Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2015 - 4 StR 89/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitung pornographischer Schriften in 27 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
- 2
- Die Begründung, mit der die Strafkammer eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt hat, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
- 3
- 1. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist ebenso wie die Strafzumessung Aufgabe des Tatrichters. Ihm kommt bei der Beurteilung der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – 4 StR 699/10, Rn. 11 mwN).
- 4
- Im vorliegenden Fall weist die Begründung der Strafkammer jedoch einen durchgreifenden Erörterungsmangel auf, weil sie sich nicht mit der Frage befasst hat, ob die Weisung, sich einer sexualtherapeutischen Therapie zu unterziehen (§ 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB), zu einer noch ausreichenden positiven Sozialprognose führen kann. Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung bereit erklärt, eine Therapie zu machen, und hat in der Justizvollzugsanstalt an einer Gesprächsgruppe teilgenommen. Die Strafkam- mer hat demgegenüber „den Eindruck gewonnen, dass es nicht zu einer ge- danklichen Auseinandersetzung mit den Taten und ihren Ursachen beim Angeklagten gekommen ist und eine ernsthafte Motivation zum Beginn einer thera- peutischen Aufarbeitung nicht besteht“. Es kann dahinstehen, ob dieser Ein- druck des Tatrichters ausreichend mit Tatsachen belegt ist. Denn auch in diesem Fall hätte die Strafkammer in Betracht ziehen müssen, die Zusage des Angeklagten , sich einer Therapie zu unterziehen, durch eine Weisung nach § 56c Abs. 3 StGB abzusichern. Gerade angesichts seines von der Kammer unterstellten taktischen Verhaltens wäre zu erörtern gewesen, ob der Angeklagte unter dem Druck der Möglichkeit eines Bewährungswiderrufs (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB) zur Durchführung einer Therapie bewogen werden und damit der Rückfallgefahr hinreichend begegnet werden kann.
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- 2. Schließlich begegnet auch die Begründung, mit welcher besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint wurden, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 6
- Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, „nach Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände schon aufgrund des längeren Tatzeitraums und der Vielzahl der begangenen Taten nicht vor“. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Begründung den Anforde- rungen, die an die gebotene Gesamtschau von Tat und Täterpersönlichkeit zu stellen sind, in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich noch gerecht wird. Das Landgericht hat zwar auf eine Strafe erkannt, welche die Grenze möglicher Strafaussetzung erreicht und bei der die Begründungsanforderungen an die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB regelmäßig geringer sind (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 389/03, StV 2004, 479). Bei der Beurteilung ist jedoch auch von Bedeutung, ob erwartet werden kann, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen (BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – 4 StR 323/06, NStZ-RR 2006, 375, 376 mwN). Da die Strafkammer hier schon die ungünstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hat, ist auch die Verneinung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB mit einem Mangel behaftet.
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- Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; sie dürfen durch solche, die ihnen nicht widersprechen, ergänzt werden.
Mutzbauer Bender
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(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,
- 1.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen, - 2.
sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden, - 3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, - 4.
bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder - 5.
Unterhaltspflichten nachzukommen.
(3) Die Weisung,
- 1.
sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder - 2.
in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,
(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
- 1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, - 2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder - 3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
- 1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder - 2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe wendet. Dagegen hat die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung dieser Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen, keinen Bestand.
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- Die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint hat, begegnet schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil es sich nicht damit befasst hat, ob dem Angeklagten - was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt - eine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann. Über diese Frage ist jedoch vorab zu befinden, denn die Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, ist auch bei der Beurteilung von Bedeutung , ob besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB vorliegen (BGH StV 2003, 670; NStZ 1997, 434). Auf diesem Mangel kann hier die Entscheidung beruhen, weil nicht auszuschließen ist, dass der Tatrichter dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt und bei Würdigung dieses Gesichtspunktes im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hätte. Zudem liegen neben dem - allerdings erst nach Durchführung der Beweisaufnahme abgelegten – Geständnis des Angeklagten und seinen als Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Abs. 1 StGB gewerteten Wiedergutmachungsbemühungen weitere mildernde Gesichtspunkte vor. Die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten und seine familiäre Situation als ernährender Familienvater sind aber nicht nur für die Festsetzung der Strafe von Bedeutung, sondern hätten auch bei der Prüfung der Persönlichkeit des Angeklagten nach § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB in die erforderliche Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden müssen. Über die Bewährungsfrage ist daher nochmals zu befinden.
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- Einer Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig. Maatz RiBGH Prof. Dr. Kuckein ist Athing urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz Ernemann Sost-Scheible
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.