Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2019 - 5 StR 109/19

published on 09/05/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2019 - 5 StR 109/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 109/19
vom
9. Mai 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:090519B5STR109.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Dessen gegen das Urteil gerichtete Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der zur Tatzeit 19-jährige Beschuldigte, der im Sommer 2015 aus Syrien nach Deutschland kam, kannte über seinen Bruder den später Geschädigten Z. . Dieser war häufiger Gast in der vom Beschuldigten und dessen Bruder bewohnten Wohnung. Der Beschuldigte verließ sie in der Zeit vor der Anlasstat nur noch selten, um dort gehörten Stimmen und Geräuschen auf den Grund zu gehen. Er stellte sich vor, Z. würde ihm Gedanken stehlen, schlecht über ihn reden und behaupten, er, der Beschuldigte, sei Gott, was eine Beleidigung Gottes darstelle. Er fühlte sich unwohl und empfand Schmerzen im Bauch, die er von Schlangen und Würmern verursacht wähnte, die Z. ihm dorthin gehext habe. Er glaubte, Allah habe ihm ein Zeichen gesandt und jemanden geschickt, der ihn aufgefordert habe, Z. zu töten.
4
Am späten Abend des 21. April 2018 lauerte er Z. vor dessen Haustür auf. Als dieser nach Hause kam, lockte er ihn unter einem Vorwand zunächst in einen dunklen Hinterhof und versetzte ihm sodann einen Faustschlag ins Gesicht. Danach schnitt er ihm mit einem Küchenmesser mit einer 13 cm langen Klinge in die Wange, wobei er – unter Verwendung eines mehrdeutigen arabischen Wortes – äußerte, er sei gekommen, um ihn zu töten bzw. um ihn zu schlagen. Anschließend versetzte er ihm weitere schlagend ausgeführte Schnitte mit dem Messer in das Gesicht, auf den Oberkörper und an die Unterarme , um ihn zu verletzen.
5
Ein Schnitt am Hals traf Z. in der Nähe der Halsschlagader, ohne sie zu verletzen, und brachte ihn in die Gefahr einer lebensgefährlichen Verletzung. lm Rahmen seines Wahnempfindens sollten dem Beschuldigten diese Verletzungen zur Linderung seiner Beschwerden dienen. Bei einem Abwehr- und Fluchtversuch fiel Z. zu Boden und verletzte seine Knie. Außerdem verlor er sein Mobiltelefon, das der Beschuldigte an sich nahm in der Absicht, durch die Wegnahme die von ihm dem Z. zugeschriebene Einflussnahme auf seine Gedankenwelt und sein körperliches Unwohlsein zu lindern. Z. erhob sich und flüchtete, verfolgt vom Beschuldigten, noch einige Meter weiter. Als der Beschuldigte, der erschöpft seinen Angriff nicht fortsetzte, schließlich dem inzwischen stark blutenden Z. in kurzer Distanz gegenüberstand, griffen zwei seiner auf das Geschehen aufmerksam gewordenen Arbeitskollegen ein und hielten den Beschuldigten bis zum Eintreffen der Polizei fest. Z. hat durch die Schnitte eine Reihe von Narben zurückbehalten und leidet insbesondere unter der Entstellung seines Gesichts.
6
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB und als Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB angesehen. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose hat es sich dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Danach habe der Beschuldigte zur Tatzeit an einer paranoiden Schizophrenie gelitten, die sich in wahnhaften Missempfindungen des Körpers, wahnhaftem Hören von Stimmen und Geräuschen und dem Zuschreiben dieser Empfindungen zu einer bestimmten Person sowie in dem Empfinden von Gedankenlenkung und -entzug und dem Gewahrwerden von Geistern äußere. Aufgrund seiner Krankheit sei die Einsichtsfähigkeit bei der Ausführung der Tat „letztlich vollständig“ aufgehoben gewesen (UA S. 9). Wegen seiner fehlenden Krankheitseinsicht, die eine fehlende Bereitschaft zur Einnahme einer nötigen Medikation nach sich ziehe, seien vom Beschuldigten auch künftig der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Körperverletzung vergleichbare Straftaten zu erwarten.

