Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Mai 2016 - 5 StR 186/16

bei uns veröffentlicht am26.05.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 186/16
(alt: 5 StR 290/14)
vom
26. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:260516B5STR186.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2016 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. September 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen; jedoch wird festgestellt , dass das Revisionsverfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 31. Januar 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, Betruges in zwei Fällen und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil durch Beschluss vom 16. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in den Schuldsprüchen wegen der versuchten gefährlichen Körperverletzung und einer der Betrugstaten sowie hinsichtlich einer Einzelgeldstrafe und der Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Revision des Angeklagten im Übrigen verworfen. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht das Verfahren betreffend die Betrugstat gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und hinsichtlich der aufgehobenen Einzelstrafe erneut eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils einem Euro verhängt. Die neue Gesamtstrafe hat es auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzt.
2
Gegen das Urteil hat der Angeklagte am 1. Oktober 2014 rechtzeitig Revision eingelegt und diese fristgerecht durch Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 begründet. Ohne sachlichen Grund ist das Verfahren in der Folgezeit nicht gefördert worden. Erst mit Bericht vom 21. April 2016 sind die Akten von der Staatsanwaltschaft an den Generalbundesanwalt übersandt worden. Dadurch ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Dies hat der Senat auch ohne entsprechende Rüge der Revision von Amts wegen festzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 23. September 2014 – 5 StR 410/14, BGHR GVG § 198 Abs. 4 Verzögerungsrüge 1; vom 27.Februar 2014 – 4 StR 575/13 mwN; vom 2. Juli 2013 – 2 StR 179/13 mwN; vom 11. März 2008 – 3 StR 36/08).
3
Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von 14 Monaten genügt im vorliegenden Fall deren Feststellung. Die Verzögerung ist erst nach dem Eingang der Revisionsbegründung geschehen. Bereits am Tag der Urteilsverkündung ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten außer Vollzug gesetzt worden. Nach dem dargestellten Verfahrensablauf konnte sich eine den Angeklagten belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens nur noch auf die Höhe einer Einzelgeldstrafe sowie der Gesamtfreiheitsstrafe beziehen; letztere war durch die Höhe der bereits rechtskräftig verhäng- ten Einzelstrafen weitgehend vorbestimmt. Zudem hat der Angeklagte bereits fast 23 Monate der Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Vollstreckung von Untersuchungshaft verbüßt (UA S. 23), so dass er keinen längerdauernden Freiheitsentzug mehr zu befürchten hatte.
Sander Schneider Dölp
König Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 410/14
vom
23. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2014 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 18. Juni 2013 wird mit der Feststellung nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, dass das Revisionsverfahren
rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (vgl. den Antrag
des Generalbundesanwalts vom 1. September 2014).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Für die beantragte ergänzende Feststellung unangemessener Verfahrensdauer
als Wiedergutmachung auf andere Weise bedarf es einer Verzögerungsrüge
nicht (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1, 3 Halbsatz 2, § 199 Abs. 3 GVG). Ob eine solche
für den Fall einer Kompensation im Sinne der Vollstreckungslösung (BGH,
Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) erforderlich wäre
(vgl. einerseits Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung,
5. Aufl., Rn. 792 ff., andererseits Graf, StPO, 2. Aufl., § 199 GVG Rn. 11 ff.;
offen gelassen von BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12,
BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 43), bedarf hier keiner
Entscheidung, weil eine solche weitergehende Kompensation hier ohnehin
nicht in Betracht kommt. Für die Feststellung der Verzögerung bedurfte es keiner
Einstimmigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 3 StR 176/14).
Basdorf Sander Dölp
König Berger

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 179/13
vom
2. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2012 dahin ergänzt , dass von der verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg; das Urteil war lediglich um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen.
2
Nach Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 21. August 2012 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Bis zur Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision am 1. März 2013 und Weiterleitung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 26. März 2013 ist das Verfahren ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden. Durch dieses sowie davor liegende Versäumnisse ist eine der Justiz anzulastende, unangemessene Verfahrensverzögerung von über sechs Monaten eingetreten. Diesen Umstand hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Verfahrensverzögerung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist und der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2011 - 2 StR 302/11, NStZ 2012, 320, 321 mwN). Über die Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209). Auf der Grundlage der Vollstreckungslösung (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, NJW 2008, 860) stellt der Senat fest, dass zwei Monate der verhängten Freiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
3
Der geringe Erfolg der Revision des Angeklagten rechtfertigt keine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 36/08
vom
11. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 11. März 2008 gemäß §§ 44, 46,
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 28. März 2007 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Verden vom 20. Juni 2007, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst , dass die Worte "gemeinschaftlichen" und "im minder schweren Fall" entfallen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes "im minder schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorangegangenen gesamtstrafenfähigen Verurteilung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.
2
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuldspruch war allerdings neu zu fassen, weil die Urteilsformel von allem freizuhalten ist, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgabe dient, das begangene Unrecht zu kennzeichnen und die im Urteil getroffenen Anordnungen zu verlautbaren. Bezeichnungen der Tat als "gemeinschaftlich" oder "minder schwerer Fall" erübrigen sich danach (BGHSt 27, 287, 289). Im Übrigen war das Urteil lediglich um die Feststellung eines Konventionsverstoßes zu ergänzen (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
Nach Eingang der verspäteten Revisionsbegründung und des Wiedereinsetzungsantrages beim Landgericht am 26. Juni 2007 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gekommen. Nachdem die Akten vom Landgericht an die Staatsanwaltschaft übersandt worden waren und der neue, für das Revisionsverfahren mandatierte Verteidiger am 4. Juli 2007 Akteneinsicht genommen hatte, stellte der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft Verden erst am 11. Januar 2008 den Übersendungsbericht an den General- bundesanwalt fertig; dort gingen die Akten am 23. Januar 2008 ein. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahrensgang hätte die Aktenübersendung einschließlich der erforderlichen Vorarbeiten allenfalls zwei Monate benötigen dürfen, so dass es zu einer unangemessenen Verfahrensverzögerung von ca. fünf Monaten gekommen ist. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es dazu nicht (BGH NStZ 2001, 52; NStZRR 2005, 320).
4
Nach der durch Beschluss des Großen Senats für Strafsachen geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation von rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen (BGH, Beschl. vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kann die ausdrückliche Feststellung der Verfahrensverzögerung zu ihrer Kompensation genügen; die Feststellung muss lediglich in den Urteilsgründen deutlich hervortreten (BGH aaO Rdn. 38, 56).
5
So verhält es sich hier. Der Senat kann diese Frage selbst entscheiden, weil es im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt, über die Feststellung der Verfahrensverzögerung hinaus eine weitergehende Kompensation durch den Ausspruch vorzunehmen, dass ein Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (§ 354 Abs. 1 StPO):
6
Die Verfahrensverzögerung betrug weniger als sechs Monate. Sie geschah erst nach dem Eingang der allein auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionsbegründung, so dass eine den Angeklagten besonders belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens sich nur noch darauf beziehen konnte, ob das ihn verurteilende erstinstanzliche Urteil rechtskräftig werden würde. Die Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft hat allenfalls eine sehr geringe Belastung für den Angeklagten nach sich gezogen, weil er sich seit dem 23. Juli 2007 in anderer Sache in Strafhaft befindet. Dabei handelt es sich um die Vollstreckung der im angefochtenen Urteil bei der Gesamtstrafenbildung einbezogenen Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, so dass die verbüßte Haftzeit in vollem Umfang auf die hier zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist.
7
Nach alledem scheidet eine weitergehende Kompensation als die vom Senat vorgenommene Feststellung der Verfahrensverzögerung aus.
8
Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer