Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 423/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Mai 2015 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge und mehrere verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
2
1. Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann aber gleich- wohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der Urteile des Amtsgerichts Freiburg vom 2. Mai 2014 und vom 3. Juli 2014 verhalten. Da die verfahrensgegenständlichen Taten am 26. Februar 2014 begangen wurden, der Angeklagte am 24. Mai 2014 festgenommen wurde, er sich seit dem 25. Mai 2014 „ununterbrochen“ in Untersuchungshaft befindet (UA S. 6) und er bei nur unregelmäßigem Arbeitseinkommen hoch verschuldet ist (UA S. 4 bis 6), kann der Senat nicht ausschließen, dass die in jenen Urteilen verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt waren. Sollten sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre – wieder Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 14. September 2015 dargelegt hat – ein Härteausgleich möglich. Im Hinblick hierauf ist allerdings – über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus – nicht nur der Ausspruch über die Gesamtstrafe, sondern der gesamte Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
3
2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Ein solcher liegt im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls auch nicht darin, dass das Landgericht bezüglich der zum Nachteil von S. mit einem unbekannten Mittäter begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung den für die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts grundsätzlich erforderlichen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 3 StR 149/14, NStZ-RR 2015, 8, 9 mwN) „Rück- trittshorizont“ des Angeklagten nicht festgestellt hat. Denn der Senat kann an- gesichts der zum Abbruch der Tatausführung getroffenen Feststellungen (hefti- ge Gegenwehr des Opfers und „Störung“ durch die Nachbarin) ausschließen, dass der Rücktritt freiwillig im Sinn des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfolgt ist (vgl. auch UA S. 44 f.).
4
3. Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts vom 24. September 2015 bemerkt der Senat:
5
Den Beweisantrag auf Erholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens hat die Strafkammer auch hinsichtlich der am 28. Februar 2014 in der Sparkasse E. gefertigten Lichtbilder rechtsfehlerfrei abgelehnt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345 unter anderem zum insofern zulässigen und gebotenen Freibeweis). Hinsichtlich des zur (Nicht-)Existenz der 200.000 € gestellten Beweisantrags (Zeugenvernehmung von Rechtsanwalt D. ) fehlt es jedenfalls am Beruhen, da die Strafkammer – rechtsfehlerfrei – offen gelassen hat, ob es diesen Bargeldbetrag jemals gegeben hat (UA S. 12). Die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ zu den „Bekundungen von S. “ ist schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil unter anderem der im Beweisantrag in Bezug genommene Bericht der „BG Klinik“ vom 4. März 2014 nicht vollständig mitgeteilt wurde; dies war schon deshalb unerlässlich, weil die Strafkammer festgestellt hat, dass der Zeuge (lediglich) vor 17 Jahren an einer Psychose litt (UA S. 33). Auch die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Nicht-Benutzung des Pkw Fiat Panda durch den Angeklagten ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da der dort in Bezug genommene Spurensicherungsbericht nicht vollständig mitgeteilt wurde. Der Rüge der Ablehnung des Aussetzungsantrags (§ 338 Nr. 8 StPO) ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil es für die Annahme , die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt ) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zu- sammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530, 531 mwN). Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal der Verteidiger den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluss, mit dem die späte Verbescheidung der Beweisanträge erläutert wird, nicht entgegengetreten ist und der Senat – auch deshalb – keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Darlegungen hat.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 4 9 / 1 4
vom
15. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
zu 2.: Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 15. Mai 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 4. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten F. wegen Beihilfe zu dieser Tat unter Einbeziehung der Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, mit denen sie in allgemeiner Form die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchten die Angeklagten den Geschädigten S. am Abend des Tattages in seiner Wohnung auf. Die Initiative dazu ging von dem Angeklagten D. aus, der den Geschädigten zuvor vergeblich aufgefordert hatte, ein Treffen zwischen ihm, dem Angeklagten , und dem Stiefvater des Geschädigten zu arrangieren, in dem der Angeklagte wegen einer vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung eine Entschuldigung einfordern wollte. Unmittelbar nach Betreten der Wohnung forderte der Angeklagte D. die Zahlung von 500 €, hilfsweise die Herausgabe des Kfz-Briefs für den Pkw des Geschädigten, weil dieser seinen Schwiegervater noch nicht zu einem Treffen habe bewegen können. Nachdem der Geschädigte erklärt hatte, der Kfz-Brief befinde sich bei seinen Eltern und Bargeld habe er nicht im Haus, nahm der Angeklagte F. ein Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm aus seiner Jacke und legte es vor dem Angeklagten D. , der dem Geschädigten gegenüber saß, auf den Küchentisch. Der Angeklagte D. ergriff das Messer und strich dem Geschädigten damit über den Oberschenkel, wobei er auf die Schärfe der Klinge hinwies, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Nach 20-30 Minuten verließen die Angeklagten die Wohnung. Dabei forderte der Angeklagte D. , der Geschädigte solle die verlangte Summe zu einer Tankstelle in B. bringen, und nahm als Druckmittel einen Schlüssel zu dessen Pkw an sich, der an der Garderobe hing.
3
Im weiteren Verlauf des Abends wollte der Angeklagte D. den Geschädigten erneut "auf die Sache ansprechen" und ihn zu diesem Zweck vor Arbeitsbeginn - der Geschädigte hatte eine Nachtschicht zu absolvieren - abpassen. Die Angeklagten ließen sich zu diesem Zweck von einem Bekannten zum Parkplatz des Arbeitgebers des Geschädigten bringen. Als der Pkw des Geschädigten vorfuhr, begab sich der Angeklagte D. dorthin. Aus dem Wagen stieg indes lediglich eine Arbeitskollegin des Geschädigten, der er den Wagen geliehen hatte, weil er selbst sich - aufgrund des vorangegangenen Geschehens eingeschüchtert - außer Stande sah, an diesem Abend zur Arbeit zu gehen. Als der Angeklagte D. das bemerkte, kehrte er zum Wagen seines Bekannten zurück und fuhr mit diesem und dem Angeklagten F. davon.
4
2. Die Verurteilungen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Beihilfe dazu können aufgrund dieser Feststellungen keinen Bestand haben. Denn die Strafkammer hat es in rechtsfehlerhafter Weise unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Angeklagten vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung strafbefreiend zurückgetreten sind. Insbesondere hat sie keine Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung getroffen. Insoweit gilt:
5
Sind an einer Tat mehrere beteiligt, so wird gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Diese Verhinderungsleistung kann indes schon darin zu sehen sein, dass die Beteiligten es einvernehmlich unterlassen, weiterzuhandeln (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, BGHR StGB § 24 Abs. 2 Verhinderung 2; vom 19. Juni 1991 - 3 StR 481/90, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Rücktritt 4; Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, hängt entscheidend von dem Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont) ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist und liegt mithin ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten. Anders liegt es aber dann, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist, weil aus Sicht der Täter nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen na- he liegenden Mitteln die Tat nicht mehr vollendet werden kann (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 19. März 2013 aaO). Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter im maßgeblichen Zeitpunkt, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist (BGH aaO mwN), den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil demgemäß sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (BGH aaO; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris; vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263).
6
So verhält es sich hier: Die Strafkammer hat weder Feststellungen zum weiteren Geschehen nach der Abfahrt der Angeklagten vom Parkplatz des Arbeitgebers des Geschädigten noch dazu getroffen, welche Vorstellung sich die Angeklagten im Zeitpunkt ihres Aufbruches hinsichtlich der Möglichkeit der Tatvollendung machten. Auch in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung hat sie sich nicht mit der Frage des Rücktritts auseinandergesetzt, so dass auch aus dem Urteil in seiner Gesamtheit nicht auf den Rücktrittshorizont der Angeklagten geschlossen werden kann. Darlegungen zum Rücktrittshorizont waren hier insbesondere auch deshalb geboten, weil es sich um ein mehraktiges Geschehen handelte und von den Angeklagten möglicherweise weitere Ausführungshandlungen vorgenommen werden sollten.
7
Der Senat hat auch die von dem Fehler nicht betroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 284/11
vom
1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 31. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die das Verfahren beanstandet und mit der Sachrüge die Beweiswürdigung angreift, ist begründet.

I.


2
Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last gelegt, am 10. November 2005 gemeinschaftlich mittels Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole eine in einer Tankstelle tätige Verkäufern dazu veranlasst zu haben, ihnen einen Geldbetrag von 420 € zu übergeben.
3
Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen.
4
Das Landgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, von dem in der Anklageschrift geschilderten Geschehen, nicht aber von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt zu sein. Weder anhand der Aussage der als Zeugin vernommenen Verkäuferin noch anhand des bei der Tat gewonnenen und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Bildmaterials habe es diese Überzeugung gewinnen können.

II.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Denn das Landgericht hat den auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens gerichteten Beweisantrag der Staatsanwaltschaft unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt.
6
1. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei den zur Tatzeit mittels einer Überwachungskamera im Verkaufsraum der Tankstelle aufgezeichneten männlichen Personen um die Angeklagten handele, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein "ungeeignetes Beweismittel" im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, weil es nicht möglich sei, dem Sachverständigen neben dem aus den Aufzeichnungen der Überwachungskamera stammenden "Videomaterial" das für die Begutachtung erforderliche "Vergleichsmaterial" zu verschaffen. Entsprechendes Material könne nur mittels eines Nachstellens der Tat unter Mitwirkung der Angeklagten gewonnen werden. Dazu seien diese nicht bereit.
8
2. Diese Begründung trägt die Ablehnung des Beweisantrags nicht; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
9
a) Ein Beweismittel ist völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach sicherer Lebenserfahrung feststeht, dass sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erreichen lässt und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 15. März 2007 - 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477; Beschluss vom 7. August 2008 - 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48 f.).
10
Wird eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kommt dies in Betracht, wenn es nicht möglich ist, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedarf. Umgekehrt ist ein Sachverständiger nicht schon dann ein völlig ungeeignetes Beweismittel, wenn er absehbar aus den Anknüpfungstatsachen keine sicheren und eindeutigen Schlüsse zu ziehen vermag. Als Beweismittel eignet er sich vielmehr schon dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen und hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen können (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 7. August 2008 - 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48, 49 mwN).
11
Ob eine sachverständige Begutachtung auf der verfügbaren tatsächlichen Grundlage zur Klärung der Beweisbehauptung nach diesen Maßstäben geeignet ist, kann und muss der Tatrichter in Zweifelsfällen im Wege des Freibeweises - etwa durch eine Befragung des Sachverständigen zu den von ihm für eine Begutachtung benötigten Anknüpfungstatsachen - klären (BGH, Beschluss vom 31. Mai 1994 - 1 StR 86/94, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 14; Beschluss vom 9. März 1999 - 1 StR 693/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 20; Beschluss vom 15. März 2007 - 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477).
12
b) Danach vermag die vom Landgericht gegebene Begründung die Ablehnung des Beweisantrags nicht zu rechtfertigen.
13
Sie stützt sich allein darauf, es fehle an dem notwendigen Vergleichsbildmaterial , das ohne Mitwirkung der Angeklagten auch nicht beschafft werden könne. Damit ist aber nicht belegt, dass ein anthropologischer Sachverständiger nicht in der Lage wäre, aus einem Vergleich des vorhandenen Bildmaterials mit den in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten sowie mit Lichtbil- dern und Messungen, deren Herstellung die Angeklagten gemäß § 81b StPO zu dulden haben, nicht zumindest Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Identität der Angeklagten mit den durch die Überwachungskamera gefilmten Tätern zu treffen. Auch verhält sich der Ablehnungsbeschluss nicht dazu, ob das vorhandene Bildmaterial trotz seiner nur mäßigen Qualität nach den maßgeblichen Kriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 StR 91/04, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 19) nicht doch hinreichende morphologische Merkmale der Täter erkennen lässt, die mit denen der Angeklagten abgeglichen werden könnten. Eine freibeweisliche Klärung dieser Fragen durch Anhörung eines kompetenten Sachverständigen hat das Landgericht nicht vorgenommen.
14
3. Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht das Urteil, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht nach Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre. Die Voraussetzungen, unter denen in Fällen der fehlerhaft begründeten Ablehnung eines Beweisantrags ausnahmsweise ein Beruhen ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211, 212 f.), liegen nicht vor.

III.


15
Auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge kommt es mithin nicht mehr an. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bezüglich der vom Angeklagten C. L. bei der Polizei gemachten Aussage die sichere Feststellung voraussetzt, dieser habe die ihm vor seiner Vernehmung erteilte Belehrung nach § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen einer akuten psychotischen Störung nicht verstanden (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 1 StR 475/93, BGHSt 39, 349, 351 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 224; Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, NStZ 1997, 609, 610). Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. November 2006 (1 StR 454/06, BGHR StPO § 136 Belehrung 14) liegt entgegen Stimmen in der Literatur (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 136 Rn. 20; LR/Gleß, StPO, 26. Aufl., § 136a Rn. 78) kein anderer rechtlicher Maßstab zugrunde. Vielmehr gelangte der Bundesgerichtshof dort zu einem Beweisverwertungsverbot , weil der Verstoß gegen § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine Belehrung feststand.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.