Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2011 - 4 StR 480/11

bei uns veröffentlicht am22.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 480/11
vom
22. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. November 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 25. Mai 2011
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass aa) der Angeklagte W. des besonders schweren Raubes und der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , bb) der Mitangeklagte S. der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, des besonders schweren Raubes, der räuberischen Erpressung und des Betrugs schuldig ist,
b) hinsichtlich des Angeklagten W. in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

c) hinsichtlich des Mitangeklagten S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter räuberischer Erpressung, besonders schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S. hat das Landgericht der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in drei Fällen, der versuchten räuberischen Erpressung , des besonders schweren Raubes und des Betrugs schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten W. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie nach § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte W. am 31. März 2010 zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten S. von dem Zeugen Sch. die Zahlung von 180 Euro, wobei er bewusst wahrheitswidrig behauptete, einen Anspruch in dieser Höhe aus einem Betäubungsmittelgeschäft zu haben. Als der Zeuge erklärte, kein Bargeld mit sich zu führen, forderte ihn S. auf, dann eben Geld zu besorgen und drohte für den Weigerungsfall Schläge an. Der Zeuge Sch. hob daraufhin 50 Euro von seinem Girokonto ab und händigte sie dem Angeklagten W. aus (Fall II. 1). In der Zeit bis zum 14. April 2010 erschienen der Angeklagte und S. noch mehrmals bei dem Zeugen Sch. , um die vermeintlich noch offene Restforderung von 130 Euro beizutreiben. Dabei wiederholten sie ihre Drohung, Sch. zu schlagen, falls er nicht zahle. Aus Angst vor körperlichen Übergriffen übergab der Zeuge Sch. dem Angeklagten und S. deshalb einmal 30 und einmal 20 Euro (Fälle II. 2 und II. 3). Am 14. April 2010 suchten der Angeklagte und S. den Zeugen Sch. an seiner Arbeitsstelle im Lagerbereich eines Baumarktes auf. Dabei fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw zur Ladezone an der Rückseite des Gebäudes. Dort rief der auf dem Beifahrersitz sitzende S. dem Zeugen Sch. durch das geöffnete Seitenfenster zu, dass er zusehen solle, dass er das Geld besorge. Andernfalls würde man ihn „aus dem Laden rausziehen“ und es gäbe „tierisch auf die Fresse“. Da der Zeuge Sch. , der kein Geld bei sich hatte, der Aufforderung zur Herausgabe von Geld nicht nachkam und auch sonst nicht auf die Drohung reagierte, verließen der Angeklagte und S. mit dem Pkw das Gelände des Baumarktes (Fall II. 4). Am 17. Mai 2010 schlug der Angeklagte dem Zeugen Sch. bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Straße mit der Faust ins Gesicht und warf ihm vor, ihn bei der Polizei angezeigt zu haben. Anschließend fragte er den Zeugen, was mit „seinem Geld“ sei und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge, wobei er seine Forderung nach Geld wiederholte. Als der Zeuge Sch. erklärte, kein Geld zu haben, erwiderte der Angeklagte, dass er dann Geld besorgen und am nächsten Tag in den Briefkasten der Wohnung des S. werfen solle. Der Zeuge Sch. erstattete am 18. Mai 2010 Strafanzeige gegen den Angeklagten. Zu weiteren Geldzahlungen kam es nicht mehr (Fall II. 7).
3
Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten S. insoweit wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen (Fälle II. 1 bis II. 3), sowie versuchter räuberischer Erpressung (Fall II. 4) und den Angeklagten zusätzlich wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 7) schuldig gesprochen.
4
2. Die Bewertung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. der (versuchten) räuberischen Erpressung in mehreren Fällen schuldig gemacht haben, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
a) Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung zur Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Rissing-van Saan in: LK 12. Aufl., vor § 52 Rn. 36; Puppe in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 18). Eine sukzessive Tatausführung kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten Taterfolg durch eine Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen entschließt, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen Teilerfolg erbracht hat (vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschn. Rn. 8). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die weiteren Tathandlungen auf die vorhergehende Handlung aufsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5) und sich nicht als neuer Anlauf zur (vollständigen) Erreichung des ursprünglich angestrebten Taterfolges darstellen. Ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder längere zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen Einzelakten stellen die Annahme einer Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage (BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Puppe JR 1996, 513, 514), können aber ein Indiz für einen neuerlichen Tatbeginn sein. Für die Erpressung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtsinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert (BGH, Urteil vom 1. März 1994 – 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 77; Beschluss vom 3. April 2008 – 4 StR 81/08, NStZ-RR 2008, 239; vgl. Beschluss vom 22. Oktober 1997 – 3 StR 415/97, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (vgl. Puppe JR 1996, 513, 514). Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Beschluss vom 3. April 2008 – 4 StR 81/08, NStZ RR 2008, 239; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 37; Beulke/Satzger NStZ 1996, 432, 433).
6
b) Danach ist der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 nur einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig. Wie sich aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt, haben der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 jeweils die von Anfang an geltend gemachte Forderung von 180 Euro weiterverfolgt und dabei ihre ursprüngliche Drohung, den Zeugen Sch. zu schlagen, jeweils erneuert und bekräftigt. Dabei lagen zwischen der ersten Einwirkung auf die Willensfreiheit des Zeugen Sch. am 31. März 2010 (Fall II. 1) und dem Vorfall vom 14. Mai 2010 (Fall II. 4) neben den beiden zu weiteren Teilzahlungen führenden Treffen (Fälle II. 2 und II. 3) noch weitere Drohungen, die ersichtlich einer Aufrechterhaltung des Drucks auf den Zeugen dienen sollten. Auch der allein von dem Angeklagten begangene Erpressungsversuch vom 17. Mai 2010 (Fall II. 7) stellt eine Weiterführung des Vorhabens dar, den Zeugen zu einer Zahlung von insgesamt 180 Euro zu zwingen. Der Umstand, dass es sich hierbei nur um ein zufälliges Zusammentreffen gehandelt hat, steht der Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2000 – 4 StR 599/99; NStZ-RR 2000, 234, 235).
7
Das Urteil war nach § 357 Satz 1 StPO in den Fällen II. 1 bis II. 4 im Umfang der Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken, weil ihn der in Rede stehende Rechtsfehler in gleicher Weise betrifft. Der Senat ändert jeweils den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
8
3. Die Änderung des Schuldspruchs hat bei dem Angeklagten W. die Aufhebung der in den Fällen II. 1 bis II. 4, sowie II. 7 verhängten Einzelfreiheitsstrafen zur Folge. Bei dem nicht revidierenden Angeklagten S. sind die in den Fällen II. 1 bis II. 4 verhängten Einzelfreiheitsstrafen aufzuheben. Dies entzieht jeweils auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 467/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 1. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Subventionsbetrugs u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 10. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte B. des Subventionsbetrugs in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig ist;
b) auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1a Satz 2, Abs. 1b StPO im Gesamtstrafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird;
c) die zu den Ziffern 2, 4, 6, 8 und 10 der Anklage verhängten Einzelstrafen entfallen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. und die Revision des Angeklagten K. werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Jedoch wird die Gebühr, soweit es die Revision des Angeklagten B. betrifft, um ein Viertel ermäßigt. Jeweils ein Viertel der in diesem Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten B. trägt die Staatskasse.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen „vorsätzlichen Subventionsbetrugs im besonders schweren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung in jeweils 10 Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten K. und den früheren Mitangeklagten D. , der keine Revision eingelegt hat, hat es jeweils wegen leichtfertig begangenen Subventionsbetrugs in zwei Fällen eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt. Die Revision des Angeklagten B. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Seine weitergehende Revision und die Revision des Angeklagten K. insgesamt sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte B. unberechtigt Subventionen, wobei er gefälschte Belege für angeblich getätigte Investitionen vorlegte.
3
Im Zeitraum von November 2001 bis April 2004 stellte der Angeklagte B. , um Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erlangen, bei der Bezirksregierung Braunschweig bzw. der Bank in Hannover für fünf verschiedene Firmen jeweils einen sogenannten Finanzierungshilfeantrag, in dem die anzuschaffenden Wirtschaftsgüter nach Art, Anzahl und Preis detailliert aufgeführt waren. Tatsächlich wollte der Angeklagte B. entgegen seinen Angaben in den Finanzierungshilfeanträgen jedoch keine neuen Wirtschaftsgüter anschaffen, sondern mit den Zuschüssen Finanzierungslücken in den Firmen schließen. Nach Prüfung der Förderungsfähigkeit der angemeldeten Investitionen wurden fünf Bewilligungsbescheide erlassen, in denen Zuschüsse bis zu einer bestimmten Höhe bewilligt wurden. In der Folgezeit reichte der Angeklagte B. , um die Finanzierungsmittel abzurufen, sogenannte Mittelanforderungsanträge ein. Diesen Anträgen fügte er, um die angeblich getätigten Investitionen zu belegen, gefälschte Steuerberatertestate bzw. gefälschte Eingangsrechnungen bei. Auf diese Weise erlangte der Angeklagte aufgrund von insgesamt zehn Mittelanforderungsanträgen (jeweils zwei pro Firma) fast 1,28 Mio. Euro an Zuschüssen.
4
Das Landgericht hat auf die Mittelanforderungsanträge abgestellt und dementsprechend zehn Fälle des Subventionsbetrugs ausgeurteilt, für die es Einzelfreiheitsstrafen von einmal neun Monaten, siebenmal einem Jahr und zweimal einem Jahr neun Monaten verhängt hat.

II.


5
1. Auf die Sachrüge des Angeklagten B. war der Schuldspruch auf fünf Fälle des Subventionsbetrugs, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung abzuändern. Die Annahme von zehn zueinander in Tatmehrheit stehenden Einzeltaten durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft. Der jeweilige Finanzierungshilfeantrag und die dazugehörigen beiden Mittelanforderungsanträge sind eine Tat (§ 52 Abs. 1 StGB) des Subventionsbetrugs (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
6
a) Ein Anwendungsfall der Bewertungseinheit (sogenannte rechtliche Handlungseinheit) ist auch dann gegeben, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinn eine sukzessive (fortlaufende) Tatausführung zur Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen (vgl. dazu Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 36; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rdn. 10 ff.; 18). So liegt es hier. Der Bewilligungsbescheid ist im zweistufigen Subventionsvergabeverfahren die notwendige Zwischenstufe, um die Auszahlung der Geldmittel (regelmäßig das eigentlich vom Antragsteller erstrebte Tatziel) zu erreichen. Auch die einzelnen Handlungsakte, d. h. der auf den Bewilligungsbescheid gerichtete Antrag und derjenige auf Abrufen der Geldmittel, gehören inhaltlich zusammen. Insoweit ist die Rechtslage dem Verhältnis zwischen Eingehungs- und Erfüllungsbetrug vergleichbar, bei dem in bestimmten Konstellationen ebenfalls von einer einheitlichen Tat auszugehen ist (vgl. dazu BGH NStZ 1997, 542, 543 m.w.N.; vgl. auch BGH wistra 2007, 21, 22).
7
b) Dass der Subventionsbetrug ein verselbstständigtes Tätigkeitsdelikt im Vorfeld des Betrugs ist, der unter anderem in der Vorschrift des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB keinen tatbestandlichen Erfolg voraussetzt (vgl. dazu auch BGHSt 34, 265, 267 f.), steht der Annahme einer Bewertungseinheit nicht entgegen. Denn mit dem Eingang des Finanzierungshilfeantrags bei der Subventionsstelle ist der Subventionsbetrug zwar vollendet, aber noch nicht beendet (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 264 Rdn. 38; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder aaO § 264 Rdn. 66; Wohlers in MünchKomm-StGB 2003 § 264 Rdn. 116, 117). Dies bedeutet, dass mit dem Eingang des Mittelanforderungsantrags in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung der Angriff auf das öffentliche Vermögen als das von § 264 StGB geschützte Rechtsgut lediglich fortgesetzt wird.
8
Soweit das Oberlandesgericht München (wistra 2006, 275, 276) für die Frage des Beginns der Verjährungsfrist (§ 78a Satz 1 StGB) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, ist dem nicht zu folgen. Dass der Subventionsbetrugstatbestand keinen Vermögensschaden voraussetzt, bedeutet nicht zwangsläufig den Abschluss des Subventionsbetrugs mit Eingang der ersten unrichtigen oder unvollständigen Angaben in tatsächlicher Hinsicht. Der Antragsteller hat vor den Auszahlungen auf der Grundlage des ungerechtfertigten Subventionsbescheids sein Vorhaben, Subventionen zu erschleichen, nicht erfolgreich abgeschlossen (vgl. auch § 78a Satz 2 StGB).
9
Schließlich findet die hiesige Auffassung eine Bestätigung durch die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses des Subventionsbetrugs zum Betrug. Der Tatbestand des § 264 StGB verdrängt auch dann den des § 263 StGB, wenn die ungerechtfertige Subvention tatsächlich gewährt wird und damit das Vermögen der öffentlichen Hand geschädigt ist (BGHSt 44, 233, 243; BGHSt 32, 203, 206 f.). Sollten die Voraussetzungen des Subventionsbetrugs im Einzelfall aber nicht vorliegen, kommt § 263 StGB wieder zur Anwendung (BGHSt 44, 233, 243). Dann kann das Vorliegen von Bewertungseinheit bei mehreren Anträgen in einem einheitlichen Subventionsvergabeverfahren aber nicht anders beurteilt werden als bei dem verdrängten Betrug.
10
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall von fünf Einzelstrafen. Indes können die innerhalb eines Subventionsvergabeverfahrens, hier also in Bezug auf die einzelnen Firmen, verhängten jeweils höheren Einzelstrafen bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO).
11
3. Die nunmehr aus den verbliebenen Einzelfreiheitsstrafen von dreimal einem Jahr und zweimal einem Jahr und neun Monaten zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe setzt der Senat, dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend, auf zwei Jahre und sechs Monate herab. Mehr als eine solche geringfügige Sanktionsreduzierung ist bei unverändertem Gesamtschuldgehalt nicht gerechtfertigt.

III.


12
Der Senat sieht von einer Schuldspruchänderung beim Nichtrevidenten D. ab, dem zwar auch nur eine Subvention, aber mit dem etwas anders gelagerten Vorwurf nur leichtfertiger Begehungsweise angelastet wird.
Eine andere als die verhängte Gesamtstrafe käme bei ihm angesichts des unverändert gebliebenen Schuld- und Unrechtsgehalts der Tat und der Höhe der verhängten beiden Einzelstrafen als Strafe nicht in Betracht.
Basdorf Häger Gerhardt Schaal Jäger

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 81/08
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. April 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. November 2007 dahin abgeändert , dass der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 (Az. 17 Ds 56 Js 896/05 [142/06]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe zwei selbständige versuchte Erpressungstaten begangen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte zunächst dem Zeugen B. in einem Getränkekiosk mit der Faust in das Gesicht, um ihn zur Zahlung eines Geldbetrages von 5.000 € zu veranlassen. Als B. daraufhin mit seinem Begleiter den Kiosk verließ, folgte der Angeklagte ihnen. Nachdem er sich von einer Person an einem 50 bis 60 Meter entfernten Spielplatz ein Messer hatte geben lassen, rannte er auf B. zu, setzte ihm das Messer fest an den Hals und verlangte erneut Zahlung des Geldbetrages. B. erlitt hierdurch zwei blutende Schnittverletzungen. Auf den Hinweis, dass B. „pleite sei“, ließ der Angeklagte von ihm ab.
4
b) Danach hat sich der Angeklagte lediglich einer Straftat der versuchten schweren räuberischen Erpressung, diese in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , schuldig gemacht. Wird - wie hier – bei einer Erpressung durch mehrere Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken sollen , letztlich – sei es auch mit verschiedenen Angriffsmitteln – nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten, liegt lediglich eine Tat im Rechtssinne vor. Die tatbestandliche Einheit der Erpressung endet erst dort, wo der Täter nach den Regelungen über den Rücktritt nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann, d.h. entweder bei der vollständigen Zielerreichung oder beim fehlgeschlagenen Versuch (vgl. BGHSt 41, 368, 369). Der Erpressungsversuch des Angeklagten war jedoch – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – erst fehlgeschlagen , als er nach der Messerattacke feststellen musste, dass B. nicht zahlungsfähig war.
5
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Hierdurch entfällt die wegen versuchter räuberischer Erpressung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten. Die weitere, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe kann hingegen bestehen bleiben. Aus dieser und der mit Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten ist nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden (§ 55 StGB). Der Senat macht insoweit in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO von der Möglichkeit eigener Sachentscheidung Gebrauch und erkennt auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Der Angeklagte wird hierdurch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert.
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3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von der Pflicht zu entlasten, die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 81/08
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. April 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. November 2007 dahin abgeändert , dass der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 (Az. 17 Ds 56 Js 896/05 [142/06]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe zwei selbständige versuchte Erpressungstaten begangen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte zunächst dem Zeugen B. in einem Getränkekiosk mit der Faust in das Gesicht, um ihn zur Zahlung eines Geldbetrages von 5.000 € zu veranlassen. Als B. daraufhin mit seinem Begleiter den Kiosk verließ, folgte der Angeklagte ihnen. Nachdem er sich von einer Person an einem 50 bis 60 Meter entfernten Spielplatz ein Messer hatte geben lassen, rannte er auf B. zu, setzte ihm das Messer fest an den Hals und verlangte erneut Zahlung des Geldbetrages. B. erlitt hierdurch zwei blutende Schnittverletzungen. Auf den Hinweis, dass B. „pleite sei“, ließ der Angeklagte von ihm ab.
4
b) Danach hat sich der Angeklagte lediglich einer Straftat der versuchten schweren räuberischen Erpressung, diese in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , schuldig gemacht. Wird - wie hier – bei einer Erpressung durch mehrere Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken sollen , letztlich – sei es auch mit verschiedenen Angriffsmitteln – nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten, liegt lediglich eine Tat im Rechtssinne vor. Die tatbestandliche Einheit der Erpressung endet erst dort, wo der Täter nach den Regelungen über den Rücktritt nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann, d.h. entweder bei der vollständigen Zielerreichung oder beim fehlgeschlagenen Versuch (vgl. BGHSt 41, 368, 369). Der Erpressungsversuch des Angeklagten war jedoch – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – erst fehlgeschlagen , als er nach der Messerattacke feststellen musste, dass B. nicht zahlungsfähig war.
5
2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Hierdurch entfällt die wegen versuchter räuberischer Erpressung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten. Die weitere, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgesetzte Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe kann hingegen bestehen bleiben. Aus dieser und der mit Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 6. November 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Monaten ist nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden (§ 55 StGB). Der Senat macht insoweit in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO von der Möglichkeit eigener Sachentscheidung Gebrauch und erkennt auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Der Angeklagte wird hierdurch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert.
6
3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von der Pflicht zu entlasten, die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 599/99
vom
18. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Januar 2000 gemäß
§§ 44, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig verworfen. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Juli 1999
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung, der versuchten räuberischen Erpressung und der Körperverletzung schuldig ist;
b) mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 1998 (zwei Jahre mit Bewährung) z u einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren", ist unzulässig, da die Revision mit dem vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 1999, mit dem "die Verletzung formellen und materiellen Rechts" gerügt worden ist, ordnungsgemäß begründet wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1999 erhobenen Verfahrensrügen , die im übrigen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügen, kommt hier nicht in Betracht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. November 1999 verwiesen.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und zu den Gesamtstrafenaussprüchen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die Feststellungen rechtfertigen im Fall II 1 der Urteilsgründe nicht die Annahme einer vollendeten Nachteilzufügung gemäß §§ 255, 253 StGB. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt jedoch voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach Aushändigung der Erklärung beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 233). Dafür, daß der Angeklagte die ihm nach den Feststellungen nicht zustehende Forderung von 1.500 DM unter Verwendung des Schuldscheins, zu dessen Unterzeichnunger H. genötigt hatte, gerichtlich durchsetzen wollte, enthält das Urteil aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam es dem Angeklagten ersichtlich allein darauf an, die unmittelbare Herausgabe von Geld zu erzwingen; denn in der Folgezeit drohte er H. ”mehrfach” bei zufälligen Zusammentreffen und forderte von diesem - wiederum ohne Erfolg - am 24. April 1998 (Fall II 3 der Urteilsgründe) erneut die Zahlung von 1.500 DM und schließlich von 500 DM. Der Geschädigte erlitt somit unter den hier gegebenen Umständen durch die erzwungene bloße Ausstellung des Schuldscheins noch keinen wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR 207/99 - und Beschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 492/99), so daß sich das Tatgeschehen im Fall II 1 der Urteilsgründe lediglich als versuchte schwere räuberische Erpressung darstellt.

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der - aus den vorgenannten Gründen lediglich versuchten - räuberischen Erpressung im Fall II 1 der Urteilsgrün-
de und der versuchten räuberischen Erpressung im Fall II 3, die das Landgericht als zwei rechtlich selbständige Taten gewertet hat. Beide Vorfälle stellen sich vielmehr nach den Feststellungen als sukzessive Ausführungshandlungen eines einheitlichen Erpressungsversuchs zum Nachteil des H. und damit als eine - eine Tat im Rechtssinne bildende - tatbestandliche Handlungseinheit dar (vgl. BGHSt 41, 368, 369; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), da der Angeklagte sein Ziel, H. zur Zahlung des geforderten Betrages zu zwingen - ebenso wie im Fall II 2 (schwere räuberische Erpressung zum Nachteil des O. ), in dem er das Tatopfer am 8. März 1998 zur Zahlung zunächst eines Teilbetrages und schließlich etwa drei bis vier Monate später zu einer weiteren Zahlung zwang -bis zum endgültigen Scheitern des Erpressungsversuchs am 24. April 1998 weiterverfolgte.

c) Der Senat hat daher den Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 dahin geändert, daß der Angeklagte insoweit einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.
Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenaussprüche. Die übrigen Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben.
3. Mit Rücksicht darauf, daß die versuchte räuberische Erpressung zum Nachteil H. (Fälle II 1 und 3 der Urteilsgründe) erst nach der Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Essen vom 20. Februar 1998 beendet war, kommt eine Einbeziehung der Strafe aus dieser Verurteilung
nach § 55 StGB und die Bildung von zwei Gesamtstrafen nicht in Betracht. Die nunmehr nach der Festsetzung einer neuen Einzelstrafe für die versuchte räuberische Erpressung zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe darf daher drei Jahre und sechs Monate nicht übersteigen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Athing Ernemann

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.