Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 32/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. März 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2007

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 10. Oktober 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die jeweiligen Verurteilungen wegen tateinheitlicher Freiheitsberaubung entfallen und
b) in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „schweren Raubes zugleich mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung“ schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten und den Angeklagten K. zu einer solchen von sieben Jahren verurteilt. Die dagegen jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten erzielen die aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolge. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Die jeweils 23 Jahre alten Angeklagten konsumierten bis zu ihrer Inhaftierung täglich in großem Umfang alkoholische Getränke. K. besuchte wegen Lernschwierigkeiten die Förderschule und leidet an einem sogenannten ADH-Syndrom. Er ist neben Diebstahlstaten wegen zahlreicher Körperverletzungen und der Angeklagte B. wegen Betrügereien und Diebstahlstaten bestraft worden.
4
Die beiden Angeklagten verfügten um 2.00 Uhr des 16. Mai 2006 nach reichlichem Alkoholkonsum (BAK B. 3,2 ‰; K. 1,7 ‰) über kein Geld mehr. Sie wollten aber weiter trinken. B. kam auf die Idee, zu dem gemeinsamen Bekannten A. zu gehen, um von diesem Bargeld zu fordern und in dessen Wohnung nach Stehlenswertem zu suchen. Er forderte den ihm als gewalttätig bekannten Angeklagten K. auf, mitzugehen, um A. „Angst zu machen“ (UA S. 29). Der dem B. intellektuell unterlegene K. durchschaute, dass es nicht – wie von B. vorgegeben – um eine geordnete Geltendmachung bestehender Ansprüche gehe, sondern dass die Begehung einer Straftat bevorstehe.
5
Die Angeklagten drangen gewaltsam in die Wohnung des A. ein, misshandelten ihn massiv, u. a. mit Messern, fesselten ihn und entwendeten zahlreiche Einrichtungsgegenstände.
6
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ohne weiteres. Indes hat, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, die jeweilige tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberau- bung zu entfallen, weil sie vorliegend nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung des Raubes darstellt (vgl. BGHR StGB § 239 Abs. 1 Konkurrenzen 8; BGH NStZ-RR 2003, 168). Die Fesselung des A. wurde von den Angeklagten dazu benutzt, den zur Vollendung des Raubtatbestandes gehörenden Gewahrsamsbruch weiter zu fördern.
7
3. Allerdings müssen die Rechtsfolgenaussprüche insgesamt aufgehoben werden.
8
a) Zu Recht weist der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Antrags darauf hin, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht für den Angeklagten B. die aus Trinkmengenangaben von dessen Freundin errechnete Blutalkoholkonzentration von 3,2 ‰ den Ausschluss erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht plausibel belegen. Die vom Landgericht herangezogene Alkoholgewöhnung des B. und fehlende Erinnerungslücken sind hierfür keine wesentlichen Kriterien (vgl. BGHSt 43, 66, 71, 73, 76). Alkoholgewöhnte Täter können sich nämlich auch im Rausch noch äußerlich kontrolliert, planvoll und folgerichtig verhalten, obwohl ihr Hemmungsvermögen möglicherweise schon erheblich beeinträchtigt ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 4).
