Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2015 - 4 StR 52/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Fall 156 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in 347 Fällen schuldig ist. Die für die Taten 43, 84, 111, 113, 135, 144, 168, 192, 197, 209, 340 und 347 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 360 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall 156 der Urteilsgründe ist aufzuheben und das Verfahren insoweit einzustellen.
- 3
- Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. Februar 2015 Folgendes ausgeführt: „Der Verurteilung im Fall 156 der Urteilsgründe steht entgegen, dass die Kammer in der Hauptverhandlung vom 21. Oktober 2014 sämtliche Abund Umbuchungen unterhalb eines Betrages von 500,00 € und damit auch die Tat 156, die eine Überweisung über 100,00 € betrifft, vorläufig eingestellt hat. Mit dieser Einstellung entstand ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss gemäß § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476). Einen solchen Beschluss hat das Landgericht jedoch nicht erlassen.“
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- Dem schließt sich der Senat an.
- 5
- 2. Ferner hält die Annahme jeweils selbständiger Taten in den Fällen 42 und 43, 81 und 84, 110, 111 und 113, 135 und 136, 144 und 145, 168 und 169, 192 und 193, 197 und 198, 209 und 210, 340 und 341 sowie 346 und 347 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen nutzte der Angeklagte, der im Tatzeitraum als Hausverwalter für 25 Wohnungseigentümergemeinschaften tätig war, seine alleinige Verfügungsberechtigung über die Konten der Haus- und Wohnungseigentümer aus, um zweckfremde Ab- und Umbuchungen vorzunehmen und sich dadurch eine nicht nur vorüber- gehende Einnahmequelle zu verschaffen. Hierbei betrafen die vorgenannten Fälle jeweils Überweisungen, die am selben Tag von demselben Bankkonto auf dasselbe Empfängerkonto erfolgten, was nahe legt, dass der Angeklagte diese Verfügungen jeweils zusammen erledigte. Danach stehen die jeweils am selben Tag vorgenommenen Überweisungen von demselben Bankkonto auf dasselbe Empfängerkonto jedenfalls in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10, wistra 2010, 345 mwN). So liegt der Fall hier.
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- 3. Der Senat kann die Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der in vollem Umfang geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.
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- 4. Danach entfallen die Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten (Fälle 43, 84, 113, 144, 192, 197 und 347 der Urteilsgründe) sowie von jeweils neun Monaten (Fälle 111, 135, 168, 209 und 340 der Urteilsgründe). Damit verbleiben 347 Fälle der Untreue; die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannte Zahl von 348 Fällen beruht ersichtlich auf einem Versehen.
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- Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten hat gleichwohl Bestand; angesichts der verbleibenden 347 Einzelstrafen kann der Senat ausschließen, dass die Gesamtstrafe bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses niedriger ausgefallen wäre.
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- 5. Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
Franke Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 110 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, ihm die Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts für die Dauer von drei Jahren verboten und ihn auf sein Anerkenntnis hin verurteilt, an die Adhäsionsklägerin einen Betrag in Höhe von 172.301,68 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. April 2010 keinen Erfolg.
II.
- 3
- 1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die Fälle 18 und 19, 21 und 22 sowie 67 und 68 nicht in Realkonkurrenz.
- 4
- a) Nach den Feststellungen überwies der Angeklagte am 10. Oktober 2006 von demselben Girokonto bei der Sparkasse E. zweimal jeweils 8.000 € auf sein eigenes Konto und verbrauchte das Geld für sich (Taten 18 und 19). Am 25. Oktober 2006 sowie am 15. Juni 2007 hob er von diesem Konto jeweils Geld zum persönlichen Verbrauch ab und veranlasste zugleich je eine Überweisung zu eigenen Zwecken (Taten 21 und 22 sowie 67 und 68).
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- b) Danach stehen die jeweils am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Barabhebungen jedenfalls in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 1. September 1994 – 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Barabhebungen bzw. Überweisungen erfolgten jeweils am selben Tag und betrafen auch jeweils das- selbe Girokonto der Geschädigten bei der Sparkasse E. , was nahe legt, dass der Angeklagte die Verfügungen jeweils zusammen erledigte und nicht auf Grund eines neuen Tatentschlusses handelte.
- 6
- 2. Auch unter Berücksichtigung von § 265 StPO kann der Senat die erforderliche Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen; der Angeklagte ist in vollem Umfang geständig.
- 7
- Drei Einzelstrafen von einem Jahr bzw. zweimal acht Monaten müssen entfallen; die drei weiteren Einzelstrafen in jeweils gleicher Höhe hat der Senat aufrechterhalten. Angesichts der Zahl und der Summe der Einzelstrafen kann sicher ausgeschlossen werden, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der betreffenden Einzeltaten niedriger ausgefallen wäre.
III.
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- Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.