Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2018 - 5 StR 373/18

bei uns veröffentlicht am11.12.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 373/18
vom
11. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2018:111218B5STR373.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 8. März 2018 mit den Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Umfang der Beschlussformel.
2
1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tat bestreitenden Angeklagten „im Wesentlichen“ auf die Auswertung der an der Kleidung der Nebenklägerin – insbesondere an der Innenseite des von ihr in der Tatnacht getragenen Slips – aufgefundenen DNA-Mischpuren gestützt. Die Beweiswürdigung hält – trotz des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes – der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
Die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung genügt nicht den hierfür sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebenden Anforderungen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116; für Y-chromosomale Befunde vgl. Willuweit /Weirich/Schneider/Roewer, NStZ 2018, 437, 439; zu den Anforderungen bei DNA-Einzelspuren vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193 [zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt]).
4
Denn das sachverständig beratene Landgericht hat sich auf die Mitteilung beschränkt, wie viele Merkmalssysteme untersucht wurden und ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben. Das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form teilt es hingegen nicht mit. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und seine Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013, aaO).
5
2. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der erörterten Lücke in der Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten, wonach er sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat im Bereich des Tatorts aufgehalten hatte, weisen die übrigen, vom Landgericht für den Nachweis der Täterschaft herangezogenen Indizien zwar deutlich auf ihn als den Täter hin. Das Landgericht hat bei seiner Überzeugungsbildung den DNA-Spuren aber ausdrücklich wesentliche Bedeutung beigemessen.
6
3. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Adhäsionsausspruch, da der zuerkannte Anspruch in der Straftat gründet, auf die sich die Aufhebung bezieht (§ 353 Abs. 1 StPO).
7
a) Die Vorschrift des § 353 Abs. 1 StPO gilt auch für Entscheidungen nach § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO. Ficht der Angeklagte – wie hier – das Urteil insgesamt an, unterliegt deshalb eine gegen ihn ergangene Adhäsionsentscheidung der Überprüfung durch das Revisionsgericht (§ 352 Abs. 1 StPO). Wird auf sein (unbeschränktes) Rechtsmittel hin die Verurteilung wegen der Straftat, die dem Adhäsionsantrag zugrunde liegt, mit den die zivilrechtliche Entscheidung tragenden Feststellungen aufgehoben, ist die bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage nicht erfüllt. Das Urteil beruht mithin insoweit auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO). Das Revisionsgericht kann daher in diesen Fällen auch im zivilrechtlichen Teil aufheben und zurückverweisen (vgl. Löwe /Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406a Rn. 8).
8
b) § 406a Abs. 3 StPO steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift regelt die Aufhebung der Adhäsionsentscheidung für den Fall, dass der Angeklagte nach Aufhebung der strafrechtlichen Verurteilung nicht schuldig gesprochen und keine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Da das Revisionsgericht nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung in diesem Sinne trifft, ist Normadressat des § 406a Abs. 3 StPO in der Regel das Tatgericht (Löwe /Rosenberg/Hilger, aaO Rn. 15).
9
§ 406a Abs. 3 StPO betrifft indes in erster Linie die Fälle, in denen dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Adhäsionsentscheidung entzogen ist, weil der Angeklagte sie wirksam von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat oder das Urteil lediglich von der Staatsanwaltschaft oder dem Nebenkläger angefochten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2006 – 4 StR 570/05, BGHSt 50, 370; Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 23. Mai 1952 – 2 StR 20/52, BGHSt 3, 210). Sie ermöglicht es, die infolgedessen in Rechtskraft erwachsene Adhäsionsentscheidung aufzuheben, wenn die Verurteilung wegen der Straftat, auf die sie gestützt worden ist, nach Aufhebung und Zurückverweisung aufgrund der neuen Hauptverhandlung entfällt. Damit verhindert sie, dass der zivilrechtliche Teil eines strafrechtlichen Urteils bestehen bleibt, obwohl die strafrechtliche Grundlage hierfür weggefallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, aaO).
10
Etwas anderes folgt auch nicht aus der – vor allem für das Rechtsmittel der Berufung relevanten – Vorschrift des § 406a Abs. 3 Satz 2 StPO. Dieser Regelung ist zwar im Umkehrschluss zu entnehmen, dass § 406a Abs. 3 Satz 1 StPO auch auf solche Fälle Anwendung findet, in denen die Adhäsionsentscheidung neben dem strafrechtlichen Teil angefochten ist. Die aus § 353 Abs. 1 StPO folgende Befugnis des Revisionsgerichts, eine – vom Rechtsmittelangriff umfasste – rechtsfehlerhafte Adhäsionsentscheidung aufzuheben, wird dadurch aber nicht verdrängt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. September

2017

4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25). Vielmehr eröffnet § 406a Abs. 3 Satz 1 StPO dem Revisionsgericht lediglich eine weitere Entscheidungsmöglichkeit. Inwieweit es seine diesbezügliche Aufhebungsbefugnis – auch mit Blick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit der Adhäsionsentscheidung (§ 406b StPO) – selbst wahrnimmt oder nach Zurückweisung des strafrechtlichen Teils dem Tatgericht
zuweist, bedarf der Wertung im Einzelfall. Entscheidungen anderer Senate (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2015 – 2 StR 388/14; vom 31. Juli 2018 – 1 StR 260/18 und vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18) stehen daher nicht entgegen.
11
4. Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt sind – mit Ausnahme derjenigen zur Täterschaft des Angeklagten – von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
12
5. Bezüglich einer etwa neu zu treffenden Adhäsionsentscheidung weist der Senat auf die Beschlüsse des BGH vom 20. März 2018 – 5 StR 52/18 (Zinsbeginn) und vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18 (Anforderungen an einen Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes) hin.
Mutzbauer Sander Schneider
Mosbacher Köhler

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 270/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, als Person über
21 Jahren, zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln u.a.
zu 2. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 31. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte K. wegen Raubes verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten K. wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten G. gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 wird verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Raubes und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten G. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit "Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, der Angeklagte K. zudem mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat hinsichtlich der Verurteilung wegen Raubes Erfolg; dies führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist es, wie die Revision des Angeklagten G. insgesamt, unbegründet.
2
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen Raubes (Überfall vom 17. September 2010) richtet.
3
a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12).
4
In den Fällen einer DNA-Untersuchung reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist; sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
5
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügen die Darlegungen in dem landgerichtlichen Urteil nicht.
6
Denn die Strafkammer stützt die Überzeugung von der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten K. wesentlich auf das Ergebnis der Untersuchung von DNA in einer Mischspur, die an dem bei der Tat von einem der Täter getragenen Einmal-Overall gesichert worden war. Hierzu teilt das Landgericht (lediglich ) mit, dass "beim Vergleich der in der Analysedatei erfassten Vergleichswer- te …die Spur der Person A mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 53 Mrd. bei der in der Bundesrepublik lebenden Bevölkerung als Vergleichspopulation vom Angeklagten" stamme (UA S. 16).
7
c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Raubes hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
8
2. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten K. , wie auch die Revision des Angeklagten G. insgesamt, aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 20. Juni 2013 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten K. lediglich:
9
a) Hängt die Frage, ob der Tatrichter zur Prüfung der Täterschaft des Angeklagten ein anthropologisches Identitätsgutachten zu erholen hat, von der Qualität vorhandener Lichtbilder (hier: einer Überwachungskamera) ab, so hat er zunächst selbst zu beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für ein solches Gutachten geeignet sind (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 StR 91/04 [Rn. 31], NStZ 2005, 458, 460). Hat er Zweifel, muss er im Wege des Freibeweises - etwa durch Befragung eines Sachverständigen - klären , ob die Qualität der Lichtbilder für eine sachverständige Beurteilung ausreicht. Dabei ist Maßstab nicht, ob der Sachverständige sichere oder eindeutige Schlüsse ziehen kann, vielmehr ist die Erholung des Gutachtens schon dann geboten, wenn seine Folgerungen die (Nicht-)Täterschaft des Angeklagten mehr oder weniger wahrscheinlich machen und das Gutachten hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 284/11, StV 2013, 481, 482).
10
b) Zur Fassung des Schuldspruchs (hier der Kennzeichnung der Mittäterschaft im Urteilstenor als "gemeinschaftlich") verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßer, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 24.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in Bezug
auf DNA-Einzelspuren standardisiert, so dass es einer Darstellung
der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der
Anzahl der diesbezüglichen Übereinstimmungen nicht mehr
bedarf. Das Tatgericht genügt den Darlegungsanforderungen,
wenn es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen
Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitteilt, da
diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17
LG Potsdam –
ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
BESCHLUSS 5 StR 50/17 vom 28. August 2018 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29. Juli 2016 zu Tat 5 der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den revidierenden Angeklagten wegen „besonders schweren Raubes, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Raubes in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jah- ren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Soweit es den Angeklagten betraf, hat der Senat das angegriffene Urteil auf die Sachrüge hin mit Beschluss vom 5. April 2017 hinsichtlich Tat 2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen; das Verfah- ren betreffend die zur Tat 5 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung hat er abgetrennt und die weitergehende Revision des Angeklagten verworfen. Zum abgetrennten Verfahrensteil hat das Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Tat 5 forderte der Ange- klagte in einer „Lotto-Modellbau-Post-Agentur“ unter Vorhalt einer mit Knallkar- tuschen geladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von Bargeld. Nachdem die Angestellte ihm den Kasseninhalt – insgesamt 840 Euro – übergeben hatte, wandte sich der Angeklagte zur Flucht. Dabei schoss er aus kurzer Entfernung in Richtung des Kopfes eines Kunden, der den Überfall bemerkt und den Angeklagten durch Zuhalten der Eingangstür an der Flucht zu hindern versucht hatte. Der durch die Schusswirkung der Knallkartusche benommene Zeuge konnte den Angeklagten in der Folge nicht weiter aufhalten. Der Angeklagte flüchtete mit einem Fahrrad, an dessen Lenkergriffen DNA-Material gesichert werden konnte.
3
Das Landgericht ist „aufgrund des Ergebnisses der biologischen Unter- suchungen der am (Flucht-)Fahrrad gesicherten Spuren der Überzeugung, dass der Angeklagte (…) der Täter des Überfalls ist“. Die molekularbiologische Sachverständige habe ausgeführt, dass die am Lenkergriff festgestellte DNAMerkmalskombination mit jener im Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimme und diese Merkmalskombination in der deutschen Population (bei Nichtverwandten) einmal unter ca. 150 Trilliarden Personen vorkomme. Deshalb könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegan- gen werden, dass es sich bei dem Angeklagten um den Verursacher der DNASpur handele.

II.


4
Der Schuldspruch betreffend die Tat 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand , da die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht belegt sind.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck aus dem Lauf nach vorn austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist bei Schreckschusswaffen nicht selbstverständlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 10. Mai 2017 – 4 StR 167/17, jeweils mwN).
6
Entsprechende Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole enthält das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht prüfen , ob der Angeklagte den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand oder lediglich denjenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB verwirklicht hat. Nur insoweit bedarf es neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).
7
2. Im Übrigen hält das Urteil rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten als rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die vom Tatgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens. Insofern ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf die Mitteilung beschränkt hat, dass die an der Tatortspur nachgewiesene DNAMerkmalskombination mit jener beim Angeklagten übereinstimmt und der diesbezügliche Wahrscheinlichkeitsquotient 1:150 Trilliarden beträgt.
8
a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10 Rn. 9 mwN).
9
b) Nach diesen Grundsätzen wurde zwar bereits das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss. Anderes galt allerdings für die sich anschließende Berechnung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit, da diese als von wertenden Entscheidungen des Sachverständigen abhängig angesehen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Insoweit wurde – den allgemeinen Darlegungsanforderungen folgend – von den Tatgerichten verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme un- tersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuch- ten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490; vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15 Rn. 35; vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16 Rn. 25; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 10; vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 397/15 Rn. 4; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 Rn. 11; vom 18. Januar 2018 – 4 StR 377/17).
10
c) An den beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen hält der Senat für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen , die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, nicht fest. Denn nach dem erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung in Fällen eindeutiger Einzelspuren soweit vereinheitlicht, dass es einer Darstellung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der Anzahl der Übereinstimmungen in den untersuchten Merkmalssystemen nicht mehr bedarf. Vielmehr genügt die Mitteilung des Gutachtenergebnisses in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form, da diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
11
Der Senat hat insbesondere zu der Frage, ob die molekulargenetische Begutachtung von eindeutigen Einzelspuren in Deutschland in der Weise standardisiert ist, dass unterschiedliche Sachverständige (gegebenenfalls auch un- ter Anwendung verschiedener Methoden) in „Normalfällen“ – in denen als Spu- renleger nicht mehrere miteinander verwandte Personen in Betracht kommen – bei der biostatistischen Bewertung zu gleichwertigen Ergebnissen gelangen, eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen S. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln eingeholt. Danach kann nunmehr auch die biostatistische Wahrscheinlichkeitsbewertung im Rahmen von molekulargenetischen Sachverständigengutachten als weithin standardisiert gelten.
12
aa) Die biostatistische Bewertung von DNA-Spuren beruht auf der Häufigkeitsschätzung des festgestellten DNA-Profils in der entsprechenden Referenzbevölkerung. Es können dabei zwei für die Ergebnisaussage gleichwertige Ansätze verfolgt werden: Zum einen ist die Benennung der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit üblich, bei der angegeben wird, unter wie vielen beliebigen Personen die beobachtete Merkmalskombination einmal vorgefunden werden kann. Zum anderen kann ein Wahrscheinlichkeitsquotient (Likelihood-Ratio) bezeichnet werden, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, wie viel wahrscheinlicher es ist, dass das Spurenmaterial von der Vergleichsperson stammt, als dass es von einer unbekannten, mit der Vergleichsperson nicht verwandten Person herrührt. Bei – wie im vorliegenden Fall – eindeutigen Einzelspuren entspricht der Zahlenwert des Wahrscheinlichkeitsquotienten jenem der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit.
13
Maßgeblich für die Häufigkeitseinschätzung in Bezug auf das jeweilige DNA-Profil ist unabhängig von dem gewählten Ansatz einerseits die Anzahl der im (anerkannt standardisierten) PCR-Verfahren ermittelten Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial. Andererseits hängt die biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage davon ab, mit welcher Häufigkeit die einzelnen STR-Systeme (und in der Folge die Merkmalskombination) in der Referenzbevölkerung vorkommen. Maßgebliche Grundlage der Häufigkeitsaussa- gen zu den einzelnen Merkmalen sind in populationsgenetischen Studien veröffentlichte Daten.
14
bb) Für die stets auf diesen Grundlagen fußende Bewertung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit bestehen in der molekulargenetischen Wissenschaft nach der Einschätzung des Sachverständigen, denen der Senat folgt, anerkannte Standards, die zu zuverlässigen und gleichwertigen Ergebnissen führen. Jedenfalls seit der Veröffentlichung der „GemeinsamenEmpfehlungen der Projektgruppe ‚biostatistische DNA-Berechnungen‘ und der Spurenkommis- sion zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden“ (Ulbrich et al. NStZ 2017, 135) sind Standards für die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung formuliert, die von Gutachtern lege artis zu beachten sind. Diese betreffen ausdrücklich (auch) die Bewertung von Einzelspuren und insbesondere die Verwendung bestimmter populationsgenetischer Daten und damit die maßgeblichen Grundlagen der gutachterlichen Häufigkeitseinschätzung. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass von allen Sachverständigen dieselbe , auf dem sogenannten Hardy-Weinberg-Gesetz beruhende und umfassend wissenschaftlich begründete Berechnungsweise angewandt wird, handelt es sich bei der biostatistischen Bewertung von DNA-Einzelspuren – die aus molekulargenetischer Sicht unstrittig ist und klare und belastbare Aussagen zur Spurenlegereigenschaft ermöglicht – um ein wissenschaftlich anerkanntes und verbindlich eingeführtes Berechnungsverfahren, dessen Anwendung stets zu gleichwertigen Ergebnissen führt.
15
cc) Für die Ersetzung einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage durch eine bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form gibt es derzeit noch keine einheitliche Skala. Der Sachverständige hat zusammenfassend darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf eindeutige Einzelspuren ei- nen Konsens gibt, auf eine zahlenmäßige Aufschlüsselung und Dokumentation bei LR-Werten von mehr als 30 Milliarden zu verzichten und dies mit der Beur- teilung „es besteht kein begründeter Zweifel, dass die Merkmale der Spur von Person A stammen“ zu verbinden.
16
d) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – insbesondere die genannte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177) – steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Es liegt keine eine Rechtsfrage betreffende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG vor. Der Senat hat auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäbe zur Darstellung von Sachverständigengutachten in tatgerichtlichen Urteilen lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des fortgeschrittenen wissenschaftlichen Stands der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung im Rahmen molekulargenetischer Sachverständigengutachten vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2456).
17
3. Anlass für eine Kompensationsentscheidung wegen sogenannter rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung besteht nicht, zumal die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen von vier Jahren, fünf Jahren sowie fünf Jahren und sechs Monaten rechtskräftig ist. Die überdurchschnittliche Länge des Revisionsverfahrens hat ihre Ursache neben mehreren Beratungen des Senats vor allem in dem Erfordernis , das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2018 – 2 StR 334/15 Rn. 28 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.

(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 570/05
vom
2. Februar 2006
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
StGB § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG, § 176 Abs. 4 Nr. 2 n.F.
§ 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB i.d.F. des 6. StrRG setzt voraus, dass der Täter das
Kind dazu bestimmt, dass es an seinem eigenen Körper sexuelle Handlungen
vornimmt; es reicht nicht aus, dass der Täter das Kind lediglich dazu bestimmt,
vor ihm in sexuell aufreizender Weise zu posieren.
BGH, Beschluss vom 2. Februar 2006 - 4 StR 570/05 - LG Hagen
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Februar 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 10. Mai 2005 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fällen verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die Einziehung des Dia-Projektors. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Dia-Projektors des Angeklagten angeordnet und den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000 Euro an den Nebenkläger verurteilt.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Soweit der Angeklagte wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fällen (II. 4 bis 8 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte den am 10. Oktober 1995 geborenen Nebenkläger an drei nicht näher bestimmbaren Tagen im Jahre 2004, jedoch vor dem 17. März, sich vollständig zu entkleiden und Stellungen einzunehmen, die es ermöglichten, Penis und Gesäß des Jungen zu fotografieren (Fälle II. 4 und 6 der Urteilsgründe); in einem weiteren Fall (II. 5 der Urteilsgründe) veranlasste er den Jungen, die Unterhose herunter zu ziehen , und fotografierte Gesäß und Penis des Jungen. An zwei nicht näher bestimmbaren Tagen in den Jahren 2002 oder 2003 veranlasste der Angeklagte ein am 24. August 1994 geborenes Mädchen, sich teilweise zu entblößen, und fotografierte Gesäß und Genitalbereich des Kindes (Fälle II. 7 und 8).
5
b) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht gemäß § 2 Abs. 1 und 3 StGB von der Anwendbarkeit der §§ 176 Abs. 3 Nr. 2 und 184 Abs. 5 StGB in den zur Zeit der Taten geltenden Fassungen des Sechsten Strafrechtsreformgesetzes (6. StrRG) ausgegangen, denn die diesen Vorschriften im Übrigen entsprechenden §§ 176 Abs. 4 Nr. 2 und 184 b Abs. 4 StGB i.d.F. des am 1. April 2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3007) sehen jeweils höhere Strafandrohungen vor. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegen nach den bisher getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der §§ 176 Abs. 3 Nr. 2 und 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des 6. StrRG in keinem der fünf Fälle vor:
6
aa) Der Angeklagte hat die Kinder danach zwar dazu bestimmt, vor ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen, denn das Posieren der Kinder, um Genitalien und Gesäß unbedeckt zur Schau zu stellen, ist eine - nicht unerhebliche (§ 184 f Nr. 1 StGB) - sexuelle Handlung, durch die der Betrachter sexuell provoziert werden soll (vgl. BGHSt 43, 366, 368 m.N.). Das Bestimmen eines Kindes zur Vornahme einer nicht mit Manipulationen an seinem Körper verbundenen sexuellen Handlung wird aber von dem Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG nicht erfasst. Im Gegensatz zu § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB i.d.F. des 4. StrRG, der das Bestimmen eines Kindes zur Vornahme sexueller Handlungen "vor" dem Täter "oder einem Dritten" unter Strafe stellte und demgemäß auch solche sexuellen Handlungen erfasste (vgl. BGHSt 43, 366, 368; BGHR StGB § 176 Abs. 5 sexuelle Handlungen 1 und § 184 c Nr. 1 Erheblichkeit 5), setzt § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG - ebenso wie § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB n.F. - voraus, dass der Täter ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an sich vornimmt.
7
Diese Neufassung des Tatbestands durch das 6. StrRG, die den Anwendungsbereich über die bis dahin geregelten Fälle (Vornahme sexueller Handlungen vor dem Täter oder einem Dritten) hinaus "allgemein" auf sexuelle Handlungen erstrecken sollte, die das Kind "an sich selbst" vornimmt, und damit auch auf den von § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB a.F. nicht erfassten Fall (vgl. BGHSt 41, 285), dass sog. Verbalerotiker Kinder durch Telefonanrufe zu "derartigen Manipulationen" veranlassen (BTDrucks. 13/9064 S. 10 f.), hat zugleich zu einer Einschränkung des bisherigen Anwendungsbereichs geführt. Erfasst werden nach dem eindeutigen Wortlaut des § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG nur sexuelle Handlungen, die ein Kind an, also nicht lediglich mit seinem Körper (zu dieser Differenzierung vgl. Laufhütte in LK 11. Aufl. § 184 c Rdn. 5; Wolters /Horn SK § 184 f Rdn. 8) vornimmt. Nur wer mit Berührungen verbundene Manipulationen am eigenen Körper vornimmt, nimmt nach allgemeinem Sprachverständnis Handlungen an sich selbst vor. Auch der Sinnzusammenhang der Tatbestandsvarianten des § 176 StGB und der anderen Straftatbestände zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung spricht für diese Auslegung. Soweit diese Tatbestände auf die Vornahme sexueller Handlungen an einem anderen, nämlich des Täters an dem Tatopfer (vgl. §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB), eines Dritten an dem Tatopfer (vgl. § 176 Abs. 2 StGB), des Tatopfers an dem Täter (vgl. §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB) oder an einem Dritten (vgl. § 176 Abs. 2 StGB), abstellen, setzen sie stets Manipulationen am Körper, d.h. ein Berühren des Körpers voraus (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 184 f Rdn. 8; Wolters/Horn SK § 184 f Rdn. 6 jew. m.w.N.).
8
Ob die mit der Neufassung des § 176 StGB durch das 6. Strafrechtsreformgesetz erfolgte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB rechtspolitisch gewollt war, kann dahinstehen. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vornahme auch solcher Handlungen , bei denen es nicht zu Manipulationen am eigenen Körper kommt, ist mit dem Wortsinn der Vorschrift, wie er sich aus den genannten Gründen aus dem Sinnzusammenhang des Gesetzes ergibt (vgl. dazu BGHSt 41, 285, 286; 48, 354, 357), nicht zu vereinbaren. Der mögliche Wortsinn eines Gesetzes mar- kiert die äußerste Grenze der Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten (BVerfGE 105, 135, 152 ff., jew. m.w.N.).
9
bb) Damit sind auch die Schuldsprüche wegen jeweils tateinheitlich begangenen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften i. S. des § 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des 6. StrRG nicht belegt, weil diese Vorschrift nur solche Schriften erfasst, die den sexuellen Missbrauch eines Kindes i. S. der §§ 176 bis 176 b StGB zum Gegenstand haben (vgl. BGHSt 43, 366, 368; 45, 41, 42 f.; vgl. auch § 184 b Abs. 1 n.F.).
10
cc) Da nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen ist, dass zum Tathergang ergänzende Feststellungen zu den sexuellen Handlungen getroffen werden können, die ein tatbestandsmäßiges Verhalten im aufgezeigten Sinne des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB i.d.F. des 6. StrRG belegen, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob der Angeklagte aufeines der Kinder bei der Fertigung der Aufnahmen im Sinne des § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB, der § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB n.F. entspricht, durch Reden pornographischen Inhalts eingewirkt hat.
11
2. Die Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten fünf Fällen und der damit verbundene Wegfall der jeweils verhängten Einzelstrafen nötigt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
12
3. Die Anordnung der Einziehung des Dia-Projektors des Angeklagten gemäß § 74 StGB kann wegen der Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten Fällen ebenfalls nicht bestehen bleiben. Der Senat weist für den Fall, dass es erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen einer Straftat gemäß § 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des 6. StrRG kommt, vorsorglich darauf hin, dass ein Dia-Projektor kein Beziehungsgegenstand im Sinne des Abs. 7 Satz 2 dieser Vorschrift ist. Eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Dia-Projektor zur Begehung oder Vorbereitung der Straftat gebraucht worden ist.
13
4. Der Adhäsionsausspruch, der von der Revision ersichtlich nicht angegriffen wird, kann bestehen bleiben, obwohl die Verurteilung auf die Revision des Angeklagten wegen der Taten zum Nachteil des Nebenklägers teilweise aufgehoben wird. Ein nicht angefochtener Adhäsionsausspruch bleibt grundsätzlich unberührt, wenn das zum strafrechtlichen Teil eingelegte Rechtsmittel – wie hier - nur eine (teilweise) Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zur Folge hat (vgl. BGHSt 3, 210, 211). Der Adhäsionsausspruch hat hier im Übrigen auch deshalb Bestand, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung den vom Nebenkläger geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000 Euro anerkannt (§ 406 Abs. 2 StPO) und die Wirksamkeit des Anerkenntnisses auch nicht in Frage gestellt hat. Zudem hat der Nebenkläger auf die Geltendmachung seiner darüber hinausgehender Ansprüche gegen den Angeklagten verzichtet.
14
5. Zur Abfassung der Urteilsgründe bemerkt der Senat ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 12. Dezember 2005, dass es sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verbietet, Kopien von Lichtbildern pornographischen Inhalts in die Urteilsgründe aufzunehmen. Darüber hinaus begegnet ein solches Vorgehen auch deshalb Bedenken, weil der Angeklagte notwendigerweise in den Besitz zumindest einer Abschrift des Urteils einschließlich der darin wiedergegebenen Aufnahmen gelangt. Sollte es auf Einzelheiten der Abbildungen ankommen, sieht § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO die Möglichkeit vor, auf bei den Akten befindliche Lichtbilder zu verweisen.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 177/17
vom
14. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140917B4STR177.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3 a, II. 3 b, II. 4, II. 5 a und II. 5 b der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über aa) die Gesamtstrafe, bb) die Sperrfrist, cc) den Adhäsionsantrag.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition, vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen und vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine isolierte Sperrfrist von vier Jahren angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Revision einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht über angebliche Verständigungsgespräche gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO rügt, ist in zulässiger Weise erhoben, jedoch – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift an den Senat zutreffend ausgeführt hat – unbegründet. Mit Blick auf den zweiten Teil der Verfahrensrüge, der sich auf ein (unangekündigtes) Aufsuchen des Dienstzimmers der Vorsitzenden Richterin durch die Verteidigung nach Ende des zweiten Hauptverhandlungstages bezieht, bemerkt der Senat ergänzend, dass hier auch keine Gespräche stattgefunden haben, durch die frühere Verständigungsgespräche inhaltlich modifiziert worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16, NStZ 2017, 56 f.). Vielmehr ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen selbst und aus der dienstlichen Erklärung der Strafkammervorsitzenden vom 16. März 2017, dass sie bei dem unangekündigten Besuch seitens der Verteidigung zu einem auf eine Verständigung abzielenden Gespräch oder zu einer Modifikation des früheren Verständigungsvorschlags der Strafkammer gerade nicht bereit war und sich auf solche Erörterungen auch tatsächlich nicht eingelassen hat.

II.


3
Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
4
1. Die Verurteilungen in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe, jeweils wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, haben bereits wegen eines Erörterungsmangels in Bezug auf die Voraussetzungen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB keinen Bestand. Denn die Strafkammer verhält sich nicht näher zu der Frage, ob sich der Angeklagte, wie von ihm behauptet (UA 33), zum Zeitpunkt der Fahrten im Besitz einer österreichischen Fahrerlaubnis befand. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, eine etwaige österreichische Fahrerlaubnis des Angeklagten ändere „an der Tatbe- standsmäßigkeit der von ihm mit Kraftfahrzeugen unternommenen Fahrten angesichts der Vorschriften der §§ 7 Abs. 1 und 28 Abs. 1 und 4 Nr. 2 und 3 FeV nichts“ (UA 33).
5
Das Landgericht durfte es indes nur dann offen lassen, ob der Angeklagte im Besitz einer österreichischen Fahrerlaubnis war, wenn auch tatsächlich die Voraussetzungen eines der Gründe nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 FeV vorlagen, aufgrund derer eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilte Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen würde. Zu diesen Voraussetzungen verhält sich das angefochtene Urteil jedoch auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe nicht.
6
2. Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe kann auch derjenige in den Fällen II. 3 b und II. 5 b, jeweils wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht bestehen bleiben.
7
Die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und das sich daran anschließende unerlaubte Sichentfernen vom Unfallort bilden, da sie nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Sichentfernens vom Unfallort nicht ohne Berücksichtigung der Umstände, unter denen es zum Unfall gekommen ist, beurteilt werden kann, einen einheitlichen Lebensvorgang und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1982 – 4 StR 705/81, VRS 63, 39, 42; vom 5. November 1969 – 4 StR 519/68, BGHSt 23, 141, 144; Beschlüsse vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 74; vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 186; MüKo-StGB/Zopfs, 3. Aufl., § 142 Rn. 138).
8
Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, die Verurteilung wegen mehrerer rechtlich selbständiger Taten innerhalb desselben geschichtlichen Vorgangs nur teilweise aufzuheben bzw. bestehen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971, aaO; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn. 6 ff. und § 353 Rn. 6). Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass das neue Tatgericht in den Fällen II. 3 a sowie II. 5 a der Urteilsgründe jeweils Feststellungen zu den Unfallgeschehnissen trifft, die in Widerspruch zu den bislang rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen des sich anschließenden unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort treten. Die den Fällen II. 3 a und b sowie II. 5 a und b zugrunde liegenden Sachverhalte bedürfen daher insgesamt neuer tatrichterlicher Feststellung.
9
3. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Fall II. 4 der Urteilsgründe unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen dieser Tat und den zueinander in Tateinheit stehenden Verstößen gegen § 315c Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG im Fall II. 5 a der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Fahrzeug befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu einem Abnehmer etc.) durch das Führen des Transportfahrzeugs weitere Gesetzesverstöße , so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, NStZ-RR 2017, 123 f.; vom 2. Juli 2013 – 4 StR 187/13, NStZ-RR 2013, 320, 321; vom 5. März 2009 – 3 StR 566/08, StV 2010, 119 f.).
11
Nach den Feststellungen zu Fall II. 4 der Urteilsgründe waren die in dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter II. 5 a der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Methamphetamins zu Handelszwecken, etwa zu einem Abnehmer, diente und deshalb insoweit Tateinheit anzunehmen war.
12
4. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 3 a, II. 3 b, II. 4, II. 5 a und II. 5 b der Urteilsgründe und der zugehörigen Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie der gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordneten isolierten Sperrfrist, der das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 3 a und II. 5 a zugrunde gelegt hat (UA 38), nach sich.

III.


13
Auch die Adhäsionsentscheidung, wonach im Fall II. 5 a der Urteilsgründe der von der Eigentümerin des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB festgestellt wurde, hat keinen Bestand.
14
Es besteht allerdings kein Anlass, gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abzusehen.
15
1. Zunächst steht jedoch weder der Zulässigkeit (vgl. § 403 StPO) noch der Begründetheit des Antrags (vgl. § 406 Abs. 1 StPO) entgegen, dass die zur Aburteilung gelangte vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs der Antragstellerin als Eigentümerin des Fahrzeugs keinen strafrechtlichen Schutz vermittelt.
16
a) Zwar ist das vom Täter geführte Fahrzeug auch dann nicht als fremde Sache in den Schutzbereich des § 315c StGB einbezogen, wenn es – wie hier – ihm nicht gehört (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40, 41 f.; Beschlüsse vom 18. Dezember 1957 – 4 StR 554/57, BGHSt 11, 148, 150; vom 13. Januar 2000 – 4 StR 598/99, NZV 2000, 213; vom 16. April 2012 – 4 StR 45/12, NStZ-RR 2012, 252; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 315c Rn. 15).
17
b) Die fehlende Einbeziehung des der Antragstellerin gehörenden Fahrzeugs in den Schutzbereich der zur Aburteilung gelangten Vorschrift ändert aber nichts daran, dass ihr als Verletzter im Sinne des § 403 StPO aus der Straftat ein vermögensrechtlicher Anspruch (§ 823 Abs. 1, § 249 BGB) erwachsen und ihr Antrag im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen dieser Straftat begründet ist.
18
Straftat im Sinne der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 StPO (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 405 Rn. 4 und 7, § 406 Rn. 2; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 403 Rn. 2; Meyer-Goßner, aaO, § 405 Rn. 3). Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entscheidend , aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/13, BGHSt 58, 152, 154; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 254/09, BGHR StGB § 73 Verletzter 14 [jeweils zu § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 gültigen Fassung]).
19
2. Zu Recht rügt der Angeklagte jedoch, dass er zum Entschädigungsantrag in der Hauptverhandlung nicht gehört worden ist, was durch die dazu fehlenden Feststellungen im Protokoll bewiesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1990 – 4 StR 519/90, BGHSt 37, 260; Meyer-Goßner, aaO, § 404 Rn. 10).
20
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Adhäsionsentscheidung und – da es sich um einen behebbaren Verfahrensfehler handelt und das neue Tat- gericht ohnehin erneut mit der Sache befasst wird – auch insoweit zur Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2012 – 4 StR 602/11, StraFo 2012, 236; Meyer-Goßner, aaO, § 406a Rn. 5).

IV.


21
Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, in den Fällen II. 3 a und II. 5 a der Urteilsgründe das Vorliegen der Voraussetzungen einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs – insbesondere im Fall II. 3 a das Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert und im Fall II. 5 a ein sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht grob verkehrswidriges und rück- sichtsloses Handeln des Angeklagten – eingehender, als dies bislang erfolgt ist, darzulegen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen und Prozessvergleichen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Für das Verfahren nach den §§ 323, 731, 767, 768, 887 bis 890 der Zivilprozeßordnung ist das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zuständig, in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat. Einwendungen, die den im Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Schluß der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges und, wenn das Berufungsgericht entschieden hat, nach Schluß der Hauptverhandlung im Berufungsrechtszug entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 8 / 1 4
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am
12. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 13. Mai 2014 mit den zugehörigen Feststellungen
a) in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in acht Fällen und sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Vergewaltigung in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen drängte der Angeklagte die Nebenklägerin kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Juni/Juli 2006 zu sexuellem Verkehr, den sie ablehnte. Er wandte ihr gegenüber "zunächst im Flur der Wohnung und dann auf der Couch im Wohnzimmer körperliche Gewalt" an und vollzog schließlich den Beischlaf (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Im März 2009 kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zu von ihr erneut abgelehntem Vaginalverkehr, den er "mit seiner körperlichen Überlegenheit" erzwang (Fall II. 2. der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen zur vom Angeklagten angewendeten Gewalt waren der Strafkammer in diesen beiden Fällen nicht möglich.
4
Ende Juni 2013 begehrte der Angeklagte erneut von der Nebenklägerin Geschlechtsverkehr. Als sie das Wohnzimmer verlassen wollte, zog er sie in Richtung der Couch. Der Angeklagte verließ das Wohnzimmer, um sich ein Kondom aus dem Schlafzimmer zu holen, während sie auf der Couch sitzen blieb, "da sie nicht wusste, wohin sie hätte gehen können, ohne dass der Angeklagte ihr nachkommt". Als der Angeklagte zurückkehrte, sich neben sie setzte und sie zu küssen begann, sagte sie ihm, dass sie keinen Geschlechtsverkehr wolle, und schubste den Angeklagten von sich weg. "Der Angeklagte ließ sich davon aber nicht abhalten und führte schlussendlich den Vaginalverkehr bis zum Samenerguss durch" (Fall II. 3.5. der Urteilsgründe).
5
b) Im Fall II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe ist die vom Angeklagten angewendete Gewalt nicht mit Tatsachen belegt; die bloße Feststellung mit dem Gesetzeswortlaut ist nicht ausreichend (vgl. auch Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 284). Im Fall II. 3.5. der Urteilsgründe ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die Geschädigte mit Gewalt zur Duldung des sexuellen Übergriffs genötigt, ebenfalls nicht belegt. Anders als der Generalbundesanwalt meint, ergeben sich entsprechende Feststellungen auch nicht aus der Gesamtschau der Urteilsgründe. Denn in allen weiteren nicht zu beanstandenden Fällen hat das Landgericht das Tatbestandsmerkmal "Gewalt" im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB jeweils im Einzelnen festgestellt.
6
2. Die Aufhebung in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Wegen der schwierigen Beweislage in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe könnte die Anwendung des § 154 StPO nahe liegen.
7
Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den Adhäsionsausspruch (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, insoweit in NStZ 2014, 569 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406a Rn. 8); eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl.
Senat, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 wird hingewiesen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 260/18
vom
31. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:310718B1STR260.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 24. Januar 2018 mit den Feststellungen – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidungen – aufgehoben; aufrecht erhalten bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere – als Schwurgericht zuständige – Strafkammer des Landgerichts Ulm zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Juni 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte, nachdem er nachts heimlich in das Schlafzimmer des Lebensgefährten seiner früheren Freundin eingedrungen war, und nach deren Äußerung, er solle sich „verpissen“, mit niedrigen Beweggründen handelte, weil die tatauslösende Gefühlsregung nach Auffassung des Landgerichts auf dem exklusiven Besitzanspruch an seiner früheren Freundin beruhte und er ihr mit einem Messer einen kraftvollen Schnitt an der Halsseite zufügte, der vom Kinn bis zur Wirbelsäule reichte und fünf Zentimeter tief sowie 15 cm lang war.
4
Diese Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejaht hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insoweit den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und insbesondere im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht erörtert, welche weiteren Motive bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlung vorgelegen haben.
5
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtens- wert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind und in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbe- sondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13, StV 2017, 516; Urteil vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13, StV 2017, 516 mwN). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände , die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGH, Urteil vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13, StV 2017, 516 mwN).
6
b) Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts zur Bejahung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht gerecht.
7
Das Landgericht hat zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe allein darauf abgestellt, dass die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf dem nach seiner Auffassung bestehenden exklusiven Besitzanspruch an R. beruhte, was nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehe (UA S. 42). Damit wurden aber nicht im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Gesichtspunkte in den Blick genommen. Vielmehr ist das Landgericht vom vermeintlichen Besitzanspruch des Angeklagten als einzigem Tatmotiv ausgegangen und hat sich nicht mit den denkbaren weiteren Tatmotiven des Angeklagten hinreichend auseinandergesetzt, obwohl die vom Landgericht festgestellte Tatausführung nach der Äußerung des Tatopfers unmittelbar vor der Tat, dass sich der Angeklagte „verpissen“ solle (UA S. 18), durchaus darauf hindeutet, dass bei dem Angeklagten auch andere Motive bei der Tat- begehung – wie eine Provokation durch das Opfer oder Wut – eine Rolle spielten , die der Angeklagte in einer Bestrafung der Nebenklägerin abreagieren wollte. Bei dieser Sachlage hätte daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten letztlich auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Nur eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe.
8
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des an sich rechtsfehlerfreien Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen.
9
Die Aufhebung des strafrechtlichen Teils der angefochtenen Entscheidung führt aber nicht zur Aufhebung der zu Gunsten des Adhäsionsklägers G. ergangenen – für sich rechtsfehlerfreien – Adhäsionsentscheidung (§ 406a Abs. 3 Satz 1 StPO); deren Aufhebung bleibt gegebenenfalls dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 – 1 StR 208/18 undvom 7. Juni 2017 – 4 StR 197/17, NStZ-RR 2017, 270 mwN).
10
3. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen sind ordnungsgemäß getroffen und werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen zur inneren Tatseite werden aufgehoben, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
Raum Fischer Bär Hohoff Pernice

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 484/18
vom
6. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:061218B4STR484.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 1. Juni 2018 wird das vorbezeichnete Urteil
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe verurteilt worden ist; bb) im Gesamtstrafenausspruch; cc) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin M. ; insoweit wird von einer Entscheidung abgesehen.
b) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin G. dahingehend geändert, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. April 2018 zu zahlen sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Endscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und versuchten sexuellen Übergriffs unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 17. November 2017 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und zwei Adhäsionsentscheidungen getroffen. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat den in der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
Soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen T. mit unzutreffender Begründung abgelehnt hat und die Verurteilung hierauf beruht.
3
1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen sprach der Angeklagte die zu diesem Zeitpunkt erkennbar betäubungsmittelabhängige Nebenklägerin G. in den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2017 im Hauptbahnhof H. an und stellte sich ihr unter einem falschen Namen vor. Er fragte sie, ob sie Betäubungsmittel konsumiere. Nachdem die Nebenklägerin dies bejaht hat- te, bot ihr der Angeklagte ein „Geschäft“ an, bei dem es um den Verkauf von Betäubungsmitteln gehen sollte. Um Genaueres zu besprechen, müsse sie mit in seine Wohnung kommen. Die Nebenklägerin vertraute dem Angeklagten und ging mit ihm in dessen Wohnung. Als der Angeklagte sie dort aufforderte, ihn mit der Hand zu befriedigen, war sie „total überrascht“ und sagte ihm deutlich, dass sie das nicht wolle. Als sie die Wohnung verlassen wollte, schloss der An- geklagte die Wohnungstür ab. Die Nebenklägerin begann nun zu schreien, woraufhin ihr der Angeklagte den Mund zuhielt. Der Angeklagte hielt die Nebenklägerin fest, drückte sie rücklings aufs Bett, zog ihr die Jogginghose herunter und drang mit seinem Glied in sie ein. Die Nebenklägerin konnte sodann die Wohnung verlassen. Einige Tage später traf die Nebenklägerin anlässlich des Verkaufs eines Fernsehers durch eine Freundin nochmals mit dem Angeklagten zusammen. Am 17. November 2017 kam es zu einer weiteren Begegnung, bei der ein Bekannter der Nebenklägerin den Angeklagten in ihrem Auftrag zu fotografieren versuchte. Dabei kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Bekannten und dem Angeklagten. Bei der sich anschließenden polizeilichen Anzeigenaufnahme wegen der Körperverletzung zum Nachteil des Angeklagten zeigte die Nebenklägerin die Vergewaltigung an.
4
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung angegeben, die Nebenklägerin im Hauptbahnhof getroffen zu haben und von ihr gebeten worden zu sein, sie bei ihm übernachten zu lassen. In den nächsten drei Tagen sei sie bei ihm geblieben, und es sei mehrfach zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Als seine Freundin ihm telefonisch ihr Kommen angedroht habe, habe er der Nebenklägerin erklärt, dass sie gehen müsse. Sie habe zunächst nicht gehen wollen, weil sie seine Geliebte habe sein wollen. Die Vergewaltigung behaupte sie nur aus Rache.
5
Das Landgericht hat seine Überzeugung hinsichtlich des Tatgeschehens und der Begleitumstände auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt.
6
2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung am 24. Mai 2018 den Antrag gestellt, den Zeugen T. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin Anfang Mai 2017 in der Wohnung des Zeugen gewesen sei. Dadurch werde bewiesen, dass die Angaben der Nebenklägerin zum Tatablauf nicht stimmen könnten.
7
Das Landgericht hat diesen Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt und ausgeführt, dass die zu beweisende Tatsache aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Selbst wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen würde, lasse dies keinen Schluss darauf zu, ob die Vergewaltigung stattgefunden habe. Auch wäre die Beweistatsache im Fall ihres Nachweises nicht geeignet, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. zu beeinflussen, denn die Frage, ob der Angeklagte mit der Zeugin G. in der Wohnung des Zeugen T. gewesen sei, betreffe nicht das eigentliche Tatgeschehen und damit den Kernbereich der Aussage der Zeugin G. .
8
3. Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie die Beweistatsache in ihrer Bedeutung als Indiztatsache für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. nicht umfassend in den Blick nimmt.
9
a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen , ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 342/17, NStZ-RR 2018, 188 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen. Aus ihnen muss sich ergeben, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 300/15, NStZ-RR 2015, 315 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Trüg/Habetha in MünchKommStPO, § 244 Rn. 260 i.V.m. Fn. 1547).
10
b) Vor diesem Hintergrund greift die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweisaufnahme abgelehnt hat, unter den hier gegebenen Umständen zu kurz. Soweit sie dabei – im Ansatz zutreffend – die Beweistatsache auch im Hinblick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeuginin den Blick genommen hat, hat sie nur darauf abgestellt, inwieweit diese Tatsache Rückschlüsse auf das Tatgeschehen als solches zulässt. An dieser Stelle hätte aber auch erwogen werden müssen, ob und inwieweit hierdurch die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zu den Kontakten mit dem Angeklagten außerhalb des Tatgeschehens (nach ihrer Aussage nur beim Verkauf des Fernsehers wenige Tage später und im November 2017) erschüttert wird und – sofern dies der Fall sein sollte – ob sich daraus ein Rückschluss auf eine Aussagesteuerung ergibt, die auch ihre Bekundungen zu dem das Tatgeschehen ausmachenden unfreiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in Frage stellt. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte mit der Einlassung verteidigt hat, ein mehrtägiges Verhältnis zu der Zeugin gehabt zu haben, bei dem es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei.
11
c) Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO beruht die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung im Fall II.1.a) der Urteilsgründe. Die dadurch begründete Teilaufhebung des Schuldspruchs zieht auch die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe nach sich. Auf die weiteren hierzu erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
12
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen der Tat zum Nachteil der Zeugin G. führt nicht zur Aufhebung der zu ihren Gunsten ergangenen Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, Rn. 56 [insoweit in NJW 2016, 513 nicht abgedruckt]; Urteil vom 18. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98). Jedoch bedarf diese insoweit einer Änderung, als nach § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB Zinsen erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag zugesprochen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, Rn. 2 mwN).

II.


13
1. Die Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs im Fall II.2.a) der Urteilsgründe und der Ausspruch über die Einzelstrafe für diese Tat weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Die hierzu erhobene Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgab und ein strafbefreiender Rücktritt deshalb ausscheidet.
14
2. Der an diese Tat anknüpfende Adhäsionsausspruch zugunsten der Nebenklägerin M. kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil der zugrunde liegende, auf Zahlung eines „angemessenen“ Schmerzensgeldes gerichtete Adhäsionsantrag nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt.
15
a) § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO verlangt die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Bei einem unbezifferten Antrag müssen die tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensausübung des Gerichts mitgeteilt werden. Wenn der Umfang der Leistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Betrages, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2018 – 3 StR 618/17, Rn. 11; Beschluss vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; Beschluss vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; Urteil vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350 f.).
16
b) Diesen Anforderungen wird der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin vom 4. Januar 2018 nicht gerecht. Der Antrag ist nicht beziffert und enthält auch sonst keinen Hinweis auf eine Größenordnung oder einen Mindestbetrag. Eine von der Nebenklägerin hingenommene gerichtliche Streitwertangabe, die als eine entsprechende Wertangabe ihrerseits angesehen werden könnte, ist nicht erfolgt. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag war daher abzusehen.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 52/18
vom
20. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:200318B5STR52.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass die Prozesszinsen erst ab dem 17. August 2017 zu entrichten sind.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Adhäsions- und Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die geltend gemachten Prozesszinsen sind erst ab dem auf die Anhängigkeit folgenden Tag (hier also der 17. August 2017) zu entrichten (vgl. § 404 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15 mwN).
Mutzbauer Schneider König Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 484/18
vom
6. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:061218B4STR484.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 1. Juni 2018 wird das vorbezeichnete Urteil
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe verurteilt worden ist; bb) im Gesamtstrafenausspruch; cc) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin M. ; insoweit wird von einer Entscheidung abgesehen.
b) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin G. dahingehend geändert, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. April 2018 zu zahlen sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Endscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und versuchten sexuellen Übergriffs unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 17. November 2017 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und zwei Adhäsionsentscheidungen getroffen. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat den in der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
Soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen T. mit unzutreffender Begründung abgelehnt hat und die Verurteilung hierauf beruht.
3
1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen sprach der Angeklagte die zu diesem Zeitpunkt erkennbar betäubungsmittelabhängige Nebenklägerin G. in den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2017 im Hauptbahnhof H. an und stellte sich ihr unter einem falschen Namen vor. Er fragte sie, ob sie Betäubungsmittel konsumiere. Nachdem die Nebenklägerin dies bejaht hat- te, bot ihr der Angeklagte ein „Geschäft“ an, bei dem es um den Verkauf von Betäubungsmitteln gehen sollte. Um Genaueres zu besprechen, müsse sie mit in seine Wohnung kommen. Die Nebenklägerin vertraute dem Angeklagten und ging mit ihm in dessen Wohnung. Als der Angeklagte sie dort aufforderte, ihn mit der Hand zu befriedigen, war sie „total überrascht“ und sagte ihm deutlich, dass sie das nicht wolle. Als sie die Wohnung verlassen wollte, schloss der An- geklagte die Wohnungstür ab. Die Nebenklägerin begann nun zu schreien, woraufhin ihr der Angeklagte den Mund zuhielt. Der Angeklagte hielt die Nebenklägerin fest, drückte sie rücklings aufs Bett, zog ihr die Jogginghose herunter und drang mit seinem Glied in sie ein. Die Nebenklägerin konnte sodann die Wohnung verlassen. Einige Tage später traf die Nebenklägerin anlässlich des Verkaufs eines Fernsehers durch eine Freundin nochmals mit dem Angeklagten zusammen. Am 17. November 2017 kam es zu einer weiteren Begegnung, bei der ein Bekannter der Nebenklägerin den Angeklagten in ihrem Auftrag zu fotografieren versuchte. Dabei kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Bekannten und dem Angeklagten. Bei der sich anschließenden polizeilichen Anzeigenaufnahme wegen der Körperverletzung zum Nachteil des Angeklagten zeigte die Nebenklägerin die Vergewaltigung an.
4
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung angegeben, die Nebenklägerin im Hauptbahnhof getroffen zu haben und von ihr gebeten worden zu sein, sie bei ihm übernachten zu lassen. In den nächsten drei Tagen sei sie bei ihm geblieben, und es sei mehrfach zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Als seine Freundin ihm telefonisch ihr Kommen angedroht habe, habe er der Nebenklägerin erklärt, dass sie gehen müsse. Sie habe zunächst nicht gehen wollen, weil sie seine Geliebte habe sein wollen. Die Vergewaltigung behaupte sie nur aus Rache.
5
Das Landgericht hat seine Überzeugung hinsichtlich des Tatgeschehens und der Begleitumstände auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt.
6
2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung am 24. Mai 2018 den Antrag gestellt, den Zeugen T. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin Anfang Mai 2017 in der Wohnung des Zeugen gewesen sei. Dadurch werde bewiesen, dass die Angaben der Nebenklägerin zum Tatablauf nicht stimmen könnten.
7
Das Landgericht hat diesen Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt und ausgeführt, dass die zu beweisende Tatsache aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Selbst wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen würde, lasse dies keinen Schluss darauf zu, ob die Vergewaltigung stattgefunden habe. Auch wäre die Beweistatsache im Fall ihres Nachweises nicht geeignet, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. zu beeinflussen, denn die Frage, ob der Angeklagte mit der Zeugin G. in der Wohnung des Zeugen T. gewesen sei, betreffe nicht das eigentliche Tatgeschehen und damit den Kernbereich der Aussage der Zeugin G. .
8
3. Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie die Beweistatsache in ihrer Bedeutung als Indiztatsache für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. nicht umfassend in den Blick nimmt.
9
a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen , ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 342/17, NStZ-RR 2018, 188 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen. Aus ihnen muss sich ergeben, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 300/15, NStZ-RR 2015, 315 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 – 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Trüg/Habetha in MünchKommStPO, § 244 Rn. 260 i.V.m. Fn. 1547).
10
b) Vor diesem Hintergrund greift die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweisaufnahme abgelehnt hat, unter den hier gegebenen Umständen zu kurz. Soweit sie dabei – im Ansatz zutreffend – die Beweistatsache auch im Hinblick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeuginin den Blick genommen hat, hat sie nur darauf abgestellt, inwieweit diese Tatsache Rückschlüsse auf das Tatgeschehen als solches zulässt. An dieser Stelle hätte aber auch erwogen werden müssen, ob und inwieweit hierdurch die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zu den Kontakten mit dem Angeklagten außerhalb des Tatgeschehens (nach ihrer Aussage nur beim Verkauf des Fernsehers wenige Tage später und im November 2017) erschüttert wird und – sofern dies der Fall sein sollte – ob sich daraus ein Rückschluss auf eine Aussagesteuerung ergibt, die auch ihre Bekundungen zu dem das Tatgeschehen ausmachenden unfreiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in Frage stellt. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte mit der Einlassung verteidigt hat, ein mehrtägiges Verhältnis zu der Zeugin gehabt zu haben, bei dem es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei.
11
c) Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO beruht die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung im Fall II.1.a) der Urteilsgründe. Die dadurch begründete Teilaufhebung des Schuldspruchs zieht auch die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe nach sich. Auf die weiteren hierzu erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
12
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen der Tat zum Nachteil der Zeugin G. führt nicht zur Aufhebung der zu ihren Gunsten ergangenen Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, Rn. 56 [insoweit in NJW 2016, 513 nicht abgedruckt]; Urteil vom 18. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98). Jedoch bedarf diese insoweit einer Änderung, als nach § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB Zinsen erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag zugesprochen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, Rn. 2 mwN).

II.


13
1. Die Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs im Fall II.2.a) der Urteilsgründe und der Ausspruch über die Einzelstrafe für diese Tat weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Die hierzu erhobene Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgab und ein strafbefreiender Rücktritt deshalb ausscheidet.
14
2. Der an diese Tat anknüpfende Adhäsionsausspruch zugunsten der Nebenklägerin M. kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil der zugrunde liegende, auf Zahlung eines „angemessenen“ Schmerzensgeldes gerichtete Adhäsionsantrag nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt.
15
a) § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO verlangt die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Bei einem unbezifferten Antrag müssen die tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensausübung des Gerichts mitgeteilt werden. Wenn der Umfang der Leistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Betrages, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2018 – 3 StR 618/17, Rn. 11; Beschluss vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; Beschluss vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; Urteil vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350 f.).
16
b) Diesen Anforderungen wird der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin vom 4. Januar 2018 nicht gerecht. Der Antrag ist nicht beziffert und enthält auch sonst keinen Hinweis auf eine Größenordnung oder einen Mindestbetrag. Eine von der Nebenklägerin hingenommene gerichtliche Streitwertangabe, die als eine entsprechende Wertangabe ihrerseits angesehen werden könnte, ist nicht erfolgt. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag war daher abzusehen.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel