Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2006 - 4 StR 323/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe wendet. Dagegen hat die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung dieser Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen, keinen Bestand.
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- Die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint hat, begegnet schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil es sich nicht damit befasst hat, ob dem Angeklagten - was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt - eine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann. Über diese Frage ist jedoch vorab zu befinden, denn die Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, ist auch bei der Beurteilung von Bedeutung , ob besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB vorliegen (BGH StV 2003, 670; NStZ 1997, 434). Auf diesem Mangel kann hier die Entscheidung beruhen, weil nicht auszuschließen ist, dass der Tatrichter dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt und bei Würdigung dieses Gesichtspunktes im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hätte. Zudem liegen neben dem - allerdings erst nach Durchführung der Beweisaufnahme abgelegten – Geständnis des Angeklagten und seinen als Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Abs. 1 StGB gewerteten Wiedergutmachungsbemühungen weitere mildernde Gesichtspunkte vor. Die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten und seine familiäre Situation als ernährender Familienvater sind aber nicht nur für die Festsetzung der Strafe von Bedeutung, sondern hätten auch bei der Prüfung der Persönlichkeit des Angeklagten nach § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB in die erforderliche Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden müssen. Über die Bewährungsfrage ist daher nochmals zu befinden.
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- Einer Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig. Maatz RiBGH Prof. Dr. Kuckein ist Athing urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Maatz Ernemann Sost-Scheible
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.