Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 4 StR 7/11

bei uns veröffentlicht am13.04.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 7/11
vom
13. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Bochum bei dem Amtsgericht Recklinghausen vom 21. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 200 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 100 Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 200 Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 100 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollstrecken ist.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision; er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Den Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer die Verletzung von § 244 Abs. 3 StPO beanstandet, bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Februar 2011 der Erfolg versagt.

II.


4
Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes zum Nachteil der Nebenklägerin A. M. verurteilt hat (UA 6/7), hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
5
Die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 200 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 100 Fällen wegen der Taten zum Nachteil seiner Tochter C. S. begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
7
a) Spätestens ab dem 24. September 1997 (Vollendung des siebten Lebensjahres ) kam es bis Ende 2000 zu einer Vielzahl von sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf seine Tochter C. . Er suchte sie, in der Regel in alkoholisiertem Zustand, mindestens zweimal wöchentlich abends in dem Kinderzimmer auf, in dem sie und ihre Schwester J. schliefen, während seine Ehefrau entweder überhaupt nicht anwesend war oder, was häufig vorkam, im Wohnzimmer nächtigte. Er legte sich zu dem Kind ins Bett, zog es aus und berührte es am ganzen Körper, auch im Brust- und Genitalbereich. Ferner veranlasste er die Nebenklägerin, ihn ihrerseits im Genitalbereich anzufassen. Mindestens dreimal führte er in diesem Tatzeitraum auch den Finger in ihre Scheide ein. Im Jahr 2000 kam es dazu, dass der Angeklagte mehrfach wöchentlich entweder mit einem Finger in der Scheide seiner Tochter manipulierte oder diese veranlasste, seinen Penis in ihren Mund zu nehmen und an seinen Hoden zu lecken.
8
b) Der Angeklagte, zu dessen Gunsten das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht ausschließen konnte, hat die ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe bestritten. Die Strafkammer hat ihren Feststellungen die Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung zu Grunde gelegt, die, so die Urteilsgründe, "weitestgehend" den Aussagen der Geschädigten bei der Polizei und bei ihrer richterlichen Vernehmung entsprachen. Soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt worden ist, hat das Landgericht einen Tatzeitraum vom 24. September 1997 bis 2000 zu Grunde gelegt und die Strafverfolgung durch Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO auf 200 Fälle in diesem Zeitraum beschränkt. Im Hinblick auf die drei Taten , in denen der Angeklagte, wie bereits dargelegt, auch seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin einführte, ist das Landgericht ebenfalls gemäß § 154 Abs. 2 StPO verfahren.
9
2. Die vom Landgericht zum Tatzeitraum getroffenen Feststellungen genügen nicht den Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO an die Urteilsgründe zu stellen sind.
10
In Fällen, in denen dem Angeklagten eine Vielzahl sexueller Übergriffe zur Last gelegt wird, die erst nach Jahren aufgedeckt werden, dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vermeidung gewichtiger Strafbarkeitslücken an die Individualisierung der einzelnen Missbrauchshandlungen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. März 1994 - 3 StR 18/94, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 5; Senatsbeschluss vom 6. September 1994 - 4 StR 485/94, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 9). So ist es grundsätzlich methodisch zulässig, wenn der Tatrichter, ausgehend vom Gesamtbild des Geschehensablaufs, für einen festliegenden Zeitraum die sichere Überzeugung von einer Mindestzahl nicht notwendig durch individuelle Merkmale voneinander unterscheidbarer Einzeltaten gewinnt (Senatsbeschluss aaO mwN).
11
Danach ist es im vorliegenden Fall im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf der Grundlage der in tatrichterlicher Verantwortung geprüften und für sich genommen rechtsfehlerfrei bejahten Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten vor dem Hintergrund eines regelmäßig wiederkehrenden Geschehens im Kinderzimmer von einer bestimmten Anzahl an Einzeltaten überzeugt hat. Die Ausführungen zum Tatzeitraum begegnen indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Vor allem fehlt es an einem hinreichend bestimmten Endzeitraum. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass es spätestens ab dem 24. September 1997, dem Tag der Vollendung des siebten Lebensjahres der Geschädigten, bis "Ende 2000" zu einer Vielzahl sexueller Übergriffe kam. Sind damit ersichtlich zusammenfassend sämtliche sexuellen Übergriffe zum Nachteil der Geschädigten C. S. gemeint, beziehen sich die nachfolgenden Urteilsfeststellungen zunächst auf die 200 Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Sodann stellt das Landgericht für den Zeitpunkt "im Jahr 2000" ohne genauere Bestimmung eines Anfangs- und eines Endzeitpunktes fest, dass sich weitere 100 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs anschlossen. Diese Ausführungen genügen schon für sich genommen nicht den Anforderungen an die hinreichend präzise Feststellung eines Tatzeitraums; der Angeklagte ist dadurch in seinen Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber den einzelnen Tatvorwürfen unangemessen beschränkt. Es kommt im vorliegenden Fall aber noch hinzu, dass der Tatzeitraum in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage, die der Senat von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen hat, auf die "Zeit vom 24.09.1997 bis zum 08.03.2001" festgelegt worden ist. Die Gründe für die Verkürzung des Tatzeitraums sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Ob sie von der vom Landgericht in den Urteilsgründen erwähnten Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154 Abs. 2 StPO gedeckt ist, kann der Senat in Ermangelung einer genaueren Begründung für die Einstellung nicht nachprüfen.
12
Wegen des Wegfalls der insoweit verhängten Einzelstrafen ist auch über die Höhe der Gesamtstrafe neu zu befinden.
13
3. Der Senat hebt zugleich den Ausspruch über die Maßregel auf.
14
a) Auf der Grundlage der zum Werdegang, zu den Vorstrafen und zu den abgeurteilten Taten getroffenen Feststellungen hat das Landgericht, sachverständig beraten, den gemäß § 64 Satz 1 StGB erforderlichen Hang, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, ebenso rechtsfehlerfrei bejaht wie den symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Tat. Auch die Prognoseentscheidung der Strafkammer ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Indessen sind die Voraussetzungen für die gemäß § 64 Satz 2 StGB geforderte hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges nicht dargetan.
15
b) Zwar steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Tatsache , dass ein Täter bereits eine Therapie absolviert hat und rückfällig geworden ist, der Erfolgsaussicht einer neuen Therapie regelmäßig nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 1996 - 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131). Es kann dahin stehen, ob bei einem mehrfachen Therapieabbruch oder einem Rückfall nach jeweils erfolgreicher Absolvierung mehrerer Therapien in der Regel eine andere rechtliche Bewertung veranlasst ist (vgl. dazu Senat aaO). Jedenfalls im vorliegenden Fall durfte sich das Landgericht nicht auf die bloße Mitteilung des Ergebnisses der Bewertung des Sachverständigen beschränken, es bestehe trotz der bisher erfolglosen Behandlungen die "hinreichende Aussicht , die Abhängigkeit des Angeklagten zu heilen". Der Beschwerdeführer hat über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren hinweg neben stationären Aufenthalten zur Behandlung psychischer Erkrankungen eine außergewöhnlich hohe Zahl stationärer Entwöhnungstherapien von unterschiedlicher Dauer ohne durchgreifenden Erfolg absolviert. Die gleichwohl für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte, zu denen auch der - vom Landgericht nicht erörterte - Grad der Therapiewilligkeit des Angeklagten gehört (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141), hätten daher einer eingehenderen Darlegung in den Urteilsgründen bedurft.

III.


16
Für die neue Verhandlung und Entscheidung bemerkt der Senat:
17
1. Wenn die eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs tragenden Feststellungen, wie regelmäßig und auch im vorliegenden Fall, im Wesentlichen auf den Angaben des Tatopfers aus Anlass verschiedener Vernehmungen im Ermittlungsverfahren sowie auf der Einvernahme als Zeugin in der Hauptverhandlung beruhen, kann eine Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Aussagen etwa bei der polizeilichen Vernehmung und vor dem Ermittlungsrichter zweckmäßig sein, um dem Revisionsgericht eine nähere Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2000 - 1 StR 156/00, NStZ 2000, 496). Die Urteilsgründe müssen in solchen Fällen auch erkennen lassen, ob und in welchem Umfang von der rechnerisch ermittelten Gesamtzahl der Taten nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falles Abzüge vorgenommen werden müssen (Senatsbeschluss vom 6. September 1994 aaO).
