Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2012 - 4 StR 649/11

bei uns veröffentlicht am09.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 649/11
vom
9. Mai 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2012 gemäß § 346 Abs. 2,
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf Antrag des Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 31. Oktober 2011 aufgehoben. 2. Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 11. August 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. 3. Über die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Versagung einer Entschädigung des Beschuldigten im Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 11. August 2011 hat das Oberlandesgericht zu entscheiden.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Kaiserslautern hat es durch Urteil vom 11. August 2011 abgelehnt, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Eine Entschädigung für die einstweilige Unterbringung hat es ihm versagt. Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte unter dem 13. August 2011, beim Landgericht eingegangen am 18. August 2011, Revision eingelegt. Seine Verteidigerin hat rechtzeitig sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung erhoben. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2011 hat das Landge- richt die Revision des Beschuldigten als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden ist. Gegen diesen Beschluss hat der Beschul- digte „Einspruch“ eingelegt.
2
Nach Eingang der Akten beim Generalbundesanwalt wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Urteilszustellung am 13. September 2011 das Protokoll noch nicht fertiggestellt war. Das Urteil wurde dem Beschuldigten nach Fertigstellung des Protokolls erneut am 13. Januar 2012 mit einer Belehrung über die Notwendigkeit einer formgerechten Revisionsbegründung zugestellt. Mit Schreiben vom 8. Februar 2012, beim Landgericht eingegangen am 13. Februar 2012, legte der Beschuldigte wiederum „Einspruch“ ein.

II.

3
1. Der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts auszulegende (§ 300 StPO) „Einspruch“ des Beschuldigten gegen den Beschluss vom 31. Oktober 2011 ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.
4
Allerdings führt er zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 – 4 StR 375/06, NJW 2007, 165 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – 2 StR 31/10; Kuckein in KK-StPO, 6. Aufl., § 346 Rn. 3 m.w.N.). Da hier auch eine Verwerfung der Revision mangels Beschwer des Beschuldigten zu prüfen ist, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht.
5
2. Die Revision ist unzulässig. Da das Landgericht von einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen hat, ist der Beschuldigte durch diese Entscheidung nicht beschwert (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 ff.; Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91,BGHSt 38, 4, 7). Eine Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 378 f.). Sie muss sich aus dem Urteilsspruch selbst ergeben, nicht aus den Gründen des Urteils (BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 – 5 StR 499/54, BGHSt 7, 153; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. vor § 296 Rn. 11 m.w.N.).
6
Dem weiteren Schreiben des Beschuldigten vom 8. Februar 2012, mit dem er erneut „Einspruch“ gegen das Urteil eingelegt hat, kommt keine eigen- ständige Bedeutung als Revisionseinlegung zu, weil er dieses Rechtsmittel bereits rechtzeitig mit Schreiben vom 13. August 2011 eingelegt hatte und hierüber das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 31. Oktober 2011 entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 3 StR 433/09 Rn. 3).
7
3. Das Revisionsgericht ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung im Urteil gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO nur dann zuständig, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte zulässige Revision zu entscheiden hat, weil nur in diesem Falle der erforderliche enge Zusammenhang zwischen den Rechtsmitteln besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 2008 – 4 StR 414/08, NStZ-RR 2009, 96 und vom 27. Januar 2009 – 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253 jeweils m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 464 Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde


(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 375/06
vom
5. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2006 gemäß §§ 44 ff.,
346 Abs. 2, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts Essen vom 7. Juli 2006, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Mai 2006 als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil und sein Antrag, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren, werden als unzulässig verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 19. Mai 2006 wegen Urkundenfälschung in sieben Fällen, wegen Betruges in fünf Fällen und wegen versuchten Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag eine Urteilsabsprache zugrunde. Im Anschluss an die Verkündung des Urteils und nach Rechtsmittelbelehrung (Bd. VI Bl. 1427 R d. A.) hat der Ange- klagte auf Rechtsmittel verzichtet. Seine gleichwohl eingelegte Revision hat das Landgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2006 als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden sei. Gegen diesen ihm am 11. Juli 2006 zugestellten Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seinem am 18. Juli 2006 beim Landgericht eingegangenen Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO); außerdem beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
2
1. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen Erfolg.
3
Allerdings führt er zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Zu dieser Entscheidung war das Landgericht nicht befugt. Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grunde ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 346 Rdn. 3 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. BGH NStZ 2000, 217; NStZ-RR 2005, 150; BGH, Beschluss vom 15. März 2005 - 4 StR 17/05; vgl. auch MeyerGoßner StPO 49. Aufl. § 346 Rdn. 2 m.w.N.). Da hier auch eine Verwerfung der Revision wegen des vom Beschwerdeführer erklärten Rechtsmittelverzichts zu prüfen ist, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht.
4
Der nach Urteilsverkündung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angeklagten führt indes nicht zur Unzulässigkeit der Revision, weil er unwirksam ist. Wird - wie hier - eine Urteilsabsprache getroffen, so kann ein Rechtsmittelverzicht nur dann wirksam erklärt werden, wenn dem Betroffenen, der nach § 35a Satz 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, zuvor eine qualifizierte Belehrung über seine fortbestehende Rechtsmittelbefugnis erteilt worden ist (vgl. BGHSt 50, 40 f., 61 f. = NStZ 2005, 389 f.). Dies ist, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, nicht geschehen.
5
Die Revision ist jedoch als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§ 349 Abs. 1 StPO). Die für den Fristbeginn maßgebliche Urteilszustellung (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) ist spätestens am 7. Juni 2006 erfolgt (Bd. VI Bl. 1442 a, 1459). Innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO ist eine Revisionsbegründung nicht abgegeben worden.
6
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, weil die Revisionsbegründung nicht innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO in der durch § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form nachgeholt worden ist.
7
3. Der Senat sah bei der gegebenen Sachlage keinen Anlass, die Akten zunächst an das Landgericht zur Entscheidung über den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung eines Verteidigers zurückzugeben. Dem Angeklagten ist in der ersten Instanz ein Pflichtverteidiger bestellt worden; dessen Beiordnung erstreckt sich auch auf die Einlegung und Begründung der Revision (vgl. Meyer-Goßner aaO § 140 Rdn. 8 m.w.N.). Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann Ri'inBGH Roggenbuck ist wegen Urlaubsabwesenheit verhindert zu unterschreiben. Kuckein

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 414/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2008 gemäß
§ 464 Abs. 1 und 3 StPO beschlossen:
1. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines zurückgenommenen Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1, 2 StPO). 2. Über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidungen über die Entschädigung des Angeklagten und die Kosten im Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 30. Januar 2008 hat das Oberlandesgericht zu entscheiden.

Gründe:


1
Das Revisionsgericht ist für die Entscheidungen über die sofortigen Beschwerden gegen die dem Angeklagten in dem Urteil zugesprochene Entschädigung und die dort getroffene Kostenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO, § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG nur dann zuständig, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte Revision zu entscheiden hat, weil nur in diesem Falle der erforderliche enge Zusammenhang zwischen den Rechtsmitteln besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 – 4 StR 110/05; MeyerGoßner StPO 51. Aufl. § 464 Rdn. 25, § 8 StrEG Rdn. 23). Da der Senat lediglich mit der Revision des Angeklagten befasst war und diese zudem zurück- genommen wurde, hat über die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 592/08
vom
27. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 27. Januar 2009 beschlossen
:
1. Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts
Verden vom 23. Mai 2008 wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
2. Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin
gegen die im vorgenannten Urteil enthaltene Kostenentscheidung
ist das Oberlandesgericht Celle berufen.
3. Der Antrag auf Zulassung der Nebenklage für das Revisionsverfahren
unter Beiordnung von Rechtsanwältin E. ist gegenstandslos.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Ein Schuldspruch wegen eines tateinheitlich zum Nachteil der Nebenklägerin begangenen versuchten Tötungsdelikts und schwerer Körperverletzung ist entgegen dem Vorwurf der Anklageschrift nicht erfolgt, da das Landgericht insoweit zugunsten des Angeklagten einen Mittäterexzess nicht auszuschließen vermocht hat.
2
1. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Nebenklägerin ist unzulässig.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: "Nach der Regelung des § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Deshalb bedarf die Revision des Nebenklägers in der Regel eines Revisionsantrags oder einer Revisionsbegründung , die deutlich macht, dass eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedelikts und damit ein zulässiges Ziel verfolgt wird (BGH Beschl. vom 11. März 2004, 3 StR 493/03; BGH NStZ-RR 2002, 104; BGH Urt. vom 30. Juli 1996, 5 StR 199/96; Meyer-Goßner StPO 51. Auflage § 400 Rdnr. 6). Daran fehlt es hier. Einen Revisionsantrag gemäß § 344 Abs. 1 StPO stellt die Beschwerdeführerin nicht. Auch der Revisionsbegründung kann nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden, dass die Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen versuchten Mordes oder schwerer Körperverletzung erstrebt (vgl. UA S. 10), da lediglich ein nach Ansicht der Revision nicht ordnungsgemäßer Verfahrensablauf sowie die Auslagenentscheidung beanstandet werden (RB v. 28. Mai 2008, S. 1 f; RB v. 8. August 2008, S. 1 f.). Mithin wird insgesamt nicht deutlich, ob die Beschwerdeführerin eine Verurteilung auch wegen eines Nebenklagedelikts erstrebt oder entgegen § 400 Abs. 1 StPO lediglich die Strafzumessung beanstanden will. Ob sich bei Berücksichtigung des Verfahrensgeschehens etwas anderes ergeben hätte, wenn die Nebenklagevertreterin in der Hauptverhandlung beantragt hätte, den Angeklagten wegen versuchten Mordes oder schwerer Körperverletzung zu verurteilen (vgl. dazu BGH Beschl. vom 27. Oktober 1989, 3 StR 148/89), kann dahinstehen , da es an einem Schlussantrag der Nebenklägervertreterin fehlt."
4
2. Da sich der Senat hiernach mit der Revision sachlich nicht zu befassen hat, fehlt ihm als Revisionsgericht die Zuständigkeit für eine Entscheidung über die von der Nebenklägerin weiterhin eingelegte sofortige Beschwerde, mit der sie sich gegen die unterbliebene Entscheidung über die Auslagen der Ne- benklage im Urteil des Landgerichts wendet (vgl. BGH, Beschl. vom 9. November 2000 - 4 StR 425/00 m. w. N.).
5
3. Der Antrag der Nebenklägerin, die Nebenklage für das Revisionsverfahren zuzulassen und ihr Rechtsanwältin E. beizuordnen, ist gegenstandslos. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10. März 2008 die Nebenklage zugelassen und Rechtsanwältin E. gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 2, § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO zum Beistand der Nebenklägerin bestellt. Sowohl die Zulassung der Nebenklage als solche als auch die Beistandsbestellung wirken über die jeweilige Instanz hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort und erstrecken sich somit auch auf die Revisionsinstanz (vgl. BGH NStZ 2000, 552). Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Schäfer