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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 208/19
vom
4. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter (schwerer) räuberischer Erpressung u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:041219B2STR208.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 4. Januar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit er verurteilt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung , Nötigung in zwei Fällen, Anstiftung zum Diebstahl in 22 Fällen und wegen Diebstahls unter Auflösung einer Gesamtstrafe und Einbeziehung der darin enthaltenen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen lebten der Angeklagte und seine Lebensgefährtin von Juni 2015 bis Anfang September 2015 in der Wohnung des Zeugen B. . Auch danach behielt der Angeklagte weiterhin einen Schlüs- sel zur Wohnung des Zeugen und war in ständigem Kontakt mit ihm. In der Zeit von August 2015 bis Oktober 2016 kam es zu den abgeurteilten Straftaten, die vor allem darauf zielten, Zugriff auf Konten des Zeugen zu bekommen bzw. zu behalten (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe), ihn unter Einsatz von Gewalt zur Zahlung von Geld zu veranlassen (Fälle II. 25 und 26 der Urteilsgründe) und ihn zur Begehung von Diebstählen anzustiften, deren Beute jedenfalls auch dem Angeklagten zugute kam (Fälle II. 3 bis 24 der Urteilsgründe).
3
2. Die Verurteilung des zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
4
a) Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatrichters, dem es obliegt , das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 3 StR 404/16, StV 2018, 195).
5
b) So liegt es hier; die Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft. Denn den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, dass das Tatgericht alle Umstände, die geeignet waren, seine Entscheidung zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat. Dies ist insbesondere dann unabdingbar, wenn der Tatrichter – wie vorliegend – seine Feststellungen zum Tatkerngeschehen allein oder im Wesentlichen auf die Angaben des (vermeintlichen ) Tatopfers stützt und daher seine Urteilsfindung maßgeblich von der Beantwortung der Frage abhängt, ob diesem zu glauben ist oder nicht. Hat der einzige Belastungszeuge zudem weitere Straftaten behauptet, von denen sich das Gericht nicht zu überzeugen vermag, so gewinnt das in diesem Rahmen besondere Bedeutung und bedarf näherer Erörterung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 289/13; Beschluss vom 21. Februar 2017 – 3 StR 404/16, StV 2018, 195).
6
Dem Angeklagten waren mit der zugelassenen Anklage weitere Straftaten einer räuberischen Erpressung des Computerbetruges und einer Nötigung vorgeworfen worden. Von diesen Vorwürfen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Auf Ausführungen zu den Gründen hierfür hat die Strafkammer gemäß § 267 Abs. 5 StPO verzichtet. Dies begegnet im vorliegenden Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
Das Landgericht hätte in der zugrunde liegenden Konstellation erörtern müssen, welche Umstände zum Freispruch aus tatsächlichen Gründen geführt haben. Der von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Anklageschrift lässt sich entnehmen, dass es sich bei den Anklagevorwürfen um Straftaten handelt, deren Opfer ebenfalls der Zeuge B. gewesen sein soll und die auf dessen Angaben beruhen. Dass die Strafkammer insoweit nicht zur Verurteilung gelangt ist, legt es nahe oder lässt es jedenfalls als möglich erscheinen, dass sie belastenden Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung nicht gefolgt ist oder dieser den Angeklagten belastende Angaben aus dem Ermittlungsverfahren – wie auch in den Fällen II. 25 und 26 der Urteilsgründe – in der Hauptverhandlung nicht wiederholt hat und sich die Strafkammer insoweit gehindert gesehen hat, eine Verurteilung auf Angaben aus dem Ermittlungsverfahren zu stützen. In beiden Konstellationen ist zu besorgen, dass das Landgericht den Angaben des Zeugen B. in den freigesprochenen Fällen letztlichkeinen Glauben geschenkt hat, ohne zu erkennen, dass sich daraus Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben auch hinsichtlich der zur Verurteilung gelangten Fälle ergeben konnten.
8
c) Auf diesem Erörterungsmangel beruht das angefochtene Urteil, denn der Senat vermag angesichts der dargelegten Beweiskonstellation trotz der ansonsten umfänglichen Würdigung der Aussage des Zeugen B. (UA S. 22-50) nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es die Gründe für den Teilfreispruch in seine Beweiserwägungen miteinbezogen hätte.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat für den Fall, dass das neu zur Entscheidung berufene Landgericht wiederum zu einer Verurteilung in den Fällen II. 25 und 26 der Urteilsgründe gelangen sollte, vorsorglich darauf hin, dass die Frage des Rücktritts insbesondere im Fall II. 26 der Urteilsgründe sorgfältigerer Erörterung bedarf. Dass insoweit von einem beendeten Versuch auszugehen ist, obwohl der Angeklagte erkannt hatte, dass sein erster Erpressungsversuch aus dem September 2016 nicht zum Erfolg geführt hatte, versteht sich nicht von selbst. Im Übrigen wird zu bedenken sein, ob die beiden Erpressungsversuche in den genannten Fällen nicht als eine Tat anzusehen sind. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte Anfang Oktober 2016 seiner unberechtigten Geldforderung „nochmals Nachdruck verlieh“, indem er den Geschädigten mit der Faust gegen das Jochbein boxte. Verstünde man – wie offenbar auch das Landgericht – die zweite Tat als in die gleiche Richtung zielende Fortsetzung der ersten, wären weder der Umstand, dass die Taten an verschiedenen Orten begangen worden sind, noch ihr zeitliches Auseinanderfallen ohne Weiteres geeignet, Tatmehrheit zu begründen (vgl. zu einem vergleichbaren Fall sukzessiver Tatbegehung BGH, Beschluss vom 22. November 2011 – 4 StR 480/11, StV 2012, 283).
Franke Appl Krehl Eschelbach Meyberg

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 404/16
vom
21. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2017:210217B3STR404.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 17. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erzwang der Angeklagte, der seit 2011 mit der Nebenklägerin zusammenlebte, an einem Tag im Juni oder Juli 2014 den Geschlechtsverkehr mit ihr, indem er sich zu ihr aufs Bett legte, sie gewaltsam auf den Bauch drehte, sich auf sie legte und sich so schwer machte, dass sie flach auf dem Bett lag. Anschließend spreizte er die Beine der Nebenklägerin und drang trotz heftiger Gegenwehr mit seinem Penis vaginal in sie ein.
3
Die Verurteilung des - den Tatvorwurf bestreitenden - Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
4
Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatrichters, dem es obliegt , das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11).
5
So liegt es hier; die Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft. Denn den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, dass das Tatgericht alle Umstände, die geeignet waren, seine Entscheidung zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat. Dies ist zwar generell erforderlich , insbesondere aber dann unabdingbar, wenn der Tatrichter - wie vorliegend - seine Feststellungen zum Tatkerngeschehen allein auf die Angaben des (vermeintlichen) Tatopfers stützt und daher seine Urteilsfindung maßgeblich von der Beantwortung der Frage abhängt, ob diesem zu glauben ist oder nicht. Hat der einzige Belastungszeuge zudem weitere Straftaten behauptet, von denen sich das Gericht nicht zu überzeugen vermag, so gewinnt das in diesem Rahmen besonderer Bedeutung und bedarf näherer Erörterung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - 3 StR 289/13, juris Rn. 14 mwN).
6
Dem Angeklagten war neben der Vergewaltigung zur Last gelegt worden , die Nebenklägerin in der Zeit von September bis Dezember 2013 in zehn Fällen mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung körperlich misshandelt zu haben, indem er sie wenigstens zehn Mal in eine Decke einwickelte, so dass sie die Arme nicht mehr bewegen konnte, mit ganzer Kraft ein Kissen bzw. eine andere Decke auf ihr Gesicht drückte, sich auf sie setzte und sie derart stark würgte, dass sie befürchtete, sterben zu müssen, wobei er zumindest in einem Fall mit dem beschuhten Fuß auf sie eintrat (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 53 StGB). Der Angeklagte hat auch diese Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat insoweit - auch gestützt auf die Aussage der Zeugin K. - festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in mindestens zehn Fällen auf dem Sofa in eine Decke einwickelte, sich auf sie setzte und ihr mehrmals ein Kissen auf das Gesicht drückte. Sie hat ferner festgestellt, dass er einmal nach der Nebenklägerin trat. Den Freispruch hat das Landgericht damit begründet , dass eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen ausscheide, weil nicht feststellbar gewesen sei, ob die Nebenklägerin Schmerzen erlitten habe, als der Angeklagte ihr das Kissen auf das Gesicht gedrückt und sie getreten habe.
7
Welche Erwägungen dem zugrunde liegen, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Daraus ergibt sich nicht, warum das Landgericht abweichend von den Anklagevorwürfen nicht zu der Feststellung gelangt ist, dass der Angeklagte das Kissen "mit ganzer Kraft" auf das Gesicht der Nebenklägerin drückte und sie "derart stark würgte, dass sie befürchtete, sterben zu müssen". Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer den Angaben der Nebenklägerin zur Intensität und zu den Folgen dieser Übergriffe keinen Glauben geschenkt hat, ohne zu erkennen, dass sich daraus Zweifel auch an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage zu dem Vergewaltigungsgeschehen ergeben konnten.
8
Auf diesem Erörterungsmangel beruht das angefochtene Urteil, denn der Senat vermag angesichts der besonderen Beweiskonstellation nicht auszuschließen , dass das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es die Gründe für den Teilfreispruch in seine Erwägungen zum Vorwurf der Vergewaltigung miteinbezogen hätte.
Becker Schäfer Gericke
Tiemann Hoch

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 480/11
vom
22. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. November 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 25. Mai 2011
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass aa) der Angeklagte W. des besonders schweren Raubes und der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung , bb) der Mitangeklagte S. der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, des besonders schweren Raubes, der räuberischen Erpressung und des Betrugs schuldig ist,
b) hinsichtlich des Angeklagten W. in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

c) hinsichtlich des Mitangeklagten S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter räuberischer Erpressung, besonders schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S. hat das Landgericht der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in drei Fällen, der versuchten räuberischen Erpressung , des besonders schweren Raubes und des Betrugs schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten W. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie nach § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte W. am 31. März 2010 zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten S. von dem Zeugen Sch. die Zahlung von 180 Euro, wobei er bewusst wahrheitswidrig behauptete, einen Anspruch in dieser Höhe aus einem Betäubungsmittelgeschäft zu haben. Als der Zeuge erklärte, kein Bargeld mit sich zu führen, forderte ihn S. auf, dann eben Geld zu besorgen und drohte für den Weigerungsfall Schläge an. Der Zeuge Sch. hob daraufhin 50 Euro von seinem Girokonto ab und händigte sie dem Angeklagten W. aus (Fall II. 1). In der Zeit bis zum 14. April 2010 erschienen der Angeklagte und S. noch mehrmals bei dem Zeugen Sch. , um die vermeintlich noch offene Restforderung von 130 Euro beizutreiben. Dabei wiederholten sie ihre Drohung, Sch. zu schlagen, falls er nicht zahle. Aus Angst vor körperlichen Übergriffen übergab der Zeuge Sch. dem Angeklagten und S. deshalb einmal 30 und einmal 20 Euro (Fälle II. 2 und II. 3). Am 14. April 2010 suchten der Angeklagte und S. den Zeugen Sch. an seiner Arbeitsstelle im Lagerbereich eines Baumarktes auf. Dabei fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw zur Ladezone an der Rückseite des Gebäudes. Dort rief der auf dem Beifahrersitz sitzende S. dem Zeugen Sch. durch das geöffnete Seitenfenster zu, dass er zusehen solle, dass er das Geld besorge. Andernfalls würde man ihn „aus dem Laden rausziehen“ und es gäbe „tierisch auf die Fresse“. Da der Zeuge Sch. , der kein Geld bei sich hatte, der Aufforderung zur Herausgabe von Geld nicht nachkam und auch sonst nicht auf die Drohung reagierte, verließen der Angeklagte und S. mit dem Pkw das Gelände des Baumarktes (Fall II. 4). Am 17. Mai 2010 schlug der Angeklagte dem Zeugen Sch. bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Straße mit der Faust ins Gesicht und warf ihm vor, ihn bei der Polizei angezeigt zu haben. Anschließend fragte er den Zeugen, was mit „seinem Geld“ sei und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge, wobei er seine Forderung nach Geld wiederholte. Als der Zeuge Sch. erklärte, kein Geld zu haben, erwiderte der Angeklagte, dass er dann Geld besorgen und am nächsten Tag in den Briefkasten der Wohnung des S. werfen solle. Der Zeuge Sch. erstattete am 18. Mai 2010 Strafanzeige gegen den Angeklagten. Zu weiteren Geldzahlungen kam es nicht mehr (Fall II. 7).
3
Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten S. insoweit wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen (Fälle II. 1 bis II. 3), sowie versuchter räuberischer Erpressung (Fall II. 4) und den Angeklagten zusätzlich wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 7) schuldig gesprochen.
4
2. Die Bewertung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. der (versuchten) räuberischen Erpressung in mehreren Fällen schuldig gemacht haben, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
a) Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung zur Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Rissing-van Saan in: LK 12. Aufl., vor § 52 Rn. 36; Puppe in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 18). Eine sukzessive Tatausführung kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten Taterfolg durch eine Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen entschließt, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen Teilerfolg erbracht hat (vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschn. Rn. 8). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die weiteren Tathandlungen auf die vorhergehende Handlung aufsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5) und sich nicht als neuer Anlauf zur (vollständigen) Erreichung des ursprünglich angestrebten Taterfolges darstellen. Ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder längere zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen Einzelakten stellen die Annahme einer Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage (BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Puppe JR 1996, 513, 514), können aber ein Indiz für einen neuerlichen Tatbeginn sein. Für die Erpressung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtsinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert (BGH, Urteil vom 1. März 1994 – 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 77; Beschluss vom 3. April 2008 – 4 StR 81/08, NStZ-RR 2008, 239; vgl. Beschluss vom 22. Oktober 1997 – 3 StR 415/97, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (vgl. Puppe JR 1996, 513, 514). Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Beschluss vom 3. April 2008 – 4 StR 81/08, NStZ RR 2008, 239; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 37; Beulke/Satzger NStZ 1996, 432, 433).
6
b) Danach ist der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 nur einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig. Wie sich aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt, haben der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 jeweils die von Anfang an geltend gemachte Forderung von 180 Euro weiterverfolgt und dabei ihre ursprüngliche Drohung, den Zeugen Sch. zu schlagen, jeweils erneuert und bekräftigt. Dabei lagen zwischen der ersten Einwirkung auf die Willensfreiheit des Zeugen Sch. am 31. März 2010 (Fall II. 1) und dem Vorfall vom 14. Mai 2010 (Fall II. 4) neben den beiden zu weiteren Teilzahlungen führenden Treffen (Fälle II. 2 und II. 3) noch weitere Drohungen, die ersichtlich einer Aufrechterhaltung des Drucks auf den Zeugen dienen sollten. Auch der allein von dem Angeklagten begangene Erpressungsversuch vom 17. Mai 2010 (Fall II. 7) stellt eine Weiterführung des Vorhabens dar, den Zeugen zu einer Zahlung von insgesamt 180 Euro zu zwingen. Der Umstand, dass es sich hierbei nur um ein zufälliges Zusammentreffen gehandelt hat, steht der Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2000 – 4 StR 599/99; NStZ-RR 2000, 234, 235).
7
Das Urteil war nach § 357 Satz 1 StPO in den Fällen II. 1 bis II. 4 im Umfang der Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken, weil ihn der in Rede stehende Rechtsfehler in gleicher Weise betrifft. Der Senat ändert jeweils den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
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3. Die Änderung des Schuldspruchs hat bei dem Angeklagten W. die Aufhebung der in den Fällen II. 1 bis II. 4, sowie II. 7 verhängten Einzelfreiheitsstrafen zur Folge. Bei dem nicht revidierenden Angeklagten S. sind die in den Fällen II. 1 bis II. 4 verhängten Einzelfreiheitsstrafen aufzuheben. Dies entzieht jeweils auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin