahrenden Schriftsätzen bestehe, die auch - wie erforderlich - gewährleiste, dass die Übermittlung an die richtige Faxnummer des Empfängers erfolgt sei.
7
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und entspricht auch im zuletzt genannten Punkt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, derzufolge ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet, und zwar dergestalt, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275 f. m.N.).
8
a) Hier hat die Klägerin zwar glaubhaft gemacht, dass die Büroangestellte L. nach der Übermittlung der Berufungsbegründung einen Sendebericht ausgedruckt und Rechtsanwalt W. vorgelegt hat, der ihn kontrollierte.
9
Dem ist aber bereits nicht zu entnehmen, dass Rechtsanwalt W. auch überprüft hat, ob es sich bei der aus dem Sendebericht ersichtlichen Faxnummer um diejenige des Oberlandesgerichts handelte. Nach seiner eigenen Darstellung hat er sich (nur) den Sendebericht vorlegen lassen und sich von der "störungsfreien Übermittlung" überzeugt. Dies lässt es möglich erscheinen, dass er sich nur vergewissert hat, ob der Sendebericht den Vermerk "OK" aufwies. Nach Darstellung der Büroangestellten L. wurde ihm das Sendeprotokoll hingegen zusammen mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt, und seine Kontrolle bezog sich auf deren "vollständigen Versand", so dass angesichts dieser detaillierteren Darstellung davon ausgegangen werden kann, dass Rechtsanwalt W. auch die Seitenzahl überprüft hat. War dies der Fall, mag auch die Vermutung nahe liegen, dass Rechtsanwalt W. zugleich auch die Faxnummer des Sendeberichts mit der auf dem Schriftsatz angegebenen Faxnummer verglichen hat.
10
Auch die Rechtsbeschwerde lässt dies dahinstehen und weist - insoweit zutreffend - darauf hin, dass ein etwaiges Unterlassen der vorstehend genannten Überprüfung für die Versäumung der Frist jedenfalls nicht ursächlich gewesen wäre, weil die Faxnummern auf dem Sendebericht und dem Schriftsatz tatsächlich übereinstimmten und ein Vergleich nicht zur Aufdeckung des Fehlers hätte führen können.
11
Mit dieser Begründung lässt sich ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden aber nicht ausräumen:
12
b) Ob in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle existierten, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Hatte er selbst es übernommen, das Sendeprotokoll im Rahmen der Ausgangskontrolle zu prüfen, durfte er sich dabei nicht auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränken. Denn die Ausgangskontrolle muss sich auch darauf erstrecken , dass die Übermittlung an den richtigen Empfänger erfolgt ist (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f.). Der Vergleich dieser beiden Faxnummern ist aber nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch nicht darauf an, wie hoch die Verwechslungsgefahr bei dem zur Ermittlung herangezogenen Verzeichnis war, und welche Vorkehrungen gegebenenfalls zu treffen sind, wenn die Ermittlung der Empfängernummer dem Büropersonal überlassen wird.
13
Denn die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGHReport 2004, 978 f.). Die bloße, auf Nachfrage des Anwalts abgegebene Versicherung der Angestellten, die zutreffende Empfängernummer ermittelt und in den Schriftsatz eingesetzt zu haben, vermag die anschließende Überprüfung dieses Vorgangs nicht zu ersetzen. Hierzu hätte es zumindest der weiteren Versicherung der Angestellten bedurft , die von ihr in den Schriftsatz eingesetzte Faxnummer anschließend noch einmal mit dem verwendeten Verzeichnis abgeglichen zu haben.
14
Aber selbst wenn der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu folgen wäre, dass eine nochmalige Überprüfung anhand des zur "Erstermittlung" benutzten Verzeichnisses nur dann unabdingbar sei, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung besonders hoch ist, ergäbe sich hier nichts anderes. In seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491 f.), auf den sich die Rechtsbeschwerde insoweit beruft, hat der Bundesgerichtshof als Beispiel für ein besonders hohes Verwechslungsrisiko den Fall genannt, dass die Empfängernummer im Einzelfall aus elektronischen Dateien herausgesucht wird und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen. Das war auch hier der Fall (Internetseite der Deutschen Telekom mit der Auflistung der Justizbehörden in Freiburg; darunter Amts-, Land- und Oberlandesgericht

).

15
Im Übrigen betraf diese Entscheidung einen Fall, in dem die abgelesene Faxnummer offenbar unmittelbar handschriftlich in einen bereits ausgedruckten Schriftsatz eingefügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Büroangestellte L. die am Bildschirm (falsch) abgelesene Faxnummer hingegen zunächst "notiert", d.h. handschriftlich festgehalten und sodann in den am Computer vorgefertigten Schriftsatz eingesetzt. Das mit dieser zweifachen Übertragung verbundene höhere Risiko eines Übertragungsfehlers hat sich im vorliegenden Fall zwar nicht verwirklicht, gehört aber ebenfalls zu den Umständen, die nach der zitierten Entscheidung Anlass zur nochmaligen Überprüfung geben.
16
c) Bestand hingegen eine allgemeine Anweisung, durch die die Ausgangskontrolle einer geschulten Fachkraft übertragen war, lässt das Wiedereinsetzungsgesuch sowohl eine Darstellung dieser Anweisung als auch Angaben dazu vermissen, wer für die Streichung der Frist im Fristenkalender zuständig war. Zudem hat Rechtsanwalt W. dadurch, dass er selbst den Sendebericht kontrollierte, in die Büroorganisation eingegriffen und - mangels einer klaren Anweisung auch für diesen Fall - eine Situation geschaffen, in der für seine Angestellten ungewiss war, ob sie damit ihrer gegebenenfalls bestehenden eige- nen Prüfungspflichten im vorliegenden Einzelfall enthoben waren oder nicht. Auch darin ist ein Organisationsverschulden zu sehen, da nicht vorgetragen ist, dass für einen solchen Fall eindeutige Anweisungen bestanden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angestellte L. oder gegebenenfalls eine andere, mit der Führung des Fristenbuchs betraute Angestellte den erforderlichen nochmaligen Abgleich des Sendeberichts mit dem bei der Erstermittlung der Faxnummer verwendeten Verzeichnis oder einem anderen Verzeichnis vorgenommen hätten, wenn Rechtsanwalt W. nicht den Eindruck vermittelt hätte, diese Ausgangskontrolle selbst zu übernehmen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 26.08.2004 - 2 O 230/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 16.12.2004 - 19 U 184/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 14/04
vom
22. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, ist eine Verwechslungsgefahr gering. In einem
solchen Fall reicht es aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte
Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abgeglichen wird.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - LG Hanau
AG Hanau
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 9. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.175,73 €

Gründe:

I.

Der Kläger hat die fristgerechte Einlegung der Berufung gegen das teilweise klagabweisende Urteil des Amtsgerichts versäumt, weil die Berufungsschrift seiner Prozeßbevollmächtigten per Telefax am letzten Tage vor Fristablauf versehentlich an das Amtsgericht und nicht an das zuständige Landgericht gesendet worden ist. Nach der eidesstattlich versicherten Darstellung des instanzgerichtlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers in seinem Wiederein-
setzungsgesuch wurde die fehlerhafte Versendung des Schriftsatzes verursacht , weil die von ihm mit dem Absenden der Berufungsschrift beauftragte und bisher stets zuverlässig arbeitende Fachkraft gegen die in der Kanzlei bestehenden klaren Anweisungen zur Versendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax verstoßen habe. Nach den Anweisungen sei die Faxnummer, an die der Schriftsatz zu versenden sei, aus einer ständig aktualisierten "Aktenvita" zu ermitteln und per Hand in den Schriftsatz einzufügen. Die Fachkraft habe hingegen weisungswidrig die Telefaxnummer des im Computer und der Akte enthaltenen erstinstanzlichen Gerichts eingefügt. Bei der nach Absendung der Berufungsschrift durchgeführten Sendeberichtskontrolle sei das Versehen nicht bemerkt worden, weil der Sendebericht den Vermerk "ok" ausgewiesen habe. Das Berufungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung zurückgewiesen, daß den Prozeßbevollmächtigten des Klägers jedenfalls ein Organisationsverschulden treffe, das für die Versäumung der Berufungsfrist ursächlich geworden sei, weil die behauptete Kontrolle des Sendeberichts als Maßnahme zur Vermeidung der eingetretenen Fristversäumung unzulänglich sei. Bei der Eingabe einer TelefaxEmpfängernummer bestehe eine hohe Verwechslungsgefahr, sei es, daß die Nummer im Telefaxverzeichnis aus der falschen Zeile entnommen werde oder daß - wie hier - die Nummer versehentlich fehlerhaft aus der Akte oder dem Computer entnommen werde. Es müsse deshalb durch eine entsprechende Büroorganisation sichergestellt sein, daß sich die Überprüfung der per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer erstrecke. Hierzu reiche es nicht aus, den Sendebericht auf die "OK-Meldung" hin zu überprüfen und die im Sendebericht aufgeführte mit der zuvor eingefügten Empfängernummer zu vergleichen. Denn unterliefen bei der Ermittlung der Faxnummer Fehler, dann setzten sich diese zwangsläufig bei der anschließenden Kontrolle des Sendeberichts fort, wenn die gewählte
Empfängernummer nur mit der zuvor eingefügten Nummer abgeglichen werde. Eine zuverlässige Abschlußkontrolle setze daher voraus, daß die verwendete und im Sendebericht aufgeführte Nummer anhand eines amtlichen Telefaxverzeichnisses oder einer vergleichbar zuverlässigen Aufzeichnung oder Liste überprüft werde. Eine diesen Erfordernissen entsprechende Organisation gebe es in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers offensichtlich nicht. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, womit er seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist weiterverfolgt.

II.

Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 1. Mit Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Büroorganisation überspannt, indem es verlangt , daß nach Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über Fax die Kontrolle der verwendeten Faxnummer auf ihre Richtigkeit anhand eines amtlichen Telefaxnummernverzeichnisses oder einer vergleichbar zuverlässigen Liste durchgeführt wird.
a) Ein Rechtsanwalt erfüllt seine Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, bei Einsatz eines Telefaxgerätes zwar nur dann, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich nach
der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen , auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - Umdruck S. 3 m.w.N.). Diese Verpflichtung haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht verletzt. Die nach der Darstellung im Wiedereinsetzungsgesuch bestehende allgemeine Anweisung, die Faxnummer aus der ständig aktualisierten "Aktenvita" zu entnehmen , per Hand in den Schriftsatz einzufügen und sodann nach der Übertragung des Schriftsatzes per Telefax den Einzelsendebericht ausdrucken zu lassen und diesen zu kontrollieren, genügt den Sorgfaltsanforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle.
b) Der Senat setzt sich mit dieser Auffassung nicht in Widerspruch zu den Anforderungen im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. März 1995 - 2 AZR 1020/94 – BAGE 79, 379, 381 ff., wonach die Kontrollanweisung des Rechtsanwalts dahin gehen müsse, auch die Richtigkeit der Empfängernummer abschließend zu kontrollieren. Die Rechtsbeschwerde weist mit Recht darauf hin, daß in dem dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorliegenden Fall der das Faxgerät bedienende Mitarbeiter aus einem amtlichen TelefaxVerzeichnis eine falsche Nummer ausgewählt hatte. Auch der Bundesgerichtshof hat es für erforderlich gehalten, daß bei der Ausgangskontrolle die im Sendebericht wiedergegebene Empfängernummer daraufhin überprüft wird, ob es sich hierbei um die richtige Empfängernummer handelt, wenn das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung der Empfängernummer besonders hoch ist, weil z.B. die Empfängernummer von Fall zu Fall aus gedruckten Listen oder elektronischen Dateien herausgesucht werden muß und an einem und demselben Ort mehrere Empfänger in Betracht kommen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - z.V.b.; BGH, Beschluß vom 24. April 2002 - AnwZ 7/01 -
BRAK-Mitt. 2002, 171; offengelassen im Beschluß vom 12. März 2002 - IX ZR 220/01 - VersR 2002, 1577, 1578). Im vorliegenden Fall kann von einer hohen Verwechslungsgefahr bei der "Erstermittlung" der richtigen Telefaxnummer jedoch nicht ausgegangen werden. Wird die Empfängernummer nicht aus einem amtlichen Verzeichnis oder einer Liste, sondern aus dem konkreten Aktenvorgang entnommen, ist eine Verwechslungsgefahr denkbar gering. In einem solchen Fall reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor eingefügten Nummer abgeglichen wird. 2. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, daß im vorliegenden Fall ein etwaiger organisatorischer Fehler im Zusammenhang mit der Ausgangskontrolle außerdem nicht ursächlich geworden wäre für die Versäumung der Berufungsfrist. Die Fristversäumnis ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß die Fachangestellte nach der Darstellung des instanzgerichtlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers bereits die Weisung mißachtet hat, den Schriftsatz an die aus der "Aktenvita" zu entnehmenden Faxnummer zu senden. Der hiermit begangene Fehler setzte sich bei der anschließenden Überprüfung des Sendeberichts fort, ohne daß dies durch die von dem Prozeßbevollmächtigten angeordnete Ausgangskontrolle verhindert werden konnte. Die abschließende Kontrolle der eingegebenen Telefax-Nummer dient insbesondere der Beseitigung von Fehlern, die dadurch entstehen, daß der die Nummer im dafür vorhandenen Verzeichnis Ablesende in eine falsche Zeile gerät. Eine Verwechslung des Gerichts, wie sie hier unterlaufen ist, läßt sich aber, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, durch einen weiteren Vergleich mit der von der Büroangestellten weisungswidrig benutzten Fundstelle der Nummer gerade nicht vermeiden. Denn wenn die Fachkraft die Weisung mißachtet hat, die Nummer aus der "Aktenvita“ zu entnehmen und handschriftlich einzufügen,
liegt ein klarer Verstoß gegen die Weisung vor, der für die Fristversäumnis ursächlich war. Anerkanntermaßen darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, daß sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. BGH, Beschluß vom 5. Februar 1992 - XII ZB 92/91 - NJW 1992, 2488, 2489; vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81 - NJW 1982, 2670; vom 10. Juni 1998 - XII ZB 47/98 –VersR 1999, 643). Ein konkretes Einzelverschulden des Personals ist ihm und damit auch dem Kläger nicht anzulasten. 3. An einer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist der Senat aber dadurch gehindert, daß eine hinreichende Glaubhaftmachung fehlt. Das mit dem Wiedereinsetzungsantrag zur Begründung der unverschuldeten Fristversäumnis behauptete weisungswidrige Verhalten der Büroangestellten stellt einen Vorgang dar, der sich der eigenen Wahrnehmung des Rechtsanwalts H. entzieht. Die zugleich eingereichte Versicherung an Eides statt stellt insoweit keine hinreichende Glaubhaftmachung dar (vgl. Zöller/Greger ZPO 24. Aufl. § 294 Rdn. 3 m.w.N.). Das Berufungsgericht hatte keine Veranlassung , dem nachzugehen, da es nach seiner Auffassung auf das weisungswidrige Verhalten der Büroangestellten nicht ankam. Ist ein Organisationsverschulden
jedoch zu verneinen, ist aufzuklären, ob die Fristversäumnis auf dem behaupteten Verhalten der Büroangestellten beruht. Da die Glaubhaftmachung im Verfahren über den Antrag noch erfolgen kann (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), ist die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/06
vom
13. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Wird die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang handschriftlich auf den zu
versendenden Schriftsatz übertragen, genügt es zur Überprüfung auf mögliche Eingabefehler
, die gewählte Empfängernummer mit der übertragenen Nummer abzugleichen
(Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR
2005, 573).
BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - LG Kassel
AG Korbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2007 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 14. September 2006 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 3.579,04 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 23. Mai 2006 ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 3.579,04 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Juni 2006 zugestellt worden. Am 3. Juli 2006 hat der Beklagte Berufung zum Landgericht K. eingelegt. Mit Schriftsatz vom Montag, den 7. August 2006, hat der Beklagte die Berufung begründet. Der Schriftsatz trägt im Kopf auf S. 1 die Telefax-Nummer des Amtsgerichts K., die jedoch als Telefax-Nummer des Landgerichts K. bezeichnet ist. Dieser Schriftsatz ist vorab per Fax am 7. August 2006 um 17.03 Uhr beim Amtsgericht K. eingegangen. Dieses hat ihn am 11. August 2006 an das Landgericht weitergeleitet , nachdem bis zu diesem Zeitpunkt kein Eingang des Originalschreibens beim Amtsgericht bekannt wurde. Das Original des Schriftsatzes ist am 9. August 2006 beim Landgericht eingegangen. Mit Verfügung vom selben Tag wies der Vorsitzende des Berufungsgerichts den Beklagten darauf hin, dass die Begründung der Berufung nicht innerhalb der bis 7. August 2006 laufenden Frist, sondern erst am 9. August 2006 beim Berufungsgericht eingegangen sei und deshalb beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 18. August 2006, beim Berufungsgericht eingegangen am 21. August 2006 hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe die Begründung mit der ausdrücklichen Verfügung diktiert, eine Übersendung solle vorab per Telefax zur Fristwahrung erfolgen. Hierauf habe die erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin H. über dem Anschriftenfeld des Landgerichts K. den Aufdruck "per Telefax" und die folgende Telefax-Nummer angebracht. Dabei sei es zu der fehlerhaften Auswahl der Telefax-Nummer gekommen. H. habe sich bei der Ermittlung der Teilnehmernummer auf die in der Akte befindliche gerichtliche Korrespondenz verlassen; sie gehe davon aus, dass sie ein Schreiben des Amtsgerichts K. aufgeschlagen habe, was ihr aber entgangen sei.
2
Auf weitere Verfügung des Vorsitzenden vom 21. August 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 6. September 2006 dargelegt, nach den Organisationsvorgaben seines Büros im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze mittels Telefax sei auf dem zu versendenden Schriftsatz über der Empfängeranschrift der Zusatz "per Telefax" und dann die jeweilige Teilnehmernummer aufzunehmen. Die Büromitarbeiterin, die den Schriftsatz angefertigt habe, sei auch für die Übersendung per Telefax zuständig gewesen. Nach Versendung habe die Mitarbeiterin anhand des Sendeberichts zu kontrollieren gehabt, ob die Empfängernummer mit der auf dem Schriftsatz übereinstimme. Weiter sei zu kontrollieren gewesen, ob auf dem Sendebericht für die ordnungsgemäße Übermittlung ein "ok" angegeben sei und ob die Seitenzahl mit der des Schriftsatzes übereinstimme. Bei fristwahrenden Schriftsätzen erfolge die Versendung per Fax durch Auszubildende immer unter Aufsicht der zuständigen Mitarbeiterin. Das Telefax und der Sendebericht würden zur Akte genommen. Nach Beendigung des Vorgangs lasse die Mitarbeiterin durch die Auszubildenden nochmals den Sendebericht überprüfen und kontrolliere abschließend erneut alle Schritte. Anschließend werde der Schriftsatz im Original mit den notwendigen Abschriften auf den Postweg gebracht. Erst dann melde sich die Mitarbeiterin beim bearbeitenden Rechtsanwalt um mitzuteilen, dass der Schriftsatz per Fax versandt und das Original auf dem Postwege sei. Auf die Frage der Mitarbeiterin, ob die Frist im Fristenkalender gestrichen werden könne, erkundige sich der Anwalt, ob durch Kontrolle des Sendeberichts sichergestellt sei, dass eine ordnungsgemäße Versendung des Faxschreibens erfolgt sei. Erst nach Bestätigung erfolge die anwaltliche Anordnung , die Frist zu streichen.
3
Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung wegen verspäteter Begründung verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe den Bürokräften die Ermittlung der Telefax-Nummer und die Versendung des fristgebundenen Schriftsatzes durch Telefax übertragen, ohne nähere Vorgaben zur Überprüfung der zu verwendenden Fax-Nummer im erforderlichen Umfang zu geben. Zwar sei dem Anwalt nicht vorzuwerfen, dass er den mit einer falschen Telefax-Nummer versehenen Schriftsatz vor der Versendung unterzeichnet habe. Er habe jedoch dafür Sorge tragen müsse, dass die per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfänger-Nummer überprüft werden. Eine solche Überprüfung sei nicht glaubhaft gemacht.
4
Dieser Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. September 2006 ist dem Beklagten am 20. September 2006 zugestellt worden. Am 16. Oktober 2006 hat der Beklagte Rechtsbeschwerde eingelegt und sogleich begründet.

II.

5
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip - Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie nicht rechnen musste (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Februar 2006 - VI ZB 44/05 - VersR 2006, 860, 861; BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
6
2. Allerdings geht das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon aus, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist, wenn den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein Verschulden an der Versäu- mung der Frist trifft (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Soweit es jedoch eine schuldhaft unzulängliche Organisation des Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle der Berufungsbegründung bejaht, überspannt es die an die Sorgfaltspflichten des Anwalts zu stellenden Anforderungen.
7
a) Im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Anwalt die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer nötigen Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen darf und die von dieser verwendete FaxNummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen muss.
8
b) Es entspricht ferner der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - BGH-Report 2006, 1121; BAGE 79, 379, 382 - jeweils m.w.N.).
9
Das Berufungsgericht überspannt die hier dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Organisation einer Ausgangskontrolle, wenn es eine Überprüfung der Übermittlung auf Eingabefehler für nicht ausreichend hält und auch im hier zu entscheidenden Fall eine Überprüfung der richtigen Ermittlung der Telefax-Nummer verlangt.
10
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Telefax-Nummer, die sich nach Einsetzen der Nummer auf dem zu übermittelnden Schriftsatz darauf beschränkt, dass die auf dem Schriftsatz eingesetzte Nummer mit der zur Versendung angegebenen Nummer übereinstimmt , einen Fehler beim Einsetzen der Nummer auf dem Schriftsatz nicht aufzeigen kann. Ein bei der Ermittlung der Telefax-Nummer aufgetretener Fehler kann sich in der Folge fortsetzen, wenn nicht anhand anderer Verzeichnisse gesondert überprüft wird, ob es sich bei der verwendeten Telefax-Nummer um diejenige des zuständigen Berufungsgerichts handelt. Aus diesem Grund ist nach st. Rspr. des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jedenfalls dann auch darauf zu erstrecken hat, ob die zutreffende Fax-Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde (zuletzt BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - aaO), wenn die Fax-Nummer des Berufungsgerichts von einer Büroangestellten aus einem amtlichen Verzeichnis selbständig zu ermitteln war.
11
Der hier zu entscheidende Fall ist jedoch anders gelagert. Die zur Übermittlung verwendete Fax-Nummer war unmittelbar aus einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte zu entnehmen und in dem zu versendenden Schriftsatz einzufügen. In einem solchen Fall ist das besonders hohe Verwechslungsrisiko , das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien besteht, erheblich verringert. Das gestattet es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern und eine Überprüfung der verwendeten Fax-Nummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen , im Schriftsatz festgehaltenen Telefax-Nummer zu beschränken. In solchen Fällen reicht es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfänger-Nummer mit der zuvor in den Schriftsatz einge- fügten Nummer abgeglichen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - aaO).
12
3. Der Beklagte hat durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung H. vom 16. August 2006 glaubhaft gemacht, dass in der Akte Schreiben des Berufungsgerichts vorhanden waren. Dass infolge eines Versehens die Fachangestellte die Telefax-Nummer des Amtsgerichts anstelle der des Landgerichts aus einem Schriftstück in der Akte ausgewählt und in den Schriftsatz eingefügt hat, gereicht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zum Verschulden.
13
4. Nach allem ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Sache ist an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Korbach, Entscheidung vom 23.05.2006 - 3 C 365/04 (70) -
LG Kassel, Entscheidung vom 14.09.2006 - 1 S 268/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 101/06
vom
9. April 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Ein Rechtsanwalt kann die einfach zu erledigende Aufgabe der Übermittlung
eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax seinem geschulten und zuverlässig
arbeitenden Büropersonal überlassen. Er braucht die Ausführung der
erteilten Weisung nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren.
BGH, Beschl. v. 9. April 2008 - I ZB 101/06 - OLG Hamburg
LGHamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert,
Dr. Bergmann und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 8. November 2006 aufgehoben. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 75.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Das Landgericht hat die auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage mit dem am 23. Mai 2006 verkündeten Urteil abgewiesen. Gegen das ihr am 26. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006, der am 28. Juni 2006 im Original bei der Gemeinsamen Annahmestelle beim Amtsgericht Hamburg eingegangen ist, Berufung eingelegt. Im Adressfeld trägt der Schriftsatz den fettgedruckten Zusatz „Vorab per Telefax: 040 ... “. Nach Darstellung der Klägerin ist eine Vorabversendung der Berufungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht nicht erfolgt. Obwohl ein Sendebericht hinsichtlich der Versendung der Berufungsschrift an das Berufungsgericht nicht vorlag, wurde die Berufungsfrist im Fristenkalender von der für die Fristenkontrolle zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten des Prozessbevollmächtigten gestrichen.
2
Die Klägerin hat am 3. Juli 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die unterbliebene Vorabversendung der Berufungsschrift beruhe weder auf einem eigenen noch auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten , sondern auf einem individuellen Fehler einer ansonsten zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten. Diese habe die Berufungsschrift versehentlich nicht vorab per Telefax an das Berufungsgericht gesandt. Entgegen der allgemeinen Kanzleianweisung habe sie vor Streichung der Berufungsfrist auch keinen Abgleich mit einem Faxprotokoll vorgenommen.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
4
II. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation müsse sichergestellt werden, dass die angeordnete Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax auch tatsächlich ausgeführt werde. Denkbar sei eine Anweisung des Prozessbevollmächtigten , dass Faxprotokolle über die erfolgte Versendung fristwahrender Schriftsätze ihm stets persönlich vorgelegt werden müssten. Daran fehle es in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die weitergehende Kontrolle durch den Prozessbevollmächtigten einer Partei müsste zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der fristwahrende Schriftsatz erst am letzten Tag der Notfrist erstellt und an einen anderen Ort in Deutschland versandt werden solle.
5
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
6
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip), und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG, Kammerbeschl. v. 14.12.2001 - 1 BvR 1009/01, NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; BGH, Beschl. v. 9.11.2005 - XII ZB 270/04, FamRZ 2006, 192). Dies bedeutet, dass einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden darf, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers nicht rechnen musste (BVerfG NJW-RR 2002, 1004).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Anforderungen an die anwaltliche Organisationspflicht in Bezug auf fristgebundene Schriftsätze überspannt.
8
a) Die Einhaltung der Berufungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax mittels einer allgemeinen Kanzleianweisung verfügt. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung kann der Rechtsanwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936; Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Er braucht die Ausführung der erteilten Weisung nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (BGH NJW 2004, 367, 368).
9
Werden in dieser konkreten Situation weitere Sicherungsvorkehrungen von dem Prozessbevollmächtigten verlangt, führt dies zu einer Überspannung der gebotenen Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle unmittelbar nach Durchführung der Weisung bestehen. Dies kann allenfalls ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist (BGH NJW 2004, 367, 368). Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt.
10
b) Ebenso wenig beruht die Streichung der Berufungsfrist im Fristenkalender auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin besteht in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung, alle fristwahrenden Schriftsätze nach ihrer Unterzeichnung vorab per Telefax an das jeweils zuständige Gericht zu schicken. Anhand des Sendeberichtes ist dann zu prüfen, ob die Sendung vollständig beim richtigen Empfänger angekommen ist. Erst nach einer Kontrolle des Faxprotokolls darf die Frist im Fristenkalender gelöscht werden. Damit ha- ben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, dass Fristen im Fristenkalender erst dann gestrichen oder mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519; Beschl. v. 18.7.2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Tz. 6 m.w.N.). Die weisungswidrige Außerachtlassung der maßgeblichen Anordnungen durch eine bis dahin beanstandungsfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte braucht sich die Klägerin nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen zu lassen.
11
c) Der Umstand, dass der fristwahrende Schriftsatz erst am letzten Tag der Berufungsfrist erstellt wurde, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall ebenfalls keine andere Beurteilung. Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat zwar wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BGH, Beschl. v. 23.4.1998 - I ZB 2/98, NJW 1998, 2677, 2678; Beschl. v. 23.6.2004 - IV ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1502; Beschl. v. 9.5.2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Tz. 8). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt daher nicht in Betracht, wenn von dem Rechtsanwalt nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (BGH NJW 2006, 2637 Tz. 8). Die bei Ausnutzung einer Frist bis zum Ablauf des letzten Tages aufzuwendende erhöhte Sorgfalt geht aber nicht so weit, dass die Partei bzw. ihr Prozessbevollmächtigter damit rechnen muss, dass eine den Anforderungen genügende allgemeine Weisung von einer bis dahin zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten weisungswidrig nicht ausgeführt wird.
12
d) Der Umstand, dass die auf dem Berufungsschriftsatz vermerkte Telefaxnummer des Berufungsgerichts unrichtig ist, ändert an der Beurteilung nichts. Denn es ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - wenn sie den Berufungsschriftsatz per Telefax übermittelt hätte - auf den Fehler aufmerksam geworden wäre. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin sind die Kanzleimitarbeiter ihrer Prozessbevollmächtigten angewiesen, die Telefaxnummer anhand einer Liste abzugleichen, auf der die zutreffenden Nummern vermerkt sind. Auch insoweit sind die organisatorischen Vorkehrungen mithin ausreichend.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 23.05.2006 - 312 O 934/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.11.2006 - 5 U 118/06 -