Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2008 - 5 StR 431/07

bei uns veröffentlicht am15.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Zur Anwendbarkeit der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2
BGH, Beschluss vom 15. April 2008 – 5 StR 431/07
LG Frankfurt (Oder) –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 beschlossen
:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 10. Mai 2007 wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten
in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB angeordnet.
Der Verurteilte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der er die Verletzung
materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2 1. Der Verurteilte wurde am 3. Juni 1993 durch das Bezirksgericht
Frankfurt (Oder) wegen Mordes und wegen Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von 15 Jahren verurteilt. Das Urteil wurde am 15. Dezember 1993
rechtskräftig.
3 a) Dieser Verurteilung lag folgendes Geschehen zugrunde:
4 Am Abend des 29. April 1992 fuhr der Verurteilte zum Haus der damals
24 Jahre alte W. , um mit ihr – die ihn zuvor abgewiesen
hatte – gegebenenfalls auch gegen ihren Willen geschlechtlich zu verkehren.
Er hatte sich diesen Zeitpunkt ausgewählt, weil er wusste, dass ihr Ehemann
nicht anwesend sein würde. Er brach in das in einem brandenburgischen Ort
gelegene Haus von Frau W. ein, indem er sich über ein eingeschlage-
nes Fenster Zugang verschaffte. Frau W. , die durch die Geräusche auf
den Einbrecher aufmerksam geworden war, bat ihn, zu gehen. Der Verurteilte
, auf den eine Blutalkoholkonzentration von maximal 1,7 Promille einwirkte,
versetzte ihr daraufhin Faustschläge in das Gesicht, ergriff ein Messer und
trieb sie damit vor sich her. Spätestens nachdem er ihr mehrere Stichverletzungen
an den Armen beigebracht hatte, entschloss er sich, Frau W. zu
töten. Er stach mit einem zur Spitze hin kegelförmig zulaufenden Werkzeug
mehrmals wuchtig auf ihren Rumpf ein, wodurch Herzbeutel und Bauchhöhle
eröffnet sowie ein Lungenlappen durchtrennt wurden. Sodann schlug er elfmal
heftig mit einem Beil oder Hammer auf den Kopf seines Opfers ein, was
zur vollständigen Zertrümmerung von Hirn- und Gesichtsschädel führte. Diese
Verletzungen führten innerhalb weniger Minuten zum Tod von Frau W.
. Zwischenzeitlich war ihr durch Geräusche aufgewachter dreijähriger
Sohn hinzugekommen. Der Verurteilte entschloss sich, auch ihn zu töten, um
ihn als Tatzeugen auszuschalten. Mit einem kantigen Gegenstand schlug er
zehnmal auf Gesicht, Brust und Arme des Kindes ein, welches hierdurch tödliche
Verletzungen erlitt.
5 Anschließend verstümmelte der Verurteilte die Leiche der getöteten
Frau. Er brachte ihr Schnittverletzungen an den Mundwinkeln, am Hals und
an den Brustwarzen bei. Sodann trennte er einen Teil der Brust und der
Schamlippen ab und eröffnete den kompletten Unterbauch. Mit äußerster
Kraft trieb er je ein Stuhlbein in Mastdarm und Scheide ein, eines der Stuhlbeine
drang bis zum Herzbeutel vor. Außerdem legte er einen Tauchsieder
und einen Toaster zwischen die Beine seines Opfers. Um seine Spuren zu
verwischen, besorgte sich der Verurteilte Dieselkraftstoff als Brandbeschleuniger
, übergoss seine Opfer und Teile der Inneneinrichtung damit und entzündete
den Kraftstoff. Dabei stand er außen vor dem Badezimmerfenster,
um sich selbst nicht zu gefährden. Er verließ den Tatort unverzüglich. Das
Feuer brannte nicht aus eigener Kraft weiter, sondern erlosch alsbald wieder.
6 b) Das Bezirksgericht hat die Tat zu Lasten W. s als Totschlag
und die Tötung des Kindes als Verdeckungsmord gewürdigt. Es konnte
angesichts des Tatbildes nicht ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des
Angeklagten aufgrund eines Affekts erheblich vermindert war und hat deswegen
unter Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB für den
Totschlag eine Einzelfreiheitsstrafe von zehn Jahren, für den Mord eine solche
von zwölf Jahren verhängt. Die Verhängung von Sicherungsverwahrung
ist damals nicht erwogen worden, ebenso wenig im Übrigen eine erhebliche
Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB wegen eines stabilen psychischen
Defekts mit der Folgemöglichkeit der Unterbringung nach § 63
7 Tatsächlich konnte zum Zeitpunkt der Verurteilung die Sicherungsverwahrung
nicht angeordnet werden, denn die Vorschrift des § 66 StGB war
auf im Beitrittsgebiet begangene Taten zunächst nicht anwendbar (Art. 1a
Abs. 1 EGStGB a. F., eingefügt durch Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet C Abschnitt
II Nr. 1a des Einigungsvertrages, BGBl 1990 II S. 954). Die Vorschrift
des § 66 Abs. 3 StGB war noch nicht in Kraft getreten.
8 Die Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßte der Verurteilte vollständig.
Seit dem 28. April 2007 befindet er sich aufgrund des Beschlusses
des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. April 2007 im Vollzug der einstweiligen
Unterbringung gemäß § 275a Abs. 5 StPO.
2. Das Landgericht hat nun, nach Verbüßung der Freiheitsstrafe, festgestellt
, dass der Verurteilte gefährlich sei, da er einen in seiner gestörten
Persönlichkeitsstruktur wurzelnden Hang zur Begehung schwerwiegender
Taten habe. Diese erhebliche Gefährlichkeit habe sich nicht nur durch die
begangenen Tötungsdelikte, sondern auch durch ernstzunehmende Todesdrohungen
des Verurteilten gegen Polizei- und Justizbeamte während des
Strafvollzugs offenbart. Die von dem Verurteilten ausgehende Gefahr sei
zwar schon in dem 1993 geführten Verfahren erkennbar gewesen; damals
aber sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung wegen der entgegenstehenden
Regelung im Einigungsvertrag nicht möglich gewesen.
9 3. Die Maßregelanordnung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung
mit Satz 2 StGB hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
10 a) Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen des § 66b
Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB zu Recht bejaht. Denn der Verurteilte
ist wegen Mordes und Totschlags und damit wegen Katalogtaten im Sinne
des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB verurteilt worden. Da für beide Katalogtaten
jeweils zwei Jahre übersteigende Einzelfreiheitsstrafen und eine Gesamtfreiheitsstrafe
von 15 Jahren verhängt worden sind, liegen auch die formellen
Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB vor. Dies beurteilt sich nach
dem geltenden Gesetzeswortlaut des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB (jedenfalls
klarstellend geändert durch Gesetz vom 13. April 2007 mit Wirkung zum
18. April 2007, BGBl I S. 513) allein nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung
über die nachträgliche Sicherungsverwahrung geltenden Rechtslage
(vgl. zur früheren Rechtslage BGH NStZ 2006, 276, 277).
11 b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Hang des Verurteilten
zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
festgestellt. Diese Gefährlichkeitsprognose hat das Landgericht auf
eine umfassende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Verurteilten unter
besonderer Berücksichtigung seiner Vorverurteilungen und der Entwicklung
während des Strafvollzuges gestützt. Hierzu hat es auf der Grundlage von
Gutachten zweier Sachverständiger – deren Ergebnisse sich zudem mit dem
während des Vollzugs eingeholten Sachverständigengutachten decken –
nachvollziehbar ausgeführt, dass bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung
, ein sexueller Sadismus sowie eine Vielzahl sogenannter
psychopathischer Einstellungs- und Verhaltensmuster vorlägen. Der Verurteilte
weise eine seit Jahren tief verwurzelte Neigung auf, seinen Willen
nachhaltig zu verfolgen und bedingungslos durchzusetzen, durch Empathie-
empfinden werde er dabei nicht gehemmt. Dies begründe einen Hang zu
gravierenden Taten gegen die körperliche Unversehrtheit und zu sadistisch
motivierten Tötungsdelikten. Im Zusammenhang mit seinem hohen Kränkungspotential
und der destruktiven sadistischen Veranlagung, die sich in
den Anlasstaten zeigten, sich aber auch in vorhergehenden Tierquälereien
als Vorstufe des Auslebens sadistischer Phantasien angedeutet hätten, berge
die Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten ein besonders hohes Rückfallrisiko
, es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit von erneuten schweren sadistischen
Gewalthandlungen. Die Gefährlichkeit des Verurteilten manifestiere
sich zudem in ernstzunehmenden Todesdrohungen gegenüber den bei der
Anlasstat ermittelnden Polizeibeamten, von denen sich das Landgericht aufgrund
einer sorgfältigen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung
überzeugt hat.
12 Neben dieser ausführlichen und schlüssigen Begründung der Gefährlichkeit
anhand individueller Kriterien hat das Landgericht die Darlegung statistischer
Rückfallrisiken ersichtlich nur ergänzend herangezogen (vgl. hierzu
BGHSt 50, 121, 130 f.).
13 c) Auch die übrigen Anordnungsvoraussetzungen des § 66b Abs. 1
StGB liegen vor. Allerdings hat das Landgericht nicht die für die nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 StGB erforderlichen neuen Tatsachen angenommen, die erst nach
der Anlassverurteilung entstanden sind oder vom Richter des Ausgangsverfahrens
nicht erkannt werden konnten und auf eine erhebliche Gefährlichkeit
hinweisen (BGHSt 50, 180, 188; 50, 275, 278; 50, 373, 378; BGH NStZRR
2007, 370, 371). Stattdessen hat es sich auf die am 18. April 2007 in
Kraft getretene Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt, wonach
materieller Anlass für die nachträgliche Anordnung der Maßregel auch sein
kann, dass zum Zeitpunkt der Verurteilung die vom Verurteilten ausgehende
Gefahr schon erkennbar gewesen ist, aus rechtlichen Gründen aber keine
Sicherungsverwahrung angeordnet werden konnte. Dies ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
14 aa) Die sachlichen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB
hat das Landgericht zu Recht angenommen. Gegen den Verurteilten konnte
aus rechtlichen Gründen bei der Verurteilung vom 15. Juni 1993 keine Sicherungsverwahrung
angeordnet werden. Die Vorschrift des § 66 StGB war damals
auf im Beitrittsgebiet begangene Taten – wie hier – nicht anwendbar
(Art. 1a Abs. 1 EGStGB a. F., eingefügt durch Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet
C Abschnitt II Nr. 1a des Einigungsvertrages, BGBl 1990 II S. 954). Zudem
waren weder die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 noch die
des Abs. 2 StGB erfüllt. Erst die mit Wirkung zum 31. Januar 1998 eingeführte
Regelung des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (eingefügt durch SexualdelBekG
vom 26. Januar 1998, BGBl I S. 160) schuf die Möglichkeit der Anordnung
der Maßregel bei der Begehung von zwei Anlasskatalogtaten auch ohne
Vorverurteilungen.
15 bb) Da es für die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung
auf die Gültigkeit der genannten Vorschrift des § 66b Abs. 1
Satz 2 StGB (Gesetz vom 13. April 2007, BGBl I S. 513) ankommt, hat der
Senat die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG geprüft. Er hält die Vorschrift
des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – trotz beachtlicher entgegenstehender
Argumente – letztlich nicht für verfassungswidrig (zum Prüfungsmaßstab vgl.
BVerfGE 80, 59, 65; 85, 329, 333; anders Art. 100 Abs. 2 GG, wonach Zweifel
genügen). Über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung wird
das Bundesverfassungsgericht gegebenenfalls auf eine Verfassungsbeschwerde
des Verurteilten abschließend zu entscheiden haben.
16 (1) Die Norm verstößt nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot des
Art. 103 Abs. 3 GG, da dieses Prozessgrundrecht für die Anordnung von
Maßregeln der Besserung und Sicherung, zu denen die Sicherungsverwahrung
zählt, nicht gilt.
17 Das Bundesverfassungsgericht hat für den Anwendungsbereich des
absoluten Rückwirkungsverbots aus Art. 103 Abs. 2 GG bereits entschieden,
dass dieser nur die repressive, schuldabhängige Strafe erfasst, die der Verhinderung
zukünftiger Straftaten, also dem Schutz der Allgemeinheit dienende
Maßregel der Sicherungsverwahrung – und zwar ungeachtet ihrer durchaus
strafähnlichen Ausgestaltung – hingegen nicht, da für diese nicht die
Schuld, sondern die Gefährlichkeit bestimmend sei (vgl. BVerfGE 109, 133;
BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484). Der so begründete Ausschluss
der Maßregeln der Besserung und Sicherung ist auf das Doppelbestrafungsverbot
des Art. 103 Abs. 3 GG zu übertragen (Schmahl in SchmidtBleibtreu
/Klein, Kommentar zum Grundgesetz 11. Aufl. 2008 Art. 103
Rdn. 42; Degenhardt in Sachs, Grundgesetz 4. Aufl. 2007 Art. 103 Rdn. 85).
Hierfür spricht bereits die übereinstimmende Verwendung des Begriffs „bestraft
werden“ in Art. 103 Abs. 2 und Abs. 3 GG (hierauf abstellend auch Degenhardt
aaO; Veh NStZ 2005, 307, 308), was nur auf die Strafe als vergeltende
Sanktion bezogen ist (vgl. BVerfGE 55, 28, 30 für die Führungsaufsicht
; aA, aber nicht tragend BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2007
3 StR 378/07 – ohne nähere Begründung). Auch aus dem Gewährleistungsgehalt
des Doppelbestrafungsverbots, der aus der Norm heraus und
aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung zu bestimmen ist (vgl.
Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Grundgesetz Art. 103 Rdn. 265), folgt kein
weiter gefasster Schutzbereich, als dies für Art. 103 Abs. 2 GG gelten soll.
Denn beide Prozessgrundrechte sind dem materiellen Freiheitsschutz dienende
, gegen den Staat gerichtete, besondere Abwehrrechte (Kunig in von
Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar 5. Aufl. Art. 103 Rdn. 36). Wenn sich
der Schutz vor Rückwirkung somit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nicht auf die Maßregel erstreckt, kann folglich für das Doppelbestrafungsverbot
„ne bis in idem“ nichts anderes gelten.
18 (2) Der Senat hält trotz gewisser, namentlich aufgrund der strafähnlichen
Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung bestehender Bedenken den
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz in Verbindung mit dem Frei-
heitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Vorschrift
des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – soweit es den hier relevanten Anwendungsbereich
betrifft – nicht für verletzt. Dass Tatsachen, die aus rechtlichen
Gründen nicht berücksichtigt werden konnten, gleich gestellt werden mit solchen
, die zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung nicht erkennbar waren, begegnet
bei der gebotenen Begrenzung auf Extremfälle – ein solcher ist im
vorliegenden Fall offensichtlich gegeben – keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken und ist in gewisser Weise in der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts bereits angelegt (BVerfGE 109, 190, 236).
19 Es ist in der Rechtsprechung schon grundsätzlich entschieden, dass
die in § 66b StGB vorgesehene tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte
Rückwirkung) für den Fall, dass die Anlasstat vor dem Inkrafttreten dieser
Norm begangen worden war, bei enger Begrenzung des Anwendungsbereichs
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 109, 190,
236; BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484; BGHSt 50, 121, 124; 50,
180, 185). Da der Schutzbereich des absoluten Rückwirkungsverbots nach
Art. 103 Abs. 2 GG nicht eröffnet ist, sind die Belange des Vertrauensschutzes
einer Abwägung gegen die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens
für das Gemeinwohl zugänglich (BVerfGE 109, 133, 186; 109, 190, 236;
BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484). Der mit der Regelung verfolgte
Schutz der Allgemeinheit vor einzelnen besonders gefährlichen Verurteilten
(vgl. BT-Drucks 15/2887 S. 1, 10) ist ein überragendes Gemeinwohlinteresse
, dahinter tritt der Vertrauensschutz und das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten
zurück (BVerfGE aaO).
20 Bei der Übertragung dieser vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen
Wertung auf die Regelung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB ergibt
sich Folgendes:
21 Dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Schutz des Vertrauens ist
bei der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
bisher durch die enge Auslegung des Begriffs der neuen Tatsachen
(vgl. hierzu BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484 m.w.N.) und durch
das Prinzip des Vorrangs der primären Sicherungsverwahrung (BGHSt 50,
373, 380; BGH, Beschluss vom 15. April 2008 – 5 StR 635/07, zur Veröffentlichung
in BGHSt bestimmt) besonders Rechnung getragen worden. Demgegenüber
ermöglicht § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eine so bislang nicht vorgesehene
Neubewertung von Umständen, die zur Zeit der Anlassverurteilung
nicht beachtlich waren (vgl. BGHSt 50, 284, 296). Dies kann bei der Abwägung
zu einer stärkeren Gewichtung der berührten Vertrauensschutzbelange
führen (Peglau NJW 2007, 1558, 1562). Andererseits erfährt die Schutzwürdigkeit
des Vertrauens durch § 2 Abs. 6 StGB, wonach die Entscheidung
über Maßregeln von Anfang an unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Änderung
steht, eine Einschränkung (vgl. BVerfGE 109, 133, 185). Denn anders
als in den bisherigen Fällen, in denen wegen des Vorrangs der primären
Sicherungsverwahrung nicht in die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung
eingegriffen werden durfte (BGHSt 50, 373, 380; BGH, Beschluss vom
15. April 2008 – 5 StR 635/07), liegt mit § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eine gesetzgeberische
Ermächtigung hierzu vor. Solange gewährleistet ist, dass die
Anwendung auf einige wenige hochgefährliche Verurteilte – wie im vorliegenden
Fall – beschränkt bleibt, liegt nicht auf der Hand, dass der Gesetzgeber
damit seinen Beurteilungsspielraum für Maßnahmen zur Gewährung der
Sicherheit der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 109, 133, 187) überschritten haben
könnte.
22 Der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung steht im
konkreten Fall nicht entgegen, dass die maßgeblich die Gefährlichkeitsprognose
tragende Diagnose einer Persönlichkeitsstörung und eines sexuellen
Sadismus, soweit ersichtlich, bei der Anlassverurteilung keinen Niederschlag
gefunden hat. Da diese Umstände ohnehin nicht zur Anordnung der Sicherungsverwahrung
hätten führen können, bestand für den damaligen Tatrichter
kein Anlass zur Bewertung der Gefährlichkeit (vgl. hierzu Fischer, StGB
55. Aufl. § 66b Rdn. 23).
Basdorf Gerhardt Raum
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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2008 - 5 StR 431/07

bei uns veröffentlicht am 15.04.2008

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2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2008 - 5 StR 431/07.

