Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2019 - 1 StR 112/19

bei uns veröffentlicht am27.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 112/19
vom
27. Juni 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:270619B1STR112.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 27. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 1. Oktober 2018 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision der Beschuldigten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die Beschuldigte spätestens seit 2009 unter paranoider Schizophrenie. Infolge ihrer Wahnvorstellungen und Verfolgungsängste fühlte sie sich durch zufällig angetroffene Kinder sowie Jugendliche bedroht und griff diese in vier Fällen im Zeitraum vom 16. September 2017 bis 28. Dezember 2017 unter Beleidigungen bzw. bei einer Tat unter Anspucken an: In einem Fall traf sie mit einem Regenschirm eine Mutter , die sich schützend vor ihre Tochter stellte, an der Schulter. Im zweiten Fall schubste die Beschuldigte ein Mädchen, verfehlte es mit dem Schirm und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Schulter sowie den Oberarm. Bei der dritten Tat schlug die Beschuldigte einem Jungen mehrere Zeitungen auf den Kopf. Im vierten Fall hieb sie mit dem Schirm gegen die Beifahrertür eines Wagens, in welchen sich ein Mädchen gesetzt hatte, das die Beschuldigte zu Unrecht des Diebstahls bezichtigte. Die Beschuldigte konnte in allen Fällen infolge der paranoiden Schizophrenie das Unrecht ihrer Taten nicht einsehen.

II.


3
Die Unterbringungsentscheidung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Gefahrenprognose ist nicht tragfähig begründet.
4
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die besonders gravierend in die Rechte des Betroffenen eingreift. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass vom Täter infolge seines fortdauernden Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer see- lisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu stellen und hat sich darauf zu erstrecken , ob und welche rechtswidrigen Taten vom Täter infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz ) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16 Rn. 6). Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 22. Mai 2019 – 5 StR 683/18 Rn. 15; vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18 Rn. 17 und vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 Rn. 12). An die Darlegung der künftigen Gefährlichkeit sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 Rn. 8 und vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06 Rn. 8).
5
Der Umstand, dass ein Täter trotz bestehender Grunderkrankungen in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann dabei ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten sein und ist deshalb regelmäßig zu erörtern (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2019 – 4 StR 135/19 Rn. 6; vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 Rn. 11 und vom 9. Mai 2019 – 5 StR 109/19 Rn. 14; Urtei- le vom 22. Mai 2019 – 5 StR 99/19 Rn. 9 und vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99 Rn. 5, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27).
6
2. Daran gemessen erweisen sich die Erwägungen, mit denen das Landgericht seine Gefahrenprognose begründet hat, als lückenhaft. Denn die Strafkammer hätte sich auch mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass die Beschuldigte trotz ihrer psychischen Erkrankung seit 2009 während nennenswerter Zeiträume, so etwa von Ende Oktober 2013 bis Mai 2015 oder von Mitte Mai 2015 bis zur ersten hier gegenständlichen Tat vom 16. September 2017, keine vergleichbaren Taten beging. Zudem bleibt unerörtert, wie sich die Beschuldigte innerhalb der in dieser Sache angeordneten einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO) verhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – 5 StR 99/19 Rn. 9), auch wenn diese Freiheitsentziehung bis zur Urteilsverkündung nur drei Monate umfasste.
7
3. Die Feststellungen sind von dem Erörterungsmangel nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird sich überdies eingehender mit der Erheblichkeit der Anlasstaten und der zu erwartenden Taten auseinanderzusetzen und sie zu werten haben. Es kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern diese den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.
VRiBGH Dr. Raum befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert, zu unterschreiben. Jäger Jäger Hohoff Leplow Pernice

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2019 - 1 StR 112/19 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrisc

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

6
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 311/13; vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 3. Juni 2015 – 4 StR 167/15) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustandes drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27).
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a) Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Satz 1 StGB kommt als außerordentlich beschwerende Maßnahme nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, NStZ-RR 2019, 41, 42; vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 Rn. 12, und vom 10. April 2014 – 4 StR 47/14 Rn. 14; Beschlüsse vom 31. Oktober 2018 – 3 StR 432/18 Rn. 6 und vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338, jeweils mwN). Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung solcher Taten erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2018 – 1 StR 36/18 Rn. 25 und vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Die Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, aaO, mwN).
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a) Eine Unterbringung nach § 63 Satz 1 StGB kommt nur dann in Betracht , wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei muss es sich um Taten handeln, die zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18, Rn. 12 mwN). Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 – 1 StR 36/18, Rn. 25; Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 618/16, BGHR StGB § 63 Beweiswürdigung 2; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Die zu stellende Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, NStZ 2013, 424 mwN). Dabei sind neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung auch die auf die Person des Täters und seine konkrete Le- benssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können, einzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76, 77; Beschluss vom 7. Juni 2016 - 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. mwN).
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Dementsprechend ist nach wie vor davon auszugehen, dass nur solche Taten als erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen sind, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Das kommt bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, 514; BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 25. April 2012 - 4 StR 81/12, juris Rn. 5), ist indes stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen (BT-Drucks. aaO, S. 18; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus; das gilt beispielsweise für eine einfache Ohrfeige (BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 StR 304/12, juris Rn. 4 f.), das Ziehen an den Haaren, einen Stoß gegen die Brust oder einen Kniff ins Gesäß (BT-Drucks. aaO, S. 19). Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "schwer" geschädigt werden (BT-Drucks. aaO, S. 19). Dementsprechend sind etwa Faustschläge ins Gesicht in der Regel bereits mittlerer Kriminalität zuzurechnen , insbesondere wenn sie Platzwunden zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10, juris).

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

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Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,
6
1. Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass von dem Täter infolge seines fortdauernden Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Täter infolge seines Zustandes drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12, Rn. 27; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 mwN). Der Umstand, dass ein Täter trotz bestehender Grunderkrankung in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann dabei ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten sein und ist deshalb regelmäßig zu erörtern (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2019 – 4 StR 419/18, Rn. 13; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit
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Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,
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Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 5 StR 602/13, NJW 2014, 565, 566). Dabei ist in diese Würdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Taten einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 28. August 2012 – 5 StR 295/12, NStZ-RR 2012, 366, 367; vom 10. Dezem- ber 2014 – 2 StR 170/14, NStZ 2015, 387, 388 mwN; Beschlüsse vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338). Danach hätte die Strafkammer auch in Bezug auf die Gefährlichkeitsprognose den Umstand nicht unerörtert lassen dürfen, dass der Beschuldigte seit seinem Eintreffen in Deutschland und damit in einem Zeitraum, in dem bei ihm nach der Annahme des Sachverständigen die diagnostizierte psychische Störung schon vorgelegen haben soll, strafrechtlich unauffällig geblieben ist.
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Das gilt namentlich für die von der Beschwerdeführerin beanstandete Gefährlichkeitsprognose. Das Landgericht hat dabei – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2016 – 2 StR 108/16) – auf die bisherige Zeit der Erkrankung, das Verhalten der Be- schuldigten in der einstweiligen Unterbringung und die erstmalige Auffälligkeit mit einer rechtswidrigen Tat im Alter von 52 Jahren trotz bereits 14 Jahre dauernder Krankheit abgestellt. Zudem hat es zutreffend gesehen, dass die bloße Möglichkeit der krankheitsbedingten Begehung rechtswidriger Taten, wie sie die Sachverständige formuliert hat („kommen könne“), die Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtfertigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2015 – 2 StR 393/14, NStZ-RR 2015, 306, 307; BVerfG, Beschluss vom 22. August 2017 – 2BvR 2039/16). Die Strafkammer hat damit eine höhergradige Wahrscheinlichkeit der krankheitsbedingten Begehung erheblicher Straftaten rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

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Das gilt namentlich für die von der Beschwerdeführerin beanstandete Gefährlichkeitsprognose. Das Landgericht hat dabei – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2016 – 2 StR 108/16) – auf die bisherige Zeit der Erkrankung, das Verhalten der Be- schuldigten in der einstweiligen Unterbringung und die erstmalige Auffälligkeit mit einer rechtswidrigen Tat im Alter von 52 Jahren trotz bereits 14 Jahre dauernder Krankheit abgestellt. Zudem hat es zutreffend gesehen, dass die bloße Möglichkeit der krankheitsbedingten Begehung rechtswidriger Taten, wie sie die Sachverständige formuliert hat („kommen könne“), die Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtfertigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2015 – 2 StR 393/14, NStZ-RR 2015, 306, 307; BVerfG, Beschluss vom 22. August 2017 – 2BvR 2039/16). Die Strafkammer hat damit eine höhergradige Wahrscheinlichkeit der krankheitsbedingten Begehung erheblicher Straftaten rechtsfehlerfrei abgelehnt.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.