Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2012 - 4 StR 649/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht Kaiserslautern hat es durch Urteil vom 11. August 2011 abgelehnt, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Eine Entschädigung für die einstweilige Unterbringung hat es ihm versagt. Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte unter dem 13. August 2011, beim Landgericht eingegangen am 18. August 2011, Revision eingelegt. Seine Verteidigerin hat rechtzeitig sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung erhoben. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2011 hat das Landge- richt die Revision des Beschuldigten als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden ist. Gegen diesen Beschluss hat der Beschul- digte „Einspruch“ eingelegt.
- 2
- Nach Eingang der Akten beim Generalbundesanwalt wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Urteilszustellung am 13. September 2011 das Protokoll noch nicht fertiggestellt war. Das Urteil wurde dem Beschuldigten nach Fertigstellung des Protokolls erneut am 13. Januar 2012 mit einer Belehrung über die Notwendigkeit einer formgerechten Revisionsbegründung zugestellt. Mit Schreiben vom 8. Februar 2012, beim Landgericht eingegangen am 13. Februar 2012, legte der Beschuldigte wiederum „Einspruch“ ein.
II.
- 3
- 1. Der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts auszulegende (§ 300 StPO) „Einspruch“ des Beschuldigten gegen den Beschluss vom 31. Oktober 2011 ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.
- 4
- Allerdings führt er zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 – 4 StR 375/06, NJW 2007, 165 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – 2 StR 31/10; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 346 Rn. 3 m.w.N.). Da hier auch eine Verwerfung der Revision mangels Beschwer des Beschuldigten zu prüfen ist, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht.
- 5
- 2. Die Revision ist unzulässig. Da das Landgericht von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen hat, ist der Beschuldigte durch diese Entscheidung nicht beschwert (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 ff.; Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91,BGHSt 38, 4, 7). Eine Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 378 f.). Sie muss sich aus dem Urteilsspruch selbst ergeben, nicht aus den Gründen des Urteils (BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 – 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. vor § 296 Rn. 11 m.w.N.).
- 6
- Dem weiteren Schreiben des Beschuldigten vom 8. Februar 2012, mit dem er erneut „Einspruch“ gegen das Urteil eingelegt hat, kommt keine eigen- ständige Bedeutung als Revisionseinlegung zu, weil er dieses Rechtsmittel bereits rechtzeitig mit Schreiben vom 13. August 2011 eingelegt hatte und hierüber das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 31. Oktober 2011 entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 3 StR 433/09 Rn. 3).
- 7
- 3. Das Revisionsgericht ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung im Urteil gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO nur dann zuständig, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte zulässige Revision zu entscheiden hat, weil nur in diesem Falle der erforderliche enge Zusammenhang zwischen den Rechtsmitteln besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 2008 – 4 StR 414/08, NStZ-RR 2009, 96 und vom 27. Januar 2009 – 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253 jeweils m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.
(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.
(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.
(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.
(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.