18
2. Sollte die zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zur Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kommen, wird bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 2, 3 StGB zu beachten sein, dass eine Kürzung der Dauer des Vorwegvollzugs um die Dauer der erlittenen Untersuchungshaft nicht zulässig ist (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171).
Ernemann RinBGH Solin-Stojanović befindet Roggenbuck sich im Ruhestand und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Franke Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 516/09
vom
15. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
15. Dezember 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 44 Fällen, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung unter Einbeziehung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der 33-jährige Angeklagte bereits im Alter von 12 Jahren Cannabis und - nach verschiedenen anderen Betäubungsmitteln - alsbald auch größere Mengen Amphetamin. In der Zeit von 1991 bis 2003 wurden gegen ihn insgesamt sechs strafrechtliche Sanktionen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verhängt, darunter eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten wegen 66 Fällen der Einfuhr von und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Nach einer im August 2003 regulär abgeschlossenen sechsmonatigen Entwöhnungstherapie wurde er wieder rückfällig. Spätestens seit 2007 konsumierte er drei bis vier Gramm Amphetamin täglich.
3
Trotz der Feststellung, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aufgrund einer bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit und zur Finanzierung seines Eigenkonsums beging , hat das Landgericht - ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen - die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgelehnt, weil für eine solche Maßnahme keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht bestehe. Nach Darlegung der Modalitäten einer Unterbringung im Maßregelvollzug habe der Angeklagte erklärt, nicht bereit zu sein, sich auf eine mehrjährige Behandlung einzulassen und sich gegenüber einem Therapeuten zu öffnen. Wegen seiner kompromisslos ablehnenden Haltung lasse sich eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Entwöhnungsbehandlung nicht feststellen.
4
2. Diese Begründung trägt das Absehen von der Maßregelanordnung nach § 64 Satz 2 StGB nicht.
5
Das bloße Abstellen auf das Fehlen eines Therapiewillens lässt außer Acht, dass dieser Umstand die Unterbringung nach § 64 StGB nicht ohne weiteres hindert. Zwar kann eine nicht vorhandene Therapiemotivation ein Indiz für unzureichende Erfolgschancen der Entwöhnungsbehandlung sein. Ob der Schluss von einem Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, lässt sich aber nur aufgrund einer - vom Landgericht hier nicht vorgenommenen - Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände beurteilen (BGH NStZ-RR 1997, 34; NJW 2000, 3015, 3016; Beschl. vom 24. März 2005 - 3 StR 71/05; Fischer, StGB 57. Aufl. § 64 Rdn. 20 m. w. N.). Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug kann es gerade auch sein, die Therapiebereitschaft beim Angeklagten überhaupt erst zu wecken (BGH R&P 2008, 55; NStZ-RR 1997, 34). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hängt nicht vom Therapiewillen des Betroffenen ab (BTDrucks. 16/1110 S. 13).
6
3. Da der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Landgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat (vgl. BGHSt 38, 362 f.) und die Maßregel auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts auch nicht aus anderem Grunde ausscheidet, bedarf die Frage ihrer Anordnung der nochmaligen Prüfung durch einen neuen Tatrichter. Unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) werden hierzu insgesamt neue Feststellungen zu treffen sein. Dabei werden auch bisherige Therapieverläufe - der Angeklagte hat 2003 eine Entwöhnungsbehandlung regulär abgeschlossen - sowie die besonderen Bedingungen einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in den Blick zu nehmen sein.
7
Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, dass ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5).
8
Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung des Urteils nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, dass im Falle der Unterbringung gegen den Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt worden wäre.
Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 156/00
vom
23. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2000 gemäß § 349
Abs.4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 13. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte im Sommer 1996 in zwei Fällen sexuelle Handlungen an seiner zur Tatzeit 13 Jahre alten Nichte L. B. vorgenommen. Der erste Vorfall spielte sich in einem im Garten aufgestellten Zelt ab. Dort übernachteten L. B. und die zwei Jahre jüngere Tochter des Angeklagten S. . Die Kinder entdeckten eine Spinne und riefen ängstlich den Angeklagten herbei, der die Spinne beseitigte. Da die Kinder weiter Angst hatten, blieb der Angeklagte über Nacht bei ihnen
im Zelt; er legte sich zwischen die Mädchen. In der Folgezeit faßte er L. B. mit der Hand unter dem Schlafanzug an die Scheide. Der zweite Vorfall ereignete sich einige Tage später im Schlafzimmer des Angeklagten, wo dieser – bekleidet mit einer kurzen Hose und einem T-Shirt – auf dem Bett liegend fernsah. L. B. und S. kamen hinzu und legten sich links und rechts neben den Angeklagten aufs Bett. Nach einiger Zeit schickte der Angeklagte S. weg; sie sollte Zigaretten holen. Als der Angeklagte mit L. – die mit einer Unterhose und einem T-Shirt bekleidet war – allein war, zog er das Mädchen auf sich und bewegte es mehrfach mit beischlafähnlichen Bewegungen auf und ab.
2. Der Angeklagte hat die sexuellen Handlungen bestritten. Das Landgericht stützt sich bei seiner Überzeugungsbildung im wesentlichen auf die belastenden Bekundungen L. s. Es hält – in Übereinstimmung mit der Glaubwürdigkeitsgutachterin – die Aussage der Zeugin für glaubhaft.
L. habe zwar das Tatgeschehen nur knapp geschildert; das sei aber auf das in sich gekehrte und ängstliche Wesen der Zeugin zurückzuführen. Für eine zuverlässige Aussageanalyse liege gleichwohl ein hinreichend guter quantitativer Detailreichtum vor. Auch seien die Aussagen der Zeugin seit ihrer Erstaussage gegenüber dem Zeugen B. B. , einem weiteren Onkel der Zeugin, konstant geblieben.
Bei der Aussageentstehung sei das ängstliche Wesen der Zeugin zu bedenken. So erkläre sich auch, warum sie die Vorfälle für eine lange Zeit zunächst für sich behalten habe. Erst der Aufruhr, welcher durch den von der Zeugin verübten Diebstahl der Geldbeutel der Töchter des Angeklagten ent-
standen sei, habe ihr Anlaß und Gelegenheit gegeben, sich über die sexuellen Handlungen zu offenbaren. Den Diebstahl habe sie verübt, um zu erreichen, daß sich ihre Familie und die des Angeklagten entzweien; so habe sie zukünftige Begegnungen mit dem Angeklagten verhindern wollen. Die Aufdeckung des Diebstahls scheide mithin als Motiv für eine Falschbelastung aus. Die sexuellen Handlungen habe die Zeugin nicht deshalb offenbart, um den Diebstahl zu rechtfertigen.
Eine Beeinflussung der Zeugin durch Verwandte schließt die Kammer aus. Dies gelte insbesondere für ihre Tante E. , die ihrerseits dem Angeklagten vorwarf, er habe sich vor über 20 Jahren an ihr sexuell vergangen. Auch die Aussagesituation – die starke emotionale Beteiligung der Zeugin in der Hauptverhandlung – spreche für ihre Glaubwürdigkeit. Schließlich sei die Zeugin hinreichend aussagetüchtig, und es sei höchst unwahrscheinlich , daß sie derartige Angaben erfinden könne.
Der Entlastungsaussage von S. glaubt das Landgericht nicht. Diese hatte bekundet, der Angeklagte habe in beiden Fällen nicht in der Mitte, sondern neben ihr gelegen. Von sexuellen Handlungen habe s ie nichts bemerkt , auch sei sie nicht aus dem Schlafzimmer zum Zigarettenholen gegangen. Zwar habe S. auch B. B. gegenüber, der sie auf die Übernachtungen angesprochen hatte, die Vorgänge so geschildert. Diese ”Aussagekonstanz” führe indes nicht zur Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, denn S. habe sich schon vor der ersten Befragung durch B. B. mit den Vorwürfen auseinandersetzen können. Aufgrund einer Frage L. s an sie nach der Übernachtung im Zelt, was es mit der Berührung der Scheide auf sich habe , hätte S. geahnt, was in jener Nacht vor sich gegangen sein mußte.

II.

1. Anklage und Eröffnungsbeschluß sind wirksam; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift Bezug genommen.
2. Das angefochtene Urteil enthält durchgreifende Beweiswürdigungsfehler. In einem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 108).

a) So ist es in Fällen der vorliegenden Art in aller Regel erforderlich, die Entstehung und Entwicklung der Aussage aufzuklären (BGH, Urteil vom 17. August 1999 – 1 StR 293/99 –; BGHSt 45, 164; BGH NStZ 1995, 558; NStZ 1996, 295; StV 1998, 250; StV 1999, 307; NStZ-RR 1999, 108). Das gilt vor allem dann, wenn ein Zusammenhang mit familiären Auseinandersetzungen nicht von vornherein auszuschließen ist (BGH NStZ 1999, 45). Wenn zudem – was hier ersichtlich der Fall ist – vor Beginn der strafrechtlichen Ermittlungen ”private Befragungen” zu den Tatvorwürfen erfolgt sind, so ist der Beweiswert belastender Angaben – insbesondere vor dem Hintergrund familiärer Auseinandersetzungen und bei dem Kind möglicherweise geweckter Erwartungen zum Inhalt seiner Aussage – besonders kritisch zu prüfen. Zur erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, sind die Erkenntnisquellen zur Aussageentstehung auszuschöpfen
(vgl. BGH NStZ 1995, 558). In solchen Fällen ist auch die Aussagemotivation kritisch zu prüfen (vgl. BGHSt 45, 164).

b) Diesen erhöhten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
aa) Die Aussageentstehung ist nur sehr knapp geschildert, wenn es heißt, erst der Aufruhr, welcher durch das Verschwinden der Geldbeutel entstanden war, habe L. Anlaß und Gelegenheit gegeben, sich zu offenbaren. Der Zeitpunkt des ”Aufruhrs” und die Umstände der Strafanzeige werden nicht mitgeteilt. Eher beiläufig erfährt man, daß die Zeugin die ”Erstaussage” gegenüber ihrem Onkel B. B. gemacht hat. Wie es zu der Erstaussage – vor allem im Zusammenhang mit dem Anlaß ”Diebstahlsvorwurf innerhalb der Familie” – gekommen ist, wird pauschal damit wiedergegeben, daß B. B. den Hintergrund der ersten Ä ußerungen beschrieben habe (UA S. 8). Der Inhalt jener Erstaussage – auf deren Konstanz mit späteren Aussagen das Landgericht abhebt – wird nicht einmal im Aussagekern wiedergegeben.
Das Landgericht begründet nicht näher, warum die Schilderung der Zeugin glaubhaft sei, sie habe mittels des Diebstahls die Familien entzweien und dadurch weitere sexuelle Übergriffe verhindern wollen. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Zwietrachtmotiv schon deshalb nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, weil die Zeugin den Diebstahl ersichtlich erst nach dem ”Aufruhr” zwischen den Familien offenbart hat. Schon deshalb konnte der Ausschluß des Falschbelastungsmotivs ”Rechtfertigung für den Diebstahl” nicht allein mit der Persönlichkeit der Zeugin begründet werden.
bb) Da der wesentliche Inhalt der – hier entscheidungserheblichen – Erstaussage nicht mitgeteilt wird, ist auch die Begründung der Glaubhaftigkeit mit der Aussagekonstanz (im Kerngeschehen, vgl. BGH NStZ 2000, 217) einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Zudem waren die rechtsfehlerfrei festgestellten (siehe unten) Bekundungen der Zeugin zum Kerngeschehen offenbar nicht so detailliert, daß die angenommene Widerspruchsfreiheit (UA S. 9) hinreichend aussagekräftig ist. In diesem Zusammenhang wäre zudem zu erörtern gewesen, inwieweit die Aussage der Zeugin zum Kern des Geschehens durch intensive ”private Befragungen” im Familienkreis beeinflußt und die ”Erinnerung” der Zeugin durch nachfolgende Informationen ”überschrieben” wurde.
