Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2005 - 5 StR 510/04

bei uns veröffentlicht am11.01.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 510/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2005

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer einh eitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hinterzog der anderweitig verfolgte Geschäftsführer einer Im- und Export GmbH für die Jahre 2000 (Abgabe der Steuererklärungen am 12. November 2001) und 2001 (Abgabe der Steuererklärungen am 12. Dezember 2002) dadurch Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag, daß er Betriebseinnahmen der GmbH in den für die Gesellschaft abgegebenen Steuererklärungen verschwieg. Der Angeklagte, der in hervorgehobener Stellung als Speditionskaufmann in diesem Unternehmen tätig war, hatte im Zusammenwirken mit dem Haupttäter Geschäftspartner der GmbH veranlaßt, fällige Zahlungen nicht auf das in Deutschland geführte Geschäftskonto, sondern auf im Ausland geführte Tarnkonten zu überweisen. Die so verschleierten Einnahmen gingen nicht in die Steuererklärungen der GmbH ein. Insgesamt verkürzte der Haupttäter dadurch Steuern in Höhe von rund 4,5 Mio. DM.
Das Landgericht hat einen Tatbeitrag des Angeklagten bei der Erstellung der Steuererklärungen ausdrücklich verneint; es hat eine tateinheitliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2000) und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2001) angenommen, da der Tatbeitrag des Angeklagten „sich in seiner sonstigen Tätigkeit für die GmbH, die als einheitliche Handlung zu werten“ sei, erschöpft habe. Die Strafe hat das Landgericht dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370a Satz 1 AO entnommen.
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat nicht ausreichend bedacht, daß es für die Strafbarkeit des Angeklagten auf den Zeitpunkt der Begehung der Beihilfehandlung ankommt. Der für den Bestand des Schuldspruchs wesentliche Begehungszeitpunkt der Beihilfehandlung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 und 2 sowie § 8 StGB nach dem Zeitpunkt der Teilnahmehandlung als solcher und nicht nach dem Begehungszeitpunkt der hier teilweise (Steuererklärungen für 2001 vom 12. Dezember 2002) zweifelsfrei nach Inkrafttreten des § 370a AO begangenen Haupttaten (vgl. BGHR StGB § 8 Teilnehmer 1 m.w.N.). Eine Ausrichtung an der Haupttat, die das Landgericht ersichtlich zugrunde gelegt hat, widerspricht dem Grundgedanken des § 8 StGB, dem Bestimmtheitsgebot sowie dem Rückwirkungsverbot (vgl. BGH aaO m.w.N.).
Auf die Beihilfehandlung des Angeklagten könnte § 370a AO – jenseits verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Norm (vgl. BGH NJW 2004, 2990; BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04; jeweils m.w.N.) – mithin nur dann Anwendung finden, wenn seine Handlungen erst nach dem 27. Dezember 2001 tatsächlich abgeschlossen und damit im Sinne von § 2 Abs. 2 StGB beendet waren. Eine Begehung der Beihilfehandlung nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 370a AO (sei es i.d.F. des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes vom 19. Dezember 2001, BGBl I 3922, mit einer Geltungsdauer vom 28. Dezember 2001 bis 27. Juli 2002 oder i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes vom 20. Februar 2002, BGBl I 2715, 2722, mit einer Geltung ab 28. Juli 2002) hat der Tatrichter indes gerade nicht festgestellt, so daß die Anwendung dieser im konkreten Fall gegenüber dem alten Recht (§ 370 Abs. 1 AO) nicht milderen, sondern schärferen Tatbestände bei früherer Begehung auch nicht nach § 2 Abs. 3 StGB in Betracht kommt. Vielmehr fehlen gerade nähere Feststellungen dazu, innerhalb welcher Zeiträume der Angeklagte auf die Geschäftspartner der GmbH zur Verlagerung der Zahlungsflüsse einwirkte. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte – wofür die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Bewertung als eine Beihilfetat sprechen könnte – den abweichenden Zahlungsweg schon im Jahre 2000 vereinbarte und in der Folgezeit dieser Zahlungsweg ohne weitere Tätigkeit des Angeklagten selbständig durch die Geschäftspartner fortgeführt wurde oder ob der Angeklagte etwa jeweils zeitnah den abweichenden Zahlungsweg veranlaßte.
Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf. Er kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine für eine partielle Durchentscheidung notwendigen, hinreichend präzisen Feststellungen entnehmen. Auch bei einem geständigen und steuerrechtlich verständigen Angeklagten (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 8) müssen die Urteilsgründe eine die revisionsrechtliche Sachprüfung ermöglichende Darstellung der einzelnen Tathandlungen im Gefüge ihrer jeweils steuerrechtlichen Bedeutung enthalten.
Der neue Tatrichter wird darüber hinaus zunächst zu prüfen haben, ob die bisherige Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Beihilfetat vor, zutreffend ist. Selbst wenn der Angeklagte „bei der Erstellung der jeweiligen Steuererklärungen (nicht) mitgewirkt“ hat, wird der neue Tatrichter zu erörtern haben, ob nicht schon im Hinblick auf eine – angesichts der bisherigen Feststellungen möglicherweise näherliegende – wenigstens psychische Beihilfe des Angeklagten von jeweils einer Beihilfehandlung zu den zwei Haupttaten auszugehen ist. Gelangt auch der neue Tatrichter zu der Feststellung, daß sich die Handlungen des Angeklagten ausschließlich in der Verlagerung der Zahlungsströme erschöpften, wird er sodann zu prüfen haben, ob sich die Handlungen des Angeklagten auch über den 27. Dezember 2001 hinaus erstreckten. Sodann wird er bei alledem die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO vorgebrachten Erwägungen (vgl. BGH NJW 2004, 2990; BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 – 5 StR 276/04; jeweils m.w.N.) zu bedenken haben. Gegebenfalls kann der neue Tatrichter die Verfolgung auf zwei Fälle der Beihilfe zur (einfachen) Steuerhinterziehung nach § 154a Abs. 2 StPO beschränken.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal

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Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

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Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2004 - 5 StR 276/04

bei uns veröffentlicht am 28.10.2004

5 StR 276/04 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 28. Oktober 2004 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober 2004, an der teilgenommen haben: Vo
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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2015 - 5 StR 71/15

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

5 StR 276/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin T ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Verurteilten Be ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23. Dezember 2003 – auch bezüglich der Mitangeklagten Beund M – 1. aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall II.3.5 der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung 2001) wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO verurteilt worden sind; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten ; 2. im übrigen im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Der Angeklagte B ist schuldig der Steuerhinterziehung in 23 Fällen und des Betruges in sieben Fällen.

b) Der Angeklagte Be ist schuldig der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, des Betruges in fünf Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.

c) Der Angeklagte M ist schuldig der Steuerhinterziehung in 24 Fällen, des Betruges in sechs Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.
3. in den Strafaussprüchen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten B wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen Ste uerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten Be es hat wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie gegen den Mitangeklagten M wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, Betruges in sechs Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig.
Die Revision des AngeklagtenB hat in dem aus d em Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. Gemäß § 357 StPO ist das Urteil auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der AngeklagteB und der Mitangeklagte Be betätigten sich im Zeitraum von 1997 bis 2002 unternehmerisch im Baubereich. Dabei verstießen sie – ab 1998 unter Beteiligung des Angeklagten M – vorsätzlich in erheblichem Umfang gegen ihre steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.
1. Im Jahr 1997 waren die Angeklagten B und Be als sogenannte Kolonnenschieber tätig, indem sie Arbeiterkolonnen anführten, die mit illegalen Arbeitern Leistungen auf dem Bausektor erbrachten. Der ihnen bekannten Pflicht, die getätigten Umsätze gegenüber dem Finanzamt zu erklären, kamen sie nicht nach. Vielmehr rechneten sie, um ihre eigene unternehmerische Tätigkeit zu verschleiern, die von ihnen erbrachten Bauleistungen gegenüber ihrem Auftraggeber über Scheinfirmen ab. Dadurch entstand ein Steuerschaden von über 53.000 €.
Ab dem Jahr 1998 unterhielten die drei Angeklagten selbst mehrere Scheinfirmen, welche sie als sogenannte „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verschleierung von deren unternehmerischer Tätigkeit bereitstellten. Diese Scheinfirmen traten nach außen an die Stelle der Kolonnenschieber; sie nahmen formal deren Rechte und Pflichten aus den Bautätigkeiten wahr. Unter anderem fertigten sie die Bauaufträge als scheinbarer Auftragnehmer aus und meldeten als scheinbarer Arbeitgeber die eingesetzten Arbeiter zur Sozialversicherung an. Des weiteren erstellten die „Serviceunternehmen“ Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis unter ei-
genem Namen, die dann von den Kolonnenschiebern an ihre Auftraggeber weitergegeben wurden. Diese waren durch die Rechungen in der Lage, ihre Aufwendungen als Betriebsausgaben und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend zu machen, während die „Serviceunternehmen“ ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Anmeldung und Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuern, nicht nachkamen. Die Kolonnenschieber, die durch dieses Vorgehen nach außen nicht in Erscheinung traten, konnten so ihre Leistungen „schwarz“ erbringen.
Ab dem Jahr 1998 nutzten die Angeklagten die Firma D B GmbH, Remscheid, als Scheinfirma. Sie unterließen es pflichtwidrig, für dieses Unternehmen die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1998, 1999 und 2000 beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Nach der Verhaftung des von den Angeklagten eingesetzten formalen Geschäftsführers wurde die Tätigkeit der D B GmbH eingestellt. Die Geschäfte wurden sodann mit der Firma T GmbH (T GmbH), Hannover, fortgesetzt. Für dieses Unternehmen kamen die Angeklagten B und M (der Angeklagte Be war an dieser Gesellschaft nicht beteiligt) ihrer Verpflichtung, Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1999, 2000 und 2001 abzugeben, nicht nach. Ab Juli 2000 nutzten die drei Angeklagten die Firma M B GmbH, Karlsruhe, als Scheinfirma. In bezug auf diese Gesellschaft unterließen die Angeklagten pflichtwidrig die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 sowie die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und Juni 2002. Im Februar 2001 wurde als zusätzliches „Serviceunternehmen“ die Firma P B GmbH, Remscheid, gegründet , für die keine Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 und keine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2002 abgegeben wurden. Die Abrechnungen wurden sodann auf die Firma M.G. B GmbH, Gelsenkirchen, übertragen. Hier kamen die Angeklagten ihrer Verpflichtung nicht nach, eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2002 einzureichen. Ab Juni 2002 wurde von den
Angeklagten des weiteren die Firma FTV-B GmbH als „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verfügung gestellt. Bis zur Festnahme der Angeklagten im November 2002 unterließen sie es pflichtwidrig, für die Gesellschaft Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2002 abzugeben.
Insgesamt stellten die Angeklagten mittels der von ihnen installierten „Serviceunternehmen“ Scheinrechnungen über eine Gesamtsumme von mehr als 16 Mio. € aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 2,4 Mio. € ausgewiesen war.
Der Angeklagte M begab darüber hinaus – unabhängig von den Angeklagten B und Be – im Jahr 1999 Rechnungen unter der Scheinfirma BKS-B GmbH und im Jahr 2000 unter der Scheinfirma D H mbH für den Kolonnenschieber S .
Das Landgericht hat die Verletzung der steuerlichen Pflichten für die verschiedenen Gesellschaften der Angeklagten in jedem Jahr (1998 bis 2001) bzw. für jeden Voranmeldungszeitraum (Januar bis Oktober 2002) zusammengefaßt und jeweils bezogen auf den Besteuerungszeitraum als eine Tat gewertet. Für das Jahr 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe) hat es so – unter Zusammenrechnung der Hinterziehungsbeträge für die Firmen T GmbH, M B GmbH, P B GmbH und M.G. B GmbH – einen Hinterziehungsschaden in Höhe von insgesamt 862.817 € festgestellt, diesen Fall als gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a Satz 1 AO gewertet und insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die Grenze zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „großen Ausmaßes“ gemäß § 370a AO hat es – ohne weitere Begründung – bei 250.000 € gezogen.
2. Die „Serviceunternehmen“ D B GmbH, M B GmbH, P GmbH, M.G. B GmbH und FTV-B GmbH der Angeklagten meldeten darüber hinaus anstelle der Kolonnenschieber deren Arbeitnehmer
bei den Sozialversicherungsträgern an. Neben der Falschangabe über ihren Status als Arbeitgeber täuschten die Angeklagten auch über den Umfang des an die Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Entgelts, indem sie falsche Angaben über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der Stundenvergütung machten. Die Angeklagten verursachten so in den Jahren 1998 bis 2002 Schäden von rund 1,7 Mio. €. Gleiches wurde – unter alleiniger Beteiligung der Angeklagten B und M – mittels der T GmbH durchgeführt und so in den Jahren 1999 bis 2001 ein Schaden von mehr als 500.000 € verursacht.
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten al s mittäterschaftliche Beteiligung an den Betrugstaten der Kolonnenschieber zum Nachteil der jeweils zuständigen Krankenkasse gewertet. Diese seien durch Abwicklung über die von den Angeklagten initiierten Scheinfirmen und die unrichtigen Anmeldungen getäuscht und von der Erhebung der zutreffenden Beiträge abgehalten worden. Da ohne die „Serviceunternehmen“ der Betrug nicht möglich gewesen wäre, hätten die Angeklagten, die aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung auch ein erhebliches Eigeninteresse an den Taten gehabt hätten, auch Tatherrschaft gehabt. Nach Auffassung des Landgerichts stellt die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse jeweils eine Tat dar.
3. Der Angeklagte B meldete sich zudem am 20. August 1999 zum 1. September 1999 arbeitslos und bezog bis zum 24. Juni 2001 zu Unrecht Leistungen des Arbeitsamtes in Höhe von über 16.000 €, auf die er wegen seiner Einkünfte aus den „Serviceunternehmen“ keinen Anspruch hatte.

II.


Die Revision des Angeklagten B führt zur Aufhebung des Urteils, soweit alle drei Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung
nach § 370a AO verurteilt worden sind, zur Änderung der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO sowie zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe.
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts hinsichtlich der Steuerdelikte hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bei mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.).
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluß, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. BGHSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. BGH
wistra 1985, 66; BGH bei Holtz MDR 1979, 987; Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 212).

b) Danach hätte das Landgericht bei der rechtlichen Be wertung der hier zu beurteilenden Steuerhinterziehungen nicht allein nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum differenzieren und die unterlassene Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen für jeweils mehrere Scheinfirmen als eine Tat zusammenfassen dürfen. Die Nichtabgabe der gebotenen Erklärungen für jeden Besteuerungszeitraum und für jedes „Serviceunternehmen“ stellt eine rechtlich selbständige Tat dar. Denn der Angeklagte war als (faktischer) Geschäftsführer verpflichtet, für jede der Scheingesellschaften zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Da die Serviceunternehmen zum Teil unterschiedliche Betriebsstätten hatten, waren zudem verschiedene Finanzämter zuständig (§ 21 AO). Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hat der Angeklagte B nach den Feststellungen des Landgerichts in insgesamt 27 Fällen Steuern verkürzt.
Die rechtsfehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen be schwert den Angeklagten B auch, soweit er wegen Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2001 verurteilt worden ist. Infolge der Gesamtschau aller Firmen und der Zusammenrechnung aller Verkürzungsbeträge für diesen Besteuerungszeitraum in Höhe von insgesamt 862.817 € hat das Landgericht die rechtlichen Voraussetzungen der Verbrechensnorm des § 370a Abs. 1 AO bejaht, statt die Voraussetzungen für jede der vier betreffenden Firmen sowie im Hinblick auf jede Steuererklärung einzeln zu prüfen. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe ) kann deshalb keinen Bestand haben. Allerdings können die zugrundeliegenden rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, bei dem eine Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt ist (vgl. BGH StraFo 2001, 350, 351).

c) Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen Beurt eilung dieser vier Fälle folgendes zu bedenken haben: Die Strafnorm des § 370a AO begegnet nach Auffassung des Senats erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gehören Straftaten der vorliegenden Art, die regelmäßig durch organisierte kriminelle Strukturen bei der Planung und Tatausführung gekennzeichnet sind und infolge der systematischen Verkürzung von Abgaben mit hohen Steuerausfällen und außerordentlich großen wirtschaftlichen Schäden einhergehen , zweifellos – insbesondere neben den Umsatzsteuerkarussellgeschäften – zu den Deliktsgruppen, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers von der Verbrechensnorm des § 370a AO erfaßt werden sollten (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl., Stand: Mai 2004, § 370a AO 1977 Rdn. 3, 13). Die „Serviceunternehmen“ entsprechen in ihrem Gesamterscheinungsbild dem Begriff der „Steuerhinterziehung als Gewerbe“ (Joecks wistra 2002, 201, 203); sie stellen damit eine besonders steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar.
aa) Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a AO besteh enden verfassungsrechtlichen Bedenken sind jedoch grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, daß ein unbestimmtes Gesetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachgebessert und ausgefüllt wird. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 22. Juli 2004 (NJW 2004, 2990) bereits ausgeführt hat, erscheint das „entscheidende Verbrechensmerkmal der Steuerverkürzung ‚in großem Ausmaß’ unter Bedacht auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ausreichend bestimmt (vgl. dazu nur: Park wistra 2003, 328 ff.; Reiß Stbg 2004, 113 ff.; Kohlmann aaO Rdn. 12; Seer BB 2002, 1677, 1680; Langrock wistra 2004, 241 ff.; Harms in Festschrift für Günter Kohlmann, 2003, S. 413, 419 ff.; alle m.w.N. sowie Stellungnahme der ‚Arbeitsgemeinschaft Klimatagung’ in WPK-Mitteilungen 2003, 130 ff.). Es läßt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten – wie etwa bei der monatlich anzu-
meldenden Lohnsteuer – eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes entscheidend sein soll; bei diesem Befund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat – der dem Gesetz unterworfene Steuerbürger – durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ermitteln und konkretisieren soll (vgl. zu diesen Anforderungen an einen Straftatbestand: BVerfGE 105, 135, 152 ff. m.w.N.).“
Auch ist dem Gesetz eine Beschränkung – sei es auf bestimmt e Steuerarten , sei es auf bestimmte besonders gravierende Erscheinungsformen steuerstrafrechtlichen Handelns – nicht zu entnehmen, die es andernfalls erlauben könnten, über eine deliktsspezifische Auslegung unter Bedacht auf das vorgestellte Tatbild eine Eingrenzung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß“ zu versuchen (vgl. Gaede HRR-Strafrecht 9/2004, 318 f.; Harms aaO, S. 420). Die vom Senat im Beschluß vom 22. Juli 2004 (aaO) dargelegten Zweifel an der Bestimmtheit der Verbrechensnorm des § 370a AO gelten folglich auch im vorliegenden Fall der „Serviceunternehmen“.
Die vom Landgericht postulierte Grenze von 250.000 € i st ebenso willkürlich gegriffen, wie jeder andere Hinterziehungsbetrag (vgl. etwa MdB Poß gegenüber dem Handelsblatt vom 3. September 2004: ab 100.000 DM/50.000 €; sowie die Aufzählung möglicher Ansätze bei Rüping DStR 2004, 1780, 1781); insoweit verbleibt es bei der bereits geäußerten Auffassung des Senats, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsanwender überläßt, die Grenze zum Verbrechenstatbestand nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtlichen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügen kann.
Anders als bei dem ähnlich unscharfen Verbrechensmerkmal der „nicht geringen Menge“ in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (vgl. dazu Vogelberg in PStR 2004, 224) läßt sich eine Eingrenzung auch nicht durch wissenschaft-
lich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielen wie es bei den medizinisch ermittelten Wirkstoffmengen im Betäubungsmittelrecht der Fall ist. Es bleibt vielmehr der jeweiligen wirtschaftlichen Betrachtung überlassen, wie die Grenze zum „großen Ausmaß“ bestimmt wird. Damit ist lediglich die Subsumierbarkeit unter den Wortlaut der Norm gegeben, aber nicht vorhersehbar , wie die Norm auszulegen ist (vgl. Gaede aaO, S. 319).
bb) Eine Vorlegung der Sache nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht möglich. § 80 Abs. 2 BVerfGG erfordert die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Da das Landgericht die Beurteilung der Verbrechensnorm nach § 370a AO auf der Grundlage einer rechtsfehlerhaften Gesamtschau aller Taten jeweils eines Jahres getroffen hat, führt dieser einfachrechtliche Fehler bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs nach § 370a AO. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.
cc) Der neue Tatrichter wird indes zu prüfen haben, ob er im Hinblick auf die aufgezeigten gravierenden Unsicherheiten bei Anwendung des § 370a AO zugunsten des Angeklagten vom Grundtatbestand des § 370 AO ausgeht oder eine Beschränkung nach § 154a StPO in Betracht zieht; sodann wird er zu erwägen haben, ob die Strafen dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zu entnehmen sind. Dieser läßt bei Tatbildern und Strukturen der vorliegenden Art im jeweiligen Einzelfall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu; er deckt sich folglich in der Obergrenze mit der problematischen Verbrechensnorm des § 370a AO und ermöglicht ein schuldangemessenes Strafen auch in derartigen Fällen von Wirtschaftskriminalität.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Jul i 2004 (aaO) darauf hingewiesen, daß trotz der im Wortlaut ähnlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß“) bei der Strafzumessungsregel nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der wei-
ten Fassung der Regelmerkmale bestehen wie bei der Abgrenzung zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbestand. Die in der öffentlichen Diskussion (vgl. Ondracek im Handelsblatt vom 3. September 2004) vorgebrachten Einwendungen , in zahlreichen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches sei das „große Ausmaß“ als Formulierung ebenfalls enthalten, verkennt diese Unterschiede. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Merkmale der jeweiligen Strafzumessungstatbestände (vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2, § 264 Abs. 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Nr. 2, § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

d) Hinsichtlich der übrigen Hinterziehungstaten für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2002, die nach § 370 AO ausgeurteilt worden sind, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. Danach ist der Angeklagte B aufgrund der vom Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähigen Feststellungen der Steuerhinterziehung in 23 Fällen gemäß § 370 AO schuldig. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

e) Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und die Änderung der Schuldsprüche hinsichtl ich der übrigen Steuerdelikte führen zur Aufhebung der vom Landgericht insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Allerdings wird der neue Tatrichter den Schuldumfang in den Fällen der Steuerhinterziehung nochmals zu überprüfen haben; die bisherige Berechnung der einzelnen Hinterziehungssummen im Urteil ist nicht nachvollziehbar dargestellt. Insoweit scheint das Landgericht bisher von einem um etwa 14 bis 16 % zu hohen Schadensumfang ausgegangen zu sein. Die Höhe der einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen ergibt sich aus der Summe der in den einzelnen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer des jeweiligen Besteuerungszeitraums.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Insbesondere unterliegt die Verurteilung des Angeklagten wegen (mittäterschaftlichen ) Betruges zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in sieben Fällen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Handlungen des Angeklagten – Falschmeldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern – wesentliche Tatbeiträge zu den Betrugstaten der Kolonnenschieber darstellen. Es hat ferner nachvollziehbar dargelegt, daß der Angeklagte aufgrund seiner nicht nur unerheblichen Entlohnung aus den „ersparten“ Sozialabgaben, die Tat auch als eigene wollte, folglich mit Täterwillen handelte.
Im Ergebnis offenbleiben kann die Frage, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse stelle sich jeweils als eine Tat dar, zutrifft. Der Angeklagte ist durch diese Bewertung des Landgerichts jedenfalls nicht beschwert. Der Schuldumfang bliebe auch bei einer anderen Beurteilung der Konkurrenzen unverändert. Es kann auch ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei abweichender konkurrenzrechtlicher Bewertung die Einzelstrafen nicht den (erhöhten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB entnommen hätte. Denn es hat maßgeblich auf die Verwirklichung der Regelbeispiele der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung abgestellt. Nach der vom Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Gesamtwürdigung hat es auch Umstände bedacht, die die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet hätten.
3. Die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Steuerdelikte führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung und der Änderung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten Be und M , soweit sie davon betroffen sind. Beide Nichtrevidenten sind über ihre bisherigen Verteidiger, deren
Mandatspflicht insoweit fortwirkt (vgl. Laufhütte in KK 5. Aufl. § 138 Rdn. 14 und § 141 Rdn. 10; Basdorf in Festschrift für Lutz Meyer-Goßner 2001, S. 665, 678; entsprechend BGH, Beschluß vom 29. September 2004 – 5 StR 339/04) zur Anwendung des § 357 StPO angehört worden; sie haben einer Erstreckung ausdrücklich zugestimmt. In diesem Zusammenhang weist der Senat aus Anlaß eines entsprechenden vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf folgendes hin: In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in Betracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuvor anzuhören , damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch Widerspruch verhindern kann (vgl. Basdorf aaO; Wohlers/Gaede NStZ 2004, 9). Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungsbefugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so daß eine Pflichtverteidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhandlung , ausscheidet.
Auch bei diesen beiden Angeklagten wird der neue Tatrichter über die etwaige Anwendung des § 370a AO neu zu befinden und Einzelstrafen entsprechend dem geänderten Schuldspruch zu bestimmen haben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

5 StR 276/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin T ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Verurteilten Be ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23. Dezember 2003 – auch bezüglich der Mitangeklagten Beund M – 1. aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall II.3.5 der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung 2001) wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO verurteilt worden sind; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten ; 2. im übrigen im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Der Angeklagte B ist schuldig der Steuerhinterziehung in 23 Fällen und des Betruges in sieben Fällen.

b) Der Angeklagte Be ist schuldig der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, des Betruges in fünf Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.

c) Der Angeklagte M ist schuldig der Steuerhinterziehung in 24 Fällen, des Betruges in sechs Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.
3. in den Strafaussprüchen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten B wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen Ste uerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten Be es hat wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie gegen den Mitangeklagten M wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, Betruges in sechs Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig.
Die Revision des AngeklagtenB hat in dem aus d em Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. Gemäß § 357 StPO ist das Urteil auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der AngeklagteB und der Mitangeklagte Be betätigten sich im Zeitraum von 1997 bis 2002 unternehmerisch im Baubereich. Dabei verstießen sie – ab 1998 unter Beteiligung des Angeklagten M – vorsätzlich in erheblichem Umfang gegen ihre steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.
1. Im Jahr 1997 waren die Angeklagten B und Be als sogenannte Kolonnenschieber tätig, indem sie Arbeiterkolonnen anführten, die mit illegalen Arbeitern Leistungen auf dem Bausektor erbrachten. Der ihnen bekannten Pflicht, die getätigten Umsätze gegenüber dem Finanzamt zu erklären, kamen sie nicht nach. Vielmehr rechneten sie, um ihre eigene unternehmerische Tätigkeit zu verschleiern, die von ihnen erbrachten Bauleistungen gegenüber ihrem Auftraggeber über Scheinfirmen ab. Dadurch entstand ein Steuerschaden von über 53.000 €.
Ab dem Jahr 1998 unterhielten die drei Angeklagten selbst mehrere Scheinfirmen, welche sie als sogenannte „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verschleierung von deren unternehmerischer Tätigkeit bereitstellten. Diese Scheinfirmen traten nach außen an die Stelle der Kolonnenschieber; sie nahmen formal deren Rechte und Pflichten aus den Bautätigkeiten wahr. Unter anderem fertigten sie die Bauaufträge als scheinbarer Auftragnehmer aus und meldeten als scheinbarer Arbeitgeber die eingesetzten Arbeiter zur Sozialversicherung an. Des weiteren erstellten die „Serviceunternehmen“ Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis unter ei-
genem Namen, die dann von den Kolonnenschiebern an ihre Auftraggeber weitergegeben wurden. Diese waren durch die Rechungen in der Lage, ihre Aufwendungen als Betriebsausgaben und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend zu machen, während die „Serviceunternehmen“ ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Anmeldung und Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuern, nicht nachkamen. Die Kolonnenschieber, die durch dieses Vorgehen nach außen nicht in Erscheinung traten, konnten so ihre Leistungen „schwarz“ erbringen.
Ab dem Jahr 1998 nutzten die Angeklagten die Firma D B GmbH, Remscheid, als Scheinfirma. Sie unterließen es pflichtwidrig, für dieses Unternehmen die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1998, 1999 und 2000 beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Nach der Verhaftung des von den Angeklagten eingesetzten formalen Geschäftsführers wurde die Tätigkeit der D B GmbH eingestellt. Die Geschäfte wurden sodann mit der Firma T GmbH (T GmbH), Hannover, fortgesetzt. Für dieses Unternehmen kamen die Angeklagten B und M (der Angeklagte Be war an dieser Gesellschaft nicht beteiligt) ihrer Verpflichtung, Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1999, 2000 und 2001 abzugeben, nicht nach. Ab Juli 2000 nutzten die drei Angeklagten die Firma M B GmbH, Karlsruhe, als Scheinfirma. In bezug auf diese Gesellschaft unterließen die Angeklagten pflichtwidrig die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 sowie die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und Juni 2002. Im Februar 2001 wurde als zusätzliches „Serviceunternehmen“ die Firma P B GmbH, Remscheid, gegründet , für die keine Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 und keine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2002 abgegeben wurden. Die Abrechnungen wurden sodann auf die Firma M.G. B GmbH, Gelsenkirchen, übertragen. Hier kamen die Angeklagten ihrer Verpflichtung nicht nach, eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2002 einzureichen. Ab Juni 2002 wurde von den
Angeklagten des weiteren die Firma FTV-B GmbH als „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verfügung gestellt. Bis zur Festnahme der Angeklagten im November 2002 unterließen sie es pflichtwidrig, für die Gesellschaft Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2002 abzugeben.
Insgesamt stellten die Angeklagten mittels der von ihnen installierten „Serviceunternehmen“ Scheinrechnungen über eine Gesamtsumme von mehr als 16 Mio. € aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 2,4 Mio. € ausgewiesen war.
Der Angeklagte M begab darüber hinaus – unabhängig von den Angeklagten B und Be – im Jahr 1999 Rechnungen unter der Scheinfirma BKS-B GmbH und im Jahr 2000 unter der Scheinfirma D H mbH für den Kolonnenschieber S .
Das Landgericht hat die Verletzung der steuerlichen Pflichten für die verschiedenen Gesellschaften der Angeklagten in jedem Jahr (1998 bis 2001) bzw. für jeden Voranmeldungszeitraum (Januar bis Oktober 2002) zusammengefaßt und jeweils bezogen auf den Besteuerungszeitraum als eine Tat gewertet. Für das Jahr 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe) hat es so – unter Zusammenrechnung der Hinterziehungsbeträge für die Firmen T GmbH, M B GmbH, P B GmbH und M.G. B GmbH – einen Hinterziehungsschaden in Höhe von insgesamt 862.817 € festgestellt, diesen Fall als gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a Satz 1 AO gewertet und insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die Grenze zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „großen Ausmaßes“ gemäß § 370a AO hat es – ohne weitere Begründung – bei 250.000 € gezogen.
2. Die „Serviceunternehmen“ D B GmbH, M B GmbH, P GmbH, M.G. B GmbH und FTV-B GmbH der Angeklagten meldeten darüber hinaus anstelle der Kolonnenschieber deren Arbeitnehmer
bei den Sozialversicherungsträgern an. Neben der Falschangabe über ihren Status als Arbeitgeber täuschten die Angeklagten auch über den Umfang des an die Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Entgelts, indem sie falsche Angaben über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der Stundenvergütung machten. Die Angeklagten verursachten so in den Jahren 1998 bis 2002 Schäden von rund 1,7 Mio. €. Gleiches wurde – unter alleiniger Beteiligung der Angeklagten B und M – mittels der T GmbH durchgeführt und so in den Jahren 1999 bis 2001 ein Schaden von mehr als 500.000 € verursacht.
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten al s mittäterschaftliche Beteiligung an den Betrugstaten der Kolonnenschieber zum Nachteil der jeweils zuständigen Krankenkasse gewertet. Diese seien durch Abwicklung über die von den Angeklagten initiierten Scheinfirmen und die unrichtigen Anmeldungen getäuscht und von der Erhebung der zutreffenden Beiträge abgehalten worden. Da ohne die „Serviceunternehmen“ der Betrug nicht möglich gewesen wäre, hätten die Angeklagten, die aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung auch ein erhebliches Eigeninteresse an den Taten gehabt hätten, auch Tatherrschaft gehabt. Nach Auffassung des Landgerichts stellt die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse jeweils eine Tat dar.
3. Der Angeklagte B meldete sich zudem am 20. August 1999 zum 1. September 1999 arbeitslos und bezog bis zum 24. Juni 2001 zu Unrecht Leistungen des Arbeitsamtes in Höhe von über 16.000 €, auf die er wegen seiner Einkünfte aus den „Serviceunternehmen“ keinen Anspruch hatte.

II.


Die Revision des Angeklagten B führt zur Aufhebung des Urteils, soweit alle drei Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung
nach § 370a AO verurteilt worden sind, zur Änderung der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO sowie zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe.
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts hinsichtlich der Steuerdelikte hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bei mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.).
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluß, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. BGHSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. BGH
wistra 1985, 66; BGH bei Holtz MDR 1979, 987; Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 212).

b) Danach hätte das Landgericht bei der rechtlichen Be wertung der hier zu beurteilenden Steuerhinterziehungen nicht allein nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum differenzieren und die unterlassene Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen für jeweils mehrere Scheinfirmen als eine Tat zusammenfassen dürfen. Die Nichtabgabe der gebotenen Erklärungen für jeden Besteuerungszeitraum und für jedes „Serviceunternehmen“ stellt eine rechtlich selbständige Tat dar. Denn der Angeklagte war als (faktischer) Geschäftsführer verpflichtet, für jede der Scheingesellschaften zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Da die Serviceunternehmen zum Teil unterschiedliche Betriebsstätten hatten, waren zudem verschiedene Finanzämter zuständig (§ 21 AO). Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hat der Angeklagte B nach den Feststellungen des Landgerichts in insgesamt 27 Fällen Steuern verkürzt.
Die rechtsfehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen be schwert den Angeklagten B auch, soweit er wegen Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2001 verurteilt worden ist. Infolge der Gesamtschau aller Firmen und der Zusammenrechnung aller Verkürzungsbeträge für diesen Besteuerungszeitraum in Höhe von insgesamt 862.817 € hat das Landgericht die rechtlichen Voraussetzungen der Verbrechensnorm des § 370a Abs. 1 AO bejaht, statt die Voraussetzungen für jede der vier betreffenden Firmen sowie im Hinblick auf jede Steuererklärung einzeln zu prüfen. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe ) kann deshalb keinen Bestand haben. Allerdings können die zugrundeliegenden rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, bei dem eine Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt ist (vgl. BGH StraFo 2001, 350, 351).

c) Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen Beurt eilung dieser vier Fälle folgendes zu bedenken haben: Die Strafnorm des § 370a AO begegnet nach Auffassung des Senats erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gehören Straftaten der vorliegenden Art, die regelmäßig durch organisierte kriminelle Strukturen bei der Planung und Tatausführung gekennzeichnet sind und infolge der systematischen Verkürzung von Abgaben mit hohen Steuerausfällen und außerordentlich großen wirtschaftlichen Schäden einhergehen , zweifellos – insbesondere neben den Umsatzsteuerkarussellgeschäften – zu den Deliktsgruppen, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers von der Verbrechensnorm des § 370a AO erfaßt werden sollten (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl., Stand: Mai 2004, § 370a AO 1977 Rdn. 3, 13). Die „Serviceunternehmen“ entsprechen in ihrem Gesamterscheinungsbild dem Begriff der „Steuerhinterziehung als Gewerbe“ (Joecks wistra 2002, 201, 203); sie stellen damit eine besonders steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar.
aa) Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a AO besteh enden verfassungsrechtlichen Bedenken sind jedoch grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, daß ein unbestimmtes Gesetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachgebessert und ausgefüllt wird. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 22. Juli 2004 (NJW 2004, 2990) bereits ausgeführt hat, erscheint das „entscheidende Verbrechensmerkmal der Steuerverkürzung ‚in großem Ausmaß’ unter Bedacht auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ausreichend bestimmt (vgl. dazu nur: Park wistra 2003, 328 ff.; Reiß Stbg 2004, 113 ff.; Kohlmann aaO Rdn. 12; Seer BB 2002, 1677, 1680; Langrock wistra 2004, 241 ff.; Harms in Festschrift für Günter Kohlmann, 2003, S. 413, 419 ff.; alle m.w.N. sowie Stellungnahme der ‚Arbeitsgemeinschaft Klimatagung’ in WPK-Mitteilungen 2003, 130 ff.). Es läßt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten – wie etwa bei der monatlich anzu-
meldenden Lohnsteuer – eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes entscheidend sein soll; bei diesem Befund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat – der dem Gesetz unterworfene Steuerbürger – durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ermitteln und konkretisieren soll (vgl. zu diesen Anforderungen an einen Straftatbestand: BVerfGE 105, 135, 152 ff. m.w.N.).“
Auch ist dem Gesetz eine Beschränkung – sei es auf bestimmt e Steuerarten , sei es auf bestimmte besonders gravierende Erscheinungsformen steuerstrafrechtlichen Handelns – nicht zu entnehmen, die es andernfalls erlauben könnten, über eine deliktsspezifische Auslegung unter Bedacht auf das vorgestellte Tatbild eine Eingrenzung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß“ zu versuchen (vgl. Gaede HRR-Strafrecht 9/2004, 318 f.; Harms aaO, S. 420). Die vom Senat im Beschluß vom 22. Juli 2004 (aaO) dargelegten Zweifel an der Bestimmtheit der Verbrechensnorm des § 370a AO gelten folglich auch im vorliegenden Fall der „Serviceunternehmen“.
Die vom Landgericht postulierte Grenze von 250.000 € i st ebenso willkürlich gegriffen, wie jeder andere Hinterziehungsbetrag (vgl. etwa MdB Poß gegenüber dem Handelsblatt vom 3. September 2004: ab 100.000 DM/50.000 €; sowie die Aufzählung möglicher Ansätze bei Rüping DStR 2004, 1780, 1781); insoweit verbleibt es bei der bereits geäußerten Auffassung des Senats, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsanwender überläßt, die Grenze zum Verbrechenstatbestand nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtlichen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügen kann.
Anders als bei dem ähnlich unscharfen Verbrechensmerkmal der „nicht geringen Menge“ in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (vgl. dazu Vogelberg in PStR 2004, 224) läßt sich eine Eingrenzung auch nicht durch wissenschaft-
lich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielen wie es bei den medizinisch ermittelten Wirkstoffmengen im Betäubungsmittelrecht der Fall ist. Es bleibt vielmehr der jeweiligen wirtschaftlichen Betrachtung überlassen, wie die Grenze zum „großen Ausmaß“ bestimmt wird. Damit ist lediglich die Subsumierbarkeit unter den Wortlaut der Norm gegeben, aber nicht vorhersehbar , wie die Norm auszulegen ist (vgl. Gaede aaO, S. 319).
bb) Eine Vorlegung der Sache nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht möglich. § 80 Abs. 2 BVerfGG erfordert die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Da das Landgericht die Beurteilung der Verbrechensnorm nach § 370a AO auf der Grundlage einer rechtsfehlerhaften Gesamtschau aller Taten jeweils eines Jahres getroffen hat, führt dieser einfachrechtliche Fehler bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs nach § 370a AO. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.
cc) Der neue Tatrichter wird indes zu prüfen haben, ob er im Hinblick auf die aufgezeigten gravierenden Unsicherheiten bei Anwendung des § 370a AO zugunsten des Angeklagten vom Grundtatbestand des § 370 AO ausgeht oder eine Beschränkung nach § 154a StPO in Betracht zieht; sodann wird er zu erwägen haben, ob die Strafen dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zu entnehmen sind. Dieser läßt bei Tatbildern und Strukturen der vorliegenden Art im jeweiligen Einzelfall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu; er deckt sich folglich in der Obergrenze mit der problematischen Verbrechensnorm des § 370a AO und ermöglicht ein schuldangemessenes Strafen auch in derartigen Fällen von Wirtschaftskriminalität.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Jul i 2004 (aaO) darauf hingewiesen, daß trotz der im Wortlaut ähnlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß“) bei der Strafzumessungsregel nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der wei-
ten Fassung der Regelmerkmale bestehen wie bei der Abgrenzung zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbestand. Die in der öffentlichen Diskussion (vgl. Ondracek im Handelsblatt vom 3. September 2004) vorgebrachten Einwendungen , in zahlreichen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches sei das „große Ausmaß“ als Formulierung ebenfalls enthalten, verkennt diese Unterschiede. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Merkmale der jeweiligen Strafzumessungstatbestände (vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2, § 264 Abs. 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Nr. 2, § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

d) Hinsichtlich der übrigen Hinterziehungstaten für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2002, die nach § 370 AO ausgeurteilt worden sind, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. Danach ist der Angeklagte B aufgrund der vom Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähigen Feststellungen der Steuerhinterziehung in 23 Fällen gemäß § 370 AO schuldig. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

e) Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und die Änderung der Schuldsprüche hinsichtl ich der übrigen Steuerdelikte führen zur Aufhebung der vom Landgericht insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Allerdings wird der neue Tatrichter den Schuldumfang in den Fällen der Steuerhinterziehung nochmals zu überprüfen haben; die bisherige Berechnung der einzelnen Hinterziehungssummen im Urteil ist nicht nachvollziehbar dargestellt. Insoweit scheint das Landgericht bisher von einem um etwa 14 bis 16 % zu hohen Schadensumfang ausgegangen zu sein. Die Höhe der einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen ergibt sich aus der Summe der in den einzelnen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer des jeweiligen Besteuerungszeitraums.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Insbesondere unterliegt die Verurteilung des Angeklagten wegen (mittäterschaftlichen ) Betruges zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in sieben Fällen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Handlungen des Angeklagten – Falschmeldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern – wesentliche Tatbeiträge zu den Betrugstaten der Kolonnenschieber darstellen. Es hat ferner nachvollziehbar dargelegt, daß der Angeklagte aufgrund seiner nicht nur unerheblichen Entlohnung aus den „ersparten“ Sozialabgaben, die Tat auch als eigene wollte, folglich mit Täterwillen handelte.
Im Ergebnis offenbleiben kann die Frage, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse stelle sich jeweils als eine Tat dar, zutrifft. Der Angeklagte ist durch diese Bewertung des Landgerichts jedenfalls nicht beschwert. Der Schuldumfang bliebe auch bei einer anderen Beurteilung der Konkurrenzen unverändert. Es kann auch ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei abweichender konkurrenzrechtlicher Bewertung die Einzelstrafen nicht den (erhöhten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB entnommen hätte. Denn es hat maßgeblich auf die Verwirklichung der Regelbeispiele der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung abgestellt. Nach der vom Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Gesamtwürdigung hat es auch Umstände bedacht, die die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet hätten.
3. Die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Steuerdelikte führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung und der Änderung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten Be und M , soweit sie davon betroffen sind. Beide Nichtrevidenten sind über ihre bisherigen Verteidiger, deren
Mandatspflicht insoweit fortwirkt (vgl. Laufhütte in KK 5. Aufl. § 138 Rdn. 14 und § 141 Rdn. 10; Basdorf in Festschrift für Lutz Meyer-Goßner 2001, S. 665, 678; entsprechend BGH, Beschluß vom 29. September 2004 – 5 StR 339/04) zur Anwendung des § 357 StPO angehört worden; sie haben einer Erstreckung ausdrücklich zugestimmt. In diesem Zusammenhang weist der Senat aus Anlaß eines entsprechenden vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf folgendes hin: In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in Betracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuvor anzuhören , damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch Widerspruch verhindern kann (vgl. Basdorf aaO; Wohlers/Gaede NStZ 2004, 9). Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungsbefugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so daß eine Pflichtverteidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhandlung , ausscheidet.
Auch bei diesen beiden Angeklagten wird der neue Tatrichter über die etwaige Anwendung des § 370a AO neu zu befinden und Einzelstrafen entsprechend dem geänderten Schuldspruch zu bestimmen haben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.