Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2017 - 5 StR 359/17

bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 359/17
vom
7. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070917B5STR359.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 27. März 2017 unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen im Einzelstrafausspruch zu Tat 1 sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Brandstiftung in Tateinheit mit Betrug und wegen Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht hinsichtlich der Anstiftung zur Brandstiftung an fremden Kraftfahrzeugen (§ 306 Abs. 1 Nr. 4, § 26 StGB) und des Betruges gegenüber der Versicherung durch die Schadensanzeige betreffend das ihm selbst gehörende Auto (§ 263 Abs. 1, 2 Satz 1, 2 Nr. 5 StGB) Tateinheit angenommen hat (zum Verhältnis zwischen Brandstiftung und nachfolgendem Betrug vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. April 2004 – 3 StR 428/03, NStZ-RR 2004, 235, 236 mwN).
3
2. Hingegen halten der Einzelstrafausspruch zu Tat 1 sowie der Ausspruch über die Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat insoweit die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht erörtert, obwohl sich deren Erfüllung nach den Feststellungen aufdrängt. In seiner Strafanzeige hatte der Angeklagte die den Strafverfolgungsbehörden bis dahin nicht bekannten Täter der Brandstiftung bezeichnet , die aufgrund dessen ermittelt und für die Tat jeweils zu (Einzel-)Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Auf die Motive der Offenbarung kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf der Tatbestandsseite des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht an (vgl. MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 46b Rn. 28 mwN). Diese können allerdings – worauf der Generalbundesanwalt mit Recht hinweist – im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden und gegebenenfalls zur Versagung der Strafmilderung führen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 – 5 StR 182/10, BGHR StGB § 46b Abs. 2 Nr. 1 Ermessen 1; Maier, aaO, § 46b Rn. 29). Das Ermessen zu gebrauchen, ist dem Tatgericht vorbehalten.
5
b) Für eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kein Raum. Denn der Rechtsfehler berührt die Strafrahmenwahl, weswegen für die Bemessung der Einzelstrafe ein anderer Strafrahmen in Betracht kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2017 – 5 StR 364/16, NStZ-RR 2017, 114, 115 mwN).
6
c) Die Aufhebung der Einsatzstrafe entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
7
3. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Strafgesetzbuch - StGB | § 306 Brandstiftung


(1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten,2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,3. Warenlager oder -vorräte,4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,5. Wälder, Heiden oder Moore oder6. land-, ernährungs- o

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 428/03
vom
22. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. April
2004, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Jürgen H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten Heike H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten Jürgen H. wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 11. Juni 2003, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen besonders schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist; jedoch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen - ausgenommen zur Frage des Einverständnisses der Mitbewohner in die Inbrandsetzung - aufrechterhalten,
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten Jürgen H. betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die Revision der Angeklagten Heike H. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten Jürgen H. wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit zwei Fällen des Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte Heike H. wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte JürgenH. rügt die Verletzung der Vorschriften über das Verfahren beim Ausschluß der Öffentlichkeit. Mit der Sachrüge wendet er sich insbesondere gegen die Verurteilung wegen Brandstiftung; insoweit hat sein Rechtsmittel Erfolg. Die Angeklagte Heike H. erhebt die gleiche Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge; ihre Revision ist unbegründet. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel auf den Strafausspruch gegen den Angeklagten Jürgen H. beschränkt und beanstandet insbesondere die Verhängung einer unter dem gesetzlichen Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB liegenden Freiheitsstrafe; die Revision hat Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Jürgen H. den Entschluß gefaßt, ein ursprünglich in seinem Eigentum stehendes und später im Zusammenhang mit einem Konkurs auf seine Ehefrau, die Mitangeklagte Heike H. , übertragenes Mehrfamilienhaus mit insgesamt drei Wohnungen in Brand zu setzen, um die Versicherungssummen einer Feuer- und einer Hausratversicherung zu erlangen. Das Mehrfamilienhaus wurde von beiden Angeklagten mit ihrer Tochter, der Familie des Bruders des Angeklagten sowie einer Studentin bewohnt. Der Angeklagte unterrichtete seine Ehefrau von seinem Vorhaben und ermöglichte ihr, diverse Habe in Sicherheit zu bringen. Darüber hinaus vergewisserte er sich, daß auch die anderen Hausbewohner in der Tatnacht nicht im Hause sein würden. Ob er dazu die vorgenannten Personen von der geplanten Brandlegung unterrichtete und diese somit ebenfalls Gelegenheit hatten, wertvolle Gegenstände wegzuschaffen, hat das Landgericht nicht mit Sicherheit feststellen können. Der Angeklagte setzte sodann das Mehrfamilienhaus in Brand und beantragte mit seiner Ehefrau Versicherungsleistungen. Der Brandversicherer leistete insgesamt rd. 295.000 DM; dagegen zahlte der Hausratversicherer lediglich einen Vorschuß von 10.000 DM und lehnte weitere Zahlungen auf die geltend gemachte Summe von rd. 163.000 DM ab.