II.


7
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsgründe nicht belegt.
8
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines nicht nur vorübergehenden psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dies lässt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen.
9
Schon die der Wertung des Sachverständigen folgende Annahme der Strafkammer, der Beschuldigte leide an einer paranoiden Schizophrenie, deren Symptomatik bereits seit zwei Jahren vor dem Messerangriff bestanden habe, findet in der Beweiswürdigung keine ausreichende Stütze. Die Ausführungen zum Vorhandensein von Wahnsymptomen begegnen trotz des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
a) Die Strafkammer stützt die hierzu getroffenen Feststellungen auf die Erzählungen des Beschuldigten bei seiner Exploration durch den Sachverständigen zu seinem Tatmotiv und zu seiner Vorstellungswelt in der Zeit vor der Tat. In der Hauptverhandlung ist der Beschuldigte hingegen „bemüht“ gewesen, sei- ne Angaben aus den Explorationsgesprächen „zu negieren, um die Diagnose des psychiatrischen Gutachters in Frage zu stellen“ (UA S. 5). Insbesondere hat er erklärt, alle Angaben zu Wahnvorstellungen nur deshalb gemacht zu haben, um nicht in Haft zu bleiben. Angesichts der Beweiserheblichkeit dieser früheren Angaben hätte es einer Auseinandersetzung mit ihrem Widerruf in der Hauptverhandlung bedurft, zumal der Beschuldigte für sein früheres Aussageverhalten bei der Exploration ein nachvollziehbares Motiv benannt hat. Ausführungen hierzu fehlen in den Urteilsgründen vollständig, in denen die Strafkammer lediglich ihre Überzeugung darlegt, dass der Sachverständige von seinen Explorationsgesprächen wahrheitsgemäß berichtet hat.
11
b) Konkrete Anknüpfungs- und Befundtatsachen zu der Entwicklung der angenommenen Krankheit und deren Verlauf bis zum Tatzeitpunkt, welche die Annahme einer krankhaften seelischen Störung stützen könnten, teilt die Strafkammer nicht mit. In diesem Zusammenhang finden etwaige krankheitsbedingte Einschränkungen der Lebensgestaltung des heranwachsenden Beschuldigten, deren Feststellung nicht allein auf seinen widerrufenen Angaben gegenüber dem Sachverständigen beruht, keine Erwähnung. Die Strafkammer erörtert auch nicht die festgestellten persönlichen Verhältnisse, die der Diagnose der von ihr angenommenen schweren psychischen Erkrankung entgegenstehen könnten. Insbesondere berücksichtigt sie nicht erkennbar, dass er in den über zweieinhalb Jahren nach seinem Eintreffen in Deutschland bis zum Tatzeitpunkt an einer Sprachschule Deutsch lernte, nach Anerkennung seines Asylstatus den Abschluss seiner durch die Flucht unterbrochenen Schulausbildung anstrebte , vorübergehend arbeitete und bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch der Geschädigte hat nach den Urteilsgründen nicht über Verhaltensauffälligkeiten des Beschuldigten bei seinen zahlreichen Zusammentreffen mit diesem berichtet.
12
c) Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen Erkenntnisse zum Verlauf der seit dem 4. Juni 2018 andauernden einstweiligen Unterbringung des Beschuldigten und der Einschätzung der ihn dort behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen sind.
13
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 5 StR 602/13, NJW 2014, 565, 566). Dabei ist in diese Würdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Taten einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 28. August 2012 – 5 StR 295/12, NStZ-RR 2012, 366, 367; vom 10. Dezem- ber 2014 – 2 StR 170/14, NStZ 2015, 387, 388 mwN; Beschlüsse vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338). Danach hätte die Strafkammer auch in Bezug auf die Gefährlichkeitsprognose den Umstand nicht unerörtert lassen dürfen, dass der Beschuldigte seit seinem Eintreffen in Deutschland und damit in einem Zeitraum, in dem bei ihm nach der Annahme des Sachverständigen die diagnostizierte psychische Störung schon vorgelegen haben soll, strafrechtlich unauffällig geblieben ist.
15
3. Die Sache bedarf daher – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird das neue Tatgericht, sollte sich in der neuen Verhandlung die Schuldfähigkeit des Beschuldigten ergeben, auch einen Übergang in das Strafverfahren gemäß § 416 Abs. 2 StPO in den Blick zu nehmen haben mit der Möglichkeit (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO), anstelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen (MüKo-StPO/Putzke/Scheinfeld, 2019, § 416 Rn. 7; KKStPO /Maur, 8. Aufl., § 416 Rn. 8).
16
Der Senat hebt das Urteil insgesamt auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
17
4. Sollte das neue Tatgericht wieder zu der Annahme gelangen, dass der Beschuldigte bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines andauernden psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf dem angenommenen Defekt beruhte, wird es zu bedenken haben, dass die selbständige Einziehung eines Gegenstands gemäß § 76a StGB im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO nicht zulässig ist, in dem nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden können. Sie kommt nur im selbständigen Einziehungsverfahren gemäß § 435 Abs. 1 StPO in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2017 – 5 StR 70/17, und vom 12. Dezem- ber 2017 – 3 StR 558/17, NStZ 2018, 559 mwN). Ein als Verfahrensvoraussetzung danach erforderlicher gesonderter Antrag ist hier nicht gestellt worden. Er kann – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend unter Hinweis auf die Anforderungen des § 435 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 3 StR 558/17, aaO) dargelegt hat – auch nicht in dem Hinweis auf eine Einziehung in der dem Sicherungsverfahren zugrundeliegenden Antragsschrift gesehen werden.
Sander König Berger
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht für das Strafverfahren nicht zuständig, so spricht es durch Beschluß seine Unzuständigkeit aus und verweist die Sache an das zuständige Gericht. § 270 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Ergibt sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Schuldfähigkeit des Beschuldigten und ist das Gericht auch für das Strafverfahren zuständig, so ist der Beschuldigte auf die veränderte Rechtslage hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Behauptet er, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen. Ist auf Grund des § 415 in Abwesenheit des Beschuldigten verhandelt worden, so sind diejenigen Teile der Hauptverhandlung zu wiederholen, bei denen der Beschuldigte nicht zugegen war.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn sich im Sicherungsverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt, daß der Beschuldigte verhandlungsfähig ist und das Sicherungsverfahren wegen seiner Verhandlungsunfähigkeit durchgeführt wird.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Kann wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ordnet das Gericht die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung selbständig an, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben ist, im Übrigen vorliegen. Ist sie zugelassen, so kann das Gericht die Einziehung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 selbständig anordnen. Die Einziehung wird nicht angeordnet, wenn Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen oder bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist.

(2) Unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c ist die selbständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages und die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages auch dann zulässig, wenn die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Unter den Voraussetzungen der §§ 74b und 74d gilt das Gleiche für die selbständige Anordnung der Sicherungseinziehung, der Einziehung von Verkörperungen eines Inhalts und der Unbrauchbarmachung.

(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn das Gericht von Strafe absieht oder wenn das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zulässt.

(4) Ein wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellter Gegenstand sowie daraus gezogene Nutzungen sollen auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der ihr zugrundeliegenden Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind

1.
aus diesem Gesetz:
a)
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a und Terrorismusfinanzierung nach § 89c Absatz 1 bis 4,
b)
Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1,
c)
Zuhälterei nach § 181a Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,
d)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 2,
e)
gewerbs- und bandenmäßige Begehung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit nach den §§ 232 bis 232b sowie bandenmäßige Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach den §§ 233 und 233a,
f)
Geldwäsche nach § 261 Absatz 1 und 2,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Fall des § 374 Absatz 2,
3.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
4.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18,
6.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
7.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Absatz 1 bis 3 und § 20 Absatz 1 und 2 sowie § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Absatz 1 bis 3,
8.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Absatz 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Absatz 5 und 6.

Führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durch, so kann sie den Antrag stellen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie als Nebenfolge die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig ist und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist (Sicherungsverfahren).

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.