Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2000 - 4 StR 599/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung, der versuchten räuberischen Erpressung und der Körperverletzung schuldig ist;
b) mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 1998 (zwei Jahre mit Bewährung) z u einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren", ist unzulässig, da die Revision mit dem vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 1999, mit dem "die Verletzung formellen und materiellen Rechts" gerügt worden ist, ordnungsgemäß begründet wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1999 erhobenen Verfahrensrügen , die im übrigen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügen, kommt hier nicht in Betracht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. November 1999 verwiesen.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und zu den Gesamtstrafenaussprüchen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Die Feststellungen rechtfertigen im Fall II 1 der Urteilsgründe nicht die Annahme einer vollendeten Nachteilzufügung gemäß §§ 255, 253 StGB. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt jedoch voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach Aushändigung der Erklärung beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 233). Dafür, daß der Angeklagte die ihm nach den Feststellungen nicht zustehende Forderung von 1.500 DM unter Verwendung des Schuldscheins, zu dessen Unterzeichnunger H. genötigt hatte, gerichtlich durchsetzen wollte, enthält das Urteil aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam es dem Angeklagten ersichtlich allein darauf an, die unmittelbare Herausgabe von Geld zu erzwingen; denn in der Folgezeit drohte er H. ”mehrfach” bei zufälligen Zusammentreffen und forderte von diesem - wiederum ohne Erfolg - am 24. April 1998 (Fall II 3 der Urteilsgründe) erneut die Zahlung von 1.500 DM und schließlich von 500 DM. Der Geschädigte erlitt somit unter den hier gegebenen Umständen durch die erzwungene bloße Ausstellung des Schuldscheins noch keinen wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR 207/99 - und Beschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 492/99), so daß sich das Tatgeschehen im Fall II 1 der Urteilsgründe lediglich als versuchte schwere räuberische Erpressung darstellt.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der - aus den vorgenannten Gründen lediglich versuchten - räuberischen Erpressung im Fall II 1 der Urteilsgrün-
de und der versuchten räuberischen Erpressung im Fall II 3, die das Landgericht als zwei rechtlich selbständige Taten gewertet hat. Beide Vorfälle stellen sich vielmehr nach den Feststellungen als sukzessive Ausführungshandlungen eines einheitlichen Erpressungsversuchs zum Nachteil des H. und damit als eine - eine Tat im Rechtssinne bildende - tatbestandliche Handlungseinheit dar (vgl. BGHSt 41, 368, 369; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), da der Angeklagte sein Ziel, H. zur Zahlung des geforderten Betrages zu zwingen - ebenso wie im Fall II 2 (schwere räuberische Erpressung zum Nachteil des O. ), in dem er das Tatopfer am 8. März 1998 zur Zahlung zunächst eines Teilbetrages und schließlich etwa drei bis vier Monate später zu einer weiteren Zahlung zwang -bis zum endgültigen Scheitern des Erpressungsversuchs am 24. April 1998 weiterverfolgte.
c) Der Senat hat daher den Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 dahin geändert, daß der Angeklagte insoweit einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.
Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenaussprüche. Die übrigen Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben.
3. Mit Rücksicht darauf, daß die versuchte räuberische Erpressung zum Nachteil H. (Fälle II 1 und 3 der Urteilsgründe) erst nach der Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Essen vom 20. Februar 1998 beendet war, kommt eine Einbeziehung der Strafe aus dieser Verurteilung
nach § 55 StGB und die Bildung von zwei Gesamtstrafen nicht in Betracht. Die nunmehr nach der Festsetzung einer neuen Einzelstrafe für die versuchte räuberische Erpressung zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe darf daher drei Jahre und sechs Monate nicht übersteigen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Athing Ernemann
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War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.