Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2010 - 5 StR 119/10

bei uns veröffentlicht am15.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 119/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2010

beschlossen:
Dem Angeklagten R. wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Juli 2009 gewährt.
Die Revisionen der Angeklagten gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten M. , R. und G. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Gegen den Angeklagten M. hat es eine Freiheitsstrafe von neun Jahren verhängt sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Angeklagten R. hat es zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten G. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte V. hat es unter Teilfreispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit ihren unbeschränkt geführten Revisionen wenden sich alle Angeklagten – teils auf sachlichrechtliche Beanstandungen, teils auch auf Verfahrensrügen gestützt – erfolglos gegen ihre Verurteilungen.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt, spätestens jedoch Anfang Oktober 2007 kamen die Angeklagten M. , R. und G. dahin überein, in bewusstem und gewolltem arbeitsteiligen Zusammenwirken mindestens neun Kilogramm Kokaingemenge guter Qualität aus Südamerika, vorzugsweise aus Venezuela oder Kolumbien, nach Europa zu schmuggeln bzw. schmuggeln zu lassen, um es nach Deutschland zu verbringen und dort gewinnbringend an noch unbestimmte Abnehmer zu veräußern. M. , der über gute Kontakte in das kolumbianische Drogenmilieu verfügte, übernahm dabei die führende Rolle des Einkäufers des Kokains vor Ort, aber auch die Organisation von Bezahlung, Transport und Absatz des Rauschmittels in Deutschland. G. sollte finanzielle und organisatorische Unterstützung zur Durchführung des Drogengeschäfts vorwiegend von Albanien aus leisten und später zusammen mit M. und R. den Verkauf des Kokains übernehmen. R. verbrachte in erster konkreter Umsetzung des Tatplans die von unbekannten Dritten von Südamerika nach Spanien eingeführten Drogen über Frankreich nach Deutschland. Dort wurde das Rauschgift, etwa zwei Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als 80 % Cocainhydrochlorid, am 5. Dezember 2007 von den das Geschäft überwachenden Ermittlungsbehörden bei R. aufgefunden und sichergestellt.
4
II. Die Revisionen der Angeklagten R. und V. bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Hinsichtlich der im Ergebnis ebenfalls erfolglosen Revisionen der Angeklagten M. und G. bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:
5
1. Die Revision des Angeklagten M.
6
a) Zu Unrecht macht die Revision im Zusammenhang mit der Nichtaufklärung der Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers die Verlet- zung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO geltend. Der Beschwerdeführer hatte im Rahmen der Hauptverhandlung einen Antrag auf Vernehmung von zwei Zeuginnen zu seiner wirtschaftlichen Situation zur Tatzeit gestellt. Erstrebt wurde ausweislich der Antragsbegründung damit der Nachweis, dass er zur Tatzeit nicht unter „permanenten Geldproblemen“ gelitten habe. Hiermit und mit den wenigen konkretisierten Belegtatsachen stehen die Urteilsgründe nicht in Widerspruch. Soweit die Strafkammer die Ablehnung des Antrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit, nicht anders als bei anderen entsprechend abgelehnten Beweisanträgen, einerseits im Sinne von BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26 überaus pauschal begründet, andererseits überschießend ausgeführt hat, es sei für die Entscheidung ohne Belang, in welcher finanziellen Lage sich der Beschwerdeführer im Tatzeitraum befand, liegt ein den Bestand des Urteils gefährdender Rechtsfehler nicht vor. Die Strafkammer zieht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in ihrer Beweisführung ergänzend nur insoweit heran, als sie sie ins Verhältnis zu seiner Einlassung eines lediglich vorgetäuschten Rauschgiftgeschäfts setzt. Hierfür wäre allein eine außergewöhnliche Wohlhabenheit des Beschwerdeführers zur Tatzeit bedeutsam, welche mit dem Beweisantrag nicht zu belegen war. Mit Blick auf die zum Werdegang und zum Leben des Beschwerdeführers in Südamerika detaillierte von der Revision mitgeteilte mehr als 500 Seiten umfassende schriftlich fixierte Einlassung ist auszuschließen, dass der Angeklagte bei klarerer Begründung der Beweisantragsablehnung in diesem Zusammenhang noch Relevantes hätte vortragen können.
7
b) Die wegen Verletzung des § 249 Abs. 2 Satz 1 und 3 i.V.m. § 261 StPO erhobene Inbegriffsrüge greift nicht durch. Es ist zureichend festgestellt , dass sämtliche Mitglieder der Strafkammer, mithin die Berufsrichter ebenso wie die Schöffen, Kenntnis vom Wortlaut der im Wege des § 249 Abs. 2 StPO einzuführenden Urkunden genommen haben (vgl. BGHR StPO § 249 Kenntnisnahme 1; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 StR 76/10). Von dem Feststellungsvermerk erfasst wurden ersichtlich die in den vier An- ordnungen des Selbstleseverfahrens jeweils ausdrücklich bezeichneten Urkunden. Eine weniger pauschale Bezeichnung wäre zwar aus Gründen der Verfahrensklarheit gerade bei einer Mehrzahl von Anordnungen nach § 249 Abs. 2 StPO wünschenswert gewesen, der Bezugspunkt der Feststellung war indes für alle Verfahrensbeteiligten erkennbar. Zweifel an dem erforderlichen Verständnis vom Gegenstand des Selbstleseverfahrens hatten ersichtlich auch die Verfahrensbeteiligten nicht; dem Revisionsvorbringen und dem Protokoll ist weder ein Widerspruch noch sonst eine Beanstandung der Verfahrensweise zu entnehmen. Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer in seiner umfangreichen Einlassung den Inhalt der zentralen Urkunden selbst vorgetragen.
8
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Verfahrensrüge, ein Antrag auf Ablehnung des psychiatrischen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Auch wenn die Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen zu den im Ablehnungsgesuch geltend gemachten Beanstandungen für deren deutliche Entkräftung vorzugswürdig gewesen wäre, waren weder divergierende Angaben des Sachverständigen zur Dauer der Explorationsgespräche noch objektiv unrichtige Angaben zum Zeitpunkt der behaupteten Kenntnisnahme von Explorationsgrundlagen geeignet, seine Unparteilichkeit für einen verständigen Angeklagten in Zweifel zu ziehen.
9
2. Die Revision des Angeklagten G.
10
a) Die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO i.V.m. § 24 StPO ist unbegründet. Das Ablehnungsgesuch ist zu Recht zurückgewiesen worden. Die beanstandete Verhandlungsführung und Sachbehandlung sämtlicher abgelehnter Richter entsprach dem Gesetz und war auch sonst weder unsachlich noch unangemessen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 24 Rdn. 17). Sie war deshalb auch aus Sicht eines verständigen Angeklagten ungeeignet, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu begründen. Es oblag gemäß § 214 Abs. 3 i.V.m. § 222 Abs. 1 Satz 2 StPO allein der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten einen von ihr geladenen Zeugen namhaft zu machen. Ein entsprechender Beweisantrag wurde erst in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten gestellt. Dass sich die Strafkammer bereit erklärt hätte, den Angeklagten an Stelle der Staatsanwaltschaft zu informieren, wird von der Revision nicht dargetan. Danach bestand für die Mitglieder der Strafkammer auch mit Blick auf den ungeschriebenen Grundsatz der Aktenwahrheit und -klarheit keine Pflicht, die seitens der Staatsanwaltschaft mitgeteilte Absicht, einen Zeugen sistieren und einen entsprechenden Beweisantrag stellen zu wollen, aktenkundig zu machen. Überdies haben die abgelehnten Richter den vom Angeklagten gehegten Verdacht, Informationen kollusiv mit der Staatsanwaltschaft vor ihm verborgen zu haben, durch ihre dienstlichen Erklärungen hinreichend ausgeräumt.
11
b) Die Verfahrensrügen wegen Ablehnung von Beweisbegehren auf persönliche oder audiovisuelle Vernehmung verschiedener in Albanien zu ladender Zeugen versagen.
12
In allen Fällen bleibt nach dem Revisionsvortrag bereits zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung einen formgerechten Beweisantrag gestellt hat, der eine Bescheidung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ermöglicht hat. Der von der Revision mitgeteilte Antrag bezeichnet – neben einer Beweisbehauptung – jeweils die Zeugen, deren Anhörung begehrt wird, mit Vor- und Nachnamen und benennt darüber hinaus Ortschaften und Städte sowie möglicherweise landestypische Zusätze. Ohne nähere Angaben dazu, ob es sich bei letzteren um Einrichtungen, Straßen, Stadtteile oder ähnliches handelt, stellt dies ohne konkrete aus dem Revisionsvortrag ersichtliche Erklärungen weder die regelmäßig erforderliche ladungsfähige Anschrift dar (vgl. BGHSt 40, 3, 7), noch werden so die benannten Zeugen als Beweismittel zureichend individualisiert (vgl. BGH aaO S. 5; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 11, 34, 46; Basdorf in Festschrift für Widmaier 2008 S. 51, 60 f.).
13
Ungeachtet dessen hat die Strafkammer die Beweisanträge rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Der von der Strafkammer herangezogene Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ist tragfähig. Das Landgericht durfte in seine zulässige antizipierende Würdigung den mit der Beweiserhebung verbundenen zeitlichen und organisatorischen Aufwand einstellen sowie deren Bedeutung vor dem Hintergrund der bisherigen Beweisaufnahme bewerten (vgl. BGH NStZ 2009, 168, 169; StraFo 2010, 155). Die Beweisaufnahme mit mehr als 50 Hauptverhandlungstagen war zuvor bereits mehrfach geschlossen worden. Dass die freilich auch hier sehr pauschal begründete Annahme der Bedeutungslosigkeit die Verteidigung des Beschwerdeführers beeinträchtigt haben könnte, ist zudem abermals nicht ersichtlich.
Basdorf Brause Schaal König Bellay

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Strafprozeßordnung - StPO | § 24 Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 74 Ablehnung des Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Das Ab

Strafprozeßordnung - StPO | § 222 Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen


(1) Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen. Macht die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht nach § 214 Abs. 3 Gebrauch, so hat sie die geladenen Zeugen und Sachv

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 76/10
vom
20. Juli 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Zum Umfang der Beweiskraft des Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3
BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 76/10 - LG Wuppertal
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. Juli 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 5. November 2009 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen Betruges in drei Fällen unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen ; den Angeklagten J. K. hat es wegen Betruges in vier Fällen und wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg, da die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
2
Näherer Erörterung bedarf nur die von beiden Angeklagten erhobene Verfahrensbeanstandung, das Landgericht habe dem Urteil unter Verstoß gegen § 261 StPO Feststellungen zugrunde gelegt, die wegen fehlerhafter Durchführung des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO nicht Gegenstand der Hauptverhandlung geworden seien. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
3
Im Verlauf der Hauptverhandlung hat der Strafkammervorsitzende bezüglich mehrerer Urkunden das Selbstleseverfahren angeordnet. Betreffend ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth hat er am darauf folgenden Hauptverhandlungstermin zu Protokoll die Feststellung getroffen, dass das Selbstleseverfahren beendet ist, die Mitglieder der Kammer "von dem Urteil" Kenntnis genommen haben und die übrigen Prozessbeteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Betreffend eine Reihe von Urkunden zu Geldbewegungen sowie zu Haftabwesenheitszeiten des Angeklagten M. K. hat der Vorsitzende zu Protokoll festgestellt, dass die Kammer "von den Urkunden", für die in der letzten Hauptverhandlung das Selbstleseverfahren angeordnet worden ist, Kenntnis genommen hat und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hierzu hatten. Hinsichtlich mehrerer amtsgerichtlicher Urteile hat er zu Protokoll festgestellt, dass das Selbstleseverfahren beendet ist und die Kammer "von den Urteilen" Kenntnis genommen hat und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hatten , hiervon Kenntnis zu nehmen.
4
Die Revision beanstandet, es sei nicht festgestellt worden, dass die Richter und Schöffen "vom Wortlaut" der Urkunden Kenntnis genommen hätten. Kenntnis von einer Urkunde sei mit der Kenntnis von deren Wortlaut nicht gleichzusetzen. Das Protokoll beweise, dass der Wortlaut von den Richtern nicht zur Kenntnis genommen worden sei.
5
Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Der Wortlaut des Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO ist für den Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Selbstleseverfahrens ohne Belang. Im Einzelnen:
6
Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO darf von der Verlesung einer Urkunde oder eines anderen Schriftstücks - neben anderen Voraussetzungen - dann abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde oder des Schriftstücks Kenntnis genommen haben. Die "Feststellungen über die Kenntnisnahme" sind nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Durch einen entsprechenden Protokollvermerk kann indes nicht bewiesen (§ 274 Abs. 1 Satz 1 StPO) werden, dass die Richter und Schöffen tatsächlich von Wortlaut Kenntnis genommen haben. Dies folgt schon daraus , dass in der Sitzungsniederschrift nur solche Vorgänge beweiskräftig beurkundet werden können, die sich während der laufenden Hauptverhandlung im Sitzungssaal (oder ggf. einem auswärtigen Verhandlungsort) zugetragen haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 273 Rn. 19), denn nur diese können der Vorsitzende und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle durch ihre Unterschrift unter das Protokoll (§ 271 Abs. 1 Satz 1 StPO) aus eigener Wahrnehmung bestätigen.
7
Das Selbstleseverfahren hat den Kern des Urkundenbeweises - die Kenntnisnahme vom Urkundeninhalt durch die Richter und Schöffen - aber gerade aus der Hauptverhandlung herausverlagert. Damit ist es dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle von vornherein nicht möglich zu bestätigen, dass die Richter und Schöffen tatsächlich vom Wortlaut eines Schriftstücks Kenntnis genommen haben. Nichts anderes gilt aber auch für den Vorsitzenden. So ist schon gesetzlich nicht bestimmt, dass er bei der Kenntnisnahme durch die beisitzenden Richter und die Schöffen präsent ist; aber selbst wenn er - ausnahmsweise - anwesend sein sollte, unterliegt es nicht seiner Wahrnehmung, ob diese den Wortlaut tatsächlich vollständig zur Kenntnis genommen und mit der Aufmerksamkeit studiert haben, die erforderlich ist, damit sie ihrer Aufgabe der Urteilsfindung verantwortungsvoll gerecht werden können. Der Vorsitzende muss sich daher letztlich auf die Zusicherung der beisitzenden Richter und der Schöffen verlassen, dass sie das Schriftstück vollständig gelesen haben, und kann Entsprechendes nur für seine eigene Person aus eigenem Wissen verbindlich bestätigen.
8
Durch die Einführung des Selbstleseverfahrens hat der Gesetzgeber diese potentiellen Einbußen der Qualität des Urkundenbeweises in Kauf genommen. Dies ist von den Gerichten und den Verfahrensbeteiligten zu akzeptieren. Im Übrigen besteht aber auch bei dem Urkundenbeweis nach § 249 Abs. 1 StPO keine Gewähr dafür, dass die zur Urteilsfindung berufenen Gerichtspersonen der Verlesung - insbesondere bei der aufeinander folgenden Verlesung einer Vielzahl von Schriftstücken - immer mit der gebührenden Aufmerksamkeit folgen.
9
Hieraus ergibt sich, dass durch den Protokollvermerk nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die tatsächliche Kenntnisnahme vom Wortlaut eines Schriftstücks durch die Richter und Schöffen im Wege des Selbstleseverfahrens nicht nachgewiesen werden kann. Er beweist daher nicht die ordnungsgemäße Durchführung dieses Verfahrens, sondern allein die Tatsache, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung eine entsprechende Feststellung getroffen hat (KKDiemer , 6. Aufl., § 249 Rn. 39). Aus seiner Formulierung kann daher kein - im Sinne des § 274 Abs. 1 Satz 1 StPO beweiskräftig belegter - Schluss auf die (nicht) ordnungsgemäße Durchführung des Selbstleseverfahrens gezogen werden.
10
Nach Auffassung des Senats kommt der Protokollierung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO vielmehr eine andere Funktion zu. Da der Urkundsbeweis beim Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, be- darf es der Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten, dass der in dieser Sonderform gewonnene Beweisstoff dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweiskräftig vollzogen. Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist danach die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Verwertung offenkundiger, insbes. gerichtskundiger , außerhalb der Hauptverhandlung gewonnener Tatsachen, die Inbegriff der Hauptverhandlung grundsätzlich nur werden, wenn sie durch entsprechenden Hinweis in diese eingeführt worden sind (Meyer-Goßner, aaO, § 244 Rn. 3 mwN; zur strittigen Frage der diesbezüglichen Protokollierungspflicht vgl. Meyer -Goßner, aaO, § 273 Rn. 7 mwN).
11
Durch die hier vom Vorsitzenden zu Protokoll erklärten Feststellungen, die im Übrigen ohnehin als Feststellung der Kenntnisnahme vom Wortlaut der Schriftstücke durch Richter und Schöffen auszulegen sein dürften (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, bei Becker, NStZ-RR 2004, 225, 227 Nr. 9; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 StR 169/09, StV 2010, 226), sind die Schriftstücke in hinreichender Form zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht worden und damit verwertbar.
12
Keiner Entscheidung bedarf, wie wegen der fehlenden Beweiskraft des Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO für seine inhaltliche Richtigkeit eine Rüge zu behandeln wäre, entgegen der protokollierten Feststellung hätten die Richter oder Schöffen tatsächlich gar nicht vom Wortlaut der fraglichen Schriftstücke Kenntnis genommen; denn eine solche Rüge ist hier nicht erhoben.
VRiBGH Becker ist wegen Urlaubs Pfister RiBGH von Lienen ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Pfister Hubert Schäfer

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Das Gericht hat die geladenen Zeugen und Sachverständigen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen. Macht die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht nach § 214 Abs. 3 Gebrauch, so hat sie die geladenen Zeugen und Sachverständigen dem Gericht und dem Angeklagten rechtzeitig namhaft zu machen. § 200 Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt sinngemäß.

(2) Der Angeklagte hat die von ihm unmittelbar geladenen oder zur Hauptverhandlung zu stellenden Zeugen und Sachverständigen rechtzeitig dem Gericht und der Staatsanwaltschaft namhaft zu machen und ihre vollständige Anschrift anzugeben.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.