I. Verurteilung des Angeklagten Jürgen H. :
1. Revision des Angeklagten:

a) Verfahrensrüge:
Die auf § 338 Nr. 6 StPO gestützte Rüge, die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt, weil das Landgericht die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der Zeugin S. mit unzureichender Begründung ausgeschlossen habe, hat keinen Erfolg. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hatte der die Zeugin begleitende Rechtsanwalt für die Beantwortung einer Frage beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Strafkammer faßte daraufhin folgenden Beschluß: "Die Öffentlichkeit wird gemäß § 171 b Abs. 1 und 2 GVG ausgeschlossen". Zwar ist der Revision zuzugeben, daß dieser Beschluß der Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG nicht genügt, da weder der konkrete Ausschließungsgrund, noch der Vernehmungskomplex, für den der Ausschluß erfolgen soll, hinreichend bezeichnet ist. Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung, weil beides im Zusammenhang mit dem sich aus dem Protokoll ergebenden Antrag des Zeugenbevollmächtigten und der angegebenen Gesetzesvorschrift für alle Verfahrensbeteiligten sowie die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand lag, zumal der Ausschluß in den Fällen des § 171 b Abs. 2 GVG nicht im Ermessen des Gerichts steht, sondern zwingend anzuordnen ist. Denn nicht jede formale Verletzung der Begründungsvorschriften stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl. BGHSt 45, 117, 120, 121 und den dort zitierten Beschluß des Senats vom 12. November 1998 - 3 ARs 13/98; ferner BGH, Beschl. vom 26. Juli 2001 - 3 StR 239/01).

b) Sachrüge:
Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt hat, ist nur unzureichend geprüft, ob das Gebäude im Tatzeitpunkt noch
der Wohnung von Menschen diente. Bei der rechtlichen Würdigung hat es hierzu lediglich ausgeführt, in dem Mehrfamilienhaus hätten der Angeklagte und seine Ehefrau gewohnt. Die Strafkammer hat dabei ersichtlich nicht bedacht, daß eine Zweckbestimmung als Wohnraum dann nicht mehr vorliegt, wenn sie durch die Bewohner aufgegeben worden ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 16, 394, 395; 26, 121, 122; BGH NJW 1988, 1276). Dies liegt für die Person des Angeklagten JürgenH. selbst auf der Hand und für seine Ehefrau zumindest nahe, da sie über das Vorhaben informiert war, wertvolle Habe entfernte und das Gebäude zur geplanten Tatzeit mit der gemeinsamen Tochter verließ. Denn die Aufgabe als Wohnung bedarf keines formalen Aktes und kann auch in einem Einverständnis mit der Brandlegung enthalten sein (vgl. BGH NStZ 1992, 541; 1994, 130). Auch bei den übrigen Bewohnern erscheint es nach Sachlage nicht ausgeschlossen, daß sie ihr Einverständnis zur Brandlegung erklärt und damit den Wohnzweck des Hauses aufgegeben hatten. Daß das Landgericht nicht mit Sicherheit hat feststellen können, daß sie unterrichtet waren und ebenfalls Gelegenheit hatten, wertvolle Gegenstände wegzubringen, läßt dies wenigstens für möglich erscheinen.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs nur wegen besonders schwerer Brandstiftung, während er wegen der beiden abgeurteilten Fälle des Betrugs bestehen bleiben kann. Dieser Teilaufhebung steht nicht entgegen, daß das Landgericht Tateinheit zwischen Brandstiftung und Betrug angenommen hat, denn dies war fehlerhaft. Allein der Umstand, daß die zunächst vorgenommene Brandlegung die Voraussetzungen für den später zu begehenden Betrug gegenüber den Versicherungsunternehmen schaffen soll, genügt nicht für die Annahme von Tateinheit (st. Rspr.; vgl. BGHSt 11, 398, 399; 45, 211, 213). Da somit bei zutreffender rechtlicher Wertung Tatmehrheit
zwischen der Brandstiftung und den beiden Betrugsfällen gegeben ist, kann die Teilaufhebung allein auf das Brandstiftungsgeschehen beschränkt werden und der Schuldspruch wegen der gesonderten Taten des Betrugs bestehen bleiben (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 12 aE).