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bei uns veröffentlicht am 18.06.2019

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bei uns veröffentlicht am 15.04.2008

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Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Nachträgliche Sicherungsverwahrung kann auch nach rechtskräftiger
Nichteröffnung eines Hauptverfahrens, bei dessen
Durchführung Sicherungsverwahrung hätte verhängt werden
können, nicht angeordnet werden (Vorrang des Erkenntnisverfahrens
, im Anschluss an BGHSt 50, 373).
BGH, Beschluss vom 15. April 2008 – 5 StR 635/07
LGNeuruppin–

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des
Landgerichts Neuruppin vom 27. September 2007 nach
§ 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Der Antrag auf nachträgliche
Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens
und die notwendigen Auslagen des Verurteilten
fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Verurteilte ist für die in der Zeit vom 22. Juni 2007
bis zum 15. April 2008 vollzogene einstweilige Unterbringung
nach § 275a Abs. 5 StPO zu entschädigen.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Neuruppin
vom 1. Juni 2007 wird aufgehoben. Der Verurteilte ist in
dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten
in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen
richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung
materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der
Entscheidung und zur Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft.
2 1. Das Landgericht hat festgestellt:
3 a) Der 1958 geborene Verurteilte ist schon mehrfach wegen Delikten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestraft worden. Bereits im Alter von
17 Jahren wurde er 1976 wegen Nötigung und sexuellen Missbrauchs von
Kindern zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, die er vollständig
verbüßte. Am 26. Juni 1978 wurde er wegen einer vier Monate nach seiner
Haftentlassung begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt, die er bis Ende Februar 1980 verbüßte.
Im Oktober 1980 beging er erneut eine Vergewaltigung; unter anderem
wegen dieser Tat wurde er am 23. Dezember 1980 wegen Vergewaltigung
in einem schweren Fall und wegen Hehlerei zu einer Einheitsfreiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte er
bis Anfang April 1984. Durch Urteil vom 22. August 1985 wurde er wegen
Vergewaltigung in einem schweren Fall – die Tat hatte er am 9. Juli 1985
begangen – zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Am 9. Juli
1990 wurde er aus der Strafhaft entlassen. Die verbleibende Restfreiheitsstrafe
wurde nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.
4 Am 31. Mai 1998 – mithin knapp acht Jahre nach seiner letzten Entlassung
aus der Strafhaft – vergewaltigte er erneut eine Frau. Deswegen
wurde er durch das Landgericht Neuruppin am 22. Januar 1999 wegen Vergewaltigung
zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
5 b) Erst kurz nach dieser letzten Verurteilung wurde der Beschwerdeführer
verdächtigt, am 14. Juni 1995 eine weitere Straftat, nämlich einen sexuellen
Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung begangen
zu haben. Deswegen wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet
, das am 13. Dezember 2000 nach § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die
durch das Urteil vom 22. Januar 1999 verhängte Freiheitsstrafe von neun
Jahren eingestellt wurde. Mit Verfügung vom 12. Mai 2006 nahm die Staatsanwaltschaft
die Ermittlungen wieder auf und erhob am 2. September 2006
Anklage. Mit Beschluss vom 6. November 2006 lehnte das Landgericht
Frankfurt (Oder) die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die überlange
Verfahrensdauer ein Verfahrenshindernis begründe. Die Staatsanwaltschaft
legte hiergegen kein Rechtsmittel ein, der Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
6 c) Bis zum 21. Juni 2007 verbüßte der Verurteilte die Freiheitsstrafe
aus dem Urteil vom 22. Januar 1999 vollständig. Seit dem 22. Juni 2007 befindet
er sich aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Neuruppin vom
1. Juni 2007 im Vollzug der einstweiligen Unterbringung gemäß § 275a
Abs. 5 StPO.
7 2. Das Landgericht ist sachverständig beraten zu der Überzeugung
gelangt, dass der Verurteilte aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten
mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB
vorausgesetzten Art begehen werde. Seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
ergebe sich aus Tatsachen, die erst während des Strafvollzugs erkennbar
geworden seien. Die Voraussetzungen nach § 66b Abs. 2 StGB für die
nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung lägen damit vor. Der
Vorrang des Erkenntnisverfahrens stehe dem nicht entgegen. Bei der Anlassverurteilung
durch das Landgericht Neuruppin vom 22. Januar 1999 sei
die primäre Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus
rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, da hinsichtlich der früheren Taten
nach den damaligen Erkenntnissen die sogenannte Rückfallverjährung
gemäß § 66 Abs. 4 Sätze 3 und 4 StGB eingetreten gewesen sei.
8 Als neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB hat das Landgericht
gewertet, dass der Verurteilte die Tat vom 14. Juni 1995 begangen habe
, was bei seiner Verurteilung am 22. Januar 1999 noch unbekannt gewesen
sei. Erst durch diese Straftat – die die ansonsten gegebene Rückfallverjährung
unterbrochen habe – seien die formellen Voraussetzungen des § 66
Abs. 1 StGB erfüllt. Dass wegen dieser Tat keine Verurteilung erfolgt sei, sei
unschädlich. Das Landgericht Frankfurt (Oder) habe zwar hinsichtlich dieser
Tat die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer
rechtskräftig abgelehnt, hierin liege aber keine im Hinblick auf die unterbliebene
Sicherungsverwahrung rechtsfehlerhafte Sachentscheidung, weswegen
der Vorrang des Erkenntnisverfahrens der Anwendung des § 66b StGB nicht
entgegenstehe.
9 3. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat sich das
Landgericht rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Verurteilten bei der Tat
am 14. Juni 1995 überzeugt. Auch soweit es einen Hang des Verurteilten zur
Begehung schwerer Straftaten und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
feststellt, weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler auf, was auch
die Revision nicht verkennt. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung kann aber keinen Bestand haben, weil das
Landgericht – ersichtlich in dem Bemühen, die Allgemeinheit vor einem gefährlichen
Straftäter zu schützen – die Straftat aus dem Jahr 1995 unzutreffend
als neue Tatsache gewertet hat.
10 Diese Straftat kann schon deswegen nicht als neu im Sinne des § 66b
StGB gelten, da gegen den Verurteilten aufgrund dieser Tat die primäre Verhängung
von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können. Dass dies aus
rechtsfehlerhaften Erwägungen in dem wegen dieser Tat eingeleiteten, aber
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unterblieben ist, kann nicht durch
die – faktisch in die Rechtskraft der Nichteröffnungsentscheidung eingreifende
– nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung geheilt werden.
11 a) Die Möglichkeiten primärer Anordnung von Sicherungsverwahrung
gemäß §§ 66, 66a StGB müssen gegenüber der nachträglichen Anordnung
strikt vorrangig bleiben (BGHSt 50, 373, 380; Fischer, StGB 55. Aufl. § 66b
Rdn. 18, 19 m.w.N.). Lagen die Voraussetzungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung
zu einem früheren Zeitpunkt vor, ist aber aufgrund einer
rechtskräftigen Entscheidung hiervon abgesehen worden, hindert der Vorrang
des Erkenntnisverfahrens die Anordnung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung. Dieser Vorrang gilt unabhängig davon, ob der in der
Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung liegende Rechtsfehler bei der
Anlassverurteilung oder – wie hier – erst in dem Verfahren wegen der Straftat
, welche jetzt die neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB bilden soll, aufgetreten
ist (vgl. BGHSt 50, 373, 380). Denn das Verfahren nach § 66b StGB
dient nicht der Korrektur fehlerhafter, aber rechtskräftiger früherer Entscheidungen
(BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484; BGH NStZ-RR 2007,
370, 371; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 3 StR 378/07).
12 Eine solche nachträgliche Korrektur rechtskräftiger Entscheidungen
auf unveränderter Tatsachenbasis ist mit dem Gebot der Rechtssicherheit als
tragendem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (vgl. hierzu BVerfGE 2, 380, 403;
25, 269, 290; Schnapp in von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar 5. Aufl.
Art. 20 Rdn. 30) nicht vereinbar. Denn die durch die Notwendigkeit der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes legitimierte Rechtskraft (vgl.
Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. K Rdn. 79) der ablehnenden
Entscheidung bewirkt, dass das Gericht grundsätzlich gehindert
ist, denselben Streitstoff zwischen den durch die Rechtskraft Gebundenen
nochmals sachlich zu prüfen (BVerfGE 1, 89, 90). Individualschützender Ausfluss
dessen ist, dass durch die rechts- und bestandskräftige Entscheidung
über die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung in einem konkreten
Strafverfahren ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden ist (BGHSt 50, 373,
380). Dieses berechtigte Vertrauen darf jedenfalls im Hinblick auf das allgemeine
Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bei
unveränderter Tatsachengrundlage ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung
nicht durch nachträgliche Korrektur erschüttert werden.
13 Der Gesetzgeber wollte – jedenfalls jenseits des neu eingefügten und
am 18. April 2007 in Kraft getretenen § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – mit der Einführung
der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung keine
Rechtskraftdurchbrechung bei unveränderter Tatsachengrundlage ermöglichen.
Er wollte vielmehr die Möglichkeit schaffen, solche Tatsachen in die
Gefährlichkeitsprognose einzubeziehen, die „erst zu diesem späten Zeitpunkt
berücksichtigt werden konnten“, hingegen soll diese Maßregel nicht darauf
abzielen, „die Frage einer späteren Unterbringung länger als bisher offen zu
halten“ (vgl. BT-Drucks 15/2887 S. 12). Dies belegt die Subsidiarität der
nachträglichen Sicherungsverwahrung – die faktisch wie eine Wiederaufnahme
zu Lasten des Verurteilten wirkt (BGHSt 50, 373, 380 im Anschluss
an Ullenbruch in MüKo-StGB 2003 § 66b Rdn. 41) – gegenüber der primären
Anordnung der Sicherungsverwahrung.
14 Ob der Vorrang des Erkenntnisverfahrens die Anwendung des § 66b
StGB auch hindert, wenn wegen der neuen Tat ein Erkenntnisverfahren nicht
rechtskräftig abgeschlossen ist, liegt zwar nahe, braucht der Senat jedoch
nicht zu entscheiden.
15 b) Der Grundsatz der Subsidiarität des Verfahrens zur Anordnung der
nachträglichen Sicherungsverwahrung steht vorliegend der Verwertung der
Straftat im Jahre 1995 als neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB entgegen.
Denn aufgrund dieser Tat wäre die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung
nach § 66 StGB möglich gewesen, wie das Landgericht im Ergebnis
zutreffend ausführt.
16 aa) Dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB in Betracht
kamen, liegt ungeachtet der 1980 verhängten Einheitsstrafe, mit der
auch eine Hehlerei als Nichtkatalogtat geahndet wurde, auf der Hand (vgl.
zum Wegfall der zeitlichen Beschränkungen bei Anlasstaten im Beitrittsgebiet
BGHSt 50, 373, 377). Jedenfalls die Voraussetzungen für die Möglichkeit der
Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB im
Blick auf die 1985 erfolgte Verurteilung mit anschließender fünfjähriger Strafvollstreckung
– im Übrigen auch die des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB im Kontext
mit der Anlassverurteilung – lagen zum Zeitpunkt der in Rechtskraft (§§ 210,
211 StPO) erwachsenen Nichteröffnungsentscheidung durch das Landgericht
Frankfurt (Oder) vor.
17 bb) Die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB drängten
sich aus den gleichen Erwägungen auf, die jetzt das Landgericht rechtsfehlerfrei
zur materiellen Grundlage der Anordnung des § 66b StGB gemacht
hat. Die Beurteilungsgrundlage hinsichtlich des Hangs und der darauf basierenden
Gefährlichkeit des Verurteilten ist unverändert geblieben.
18 Die danach mögliche Anordnung der primären Sicherungsverwahrung
ist aber nicht erfolgt. Vielmehr ist das wegen dieser Tat eingeleitete Verfahren
nach der von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandeten, auf die Annahme
eines dauerhaften Verfahrenshindernisses gestützten Nichteröffnungsentscheidung
des Landgerichts Frankfurt (Oder) rechtskräftig abgeschlossen
worden.
19 c) Der Vorrang des Erkenntnisverfahrens gilt auch, wenn über die
Nichtanordnung der primären Sicherungsverwahrung nicht durch ein Sachurteil
, sondern – wie hier – durch eine wirksame Prozessentscheidung in Form
der Nichteröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen gemäß
§ 204 StPO entschieden worden ist.
20 Zwar entfaltet ein die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnender Beschluss
gegenüber einem Sachurteil nur eine beschränkte Rechtskraft
(BGHSt 7, 65; Roxin, Strafverfahrensrecht 25. Aufl. § 50 B III. b.; vgl. hierzu
auch Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 211 Rdn. 2 m.w.N.). Die weniger
weitreichende Rechtskraft fällt aber nur bei einer Änderung der Tatsachengrundlage
ins Gewicht. So gestattet die Vorschrift des § 211 StPO als
Konsequenz der Prüfung allein nach Aktenlage eine Wiederaufnahme zuungunsten
des Beschuldigten bei einer nachträglichen Veränderung der tatsächlichen
Grundlagen (vgl. BGHSt 18, 225, 226; Tolksdorf in KK-StPO
5. Aufl. § 211 Rdn. 1). Eine Korrektur von Subsumtionsfehlern oder Irrtümern
wird damit aber nicht zugelassen (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 211
Rdn. 3; Rieß aaO Rdn. 1). Insoweit steht die Rechtskraftwirkung des Nichteröffnungsbeschlusses
gemäß § 211 StPO einem Urteil gleich.
21 Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Frankfurt (Oder) bei der Prüfung
der Prozessvoraussetzungen und der Annahme einer die Eröffnung
hindernden überlangen Verfahrensdauer in seine Abwägung die Möglichkeit
der primären Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB nicht
mit einbezogen. Darin liegt eine mangelhafte rechtliche Bewertung, die nicht
nachträglich – wie etwa bei neuen Tatsachen, die dem angenommenen Prozesshindernis
den Boden entziehen oder es beseitigen – korrigiert werden
kann. Zwar erscheint die Annahme eines Verfahrenshindernisses aufgrund
überlanger Verfahrensdauer im vorliegenden Fall kaum nachvollziehbar, diese
rechtsfehlerhaften Erwägungen hindern aber den Eintritt der Rechtskraft
und die daran geknüpften Folgen hinsichtlich Rechtssicherheit und Vertrauensschutz
nicht.
22 d) Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen Darlegungen im angefochtenen
Urteil aus, dass sich aufgrund einer weiteren Verhandlung noch
Umstände ergeben könnten, die als neue Tatsachen die Verhängung der
Maßregel rechtfertigen könnten. Er entscheidet daher selbst, dass die Maßregelanordnung
entfällt, und hebt gleichzeitig den Unterbringungsbefehl auf
23 4. Der Verurteilte ist für die einstweilige Unterbringung zu entschädigen.
Es handelt sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme nach § 2 Abs. 2
Nr. 1 StrEG (BGH, Beschluss vom 11. März 2008 – 3 StR 378/07 m.w.N.).
Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Verpflichtung zur
Entschädigung zuständig, weil er eine verfahrensabschließende Entscheidung
getroffen hat. Weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind
nicht mehr erforderlich. Umstände, die zum Ausschluss oder zur Versagung
der Entschädigung Anlass geben könnten, liegen nicht vor.
24 Dem Landgericht obliegen die Entscheidungen im Zusammenhang mit
der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 68f StGB).
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Jäger

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Nachträgliche Sicherungsverwahrung kann auch nach rechtskräftiger
Nichteröffnung eines Hauptverfahrens, bei dessen
Durchführung Sicherungsverwahrung hätte verhängt werden
können, nicht angeordnet werden (Vorrang des Erkenntnisverfahrens
, im Anschluss an BGHSt 50, 373).
BGH, Beschluss vom 15. April 2008 – 5 StR 635/07
LGNeuruppin–

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2008 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des
Landgerichts Neuruppin vom 27. September 2007 nach
§ 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Der Antrag auf nachträgliche
Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens
und die notwendigen Auslagen des Verurteilten
fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Verurteilte ist für die in der Zeit vom 22. Juni 2007
bis zum 15. April 2008 vollzogene einstweilige Unterbringung
nach § 275a Abs. 5 StPO zu entschädigen.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Neuruppin
vom 1. Juni 2007 wird aufgehoben. Der Verurteilte ist in
dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten
in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen
richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung
materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der
Entscheidung und zur Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft.
2 1. Das Landgericht hat festgestellt:
3 a) Der 1958 geborene Verurteilte ist schon mehrfach wegen Delikten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung bestraft worden. Bereits im Alter von
17 Jahren wurde er 1976 wegen Nötigung und sexuellen Missbrauchs von
Kindern zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, die er vollständig
verbüßte. Am 26. Juni 1978 wurde er wegen einer vier Monate nach seiner
Haftentlassung begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt, die er bis Ende Februar 1980 verbüßte.
Im Oktober 1980 beging er erneut eine Vergewaltigung; unter anderem
wegen dieser Tat wurde er am 23. Dezember 1980 wegen Vergewaltigung
in einem schweren Fall und wegen Hehlerei zu einer Einheitsfreiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßte er
bis Anfang April 1984. Durch Urteil vom 22. August 1985 wurde er wegen
Vergewaltigung in einem schweren Fall – die Tat hatte er am 9. Juli 1985
begangen – zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Am 9. Juli
1990 wurde er aus der Strafhaft entlassen. Die verbleibende Restfreiheitsstrafe
wurde nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.
4 Am 31. Mai 1998 – mithin knapp acht Jahre nach seiner letzten Entlassung
aus der Strafhaft – vergewaltigte er erneut eine Frau. Deswegen
wurde er durch das Landgericht Neuruppin am 22. Januar 1999 wegen Vergewaltigung
zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
5 b) Erst kurz nach dieser letzten Verurteilung wurde der Beschwerdeführer
verdächtigt, am 14. Juni 1995 eine weitere Straftat, nämlich einen sexuellen
Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung begangen
zu haben. Deswegen wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet
, das am 13. Dezember 2000 nach § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die
durch das Urteil vom 22. Januar 1999 verhängte Freiheitsstrafe von neun
Jahren eingestellt wurde. Mit Verfügung vom 12. Mai 2006 nahm die Staatsanwaltschaft
die Ermittlungen wieder auf und erhob am 2. September 2006
Anklage. Mit Beschluss vom 6. November 2006 lehnte das Landgericht
Frankfurt (Oder) die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die überlange
Verfahrensdauer ein Verfahrenshindernis begründe. Die Staatsanwaltschaft
legte hiergegen kein Rechtsmittel ein, der Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
6 c) Bis zum 21. Juni 2007 verbüßte der Verurteilte die Freiheitsstrafe
aus dem Urteil vom 22. Januar 1999 vollständig. Seit dem 22. Juni 2007 befindet
er sich aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Neuruppin vom
1. Juni 2007 im Vollzug der einstweiligen Unterbringung gemäß § 275a
Abs. 5 StPO.
7 2. Das Landgericht ist sachverständig beraten zu der Überzeugung
gelangt, dass der Verurteilte aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten
mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB
vorausgesetzten Art begehen werde. Seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
ergebe sich aus Tatsachen, die erst während des Strafvollzugs erkennbar
geworden seien. Die Voraussetzungen nach § 66b Abs. 2 StGB für die
nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung lägen damit vor. Der
Vorrang des Erkenntnisverfahrens stehe dem nicht entgegen. Bei der Anlassverurteilung
durch das Landgericht Neuruppin vom 22. Januar 1999 sei
die primäre Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus
rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, da hinsichtlich der früheren Taten
nach den damaligen Erkenntnissen die sogenannte Rückfallverjährung
gemäß § 66 Abs. 4 Sätze 3 und 4 StGB eingetreten gewesen sei.
8 Als neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB hat das Landgericht
gewertet, dass der Verurteilte die Tat vom 14. Juni 1995 begangen habe
, was bei seiner Verurteilung am 22. Januar 1999 noch unbekannt gewesen
sei. Erst durch diese Straftat – die die ansonsten gegebene Rückfallverjährung
unterbrochen habe – seien die formellen Voraussetzungen des § 66
Abs. 1 StGB erfüllt. Dass wegen dieser Tat keine Verurteilung erfolgt sei, sei
unschädlich. Das Landgericht Frankfurt (Oder) habe zwar hinsichtlich dieser
Tat die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen überlanger Verfahrensdauer
rechtskräftig abgelehnt, hierin liege aber keine im Hinblick auf die unterbliebene
Sicherungsverwahrung rechtsfehlerhafte Sachentscheidung, weswegen
der Vorrang des Erkenntnisverfahrens der Anwendung des § 66b StGB nicht
entgegenstehe.
9 3. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat sich das
Landgericht rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Verurteilten bei der Tat
am 14. Juni 1995 überzeugt. Auch soweit es einen Hang des Verurteilten zur
Begehung schwerer Straftaten und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
feststellt, weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler auf, was auch
die Revision nicht verkennt. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung kann aber keinen Bestand haben, weil das
Landgericht – ersichtlich in dem Bemühen, die Allgemeinheit vor einem gefährlichen
Straftäter zu schützen – die Straftat aus dem Jahr 1995 unzutreffend
als neue Tatsache gewertet hat.
10 Diese Straftat kann schon deswegen nicht als neu im Sinne des § 66b
StGB gelten, da gegen den Verurteilten aufgrund dieser Tat die primäre Verhängung
von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können. Dass dies aus
rechtsfehlerhaften Erwägungen in dem wegen dieser Tat eingeleiteten, aber
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unterblieben ist, kann nicht durch
die – faktisch in die Rechtskraft der Nichteröffnungsentscheidung eingreifende
– nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung geheilt werden.
11 a) Die Möglichkeiten primärer Anordnung von Sicherungsverwahrung
gemäß §§ 66, 66a StGB müssen gegenüber der nachträglichen Anordnung
strikt vorrangig bleiben (BGHSt 50, 373, 380; Fischer, StGB 55. Aufl. § 66b
Rdn. 18, 19 m.w.N.). Lagen die Voraussetzungen zur Anordnung der Sicherungsverwahrung
zu einem früheren Zeitpunkt vor, ist aber aufgrund einer
rechtskräftigen Entscheidung hiervon abgesehen worden, hindert der Vorrang
des Erkenntnisverfahrens die Anordnung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung. Dieser Vorrang gilt unabhängig davon, ob der in der
Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung liegende Rechtsfehler bei der
Anlassverurteilung oder – wie hier – erst in dem Verfahren wegen der Straftat
, welche jetzt die neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB bilden soll, aufgetreten
ist (vgl. BGHSt 50, 373, 380). Denn das Verfahren nach § 66b StGB
dient nicht der Korrektur fehlerhafter, aber rechtskräftiger früherer Entscheidungen
(BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484; BGH NStZ-RR 2007,
370, 371; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 3 StR 378/07).
12 Eine solche nachträgliche Korrektur rechtskräftiger Entscheidungen
auf unveränderter Tatsachenbasis ist mit dem Gebot der Rechtssicherheit als
tragendem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (vgl. hierzu BVerfGE 2, 380, 403;
25, 269, 290; Schnapp in von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar 5. Aufl.
Art. 20 Rdn. 30) nicht vereinbar. Denn die durch die Notwendigkeit der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes legitimierte Rechtskraft (vgl.
Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. Einl. Abschn. K Rdn. 79) der ablehnenden
Entscheidung bewirkt, dass das Gericht grundsätzlich gehindert
ist, denselben Streitstoff zwischen den durch die Rechtskraft Gebundenen
nochmals sachlich zu prüfen (BVerfGE 1, 89, 90). Individualschützender Ausfluss
dessen ist, dass durch die rechts- und bestandskräftige Entscheidung
über die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung in einem konkreten
Strafverfahren ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden ist (BGHSt 50, 373,
380). Dieses berechtigte Vertrauen darf jedenfalls im Hinblick auf das allgemeine
Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bei
unveränderter Tatsachengrundlage ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung
nicht durch nachträgliche Korrektur erschüttert werden.
13 Der Gesetzgeber wollte – jedenfalls jenseits des neu eingefügten und
am 18. April 2007 in Kraft getretenen § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – mit der Einführung
der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung keine
Rechtskraftdurchbrechung bei unveränderter Tatsachengrundlage ermöglichen.
Er wollte vielmehr die Möglichkeit schaffen, solche Tatsachen in die
Gefährlichkeitsprognose einzubeziehen, die „erst zu diesem späten Zeitpunkt
berücksichtigt werden konnten“, hingegen soll diese Maßregel nicht darauf
abzielen, „die Frage einer späteren Unterbringung länger als bisher offen zu
halten“ (vgl. BT-Drucks 15/2887 S. 12). Dies belegt die Subsidiarität der
nachträglichen Sicherungsverwahrung – die faktisch wie eine Wiederaufnahme
zu Lasten des Verurteilten wirkt (BGHSt 50, 373, 380 im Anschluss
an Ullenbruch in MüKo-StGB 2003 § 66b Rdn. 41) – gegenüber der primären
Anordnung der Sicherungsverwahrung.
14 Ob der Vorrang des Erkenntnisverfahrens die Anwendung des § 66b
StGB auch hindert, wenn wegen der neuen Tat ein Erkenntnisverfahren nicht
rechtskräftig abgeschlossen ist, liegt zwar nahe, braucht der Senat jedoch
nicht zu entscheiden.
15 b) Der Grundsatz der Subsidiarität des Verfahrens zur Anordnung der
nachträglichen Sicherungsverwahrung steht vorliegend der Verwertung der
Straftat im Jahre 1995 als neue Tatsache im Sinne des § 66b StGB entgegen.
Denn aufgrund dieser Tat wäre die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung
nach § 66 StGB möglich gewesen, wie das Landgericht im Ergebnis
zutreffend ausführt.
16 aa) Dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB in Betracht
kamen, liegt ungeachtet der 1980 verhängten Einheitsstrafe, mit der
auch eine Hehlerei als Nichtkatalogtat geahndet wurde, auf der Hand (vgl.
zum Wegfall der zeitlichen Beschränkungen bei Anlasstaten im Beitrittsgebiet
BGHSt 50, 373, 377). Jedenfalls die Voraussetzungen für die Möglichkeit der
Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB im
Blick auf die 1985 erfolgte Verurteilung mit anschließender fünfjähriger Strafvollstreckung
– im Übrigen auch die des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB im Kontext
mit der Anlassverurteilung – lagen zum Zeitpunkt der in Rechtskraft (§§ 210,
211 StPO) erwachsenen Nichteröffnungsentscheidung durch das Landgericht
Frankfurt (Oder) vor.
17 bb) Die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB drängten
sich aus den gleichen Erwägungen auf, die jetzt das Landgericht rechtsfehlerfrei
zur materiellen Grundlage der Anordnung des § 66b StGB gemacht
hat. Die Beurteilungsgrundlage hinsichtlich des Hangs und der darauf basierenden
Gefährlichkeit des Verurteilten ist unverändert geblieben.
18 Die danach mögliche Anordnung der primären Sicherungsverwahrung
ist aber nicht erfolgt. Vielmehr ist das wegen dieser Tat eingeleitete Verfahren
nach der von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandeten, auf die Annahme
eines dauerhaften Verfahrenshindernisses gestützten Nichteröffnungsentscheidung
des Landgerichts Frankfurt (Oder) rechtskräftig abgeschlossen
worden.
19 c) Der Vorrang des Erkenntnisverfahrens gilt auch, wenn über die
Nichtanordnung der primären Sicherungsverwahrung nicht durch ein Sachurteil
, sondern – wie hier – durch eine wirksame Prozessentscheidung in Form
der Nichteröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen gemäß
§ 204 StPO entschieden worden ist.
20 Zwar entfaltet ein die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnender Beschluss
gegenüber einem Sachurteil nur eine beschränkte Rechtskraft
(BGHSt 7, 65; Roxin, Strafverfahrensrecht 25. Aufl. § 50 B III. b.; vgl. hierzu
auch Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 211 Rdn. 2 m.w.N.). Die weniger
weitreichende Rechtskraft fällt aber nur bei einer Änderung der Tatsachengrundlage
ins Gewicht. So gestattet die Vorschrift des § 211 StPO als
Konsequenz der Prüfung allein nach Aktenlage eine Wiederaufnahme zuungunsten
des Beschuldigten bei einer nachträglichen Veränderung der tatsächlichen
Grundlagen (vgl. BGHSt 18, 225, 226; Tolksdorf in KK-StPO
5. Aufl. § 211 Rdn. 1). Eine Korrektur von Subsumtionsfehlern oder Irrtümern
wird damit aber nicht zugelassen (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 211
Rdn. 3; Rieß aaO Rdn. 1). Insoweit steht die Rechtskraftwirkung des Nichteröffnungsbeschlusses
gemäß § 211 StPO einem Urteil gleich.
21 Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Frankfurt (Oder) bei der Prüfung
der Prozessvoraussetzungen und der Annahme einer die Eröffnung
hindernden überlangen Verfahrensdauer in seine Abwägung die Möglichkeit
der primären Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB nicht
mit einbezogen. Darin liegt eine mangelhafte rechtliche Bewertung, die nicht
nachträglich – wie etwa bei neuen Tatsachen, die dem angenommenen Prozesshindernis
den Boden entziehen oder es beseitigen – korrigiert werden
kann. Zwar erscheint die Annahme eines Verfahrenshindernisses aufgrund
überlanger Verfahrensdauer im vorliegenden Fall kaum nachvollziehbar, diese
rechtsfehlerhaften Erwägungen hindern aber den Eintritt der Rechtskraft
und die daran geknüpften Folgen hinsichtlich Rechtssicherheit und Vertrauensschutz
nicht.
22 d) Der Senat schließt angesichts der sorgfältigen Darlegungen im angefochtenen
Urteil aus, dass sich aufgrund einer weiteren Verhandlung noch
Umstände ergeben könnten, die als neue Tatsachen die Verhängung der
Maßregel rechtfertigen könnten. Er entscheidet daher selbst, dass die Maßregelanordnung
entfällt, und hebt gleichzeitig den Unterbringungsbefehl auf
23 4. Der Verurteilte ist für die einstweilige Unterbringung zu entschädigen.
Es handelt sich um eine Strafverfolgungsmaßnahme nach § 2 Abs. 2
Nr. 1 StrEG (BGH, Beschluss vom 11. März 2008 – 3 StR 378/07 m.w.N.).
Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Verpflichtung zur
Entschädigung zuständig, weil er eine verfahrensabschließende Entscheidung
getroffen hat. Weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind
nicht mehr erforderlich. Umstände, die zum Ausschluss oder zur Versagung
der Entschädigung Anlass geben könnten, liegen nicht vor.
24 Dem Landgericht obliegen die Entscheidungen im Zusammenhang mit
der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 68f StGB).
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Jäger

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.