9
Freilich stehen die Feststellungen des Landgerichts zur Blutalkoholkonzentration in einem Spannungsverhältnis zu dem andererseits festgestellten hohen Leistungsniveau des Angeklagten B. ; dies nötigt den Senat insoweit auch zur Aufhebung der Feststellungen. Dieser Angeklagte hat nämlich das vielaktige, sich über 90 Minuten hinziehende Tatgeschehen durch listvolle Planung der Tat, Vorgabe der Angriffe im Einzelnen, Auswahl, Abtransport und Teilung der Beute nahezu vollständig gesteuert. Solches setzt eine intellektuelle Leistungsfähigkeit voraus, die sich mit der Annahme einer Blutalkoholkonzentration in der angenommenen Höhe nur sehr schwer verträgt, die lediglich um 0,1 ‰ unter der Grenze liegt, bei der ein Aus- schluss der Steuerungsfähigkeit stets besonders naheliegt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 14).
10
Der neue Tatrichter wird deshalb die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten B. nach kritischer Prüfung der Trinkmengenangaben und aller weiteren Umstände neu zu bestimmen und deren – bei den hier komplexen, sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Handlungsabläufen und der langen Rückrechnungszeit – nur eingeschränkten Beweiswert (vgl. BGH NStZ 2000, 136; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 20 Rdn. 24) seiner Bewertung zugrunde zu legen haben. Für den Fall der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit weist der Senat zur Frage der Strafrahmenverschiebung auf BGHSt 49, 239 hin.
11
b) Auch hinsichtlich des Angeklagten K. hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat diesem Angeklagten strafschärfend „massive einschlägige Vorstrafen“ (UA S. 42) wegen – im Einzelnen dargestellter vorsätzlicher Körperverletzungen – angelastet. Dabei hat es übersehen, dass die beiden letzten Verurteilungen durch das Amtsgericht Pirna vom 23. Mai und 12. Juli 2006 der hiesigen Tat nachfolgten und mit der Strafe des hier zäsurbegründenden Urteils des Amtsgerichts Pirna vom 23. Mai 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden gewesen wäre (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 4).
12
Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben, der naheliegend auch die intellektuellen und psychischen Auffälligkeiten dieses Angeklagten mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen zu betrachten haben wird, wenngleich nach dem Tat- und Leistungsbild des Angeklagten eine Anwendung des § 21 StGB nicht besonders wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 5 StR 214/05) und alles andere als die Festsetzung einer empfindlichen Freiheitsstrafe ohnehin schuldunangemessen wäre.
13
c) Schließlich war der Rechtsfolgenausspruch auch insoweit aufzuheben , als es das Landgericht hinsichtlich beider Angeklagter unterlassen hat, die Voraussetzungen des § 64 StGB zu prüfen. Solches war indes geboten:
14
Beide Angeklagte nahmen seit geraumer Zeit täglich alkoholische Getränke – nach den bisherigen Feststellungen ist der darüber hinaus behauptete Drogenkonsum nicht glaubhaft – in großem Umfang zu sich. Auslöser der hiesigen Tat war das Verlangen nach weiterem Alkohol, für dessen Erwerb Bargeld gewaltsam beschafft werden sollte. Die Tat hat demnach Symptomwert für den Hang im Sinn des § 64 Abs. 1 StGB (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2), dessen Annahme nicht entgegenstünde, wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung

6).


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Totschlag

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 239 Freiheitsberaubung


(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 214/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. August 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räu berischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen : Der zwischen April 1999 und November 2002 überwiegend wegen Verkehrsdelikten zu Geldstrafen verurteilte, 1979 geborene Angeklagte holte nach einer Maurerlehre das Abitur nach und absolvierte 2003 erfolgreich eine Lehre als Bauzeichner. Das Landgericht konnte nicht feststellen, wovon er außerhalb der Lehrzeiten seinen Unterhalt bestritten hat.
Der Angeklagte und der ehemalige Mitangeklagte L wollten als Türsteher während einer von den Zeugen H und C geplanten Großparty für die Sicherheit sorgen. Während einer Besprechung in seiner Wohnung knüpfte der Angeklagte am 9. November 2003 seine beabsichtigte Mitwirkung an die Bedingung, während der Party Drogen verkaufen zu können. Nachdem C dies abgelehnt hatte, holte der Angeklagte eine Axt hervor, hielt diese in die Höhe und drohte C , ihm eine Hand abzuhacken. Davon nahm der Angeklagte Abstand, nachdem der Zeuge unter dem Eindruck der Bedrohung sich bereit erklärt hatte, dem Angeklagten ohne Rechtsgrund 1000 € zu zahlen. C beschaffte 500 € sogleich und übergab das Geld dem Angeklagten. Dieser suchte dann mit L am Nachmittag des 14. November 2003 die Arbeitsstelle des C und die Wohnung des Zeugen auf, um die restlichen 500 € entgegenzunehmen. C ließ sich durch seine Eltern verleugnen. Die Täter drohten, der Zeuge sei „jetzt dran“.
Gegen Abend des gleichen Tages verschafften sich der Angeklagte und L im Anschluß an den dem Wohnungsinhaber bekannten Zeugen S Zutritt zur Wohnung des Hö . L schlug Hö mit einem Faustschlag nieder und verletzte ihn erheblich. In Anwesenheit weiterer Zeugen verlangte der Angeklagte von den Zeugen Hö und K die Zahlung von 500 € anstelle einer solchen durch C . Unter dem Eindruck des rücksichtslosen Auftretens des Angeklagten und der massiven Gewaltanwendung des L übergaben Hö und K 55 €. Einer der Täter drohte damit, im Fall der Nichtzahlung der restlichen Forderung den Bedrohten ein Messer in den Bauch zu stecken.
2. Die Revision des Angeklagten beanstandet mit einer Beweisantrags - und einer Aufklärungsrüge, daß es das Landgericht zu Unrecht unterlassen habe, einen Sachverständigen zur Aufklärung der Schuldfähigkeit des Angeklagten heranzuziehen. Auf diese Rügen kommt es indes nicht an, weil schon die allgemeine Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führt. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat kann ausschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben war.
Das Landgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung nicht mit allen Umständen auseinander gesetzt, die den Angeklagten hätten entlasten können (vgl. BGHSt 29, 18, 20; 14, 162, 164 f.). Es läßt ohne Würdigung der dafür geeigneten Umstände offen, ob der Angeklagte zur Tatzeit drogenabhängig war. Damit hat sich das Landgericht den Blick darauf verstellt, daß auch dann, wenn die Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht erheblich war, die Schuld des Angeklagten bei bestehender Drogenabhängigkeit gemindert gewesen sein kann (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 544; BGH NStZ 1992, 381; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 330 m.w.N.). Ferner hat das Landgericht eine Würdigung unterlassen, ob eine Drogenabhängigkeit des Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB begründet und die Gefahr besteht, daß der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Das Landgericht hat die Zeugenaussage des ehemaligen Mitangeklagten L , der Angeklagte habe in starkem Maße fast täglich Kokain zu sich genommen und Alkohol getrunken, nicht als Beleg für eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln angesehen und diese Aussage nicht im Zusammenhang mit weitergehenden Feststellungen über eine Affinität des Angeklagten zu Drogen gewürdigt. Als solche kommen folgende Umstände in Betracht: Der offensichtlich erwerbslose Angeklagte, der auch keine Sozialleistungen bezog, strebte an, während der geplanten Großparty Drogen zu verkaufen. Die ausgeurteilten Taten sind durch Besonderheiten gekennzeichnet, die im Zusammenhang mit einem erheblichen Drogenkonsum des Angeklagten stehen könnten. Die massive Vorgehensweise des Angeklagten steht in einem gewissen Mißverhältnis zur Höhe der erstrebten Vermögensvorteile. Die Taten offenbaren bei dem bis dahin im wesentlichen unauffällig lebenden Angeklagten eine durch große Gewaltbereitschaft gekennzeichnete Wesensveränderung. Sie richteten sich ferner gegen Angehörige seines weiteren Bekanntenkreises und unterlagen hierdurch und im Blick auf ihre offene Ausführung einem hohen Entdeckungsrisiko. Nachdem der Versuch am 14. November 2002 endgültig gescheitert war, von C weitere 500 € zu erpressen , gingen die Täter ohne zeitliche Zäsur zur nächsten Erpressung über. Diese Umstände hätten Anlaß gegeben, in gewissem Umfang eine drogenbedingte Realitätsverkennung und ein dringendes Bedürfnis zur Erlangung von Bargeld zur Drogenbeschaffung zu erwägen. Davon war das Landgericht durch den Hinweis, daß der Angeklagte auf die Kammer jedenfalls einen vollkommen gesunden Eindruck hinterlassen hat (UA S. 16), nicht entbunden. Der Angeklagte befand sich vor Beginn der Hauptverhandlung sieben Monate in Untersuchungshaft. Dies konnte sein Erscheinungsbild und seinen Gesundheitszustand naheliegend verändert haben.
3. Der neue Tatrichter wird demnach die Umstände, die eine Drogenabhängigkeit des Angeklagten begründen können, neu aufzuklären und zu bewerten und neue Strafen festzusetzen haben – auch im Blick auf die Voraussetzungen des § 21 StGB. Er wird seine Untersuchung naheliegend auf die im Hilfsbeweisantrag genannte Behandlung und Medikation des Angeklagten durch die Ärzte der Justizvollzugsanstalten erstrecken und sich jedenfalls für die mögliche Prüfung einer Maßregel nach § 64 StGB sachverständiger Hilfe zu bedienen haben (§ 246a StPO).
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.