Da das Landgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Einzelstrafen wegen Betrugs gebildet hat, muß der Strafausspruch insgesamt aufgehoben werden. Die getroffenen Feststellungen zum Brandgeschehen, mit Ausnahme derjenigen zum Einverständnis der übrigen Bewohner, sind jedoch von diesem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten werden. Der neue Tatrichter wird insoweit zu prüfen haben, ob alle Bewohner ihr Einverständnis zur Brandlegung gegeben und damit den Wohnzweck aufgegeben hatten. Das unfreiwillige Verlassen des Gebäudes, gegebenenfalls unter Mitnahme von Habe, wird dazu nicht ausreichen (aA wohl Heine in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 306 a Rdn. 5).
2. Revision der Staatsanwaltschaft:
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, daß die Strafkammer zwar die Voraussetzungen eines Verbrechens der besonders schweren Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht, aber gleichwohl die gesetzliche Mindeststrafe des § 306 b Abs. 2 StGB von fünf Jahren Freiheitsstrafe unterschritten und lediglich eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt hat.
Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter dem Gesetz unterworfen. Es steht daher nicht in ihrem Belieben, von den gesetzlich vorgesehenen Straf-
rahmen abzuweichen, wenn das Gesetz hierfür keine Möglichkeit bietet. Eine solche lag hier nicht vor. Im übrigen ist die von der Strafkammer für ihre abweichende Entscheidung gegebene Begründung - über ihre grundsätzliche Gesetzeswidrigkeit hinaus - nicht tragfähig. Insbesondere der Umstand, daß die Strafkammer in Vorgesprächen eine Freiheitsstrafe zwischen drei und vier Jahren "signalisiert" hatte, rechtfertigt nicht das Abweichen von der Verhängung einer gesetzlich vorgesehenen oder sonst schuldangemessenen Strafe. Sollte sich die erste Einschätzung als unzutreffend oder wie hier als rechtlich nicht haltbar erweisen, so kann es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung geboten sein, auf die nunmehr veränderte Beurteilung hinzuweisen und so dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, seine Verteidigung entsprechend darauf einzurichten.
Auch eine der sogenannten Rechtsfolgenlösung des Großen Senats für Strafsachen zur Verhängung der absoluten lebenslangen Strafe in besonders gelagerten Fällen des Heimtückemordes (BGHSt 30, 105 ff.) entsprechende Konstellation lag nicht vor. Daß der Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB in einem Fall wie hier in verfassungswidriger Weise den Grundsatz schuldangemessenen Strafens verletzen würde, nimmt die Strafkammer ersichtlich nicht an.
II. Verurteilung der Angeklagten Heike H. :
Die von der Angeklagten ebenfalls erhobene Öffentlichkeitsrüge bleibt aus den unter Abschnitt I. 1. a) genannten Gründen ohne Erfolg. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Winkler Pfister von Lienen Becker Hubert

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. § 46b StGB ist auch auf das Opfer einer in § 46b Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO bezeichneten
Tat anwendbar.
2. Zur Ermessensausübung im Rahmen des § 46b StGB.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 – 5 StR 182/10
LG Dresden –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2010

beschlossen:
1. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen versuchter Urkundenfälschung verurteilt worden ist (Fall II.2 j der Urteilsgründe); insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
Demgemäß wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 12. Januar 2010 im Schuldspruch dahingehend geändert , dass der Angeklagte wegen Urkundenfälschung in acht Fällen verurteilt ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in acht Fällen und versuchter Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO zieht den Wegfall der Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten und die Änderung des Schuldspruches nach sich.
3
2. Der Strafausspruch kann insgesamt keinen Bestand haben. Das Landgericht hat den Regelungsinhalt des § 46b StGB verkannt.
4
a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte durch Offenbarung seines Wissens über einen an ihm selbst verübten erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB) in Tateinheit mit räuberischer Erpressung (§ 255 StGB) wesentlich zur Aufklärung dieser Tat beigetragen. Obgleich eine Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. i und k StPO in Frage steht, hat die Strafkammer § 46b StGB für nicht anwendbar gehalten, weil es sich bei dem Angeklagten nicht um einen Tatbeteiligten, sondern um das Tatopfer handele. Zudem seien die Angaben des Angeklagten im Hinblick auf seine Aussagepflicht als Zeuge nicht freiwillig erfolgt.
5
b) Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
aa) Nach der vom Gesetzgeber bewusst überaus weit ausgestalteten Tatbestandsfassung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist nicht erforderlich, dass es sich bei dem „Kronzeugen“ um einen Tatbeteiligten handelt (Regierungsentwurf in BT-Drucks 16/6268 S. 10, 12; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46b Rdn. 13a). Der „Kronzeuge“ muss lediglich Aufklärungshilfe zu „einer“ der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Taten leisten. Ein Zusammenhang mit den von ihm verübten Taten ist nicht vorausgesetzt. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Vorschrift des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB enthält keine Eingrenzung auf Tatbeteiligte, sondern statuiert für den Tatbeteiligten das zusätzliche Erfordernis einer Aufklärung über den eigenen Tatbeitrag hinaus. Hieraus ergibt sich im Gegenschluss, dass der „Kronzeuge“ ansonsten lediglich Wissen über irgendeine Katalogtat offenbaren muss.
7
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts wird das Merkmal der Freiwilligkeit nicht mit Blick auf eine strafprozessuale Aussagepflicht des Zeugen (vgl. §§ 51, 70 StPO) ausgeschlossen.
8
Freiwilligkeit ist nach der insoweit auf § 46b StGB übertragbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 31 BtMG dann gegeben, wenn sich der Beschuldigte frei zur Offenbarung entschließen kann; unfreiwillig handelt hingegen, wer meint, nicht mehr anders handeln zu können (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Freiwillig 1 und 2). Abgesehen davon, dass gesetzliche Anzeigepflichten betreffend begangene Straftaten nach geltender Rechtslage die Ausnahme bilden und der Zeuge – was das Landgericht im Grundsatz nicht verkennt – etwa bei polizeilichen Vernehmungen nicht aussagen muss, führt eine gegebene Zeugnispflicht nicht dazu, dass er nicht Herr seiner Entschlüsse ist und eine Aussage daher nicht mehr auf einem autonomen Entschluss beruhen kann. Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber den Tatbestand des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB und damit das Freiwilligkeitserfordernis selbst bei Bestehen einer strafbewehrten Anzeigepflicht nach § 138 StGB nicht in Frage gestellt sieht (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Rechtsausschusses des Bundestages in BT-Drucks 16/13094 S. 5). Anders läge es, wenn der Zeuge erst nach gegen ihn konkret ergriffenen Erzwingungsmaßnahmen (vgl. §§ 51, 70 StPO) aussagen würde. Hierzu enthält das Urteil indessen keine Feststellungen.
9
3. Für die Ermessensausübung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Es müssen, soweit im konkreten Fall relevant, die in § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB beispielhaft aufgeführten Umstände im Einzelnen dargelegt und bewertet werden. Vorliegend wird namentlich zu beachten sein, ob und wann der Angeklagte die Ermittlungsbehörden von der Tat informiert hat oder ob diese – etwa aufgrund der laufenden Überwachung der Telekommunikation – bereits Kenntnis von Tat und Tätern hatten. Ferner kann zu würdigen sein, ob und inwieweit der Angeklagte, wie es beim Tatopfer der Fall sein kann, mit seiner Wissensoffenbarung (Anzeige bzw. Aussage) ausschließlich oder vorrangig eigene Aufklärungs- bzw. Genugtuungsinteressen verfolgt hat. In diesem Rahmen kann auch der vom Landgericht bei der Prüfung der Freiwilligkeit erörterte Umstand, dass der „Kronzeuge“ nach den hier zu beurteilenden Gegebenheiten durch eine (wahrheitsgemäße) Aussage im Kern nur seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. Vor § 48 Rdn. 5), gegen die Gewährung der Strafmilderung sprechen (vgl. zu § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB Beschlussempfehlung und Bericht aaO).
11
An Feststellungen zu den näheren Einzelheiten der Wissensoffenbarung durch den Angeklagten ermangelt es dem angefochtenen Urteil. Der Senat vermag daher nicht zu beurteilen, ob die Versagung der durch § 46b StGB gewährten Wohltaten im gegenständlichen – gewiss atypisch gelagerten – Fall einer „Kronzeugenaussage“ im Ergebnis gerechtfertigt ist. Trotz der auch angesichts des Wegfalls des Vorwurfs einer versuchten Urkundenfälschung maßvollen Bestrafung des Angeklagten kann er nicht ausschließen, dass der Strafausspruch bei Anwendung des § 46b StGB milder ausgefallen wäre.
12
4. Das nunmehr entscheidende Tatgericht wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Es ist auch sonst nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffenen und daher aufrecht erhaltenen nicht widersprechen.
13
Sofern das Tatgericht zur Anwendung des § 46b StGB gelangen sollte , hat es nach der auch in diesem Punkt sehr weitgehenden und wenig bestimmten gesetzlichen Konzeption die Angemessenheit und Gebotenheit der Strafmilderung für jede dem Angeklagten zur Last liegende Tat zu prüfen (Regierungsentwurf aaO S. 13, unter Bezugnahme auf BayObLG NJW 1991, 2575, 2579). Mangels jeglichen inneren Zusammenhangs der vom Angeklagten begangenen Taten mit dem „Kronzeugensachverhalt“ und damit mangels jeglichen Maßstabs für differenzierte Strafmilderungen wird dies naheliegend nur durch einen – hier nicht sehr gewichtigen – einheitlichen Abschlag hinsichtlich jeder der verhängten Einzelstrafen geschehen können, der sich dann in der Gesamtstrafe niederschlägt. Für die Würdigung der hier inmitten stehenden besonders schweren Fälle der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 46b Rdn. 30a m.w.N.).
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(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 364/16
vom
25. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bestechung
ECLI:DE:BGH:2017:250117U5STR364.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dölp, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher,
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Si.
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt H. , Rechtsanwalt Ri.
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,


für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 18. Dezember 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.4 der Urteilsgründe (Tat 1 der Anklage) sowie
b) im gesamten Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil betreffend den Angeklagten S. wird verworfen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die durch dieses Rechtsmittel dem Angeklagten S. entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat – jeweils unter Freisprechung im Übrigen – den Angeklagten R. wegen Bestechung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten S. wegen Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt und jeweils zwei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt. Gegen den Freispruch des Angeklagten S. in den Fällen 3 bis 11 der Anklage richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird. Der Angeklagte R. revidiert mit der Sachrüge gegen seine Verurteilung. Die Revision des Angeklagten R. hat im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie ebenso wie die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der wegen Bestechlichkeit in 16 Fällen rechtskräftig verurteilte Zeuge D. war als Angestellter des Kreises S. für die Erteilung von Fahrerlaubnissen zuständig; nebenberuflich war er im Unternehmen des Angeklagten S. beschäftigt. Seit etwa Mitte der 80er Jahre stellte der Zeuge in einer Vielzahl von Fällen gegen Bezahlung Fahrerlaubnisse für Personen aus, die die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllten.
4
Im ersten, nicht verfahrensgegenständlichen Fall vermittelte der Angeklagte S. das „Geschäft“ zwischen den Zeugen D. und G. , ei- nem langjährigen Geschäftspartner des Angeklagten. Davon erfuhr der frühere Mitangeklagte P. , der an den ihm bis dahin unbekannten S. mit dem Ansinnen herantrat, in einem weiteren, ebenfalls nicht verfahrensgegenständlichen Fall einem die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllenden Interessenten zu einer Fahrerlaubnis zu verhelfen. Gegen Zahlung von jeweils 1.500 DM erklärten sich S. zur Vermittlung und D. zur Erteilung einer Fahrerlaubnis bereit. P. brachte S. die geforderten Unterlagen, die dieser an D. weitergab. Den fertigen Führerschein holte P. bei S. ab und gab ihm im Gegenzug 3.000 DM, von denen S. 1.500 DM an D. weiterreichte. In der von P. wie auch dem Angeklagten S. verfolgten Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle nicht nur vorübergehender Art zu schaffen (UA S. 6), trat P. in den folgenden Jahren wiederholt an S. heran, um weiteren Führerscheininteressenten im Zusammenwirken mit dem Zeugen D. unberechtigt erteilte Fahrerlaubnisse zu verschaffen. Dabei wurde jeweils in der vorbeschriebenen Weise verfahren. Seit Einführung des Euro verlangten S. und D. jeweils 1.500 € für ihre Tätigkeit.
5
Auf derartige Fälle beziehen sich die Anklagevorwürfe 3 bis 11, wobei die Anklage in allen Fällen von einem gemeinschaftlichen Handeln des P. mit dem Angeklagten S. und seinem mitangeklagten und insgesamt freigesprochenen Sohn K. S. , in einigen Fällen (laut der – vom Anklagesatz abweichenden – Konkretisierung in der Anklageschrift: Fälle 4 sowie 6 bis 11) auch von einer Einbeziehung des Mitangeklagten R. in das gemeinschaftliche Handeln ausgeht. Das Landgericht hat den Angeklagten S. insoweit freigesprochen, da es ungeachtet der dargestellten Feststellung seiner Verstrickung in ein eingespieltes Korruptionssystem seine Beteiligung an den konkret angeklagten Taten nicht nachweisen konnte. Eine Verurteilung des Angeklagten S. erfolgte nur im Anklagefall 12, in dem er ohne Beteiligung von P. und R. einem Zeugen eine von D. ausgestellte Fahrerlaubnis verschafft hatte.
6
b) Der Angeklagte R. , der mit einem Fahrlehrer befreundet war, erfuhr durch P. von der Möglichkeit, ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von einem bestechlichen, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten gegen Bezahlung echte Fahrerlaubnisse zu bekommen. Dass es sich bei diesem um den seinerzeitigen Leiter der Führerscheinstelle des Kreises S. handelte, wusste er nicht; der Zeuge D. und der Mitangeklagte S. waren ihm unbekannt. P. und R. vereinbarten in der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle nicht nur vorübergehender Art zu verschaffen (UA S. 7), eine Zusammenarbeit bei der Vermittlung der Erteilung von Fahrerlaubnissen durch den Zeugen D. . Für jede Vermittlung sollte R. von P. 500 € erhalten. Die Interessenten wandten sich jeweils an den Angeklagten R. ; dieser trat an P. heran, der seinerseits gegen Zahlung einer Provision die Gesuche an D. weitervermittelte. Gemäß ihrer Vereinbarung wurden R. und P. in einem Teil der angeklagten Fälle (6, 8 bis 10) als „Vermittler“ tätig. In den Anklagefällen 4, 7 und 11 konnte das Landgericht demgegenüber eine Beteiligung des Angeklagten R. nicht feststellen.
7
2. Das Landgericht hat seine Feststellungen in den Verurteilungsfällen auf die jeweils auf diese bezogenen glaubhaften Geständnisse der Angeklagten gestützt, wobei dem Geständnis des Angeklagten R. eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde lag, sowie auf die diese Geständnisse „stützenden , weiteren ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung ausgeschöpften Beweismitteln und auch die sonstigen aus dem Inbegriff der Hauptverhand- lung herrührenden Umstände“ (UA S. 15).

8
Zu den Freispruchsfällen betreffend den Angeklagten S. hat es ausgeführt, dass weder der Inhalt eingeführter Urkunden noch die Angaben gehörter Zeugen die Herstellung einer Beziehung dieses Angeklagten zu den ihm konkret zur Last gelegten Taten zuließen. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, ob der frühere Mitangeklagte P. , der nach Überzeugung des Landgerichts in den Fällen 4 und 6 bis 11 eine vermittelnde Rolle spielte, stets den Weg über den Angeklagten S. gegangen oder in einem Teil der Fälle unmittelbar an den Zeugen D. herangetreten sei, etwa um „Vermittlungskosten“ zu sparen. Der den AngeklagtenS. insoweit belastenden Aussage des Zeugen D. hat es keinen Glauben geschenkt, da dessen Aussageverhalten von der Verfolgung eigener Interessen geprägt gewesen sei. Der Zeuge habe den Angeklagten S. zunächst nicht belastet, da er nach seiner Entlassung aus den Diensten des Kreises zum Zeitpunkt seiner ersten Vernehmung noch auf das Einkommen aus der Beschäftigung bei dem Angeklagten angewiesen gewesen sei. Erst nach Gewährung einer Altersrente habe er den Angeklagten bezichtigt, um nunmehr eine Milderung der in seinem eigenen Strafverfahren zu erwartenden Strafe (§§ 46b, 49 Abs. 1 StGB) zu erreichen.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist aus den Gründen der Antragschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Insbesondere musste sich das Landgericht nicht – wie von der Staatsanwaltschaft mit einer Aufklärungsrüge beanstandet – dazu gedrängt sehen, den früheren Mitangeklagten P. als Zeugen zu vernehmen, nachdem es das gegen ihn gerichtete Strafverfahren wegen seiner fortgeschrittenen Alzheimer-Erkrankung eingestellt hatte (§ 205 StGB).

III.


10
1. Die Revision des Angeklagten R. führt zu einer Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe.
11
a) Die Beweiswürdigung zu den Verurteilungsfällen ist zwar – was auch der Generalbundesanwalt anmerkt – insgesamt äußerst knapp. Dies begegnet angesichts des Geständnisses des Angeklagten im Umfang der Feststellungen und der weiteren Beweiserhebungen jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
b) Zu Recht weist die Revision allerdings darauf hin, dass die Feststellungen im Fall 4 der Urteilsgründe eine vollendete Bestechung nicht belegen. Festgestellt ist, dass der Angeklagte R. in diesem Fall einem Zeugen zusagte , gegen Bezahlung eine Erweiterung von dessen Fahrerlaubnis zu bewir- ken und sich zu diesem Zweck „in der üblichen Weise“ an P. wandte, über den eine Fahrerlaubniserweiterung „erreicht werden sollte“ (UA S. 11). Zu einer Erweiterung der Fahrerlaubnis des Zeugen kam es letztlich nicht mehr, weil der Zeuge D. nach zwischenzeitlichem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn nicht mehr für den Kreis S. tätig war. Dass P. mit dem von R. vermittelten Anliegen des Zeugen überhaupt an D. herangetreten war, ist – ungeachtet des Umstandes, dass der Zeuge D. auch in diesem Fall rechtskräftig wegen Bestechlichkeit verurteilt ist – nicht festgestellt.
13
2. Darüber hinaus hat auch der Strafausspruch keinen Bestand.
14
a) Das Landgericht hat der Zumessung der Einzelstrafen jeweils den Strafrahmen des § 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB i.V.m. § 334 Abs. 1 Satz 1 StGB zugrunde gelegt. Dabei ist es von einem sowohl gewerbs- als auch bandenmäßigen Handeln des Angeklagten R. ausgegangen (§ 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB). Die Feststellungen tragen indes die Annahme einer bandenmäßigen Begehung der Bestechungstaten durch den Angeklagten R. nicht.
15
aa) Eine Bande im Sinne des § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen voraus, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Taten nach § 334 Abs. 1 Satz 1 StGB zu begehen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Sie kann aus Beteiligten beider Seiten (Bestechender und Bestochener) bestehen (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 1 StR 522/12, NStZ-RR 2013, 246; LK-Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 300 Rn. 6). Zwar bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung; die Bandenabrede kann auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160). Ihr Vorliegen kann daher auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2007 – 2 StR 372/07, NStZ 2009, 35, 36). Es ist auch nicht erforderlich, dass alle Bandenmitglieder einander kennen. Allerdings muss jeder den Willen haben, sich zur künftigen Begehung von Straftaten mit (mindestens) zwei anderen zu verbinden (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 aaO; Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 497/09, wistra 2010, 347; LK-Vogel, 12. Aufl., § 244 StGB Rn. 60). Der Bindungswille eines jeden Bandenmitglieds muss sich mithin auf mindestens zwei weitere Personen erstrecken.
16
bb) Demnach musste sich nicht lediglich der Bindungswille von R. und P. , sondern auch derjenige des D. auf zwei weitere Personen beziehen und nicht nur auf den ihm gegenüber unmittelbar tätig werdenden P. . Daran ergeben sich auf der Grundlage der Feststellungen Zweifel.
17
Nach Auffassung des Landgerichts bestand die Bande zumindest aus P. , dem Angeklagten R. und dem Zeugen D. . Insoweit ist indes lediglich festgestellt, dass P. und R. eine Zusammenarbeit bei der Vermittlung der Erteilung von Fahrerlaubnissen durch den Zeugen D. vereinbart hatten. Zwar kann die Bandenabrede auch dadurch zustande kommen, dass sich zwei Personen einig sind, künftig im Einzelnen noch ungewisse Straftaten mit zumindest einem dritten Beteiligten zu begehen, und der von der Absprache informierte Dritte sich der Vereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten anschließt (BGH, Urteile vom 16. Juni 2005 aaO und vom 23. April 2009 – 3 StR 83/09, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9). Dass D. – wiesomit erforderlich – von der Vereinbarung zwischen P. und R. informiert war, ist aber weder ausdrücklich festgestellt, noch aus den festgestellten Gesamtumständen ersichtlich: Zum einen trat nur P. dem Zeugen D. unmittelbar gegenüber, während R. D. nicht kannte; zum anderen wird nicht ausgeschlossen, dass P. auch „Direktvermittlungen“ zwischen den jeweiligen Führerscheininteressenten und D. vornahm. Angesichts dessen wären Feststellungen dazu erforderlich gewesen, dass D. in den von R. und P. vermittelten Fällen jedenfalls wusste, dass hinter P. eine weitere Person als Vermittler tätig wurde.
18
b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Denn das Landgericht hat eine Ausnahme von der Regelwirkung des § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB insbesondere mit Blick darauf verneint, dass inso- weit die Voraussetzungen zweier Regelbeispiele (Gewerbs- und Bandenmäßigkeit ) vorlägen.
19
c) Die Entscheidung über die neu festzusetzenden Einzelstrafen kann im vorliegenden Fall nur das (neue) Tatgericht treffen. Für eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist hier kein Raum, da der Rechtsfehler gerade die Strafrahmenwahl berührt und somit für die Bemessung der Einzelstrafen ein anderer Strafrahmen in Betracht kommen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2006 – 2 StR 495/06, StV 2008, 176 und vom 4. Februar 2010 – 4 StR 585/09, StraFo 2010, 159).
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Berger Mosbacher