cc) In diesem Fall wäre auch eine Aussageanalyse anhand von Realitätskriterien wenig aussagekräftig (BGHSt 45, 164). Hinzu kommt, daß die Zeugin das (sexuelle) Kerngeschehen – jedenfalls nach der Darstellung im Urteil – keineswegs signifikant detailreich geschildert hat. Die Erwähnung der Spinne ist zwar ein außerordentlich originelles Detail, auch im Zusammenhang mit dem Anlaß für das Übernachten des Angeklagten, allerdings ist es nicht untrennbar mit dem sexuellen Kerngeschehen verflochten. Dem Urteil lassen sich als einzige tatbezogene Glaubwürdigkeitskriterien ”eigene psychische Vorgänge” und ”vermutete psychische Vorgänge des Angeklagten während des Tatgeschehens” entnehmen; diese werden aber nicht näher beschrieben. Ob das geschilderte Gespräch zwischen der Zeugin und S. nach der Nacht im Zelt (UA S. 4) – ein signifikantes Gesprächskennzeichen – tatsächlich und auch mit diesem Inhalt stattgefunden hat , wird keiner Beweiswürdigung unterzogen (UA S. 8 einerseits und UA S. 10 andererseits).
dd) Da schon diese Erörterungs- und Begründungsmängel zur Aufhebung des Urteils führen müssen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beanstandung der Revision zutrifft – was auch der Generalbundesanwalt annimmt –, bei der Würdigung der Aussage S. s im Zusammenhang mit diesem Gespräch liege ein Zirkelschluß vor.
Maul Granderath Nack Boetticher Schluckebier

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 504/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Juni 2009, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von insgesamt drei Jahren und neun Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es bestimmt, dass zwei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten , mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führt zu einer geänderten Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. Oktober 2009 verwiesen. Auch der auf § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) gestützte Ausspruch, dass ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen ist, hält als solcher sachlich -rechtlicher Nachprüfung stand.
3
2. Indessen kann die Entscheidung des Landgerichts über die Dauer des Vorwegvollzugs nicht bestehen bleiben.
4
a) Dass der Maßregelausspruch nach dem Willen des Beschwerdeführers vom Revisionsangriff ausgenommen sein soll, steht dem nicht entgegen. Ob die Beschränkung des Rechtsmittels die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe hier überhaupt erfasst (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 StR 374/07 Tz. 4 a.E.), kann letztlich dahinstehen ; denn die Beschränkung ist insgesamt unwirksam, weil der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift. In einem solchen Fall kann mit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der Unterbringung nach § 64 StGB verzichtet werden, da die Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung ist (BGH, Beschluss vom 26. August 2009 - 2 StR 302/09).
5
b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung über die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe zwar ausdrücklich der Gesetzeslage nach Neufassung des § 67 Abs. 2 StGB Rechnung tragen wollen. Aus dieser folgt jedoch, dass im vorliegenden Fall nicht zwei Jahre und neun Monate, sondern drei Jahre und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Erst danach ist unter Berücksichtigung der im Fall des Beschwerdeführers für erforderlich gehaltenen Dauer der Therapie im Maßregelvollzug von zwei Jahren mit dann insgesamt fünf Jahren und neun Monaten die Hälfte der verhängten, sich auf elf Jahre sechs Monate belaufenden Freiheitsstrafe erledigt. Eine Kürzung der Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09).
6
c) Da die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt ist, dass im Fall des Angeklagten die Therapie voraussichtlich zwei Jahre dauern werde und es sich bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhenden Rechenvorgang handelt, kann der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst festlegen (Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - 4 StR 21/08 m.w.N.). Der Angeklagte ist durch diese nachträgliche Entscheidung unter keinen Umständen beschwert (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 105).
7
3. Eine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO war nicht veranlasst, weil das unbeschränkte Rechtsmittel des Angeklagten nur zu einer geringen Änderung des angefochtenen Urteils geführt hat.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke