Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - 5 StR 39/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:071216B5STR39.16.0
bei uns veröffentlicht am07.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 39/16
vom
7. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:071216B5STR39.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6. Juli 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, dass eine „Verletzung der Hinweis - und Protokollierungspflichten des § 257c StPO“ vorliege, entspricht nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; sie ist daher unzulässig. Zwar trägt die Revision vor, dass die Belehrung des Angeklagten nach § 257c Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 StPO erst nach dessen Zustimmung zum gerichtlichen Verständigungsvorschlag erfolgt ist (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO). Sie unterlässt es aber mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wie sich die Staatsanwaltschaft zum Verständigungsvorschlag des Gerichts erklärt hat. Aus den vorgelegten Hauptverhandlungsprotokollen ist hierzu nichts ersichtlich; ein sich zu diesem Umstand verhaltender Vortrag des Beschwerdeführers fehlt. Für die Beurteilung, ob eine Verfahrensverständigung entsprechend den Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (vgl. BVerfGE 133, 168), ist jedoch auch erforderlich, dass die Staatsanwaltschaft dem Verständigungsvorschlag zustimmt (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO). Eine solche Zustimmung wäre von der Staatsanwaltschaft eindeutig zu erklären gewesen (Jahn/Kudlich in Müko-StPO,
2016, § 257c Rn. 143). Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine – nicht protokollierte – von der Revision in ihrer Stellungnahme zum Antrag des Generalbundesanwalts behauptete konkludente Erklärung der Staatsanwaltschaft – vor allem mit Blick auf die Bindungswirkung einer solchen Erklärung (Jahn/Kudlich aaO Rn. 146 ff.) – hierzu nicht aus. Auch der Umstand, dass das Landgericht in den Urteilsgründen von einer wirksamen Verfahrensverständigung ausgeht, belegt nicht, dass tatsächlich eine solche stattgefunden hat.
Soweit der Beschwerdeführer nach Kenntniserlangung von der Stellungnahme des Generalbundesanwalts geltend macht, dass ein weiterer Fehler darin zu sehen wäre, dass die Staatsanwaltschaft dem Verständigungsvorschlag nicht zugestimmt habe und das Landgericht gleichwohl von einer Verfahrensverständigung in den Urteilsgründen ausgegangen sei (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 – 2 StR 465/13, BGHR StPO § 257c Verständigung 5), ist dem Senat eine Prüfung des behaupteten Verfahrensfehlers verwehrt. Denn ausschließlich die in der Revisionsbegründungsschrift innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erklärte Angriffsrichtung der erhobenen Verfahrensrüge bestimmt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (BGH, Urteile vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14, NJW 2015, 265, und vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671).
Die Wirtschaftsstrafkammer hat ferner den jeweils entstandenen Vermögensschaden rechtsfehlerfrei berechnet. Sie konnte bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation den Rückzahlungsanspruch des Kreditinstituts gegenüber den Darlehensnehmern als völlig wertlos ansehen, weil diese weder finanziell in der Lage noch willens waren, die Darlehensraten zu bedienen (vgl. BGH, Urteil
vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, NStZ 2016, 343). Die anfänglich erfolgten Darlehensrückzahlungen waren Folge des Tatplans der Angeklagten, der diese Zahlungen nach eigenem Gutdünken bis zur vollständigen Ausreichung der Darlehensvaluta vornahm.
Sander Dölp Berger
Bellay Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


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Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 6 5 / 1 3
vom
14. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schweren Bandendiebstahls in 16 Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten Z. hat es wegen schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge sowie der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensbeanstandung Erfolg.
2
1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
3
Nach Beginn der Hauptverhandlung wurde auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten M. die Hauptverhandlung unterbrochen und es wurde ein „Rechtsgespräch“ geführt, das nicht zu einer „Einigung“ führte. Nach erneutem Aufruf der Sache gab der Vorsitzende bekannt, dass bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten M. die Gesamtfreiheitsstrafe für die angeklagten Taten eine Obergrenze von sieben Jahren nicht überschreiten werde; bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten Z. werde die Obergrenze der Gesamtfreiheitsstrafe fünf Jahre nicht übersteigen. Nach einer erneuten Unterbrechung der Hauptverhandlung erklärten die Verteidiger, dass ihre Mandanten am nächsten Verhandlungstag eine Äußerung zur Sache abgeben werden. Dies geschah, indem die Verteidiger Erklärungen für ihre Mandanten abgaben, diese die Richtigkeit bestätigten und ergänzende Fragen beantworteten.
4
Im Urteil hat das Landgericht ausgeführt, dass den Geständnissen der Angeklagten „eine Verständigung nach § 257c StPO“ vorausgegangen sei.
5
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer - der Sache nach zuungunsten der Angeklagten eingelegten - Revision, es sei ein Verfahren betrieben worden, das „sämtliche Kriterien“ für eine gesetzeskonforme Verständigung nicht erfülle.
6
2. Eine wirksame Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch liegt angesichts des umfassenden Aufhebungsantrags und der Revisionsbegründung , die den Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen betrifft, nicht vor.
7
3. Die Rüge ist begründet; sie wirkt gemäß § 301 StPO auch zugunsten der Angeklagten.
8
a) Die Regelung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO gestattet eine Verständigung nur nach dieser Vorschrift. Danach kommt eine Verständigung in der Hauptverhandlung zustande, wenn das Gericht ankündigt, wie die Verständigung aussehen könnte (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO), und wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO). Ein solcher Ablauf hat nach dem durch das Protokoll der Hauptverhandlung belegten Vortrag der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden. Insbesondere die für das Zustandekommen der Verständigung notwendigen Zustimmungserklärungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sind nicht erklärt worden.
9
b) Das Urteil beruht nicht nur im Strafausspruch, sondern auch im Schuldspruch auf dem fehlerhaften Verfahren; denn die Geständnisse der Angeklagten , die zunächst durch die Verteidiger formuliert und sodann von ihnen ergänzt wurden, können durch das rechtsfehlerhafte Verfahren beeinflusst sein. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Regelmäßig keine notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren
schon vor einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten
nach dessen Ergreifung aufgrund eines Haftbefehls
wegen Mordverdachts.
BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14
LG Berlin –
BESCHLUSS
5 StR 176/14
vom
20. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2014 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 25. Oktober 2013 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger durch ihre Revision entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel vermag aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen nicht durchzudringen. Der ergänzenden Erörterung bedarf Folgendes:
2
1. Die Revision beanstandet, dass die Angeklagte unter „Verletzung der § 163a Abs. 3 Satz 2, § 136 Abs. 2, § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO, Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK“ ohne Beiordnung eines Verteidigers zweimal polizeilich und einmal durch den Haftrichter vernommen worden sei. Trotz eines daraus resultierenden Beweisverwertungsverbots seien die Vernehmungsbeamten und der Ermittlungsrichter gegen den Widerspruch der Verteidigung in der Hauptverhandlung über den Inhalt der Vernehmungen vernommen und ein Teil der Feststellungen auf deren Aussagen gestützt worden.
3
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
4
Am 12. September 2001 wurde die 63 Jahre alte D. gewaltsam getötet in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Ermittlungen verliefen zunächst ergebnislos. Nach deren Wiederaufnahme im Dezember 2012 ergab ein DNSAbgleich einer Speichelprobe der Angeklagten Übereinstimmung unter anderem mit in der Hand der Getöteten gefundenen Haaren. Gegen die Angeklagte wurde am 27. Februar 2013 Haftbefehl erlassen. Am 5. März 2013 wurde sie festgenommen und zur Berliner Mordkommission verbracht. Noch am selben Tag und am Vormittag des folgenden Tages wurde sie jeweils nach ordnungsgemäßer Belehrung auch über ihr Recht auf Verteidigerkonsultation vernommen. Anschließend wurde sie dem Haftrichter vorgeführt. Nach weiterer korrekter Belehrung war sie aussagebereit, erklärte, keinen Anwalt zu benötigen und noch nie einen benötigt zu haben. Zur Sache bekundet sie, sie habe schon bei der Polizei ausgesagt. Was sie dort gesagt habe, sei zutreffend. Auf Vorhalt einer Passage aus einem Vernehmungsprotokoll bekundete sie, dass sie es ja gewesen sein müsse. Sie sei da gewesen und habe die Frau angegriffen. Weiter wolle sie jetzt nichts sagen. Der Ermittlungsrichter ordnete den Vollzug des Haftbefehls an und bestellte der Angeklagten einen Pflichtverteidiger.
5
Am zweiten Hauptverhandlungstag (18. September 2013) widersprach der Verteidiger vorab der Verwertung der polizeilichen und richterlichen Vernehmungen. Nach Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen (§ 238 Abs. 2 StPO) wurden die Polizeibeamten und der Ermittlungsrichter vernommen. Ein weiterer Verwertungswiderspruch erfolgte nicht.
6
b) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedurfte es keines gesonderten (zweiten) Verwertungswiderspruchs im Anschluss an die Vernehmung der ge- nannten Beweispersonen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Widerspruch nämlich grundsätzlich auch umfassend vorab erklärt werden; in diesem Fall muss ihn der Verteidiger nach Abschluss der Zeugenvernehmung nicht noch einmal ausdrücklich wiederholen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03, NStZ 2004, 389; Urteil vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, NJW 2013, 2769, 2771 f., insoweit in BGHSt 58, 301 nicht abgedruckt; KK/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28). Der durch die Verteidigung erhobene Widerspruch wird auch ansonsten den Anforderungen gerecht.
7
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob anderes zu gelten hätte, wenn sich bei freibeweislicher Klärung von der Verteidigung erhobener Beanstandungen etwa gewichtige Anhaltspunkte für deren Haltlosigkeit ergeben haben würden. Dies könnte im vorliegenden Fall für den nach rechtsfehlerfreier Würdigung der Schwurgerichtskammer durch die Beweisaufnahme widerlegten und von der Verteidigung mit der Revision nicht weiterverfolgten Vortrag gelten, die Vernehmungsbeamten hätten die irrige Annahme der Angeklagten ausgenutzt, nicht den Rat eines Verteidigers in Anspruch nehmen zu können, weil sie sich einen solchen nicht zu leisten vermöge. Indessen stützt sich die Revision auf die Erwägung, die Staatsanwaltschaft hätte vor einer Vernehmung zwingend auf die Beiordnung eines Verteidigers hinwirken müssen (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO). Dieser Gesichtspunkt wurde durch die Vernehmungen aber nicht berührt.
8
c) Die Rüge ist unbegründet.
