Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2016 - 5 StR 186/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2016 beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten am 31. Januar 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Betruges in zwei Fällen und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil durch Beschluss vom 16. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in den Schuldsprüchen wegen der versuchten gefährlichen Körperverletzung und einer der Betrugstaten sowie hinsichtlich einer Einzelgeldstrafe und der Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Revision des Angeklagten im Übrigen verworfen. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht das Verfahren betreffend die Betrugstat gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und hinsichtlich der aufgehobenen Einzelstrafe erneut eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils einem Euro verhängt. Die neue Gesamtstrafe hat es auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzt.
- 2
- Gegen das Urteil hat der Angeklagte am 1. Oktober 2014 rechtzeitig Revision eingelegt und diese fristgerecht durch Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 begründet. Ohne sachlichen Grund ist das Verfahren in der Folgezeit nicht gefördert worden. Erst mit Bericht vom 21. April 2016 sind die Akten von der Staatsanwaltschaft an den Generalbundesanwalt übersandt worden. Dadurch ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Dies hat der Senat auch ohne entsprechende Rüge der Revision von Amts wegen festzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 23. September 2014 – 5 StR 410/14, BGHR GVG § 198 Abs. 4 Verzögerungsrüge 1; vom 27.Februar 2014 – 4 StR 575/13 mwN; vom 2. Juli 2013 – 2 StR 179/13 mwN; vom 11. März 2008 – 3 StR 36/08).
- 3
- Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von 14 Monaten genügt im vorliegenden Fall deren Feststellung. Die Verzögerung ist erst nach dem Eingang der Revisionsbegründung geschehen. Bereits am Tag der Urteilsverkündung ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten außer Vollzug gesetzt worden. Nach dem dargestellten Verfahrensablauf konnte sich eine den Angeklagten belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens nur noch auf die Höhe einer Einzelgeldstrafe sowie der Gesamtfreiheitsstrafe beziehen; letztere war durch die Höhe der bereits rechtskräftig verhäng- ten Einzelstrafen weitgehend vorbestimmt. Zudem hat der Angeklagte bereits fast 23 Monate der Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Vollstreckung von Untersuchungshaft verbüßt (UA S. 23), so dass er keinen längerdauernden Freiheitsentzug mehr zu befürchten hatte.
König Feilcke
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.