Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2011 - 4 StR 373/11

bei uns veröffentlicht am23.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 373/11
vom
23. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 13. April 2011
a) dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insofern hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass über diese eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO sowie die weiteren Kosten des Rechtsmittels zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier tateinheitlich begangener Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafen aus vier früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Ergänzung des Urteils um den gebotenen Teil- freispruch und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
2
1. Im Fall 3 der Anklage war der Angeklagte freizusprechen; dies holt der Senat nach.
3
In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage waren dem Angeklagten drei tatmehrheitlich begangene Fälle des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt worden. Wegen der ersten beiden Fälle hat das Landgericht den Angeklagten - allerdings unter Annahme von Tateinheit - verurteilt; hinsichtlich der dritten Tat hat es eine Tatbeteiligung des Angeklagten als "nicht mit der gebotenen Gewissheit" erwiesen angesehen (UA S. 9 f.).
4
Ein Angeklagter, der nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll, ist insoweit freizusprechen , um Anklage und Eröffnungsbeschluss auszuschöpfen; dies gilt auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2008 - 2 StR 174/08, NStZ-RR 2008, 287; vom 3. Juni 2008 - 3 StR 163/08, NStZ-RR 2008, 316). Den deshalb gebotenen Teilfreispruch holt der Senat - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - nach.
5
2. Die Gesamtstrafenbildung durch das Landgericht hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen liegen zwar hinsichtlich der in den Urteilen vom 29. Juni und 28. Juli 2010 verhängten Stra- fen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vor. Hinsichtlich der Verurteilung vom 17. August 2010 kann dies vom Senat dagegen nicht überprüft werden , da insofern die Tatzeit nicht mitgeteilt und deshalb nicht nachvollziehbar ist, ob auch die dort abgeurteilte Tat vor der die Zäsur bildenden Verurteilung vom 29. Juni 2010 begangen wurde. Die vom Landgericht ebenfalls einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom 22. März 2011 ist nach den von der Strafkammer mitgeteilten Daten einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung jedenfalls mit der hier abgeurteilten Straftat nicht zugänglich.
7
3. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO); insbesondere entspricht die Annahme von Tateinheit bei dem vom Landgericht festgestellten Umtausch der Betäubungsmittel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 4 StR 689/10 mwN).
8
4. Der Senat macht von der Regelung des § 354 Abs. 1b StPO Gebrauch. Über die neue Gesamtstrafe sowie die (weiteren) Kosten des Revisionsverfahrens kann im Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2011 - 2 StR 556/10; zur Kostenentscheidung: BGH, Beschluss vom 9. November 2004 - 4 StR 426/04, NJW 2005, 1205, 1206). Einer Aufhebung der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; hinsichtlich der Verurteilung vom 17. August 2010 ist eine Ergänzung um die Tatzeit möglich.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2011 - 2 StR 556/10

bei uns veröffentlicht am 19.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 556/10 vom 19. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juni 2008 - 3 StR 163/08

bei uns veröffentlicht am 03.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 163/08 vom 3. Juni 2008 in der Strafsache gegen wegen Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2011 - 4 StR 373/11.

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 13. Jan. 2015 - 3 RBs 355/14

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

Tenor 1.                               Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. (Alleinentscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters) 2.                Das angefochtene Urteil wird a)

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 163/08
vom
3. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. c) und 2. auf dessen Antrag - am
3. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2007
a) dahin geändert, dass der Teilfreispruch entfällt,
b) dahin ergänzt, dass die Höhe eines Tagessatzes der in den Fällen B. VII. und VIII. der Urteilsgründe (Fälle 31 und 32 der Anklage) verhängten Geldstrafen von 90 bzw. 30 Tagessätzen auf einen Euro festgesetzt wird,
c) aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Bestimmens eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und anderer Delikte zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch wie auch zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
1. Das Urteil hat indes keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Urteilsfeststellungen war dies veranlasst. Der Angeklagte hat im Alter von 15 Jahren erstmals "gekifft". Später probierte er Kokain, Speed und chemische Drogen. Im letzten halben Jahr vor seiner Verhaftung konsumierte er täglich Betäubungsmittel und zusätzlich Alkohol. Nach den - insoweit unwiderlegt gebliebenen - Angaben des Angeklagten handelte er mit Betäubungsmitteln, um seinen - zuletzt stark angestiegenen - Drogenkonsum zu finanzieren.
4
Diese Sachlage legt nahe, dass die gegenständlichen Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Daran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB nichts geändert (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 72). Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt.
5
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte.
6
Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es in der neuen Hauptverhandlung der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO).
7
2. Der die Tatkomplexe eins bis sieben und neun bis 28 der Anklage betreffende Teilfreispruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben.
8
Allerdings ist ein Angeklagter, der nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll, insoweit freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht (st. Rspr.; vgl. BGHSt 44, 196, 202). Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht die als tatmehrheitlich angeklagte "Tat" nicht für erwiesen hält. So verhält es sich hier gerade nicht: Das Landgericht hat den Angeklagten lediglich deshalb freigesprochen, weil die tatmehrheitlich angeklagten Betäubungsmittelstraftaten nach seiner rechtlichen Würdigung nicht Gegenstand eines selbständigen Schuld- und Strafausspruchs sein konnten. Unter diesen Umständen ist für einen Teilfreispruch kein Raum (vgl. BGH NStZ 2003, 546; NStZ 2004, 554). Dieser muss daher entfallen. Das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen.
9
3. In den Fällen B. VII. und VIII. der Urteilsgründe (Fälle 31 und 32 der Anklage) hat das Landgericht Geldstrafen verhängt. Dabei hat es zwar die Tagessatzanzahl mit 90 bzw. 30 festgesetzt, aber unterlassen, die Höhe eines Tagessatzes zu bestimmen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dessen bedarf es auch dann, wenn wie hier aus den Einzelgeldstrafen und Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet worden ist (BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1). Der Senat hat dies dadurch nachgeholt, dass er den einzelnen Tagessatz auf das Mindestmaß von einem Euro festgesetzt hat (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB; vgl. BGH, Beschl. vom 11. Januar 2006 - 2 StR 571/05). Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 689/10
vom
25. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Januar 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Oktober 2010 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen drei tatmehrheitlich begangenen Fällen des unerlaubten gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte 200 Gramm Kokain zu einem Preis von 9.000 Euro gewinnbringend an seinen Abnehmer. Auf dessen Reklamation wegen der "minderwertigen Qualität" nahm er 170 Gramm Kokain zurück und lieferte "im Gegenzug" gegen Zahlung weiterer 4.500 Euro 300 Gramm Kokain. Auf die erneute Beschwerde des Abnehmers nahm er die Gesamtmenge zurück und lieferte gegen Zahlung eines erneuten Aufpreises von 4.500 Euro 500 Gramm Kokain. Gemäß der Vereinbarung mit seinem Lieferanten erhielt der Angeklagte einen Gewinnanteil in Höhe von 2.500 Euro.
3
2. Der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wird eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge in eine andere Menge umgetauscht, weil etwa - wie hier - die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so sind auch die Bemühungen um die Rückgabe der mangelhaften und die Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein- und desselben Rauschgiftgeschäftes gerichtet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 259; BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2004 - 1 StR 538/03, NStZ 2005, 232, vom 24. Oktober 2006 – 3 StR 388/06, StV 2007, 83, vom 23. September 2009 - 2 StR 325/09, NStZ-RR 2010, 24, und vom 30. September 2009 - 2 StR 323/09, NStZ-RR 2010, 26). Dies gilt auch, wenn - wie hier - der Umtausch in der Weise vollzogen wird, dass die Liefermenge gegen einen Aufpreis erhöht wird. Denn auch in diesem Fall betrifft zumindest die Vereinbarung des Umtausches beide Rauschgiftmengen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 259). Zwischen den drei abgeurteilten Taten des Angeklagten besteht daher hier Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1981 – 2 StR 489/81, StV 1982, 23).
4
3. Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend selbst geändert (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend); der geständige Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können (§ 265 StPO). Ferner war der Schuldspruch insoweit zu berichtigen, als die mittäterschaftliche Begehungsweise im Tenor nicht aufzuführen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rn. 24 m.w.N.).
5
4. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der vom Landgericht verhängten drei Einzelstrafen.
6
Angesichts des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat trägt der Senat keine Bedenken, an die Stelle der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren eine gleich hohe Freiheitsstrafe zu setzen. Die zutreffende Bestimmung der Konkurrenzen führt zu keiner Veränderung des Unrechts- und Schuldumfangs. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine "Konkurrenzkorrektur" in aller Regel keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts bedeutet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 1997 - 2 StR 566/96, NStZ 1997, 233, vom 14. April 1999 - 1 StR 678/98, NStZ 1999, 513, 514, jew. m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 - 2 BvR 2251/03); so verhält es sich auch hier.
7
Für einen Teilfreispruch ist kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 - 3 StR 163/08).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 556/10
vom
19. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2011 gemäß
§§ 206a Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 20. April 2010 werden
a) das Verfahren im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Bestehen eines Prozesshindernisses eingestellt; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt;
b) der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist;
c) das Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Vergewaltigung sowie Körperverletzung in zwei Fällen" unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus ei- nem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und festgestellt, dass ein Teil der Strafe von sechs Monaten als vollstreckt gilt. Hinsichtlich zweier weiterer Taten hat es das Verfahren wegen eines Prozesshindernisses eingestellt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gerichtete Rüge des Angeklagten führt zu einer Teileinstellung des Verfahrens und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet.
2
1. Das Verfahren war im Fall 1 wegen eines Prozesshindernisses einzustellen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Tat bereits verjährt ist. Auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift wird insoweit Bezug genommen.
3
2. Der Schuldspruch im Fall 3 war nach Maßgabe des Tenors klarzustellen. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten zutreffend als Vergewaltigung und Körperverletzung gewürdigt (UA S. 99 i.V.m. UA S. 10 f.), dies aber offenbar bei der Fassung des Tenors übersehen.
4
3. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall 1 entzieht der aus der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, zwei weiteren Einzelstrafen von je sechs Monaten sowie der einbezogenen Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 € gebildeten Gesamtstrafe die Grundlage. Über die neue Gesamtstrafe kann im Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO entschieden werden. Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach