Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - 5 StR 310/13

bei uns veröffentlicht am27.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 310/13
vom
27. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Braunschweig vom 23. Januar 2013 wird nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes sowie weiterer vier Sexualstraftaten zu dessen Nachteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Senat bereits durch Beschluss vom 22. August 2013 nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten aufgehoben, weil sie diesen in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt habe (BVerfG NStZ 2014, 592). Für die neuerliche Verwerfung der Revision sind folgende Gründe maßgeblich:
2
1. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht in den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe jeweils einen strafbefreienden Rücktritt vom sexuellen Missbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) angenommen hat.
3
2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge, die § 250 Satz 1, § 255a StPO seien verletzt. Denn die Revision trägt entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht vor, weshalb der Ver- teidiger, dessen „Ausschluss … nicht ausdrücklich angeordnet worden sei“ (RB S. 6), sein Mitwirkungsrecht (§ 255a Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht im Vernehmungszimmer wahrgenommen hat. Allein der sich aus dem beigefügten Ver- wertungswiderspruch vom 12. September 2012 ergebende Vortrag, „die Anwesenheit des Verteidigers im Vernehmungszimmer“ sei „konkret nicht gewährt worden“, ermöglicht dem Senat keine Prüfung allein anhand des Revisionsvor- bringens.
4
3. Die Rüge, es sei wegen Fehlens der sogenannten Negativmitteilung gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen worden, ist jedenfalls unbegründet.
5
a) Soweit die Revision vorträgt, eine mit dem Verfahren befasste Staatsanwältin habe in einem mit dem „Pflichtverteidiger“ am 10. April 2012 geführten Telefonat auf die Prüfung hingewirkt, „ob … nicht doch eine geständige Einlassung abgegeben werden könne“, handelt es sich um ein Geschehen vor der Erhebung der Anklage und wird daher vom Anwendungsbereich des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht erfasst; dieser betrifft lediglich „Erörterungen nach den §§ 202a, 212“ StPO.
6
b) Aber auch eine insoweit fehlende Negativmitteilung würde nur dann zur Aufhebung des angegriffenen Urteils führen, wenn dieses auf dem Verfahrensfehler beruhte. Dies ist aber auszuschließen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG NStZ 2014, 592, 594). So verhält es sich hier, wie das vom Senat durchgeführte Freibeweisverfahren ergeben hat. Weder die beiden an der Hauptverhandlung beteiligten Berufsrichter noch die staatsanwaltschaftliche Sitzungsvertreterin vermochten sich an auch nur ein Gespräch zu erinnern, das eine Verständigung zum Gegenstand gehabt hätte.
7
Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der von den Verfahrensbeteiligten hierzu abgegebenen Erklärungen. Dies gilt – unter Berücksichtigung des dort geschilderten Gangs der Hauptverhandlung – zumal deshalb, weil die in Bezug genommene, im Urteil wiedergegebene Einlassung des Angeklagten keine Anknüpfungspunkte für eine Verständigung bot, wie die in der Hauptverhandlung tätige Oberstaatsanwältin unmittelbar nach deren Verlesung erklärt hat. Soweit einer der Instanzverteidiger sich erinnert, sie habe im Vorfeld der Erklärung in öffentlicher Sitzung gefragt, „ob es nicht sinnvoll sei, noch einmal in Verständigungsgespräche einzutreten“, und er habe erwidert, „dass sich die Verteidigung Gesprächen nicht verschließe“, ist nach dem geschilderten weiteren Gang der Dinge auszuschließen, dass diese Äußerungen noch in tatsächliche Gespräche über eine Verständigung gemündet sind, zumal das Gericht die staatsanwaltschaftliche Anregung nicht kommentiert hat.
8
c) Es kommt daher nicht darauf an, ob der Senat einer Ansicht, die (allein ) bei einer auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützten Verfahrensrüge eine Ausnahme vom revisionsrechtlichen Grundsatz, ein Revisionsführer brauche zur Beruhensfrage nichts vorzutragen, zulassen möchte (vgl. BVerfG aaO; BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 2 StR 171/14), folgen könnte; einen tragenden Grund für eine derartige Handhabung vermag er jedenfalls nicht zu erkennen.
9
4. Abschließend bemerkt der Senat, dass es – anders als die Revision zu meinen scheint – nicht zu den Aufgaben des Bundesgerichtshofs zählt, die Tatgerichte zu „disziplinieren“.
Sander Schneider Dölp
König Bellay

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung gemäß §§ 251, 252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken, und wenn der Zeuge, dessen Vernehmung nach § 58a Absatz 1 Satz 3 in Bild und Ton aufgezeichnet worden ist, der vernehmungsersetzenden Vorführung dieser Aufzeichnung in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar nach der aufgezeichneten Vernehmung widersprochen hat. Dies gilt auch für Zeugen, die Verletzte einer dieser Straftaten sind und zur Zeit der Tat unter 18 Jahre alt waren oder Verletzte einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuches) sind. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die schutzwürdigen Interessen des Zeugen zu berücksichtigen und den Grund für die Vorführung bekanntzugeben. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 7 1 / 1 4
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2014
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Misshandlung von Schutzbefohlenen in 14 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen, davon in drei Fällen in vier, in zwei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen, in vier Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, davon in zwei Fällen in drei und in einem Fall in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 32 Fällen, davon in einem Fall in vier, in einem Fall in drei und in drei Fällen in zwei tateinheitlich verwirklichten Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im Üb- rigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO:
3
1. Mit dieser Rüge macht der Angeklagte geltend, der Strafkammervorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO keine Mitteilungen über Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemacht und keine entsprechenden Protokollierungen veranlasst. Damit fehle es an der gebotenen Negativmitteilung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und dem gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erforderlichen Negativattest.
4
2. Die Rüge ist bereits unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, ob überhaupt Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hatten (Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315, 318; BGH, Beschluss vom 6. März 2014 - 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419; Allgayer NStZ 2014, 530; offengelassen von BGH, Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZRR 2014, 115; vgl. dazu auch BVerfG NStZ 2014, 592, 594).
5
a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO grundsätzlich die so genannte Negativmitteilung auch dann, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben (BVerfG NStZ 2014, 592, 593 f.; anders noch Senatsurteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, BGHSt 58, 315 ff.). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn das Urteil auf der Nichtmitteilung, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben, beruht. Dies ist dann auszuschließen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (BVerfGE 133, 168, 223 Rn. 98; BVerfG NStZ 2014, 592, 594; BGH, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 4 StR 121/13, NStZ 2013, 541; Beschluss vom 3. September 2013 - 1 StR 237/13, BGH NStZ 2013, 724; Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115).
6
b) Vor diesem Hintergrund muss die Revisionsbegründung mitteilen, über welche Kenntnisse und Hinweise bezüglich etwaiger Verständigungsgespräche der Revisionsverteidiger und der Angeklagte - gegebenenfalls nach zumutbarer Einholung entsprechender Auskünfte beim Instanzverteidiger - verfügen (BVerfG NStZ 2014, 592, 594), weil nur so das Revisionsgericht die Beruhensfrage prüfen kann. Fehlt es - wie hier - an entsprechenden Darlegungen und fehlt es auch sonst an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass auf eine Verstädigung gerichtete Gespräche stattgefunden haben, ist eine auf die Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben. Fischer Appl RiBGH Prof. Dr. Schmitt ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Zeng