9
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass nach geltendem Recht (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) auch mit Bedacht auf Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK keine Pflicht besteht, dem Beschuldigten stets bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren, etwa beginnend mit dem dringenden Verdacht eines (auch schweren) Verbrechens, einen Verteidiger zu bestellen (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, BGHSt 47, 233, 236 f.; vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, BGHR StPO § 141 Bestellung 8; vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182; vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1010). Das gilt auch dann, wenn ein Haftbefehl besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 5 StR 501/03, aaO).
10
Von dieser Rechtsprechung abzurücken, besteht kein Anlass. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) den Zeitpunkt der rechtlich zwingenden Bestellung eines Pflichtverteidigers in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO in Kenntnis der bestehenden Rechtsprechung bewusst auf den Beginn der Vollstreckung der Untersuchungshaft festgelegt hat. Nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO hat die Verteidigerbestellung „unverzüglich“ zuerfolgen, sofern der Haftbefehl nach seiner Verkündung nicht außer Vollzug gesetzt wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13097, S. 19). Erst mit der Aufrechterhaltung der Haft nach § 115 Abs. 4 Satz 1 StPO liegt eine Vollstreckung der Untersuchungshaft im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor. Forderungen, frühere Ereignisse, wofür beispielsweise der Erlass eines Haftbefehls oder die Ergreifung des Beschuldigten in Betracht gekommen wären, haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht, aaO, S. 16 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 5 StR 588/01, aaO, S. 237; Jahn in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 275, 277 f. mwN).
11
bb) Diesen gesetzlichen Vorgaben wurde hier mit der sofortigen Verteidigerbestellung nach Anordnung des Vollzugs der Untersuchungshaft entsprochen. Besonderheiten, etwa die Durchführung einer beweissichernden ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wesentlichen Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2000 – 1 StR 169/00, BGHSt 46, 93, 99 f.), waren nicht gegeben. Der Umstand allein, dass die bislang unbestrafte Angeklagte über keine Erfahrungen mit der Strafjustiz verfügte und mit einem Mordvorwurf konfrontiert wurde, genügt für die Annahme einer von der Verteidigung geltend gemachten Ermessensreduktion auf Null auf Seiten der Staatsanwaltschaft in Richtung auf sofortige Verteidigerbestellung nicht.
12
cc) Allerdings haben die Polizeibeamten gegen § 115 Abs. 1 StPO verstoßen , indem sie die Angeklagte nach ihrer Ergreifung nicht unverzüglich dem zuständigen Gericht vorgeführt, die Vorführung vielmehr zum Zweck der Durchführung polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen aufgeschoben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, BGHR StPO § 128 Abs. 1 Vorführungsfrist 2; Urteil vom 17. November 1989 – 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Dieser Verfahrensfehler verengt jedoch nicht den der Staatsanwaltschaft in § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO übertragenen Beurteilungsspielraum betreffend das Hinwirken auf sofortige Verteidigerbestellung. Vielmehr wäre es – sofern eingebunden – deren Pflicht gewesen, nachhaltig für die Wahrung des Unverzüglichkeitsgebots nach § 115 Abs. 1 StPO Sorge zu tragen. Infolge der in erster Linie auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG zielenden Schutzrichtung des § 115 Abs. 1 StPO (vgl. BVerfG [Kammer], NStZ 1994, 551, 552; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 115 Rn. 1), die das Interesse an frühzeitiger Verteidigerbestellung (vgl. auch KK/Graf, StPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 1a) gleichsam als Reflex mit umfasst, ver- mag die Verletzung dieser Vorschrift den Zeitpunkt rechtlich zwingender Verteidigerbestellung aber nicht vorzuverlagern.
13
Ein Verwertungsverbot wäre freilich anzunehmen, wenn die Polizeibeamten die gebotene Vorführung bewusst unterlassen hätten, um die Verteidigerbestellung durch den Haftrichter zu umgehen. Dafür sind jedoch keine Anhaltspunkte vorhanden. Hiergegen spricht vielmehr, dass der Haftrichter nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers die aussagebereite Beschuldigte – wie geschehen – in dem in § 115 Abs. 2 StPO bezeichneten Zeitrahmen vor Vollstreckung der Untersuchungshaft ohne vorherige Verteidigerbestellung hat vernehmen dürfen. Es liegt die Annahme nahe, dass die Beamten hier in bloßer Verkennung des § 115 Abs. 1 StPO bestrebt waren, dem zuständigen Gericht eine tragfähige Grundlage für seine Entscheidung über den Vollzug der Untersuchungshaft zu vermitteln.
14
2. Die Verletzung des in § 115 Abs. 1 StPO normierten Unverzüglichkeitsgebots hat die Revision, was sie in ihrer Erwiderung auf die diesen Gesichtspunkt hervorhebende Zuschrift des Generalbundesanwalts auch nicht in Abrede gestellt hat, nicht in einer Verfahrensrüge beanstandet, sich vielmehr ausdrücklich auf die Rüge unterlassener Verteidigerbestellung beschränkt. Damit ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob dieser Verfahrensfehler etwa zur Unverwertbarkeit der von der Angeklagten vor der Polizei, unter Umständen auch vor dem Haftrichter gemachten Angaben hätte führen müssen; hiergegen sprächen die Einhaltung immerhin der in Art. 104 Abs. 3 GG bestimmten Frist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1995 – 5 StR 547/94, aaO), die nach Vorführung vor den Haftrichter und korrekter Belehrung gleichwohl erfolgte Aussage der Angeklagten, die den Beistand eines Verteidigers ausdrücklich nicht begehrte , sowie die Schwere des Tatvorwurfs. Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts; einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2013 – 5 StR 318/13, NStZ 2013, 671; Beschluss vom 29. November 2013 – 1 StR 200/13, NStZ 2014, 221, jeweils mwN).
15
Darüber hinaus wäre die Revision mit einer etwa erhobenen diesbezüglichen Verfahrensrüge auch ausgeschlossen. Denn die Verteidigung hat schon den in der Hauptverhandlung erhobenen Verwertungswiderspruch nicht (auch) auf die Verletzung des Unverzüglichkeitsgebots gestützt, was insoweit eine Rügepräklusion nach sich ziehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 ff.; Mosbacher in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 357, 375 f.).
16
3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der durch die Angeklagte erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Der Senat kann angesichts mangelnden Beruhens dahingestellt lassen , ob angesichts der konkreten Gegebenheiten (glaubhaftes Geständnis der Angeklagten, weitere belastende Indizien) die Mitteilung nur des Ergebnisses des DNA-Gutachtens (Übereinstimmung mit der DNA der Angeklagten) hier ausnahmsweise genügen würde (vgl. zu den Anforderungen BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212).
Basdorf Dölp König
Berger Bellay
5 StR 318/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 3. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. September
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. März 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, Besitzes kinderpornographischer Schriften sowie öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und hierauf gut sieben Monate Auslieferungshaft in Ecuador im Maßstab 1:2 angerechnet. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
2
1. Mit der Verfahrensrüge wird „ein Verstoß gegen § 257c StPO“ gel- tend gemacht. Nach dem (durch das Hauptverhandlungsprotokoll belegten) Revisionsvortrag sei dem Angeklagten „bei einem voll umfassenden Geständnis … im Sinne der Anklage“ lediglich „eine Strafuntergrenze von drei Jahren und neun Monaten“ zugesichert, nicht aber eine Strafobergrenze „für den Fall des Bestreitens“ genannt worden. Die Rüge hat keinen Erfolg.
3
a) Zu ihrer Begründung wird ausgeführt, ein Angeklagter könne „seinen strafprozessualen Vorteil für den Fall eines Geständnisses nur erkennen, wenn (er) die sogenannte Sanktionsschere zwischen der Untergrenze im geständigen Fall und der Obergrenze im Bestreitensfalle vor Augen“ habe.
4
Der Senat kann offen lassen, ob das Landgericht nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 eine derartige Strafobergrenze überhaupt hätte nennen dürfen (zu dieser Frage s. Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 257c Rn. 50 mwN). Es stellt jedenfalls keinen Rechtsfehler dar, dass es dies nicht getan hat. Zwar sieht § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO die Angabe einer Unterund einer Obergrenze der Strafe vor. Damit ist nach dem Regelungsgehalt der Vorschrift aber nicht die Mitteilung der sogenannten Sanktionsschere gemeint, sondern allein der für den Fall einer erfolgreichen Verständigung – deren Bestandteil in aller Regel ein Geständnis ist (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO) – konkret in Betracht kommende Strafrahmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 257c Rn. 19; Stuckenberg, aaO, § 257c Rn. 49).
5
b) Dass das Landgericht vorliegend neben der Strafuntergrenze nicht auch eine -obergrenze für den Fall eines Geständnisses angegeben habe (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648), macht die Rüge – auch unter Berücksichtigung des in § 300 StPO enthaltenen Rechtsgedankens (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 1 StR 649/07,NStZ 2008, 418) – nicht geltend. Ihr Angriff richtet sich eindeutig nur auf die seitens des Landgerichts unterlassene Mitteilung einer Strafobergrenze „im Bestreitensfalle“; sie erweist sich daher als nicht ausle- gungsfähig.
6
Damit aber ist dem Senat eine Prüfung verwehrt, ob das Landgericht durch Nichtangabe einer Strafobergrenze im Sinne des § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO rechtsfehlerhaft gehandelt haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1998 – 4 StR 253/98, NStZ 1998, 636; s. auch BGH, Urteil vom 26. August 1998 – 3 StR 256/98, NStZ 1999, 94). Denn die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang seitens des Revisionsgerichts (BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161; s. auch BGH, Beschluss vom 12. September 2007 – 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229; MeyerGoßner , aaO, § 344 Rn. 20; Franke in Löwe-Rosenberg, aaO, § 344 Rn. 78). Einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 486/02, NStZ-RR 2003, 268, 269; § 352 Abs. 1 StPO).
7
c) Soweit der Vertreter der Bundesanwaltschaft in der Hauptverhandlung darüber hinaus einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO in Betracht gezogen hat, lässt sich der Revision eine entsprechende Rüge nicht entnehmen; sie etwa tragende Tatsachen sind nicht vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen zwänge auch diese Bestimmung nicht zur Mitteilung einer Strafobergrenze für den Fall des Tatnachweises ohne Geständnis und ohne Verständigung.
8
2. Dem auf die Sachrüge zu prüfenden Urteil lässt sich in diesem Zusammenhang lediglich entnehmen, dass ihm eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist (UA S. 15). Näheres zu ihrem Inhalt brauchte es nicht mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3StR 528/09, NStZ 2010, 348). Die sich über fast drei Seiten erstreckenden Ausführungen zur Strafzumessung erweisen sich als abgewogen und entsprechen den Grundsätzen namentlich des § 46 StGB. Der Senat besorgt daher nicht, sie könnten „nicht ernst gemeint“ sein und sollten lediglich das Verhängen einer zuvor vereinbarten „Punktstrafe“ begründen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 1. März 2011 – 1 StR 52/11, NJW 2011, 1526, 1527, vom 28. September 2010 – 3 StR 359/10, NStZ 2011, 231, 232, und Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648).
9
Auch die weitere Prüfung des Urteils hat keinen den umfassend geständigen , darüber hinaus durch gewichtige Beweismittel (Computerdateien, Videoaufnahmen) belasteten Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
10
Insbesondere ist der von der Revision ausdrücklich gerügte Maßstab von 1:2 für die Anrechnung der in Ecuador erlittenen Haft rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat eine Vielzahl für dessen Bestimmung relevanter Kriterien (z.B. Belegung, Ausstattung und Sauberkeit der Zelle, Kontaktmöglichkeiten etwa durch Nutzung eines Handys mit Internetzugang, Quantität und Qualität der Verpflegung, medizinische Versorgung, Existenz von Mafiagruppen und Schutzgelderpressungen) festgestellt und auf dieser Basis sein – durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbares – Ermessen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) beanstandungsfrei ausgeübt. Eine er- gänzende Erörterung der Arbeitsmöglichkeiten sowie der „Raucherproblema- tik“ war danach nicht mehr geboten.
Basdorf Sander Dölp König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/15
vom
26. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:261115U3STR247.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 12. November 2015 in der Sitzung am 26. November 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker, die Richter am Bundesgerichtshof Pfister, Dr. Schäfer, Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin des Angeklagten K. , Rechtsanwalt und Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten A. , Justizobersekretärin - in der Verhandlung - als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, Justizamtsinspektor - bei der Verkündung - als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 12. Dezember 2014 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den gesamten Strafaussprüchen;
b) in den Aussprüchen über das Absehen von der Verfallsanordnung gemäß § 111i Abs. 2 StPO.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. unter Freisprechung im Übrigen wegen Betruges in 27 Fällen und wegen versuchten Betruges in 13 Fällen , jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten A. wegen Betruges in 17 Fällen und wegen versuchten Betruges in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten Al. wegen Betruges in elf Fällen und wegen versuchten Betruges in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten Ak. wegen Betruges in 14 Fällen und wegen versuchten Betruges in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass gegen die Angeklagten wegen Geldbeträgen in unterschiedlicher Höhe nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werde, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstünden. Dagegen wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten; die Beschwerdeführer Al. und Ak. - letzterer ohne nähere Ausführungen - beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traten die Angeklagten an nicht kreditwürdige Personen heran, um diesen gegen hohe Provisionen und unter Täuschung der die Darlehen ausreichenden Banken gleichwohl Ratenkredite zu vermitteln. In insgesamt 42 Fällen stellten die Angeklagten für die potentiellen Kreditnehmer arbeitsteilig und in wechselnder Beteiligung unter Vorlage gefälschter Verdienstbescheinigungen und anderer Urkunden bei verschiedenen Banken Anträge auf Abschluss von Darlehensverträgen mit Beträ- gen zwischen 5.000 € und 20.000 €. In 14 der 42 Fälle traten bei der Prüfung der eingereichten Unterlagen durch Bankmitarbeiter Unstimmigkeiten auf, so dass es nicht zum Vertragsschluss und in der Folge auch nicht zur Auszahlung der Darlehensvaluta kam; in den übrigen Fällen wurden die Kreditanträge angenommen und die Darlehensbeträge ausgekehrt. Die Angeklagten veranlassten daraufhin die Kreditnehmer in diesen Fällen, die Beträge in bar abzuheben und ließen sich die vereinbarte Provision - in der Regel mindestens 5 % pro beteiligtem Angeklagten - auszahlen. Dabei handelten sie in der Absicht, sich durch die fortgesetzte Begehung solcher Taten eine dauernde Einnahmequelle von einigem Umfang zu schaffen bzw. zu erhalten. Die Strafkammer hat nicht zweifelsfrei aufklären können, ob die jeweiligen Kreditnehmer hinsichtlich der betrügerischen Erlangung der Darlehen gut- oder bösgläubig waren.
3
Die Banken hätten die - überwiegend schon nach kurzer Zeit notleidend gewordenen - Verträge nicht geschlossen und die Darlehen nicht gewährt, wenn sie über die tatsächlichen Einkommens- und sonstigen Verhältnisse der Kreditnehmer zutreffend informiert worden wären. Den erlittenen Vermögensschaden hat das Landgericht nach Vernehmung von Bankmitarbeitern zuden jeweiligen bankinternen Bewertungsmaßstäben mit 75 % der ausgezahlten Darlehenssumme beziffert, denn jedenfalls in dieser Höhe sei der erlangte Rückzahlungsanspruch aufgrund der nicht vorhandenen Bonität der Kreditnehmer weniger wert als ein solcher, bei dem die angegebenen Einkommensverhältnisse tatsächlich zugetroffen hätten.
4
2. Den von den Angeklagten Al. und Ak. erhobenen Verfahrensrügen bleibt aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt.
5
3. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zu den jeweiligen Schuldsprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die Strafaussprüche haben hingegen keinen Bestand.
6
a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist in jedem Einzelfall die Absicht der Angeklagten, sich in stoffgleicher Weise rechtswidrig zu bereichern, durch die Urteilsgründe belegt. Auch die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten insbesondere mit Blick auf die Urkundsdelikte begegnet aus den Gründen der Antragsschriften keinen durchgreifenden Bedenken.
7
b) Die durch die Strafkammer vorgenommene Bestimmung des Vermögensschadens , den die Banken durch die Hingabe der Darlehen erlitten bzw. in den Fällen, in denen es beim Versuch blieb, nach dem Tatplan der Angeklagten erlitten hätten, erweist sich hingegen nicht durchweg als rechtsfehlerfrei. Im Einzelnen:
8
aa) Vermögensschaden beim Betrug ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung. Die Grundsätze, die beim Betrug durch Abschluss eines Vertrags gelten, nach denen für den Vermögensvergleich maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen Vertragsverpflichtungen abzustellen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Urteil vom 20. Februar 1968 - 5 StR 694/67, BGHSt 22, 88, 89; Beschlüsse vom 18. Februar 1999 - 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; vom 13. November 2007 - 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98; jeweils mwN), sind bei Kreditverträgen mit der Maßgabe zu berücksichtigen , dass durch die Ausreichung des Darlehens auf Seiten der Bank bereits ein Vermögensabfluss in Höhe des Kreditbetrages eintritt. Ob und in welchem Umfang dadurch ein Vermögensschaden entsteht, ist durch einen Vergleich dieses Betrages mit dem Wert des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Dieser wird - bei grundsätzlich gegebener Zahlungswilligkeit des Schuldners - maßgeblich durch dessen Bonität und den Wert gegebenenfalls gestellter Sicherheiten bestimmt. Ein etwaiger Minderwert des Rückzahlungsanspruchs ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln (st.
Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711, 712; vom 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14, wistra 2014, 349, 350; jeweils mwN) und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/09 u.a., BVerfGE 126, 170, 229; vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 f.) konkret festzustellen und zu beziffern. Dabei können bankübliche Bewertungsansätze für die Wertberichtigung Anwendung finden (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 mwN; vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458). Sofern eine genaue wertmäßige Bezifferung des dem Getäuschten zustehenden Gegenanspruchs nicht möglich ist, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den täuschungsbedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelssatzes zu schätzen; normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden berücksichtigt werden, sofern sie die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 48).
9
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Grundsätze ist weiter in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Darlehensgewährung stets um ein Risikogeschäft handelt (MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 631 mwN); das (Kredit -)Risiko bedarf selbständiger wirtschaftlicher Bewertung (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 212). Der betrugsbedingte Vermögensschaden ist deshalb durch die Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts zu ermitteln, für dessen Berechnung maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren vom Täter zutreffend angegeben worden wären (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 mwN; vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457).
10
bb) Nach diesen Maßgaben sind allerdings die Schuldsprüche wegen Betruges revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit gilt:
11
In Fällen, in denen aufgrund der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen evident ist, dass dem Geschädigten schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein bezifferbarer Mindestschaden entstanden war, vermögen etwaige Mängel der Schadensbezifferung allein den Rechtsfolgenausspruch zu berühren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457 mit krit. Anm. Becker, NStZ 2014, 458; vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47, wonach ein Schuldspruch wegen Betruges lediglich erfordert, dass eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Bezifferung des Schadens sicher möglich ist; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711, 712 f.; vom 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14, wistra 2014, 349, 350; vom 2. September 2015 - 5 StR 314/15, juris Rn. 24). So verhält es sich hier: In allen ausgeurteilten Fällen wurden die Vermögensverhältnisse der Kreditnehmer in einem Maße positiver dargestellt, als sie tatsächlich waren, dass sich das die Banken treffende Risiko, die ausgereichten Darlehen nicht zurückgezahlt zu bekommen, gegenüber der Situation, in der die Einkommensverhältnisse zutreffend angegeben worden wären, jeweils signifikant erhöhte bzw. in den Fällen, in denen es beim Versuch blieb, erhöht hätte. Darin liegt in jedem Einzelfall ein sicher bezifferbarer Mindestschaden.
12
cc) Soweit die durch die Strafkammer vorgenommene Schadensbezifferung auch der Feststellung des Schuldumfangs dient und damit für die Straf- zumessung von Bedeutung ist, stellt sie sich hingegen im Ergebnis als rechtsfehlerhaft dar.
13
(1) Das Landgericht hat die dargelegten, maßgeblichen Grundsätze zur Schadensermittlung allerdings nicht prinzipiell verkannt. Es hat sie vielmehr den als Zeugen vernommenen Bankmitarbeitern vorgegeben, die sie zur Höhe des durch die Täuschungen jeweils bewirkten Vermögensschadens befragt hat. Diese Zeugen haben jeweils nach Rückfrage in den zuständigen Finanzcontrolling -Abteilungen ihrer Banken auf der Grundlage einer eigens für das vorliegende Verfahren vorgenommenen Bewertung des Ausfallrisikos den Wert der Rückzahlungsansprüche mit maximal 20 % der Darlehenssumme - teilweise auch nur mit 14,5 % oder noch einem niedrigeren Prozentsatz - angegeben. Die Strafkammer hat hierauf nach dem Zweifelssatz einen Sicherheitsaufschlag vorgenommen und den Wert des Rückzahlungsanspruchs jeweils auf 25 % der ausgereichten bzw. beantragten Darlehnssumme geschätzt; sie hat mithin den Vermögensschaden mit 75 % des jeweiligen Darlehensbetrages beziffert.
14
(2) Soweit die Revisionen mit urteilsfremdem Vortrag zu belegen versuchen , dass die vernommenen Bankmitarbeiter bei der Bestimmung des Ausfallrisikos von falschen Maßstäben ausgegangen seien, insbesondere eine unzutreffende ex-post-Bewertung des Rückzahlungsanspruches vorgenommen hätten , können sie damit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben; die diesbezüglichen Darlegungen der Strafkammer in den Urteilsgründen sind auch nicht aus sich heraus durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil sie die Heranziehung eines falschen Maßstabs nahe legen würden. Vielmehr hat das Landgericht in der Beweiswürdigung ausdrücklich hervorgehoben, dass es - rechtlich zutreffend - auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Darlehensgewährung abgestellt hat.
15
(3) Auch bedurfte es, um den einfachrechtlichen Anforderungen an die Schadensfeststellung - und damit letztlich auch den verfassungsgerichtlichen Vorgaben - zu genügen, keines für jeden Darlehensnehmer vorzunehmenden Einzelvergleichs in dem Sinne, dass jeweils das Ausfallrisiko, das bestanden hätte, wenn die vorgetäuschten Einkommensverhältnisse zutreffend gewesen wären, mit demjenigen, das sich aufgrund der tatsächlich schlechteren, im Einzelnen zu ermittelnden Einkommensverhältnisse ergab, gegenüberzustellen war. Dies folgt schon daraus, dass das übliche, jeder Darlehenshingabe innewohnende Risiko regelmäßig in den Konditionen des jeweiligen Vertrages berücksichtigt wird; der Minderwert des ungesicherten Rückzahlungsanspruchs wird so durch den im jeweils vereinbarten Zinssatz enthaltenen Risikozuschlag ausgeglichen (Bockelmann, ZStW 79 [1967], 28, 37; MüKoStGB/Hefendehl aaO, § 263 Rn. 632; LK/Tiedemann aaO, § 263 Rn. 212). Angesichts dessen begegnet die Vorgehensweise des Landgerichts, den Rückzahlungsanspruch bei einem nicht durch Täuschung erschlichenen Kreditvertrag mit 100 % des ausgereichten Darlehensbetrages zu bewerten, keinen durchgreifenden Bedenken.
16
(4) Die Bezifferung des Wertes des aufgrund der Täuschung bei Vertragsschluss erlangten Rückzahlungsanspruchs mit lediglich 25 % des Nominalwertes erweist sich hier hingegen als zu pauschal und deswegen als durchgreifend rechtsfehlerhaft, wodurch die Angeklagten auch beschwert sein können.
17
Aus den Bekundungen der Bankmitarbeiter ergibt sich, dass diese bzw. die von ihnen vertretenen Banken ihre jeweiligen Forderungen nicht in jedem Einzelfall bewerteten. Es mag vor dem Hintergrund, dass es sich bei den hier in Rede stehenden Konsumentenkrediten um ein Massengeschäft handelt, bankenüblichen Bewertungsmaßstäben entsprechen, die sich aus solchen Verträgen ergebenden Ansprüche dergestalt zu bestimmen, dass in den Fällen, in denen der Vertragsschluss und/oder die Darlehensausreichung durch falsche Angaben des Darlehensnehmers erschlichen wurden, generalisierend entweder der Wert des Rückzahlungsanspruches mit einem bestimmten Prozentsatz oder aber umgekehrt der Minderwert mit einem prozentualen Anteil vom Nominalwert des Darlehensbetrages angegeben wird.
18
Wenn auch - wie dargelegt - solche Wertansätze bei der Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens Anwendung finden können und die Beachtung der genannten Grundsätze zur Schadensermittlung - entgegen der Auffassung der Revisionen - die Tatgerichte nicht dazu zwingt, zur Bestimmung des Minderwerts eines auf einer Täuschung beruhenden Rückzahlungsanspruchs stets ein Sachverständigengutachten etwa eines Wirtschaftsprüfers einzuholen, darf nicht aus dem Blick geraten, dass der jeweilige Einzelfall besondere Umstände aufweisen kann, die eine abweichende, für den jeweiligen Angeklagten günstigere Beurteilung zu rechtfertigen oder zumindest nahezulegen vermögen. So verhält es sich jedenfalls in einigen Fällen hier:
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Im Fall 26 der Urteilsgründe hat die Strafkammer ausdrücklich festgestellt , dass die Kreditnehmerin, zu deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen das Landgericht - mit Ausnahme der pauschalen Einstufung als "nicht kreditwürdige Person" - keine näheren Feststellungen getroffen hat, das Darlehen durch regelmäßige Ratenzahlung bis zum Abschluss der Hauptverhandlung und damit über mehr als neun Monate ordnungsgemäß bediente. Dies lässt es als möglich erscheinen, dass sie doch in der Lage war, ein Darlehen in der ausgereichten Höhe zumindest teilweise zurückzuzahlen, was mit der pauschalen Annahme eines Schadens in Höhe von 75 % des ausgereichten Kre- ditbetrages nicht ohne Weiteres in Einklang gebracht werden kann. Gleiches gilt für die Fälle 25 und 27 der Urteilsgründe, in denen dieselbe Kreditnehmerin ein weiteres Darlehen erhielt bzw. der Angeklagte K. ein weiteres beantragte , zumal die Strafkammer hinsichtlich des ausgereichten nicht einmal festgestellt hat, ob die fälligen Raten gezahlt wurden.
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Ähnlich stellen sich die Fälle 30 bis 33 der Urteilsgründe dar, in denen es in drei Fällen zur Ausreichung von Darlehen kam - ein viertes wurde nicht ausgezahlt , weil die darlehensgebende Bank die Täuschung durch einen Anruf bei der Hausbank des Kreditnehmers aufdeckte: Insoweit hat das Landgericht zwar festgestellt, dass der Kreditnehmer - in unbenannter Höhe - Sozialleistungen nach dem SGB II erhielt; gleichwohl wurde eines der drei ausgereichten Darlehen jedenfalls bis zum Abschluss der Beweisaufnahme und damit über ein Jahr lang ordnungsgemäß bedient (Fall 30 der Urteilsgründe). Eine sich daraus möglicherweise ergebende - teilweise - Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers, die der pauschalierend angenommenen Bewertung des Rückzahlungsanspruches mit lediglich 25 % des jeweiligen Nominalbetrages entgegenstehen könnte , hätte die Strafkammer jedenfalls erörtern müssen, zumal auch hier in einem weiteren Fall (Fall 33 der Urteilsgründe) nicht festgestellt ist, ob die Darlehensraten bedient wurden.
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In den Fällen 40 und 41 der Urteilsgründe erhielt der selbständig tätige Kreditnehmer, der über stark schwankende Einkünfte zwischen 1.500 und 5.000 € monatlich verfügte, ein Darlehen über 10.000 € ausgezahlt; ein weiteres über 5.000 € wurde lediglich beantragt. Insoweit hat das Landgerichtzwar festgestellt, dass mehrere Gespräche des Kreditnehmers mit Banken erfolglos verlaufen waren, weil diese ihn gleichwohl für nicht kreditwürdig hielten. Angesichts der im Verhältnis zu den potentiellen monatlichen Einkünften und der weiter mitgeteilten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners (Barver- fügungen über 55.000 € in einem Zeitraum von zehn Monaten) nicht übermäßig hohen Darlehensbeträge erscheint auch in diesen Fällen die Annahme eines Schadens in Höhe von 75 % der Nominalbeträge der Darlehen nicht - jedenfalls nicht ohne nähere Darlegungen - nachvollziehbar.
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Die dargestellten Fälle lassen besorgen, dass die Strafkammer der Auffassung war, allein auf der Grundlage der generalisierenden Schadensberechnung der Bankmitarbeiter entscheiden zu können, ohne Besonderheiten der jeweiligen Einzelfälle in den Blick zu nehmen (gegen eine Schadensberechnung auf der Grundlage einer typisierten Schadensberechnung auch BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 1 StR 334/15, juris Rn. 5). Angesichts der auch in den übrigen Fällen nicht erschöpfenden Feststellungen kann der Senat nicht ausschließen, dass auch insoweit den geschilderten Fällen vergleichbare Besonderheiten vorgelegen haben könnten, die zu einer differenzierten Schadenbestimmung oder jedenfalls zu weiteren Erörterungen Anlass gegeben hätten.
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Das Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Rechtsfehler kann hier auch nicht mit Blick auf die konkrete Strafzumessung verneint werden. Das Landgericht hat die Strafen zwar nach den von ihr zugrunde gelegten Mindestschäden gestaffelt bestimmt und dabei - revisionsrechtlich grundsätzlich unbedenklich - für Schäden bis 5.000 €, zwischen 5.000 und 10.000 € und zwischen 10.000 und 20.000 € jeweils auf die gleichen Einzelstrafen erkannt. Dies lässt es nicht fernliegend erscheinen, dass die Strafkammer auch bei richtiger Rechtsanwendung in einer Mehrzahl von Fällen auf die gleichen Einzelstrafen erkannt hätte. Da der aufgezeigte Rechtsfehler indes die Grundlagen der Schadensberechnung betrifft, kann der Senat in keinem der Einzelfälle ausschließen, dass nicht doch eine niedrigere Einzelstrafe verhängt worden wäre und hat den Strafausspruch deshalb insgesamt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
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4. Auch die Aussprüche über das Absehen von der Verfallsanordnung gemäß § 111i Abs. 2 StPO können keinen Bestand haben, weil das Landgericht - wozu es vorrangig gehalten gewesen wäre - nicht festgestellt hat, in welchem Umfang der Wert des von den Angeklagten Erlangten noch in ihrem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - 3 StR 644/14, wistra 2015, 270). Die Strafkammer hat zudem in einigen Fällen schon keine Feststellungen zur Höhe des Erlangten getroffen, weil unklar bleibt, ob die Angeklagten auch insoweit eine Provision ausgezahlt bekamen. Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat deshalb die Entscheidung über das Absehen von der Verfallsanordnung insgesamt aufgehoben.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol