Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 4 StR 287/13

bei uns veröffentlicht am10.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 287/13
vom
10. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Februar 2013 mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten der Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der Nötigung sowie des Raubes in zwei Fällen schuldig gesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten, der sich mit der ausgeführten Sachrüge insbesondere gegen die angeordnete Maßregel wendet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils leidet der zu den Tatzeiten 20 bzw. 21 Jahre alte Angeklagte unter einer erheblichen intellektuellen Minderbegabung im Sinne einer (angeborenen) leichten bis mittelgradigen Intelligenzminderung, die dem Eingangskriterium des Schwachsinns unterfällt. Im April 2010 wurde er in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung , Vermögenssorge und Vertretung in Straf- und Ermittlungsverfahren unter Betreuung gestellt. Der Angeklagte hat bis Sommer 2011 eine Schule mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ mit mäßigen Leistungen besucht. Anschlie- ßend sortierte er auf einem Wertstoffhof elektronische Bauteile. Nach Bekanntwerden der beiden ersten verfahrensgegenständlichen Vorfälle wurde ihm dort gekündigt; der Angeklagte arbeitete seither in einer Landschaftsgärtnerei der Lebenshilfe e. V. Bad Dürkheim. Die Höhe seines jeweils erzielten Einkommens ist ihm nicht bekannt.
3
In der Zeit von März 2012 bis September 2012 beging der Angeklagte die abgeurteilten Taten: in den beiden ersten Fällen riss er jeweils eine Frau zu Boden. Beide Geschädigte wehrten sich heftig; eine von ihnen erlitt Verletzungen am Fußknöchel und am Handgelenk. Bei den beiden späteren Taten packte der Angeklagte Frauen von hinten an den Beinen. Die Tatopfer mussten sich an einem Treppengeländer bzw. einem Schild festhalten, um nicht hinzufallen. Der Angeklagte hielt ihre Beine fest und streifte ihre Ballerina-Schuhe ab, mit denen er flüchtete.
4
Das sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte bei erhaltener Einsichtsfähigkeit Tatimpulsen nur eingeschränkt gegenzusteuern in der Lage sei. Seine Steuerungsfähigkeit sei erheblich vermin- dert, aber nicht gänzlich aufgehoben gewesen. Das Landgericht hat gemäß § 32 Satz 1 JGG in allen Fällen Jugendstrafrecht angewendet und gemäß § 7 JGG i.V.m. § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, da aufgrund der Intelligenzminderung auch in Zukunft mit gezielten Angriffen auf junge Frauen zu rechnen sei. Die Verhängung von Zuchtmitteln und Strafe hat es daneben als entbehrlich angesehen (§ 5 Abs. 3 JGG).

II.


5
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs.
6
1. Rechtsfehlerfrei sind die Feststellungen des Landgerichts zu den Tatgeschehen , die deshalb aufrecht erhalten bleiben können. Sie beruhen auf einer schlüssigen Beweiswürdigung.
7
2. Die Ausführungen des Landgerichts zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit als Grundlage für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Die Urteilsfeststellungen ergeben nicht zweifelsfrei, dass der Angeklagte an einem geistigen oder seelischen Zustand leidet, der die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher begründet. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen , ob das Landgericht die Feststellung, der Angeklagte sei allein aufgrund seiner Minderbegabung vermindert schuldfähig, zu Recht getroffen hat. Zwar kann Schwachsinn zu einer solchen Beeinträchtigung führen. Die bloße Minde- rung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet sie aber nicht (BGH, Urteil vom 31. August 1994 – 2 StR 366/94, BGHR StGB § 63 Zustand 17; Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12 Rn. 9). Das Landgericht hat nicht dargelegt, aufgrund welcher Untersuchungsverfahren und Kriterien die Sachverständige zu ihrer Diagnose gelangt ist. Wie sich die „leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung“ konkret auswirkt, wird nicht näher beschrieben, auch enthält das Urteil keine Angabe, welchen Intelligenzquotienten der Angeklagte erreicht. Gegen die im Urteil ohne nähere Begründung angenommene Erheblichkeit der intellektuellen Minderbegabung könnte demgegenüber sprechen, dass der An- geklagte bis Sommer 2011 eine Schule mit Förderschwerpunkt „Lernen“, wenn auch mit mäßigen Leistungen, besucht hat und offenbar in der Lage war, den Anforderungen an seinen Arbeitsplätzen nachzukommen.
9
b) Auch die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten gerade aufgrund des Zustands des Angeklagten ist nicht nachvollziehbar belegt. Inwieweit der gelegentliche Missbrauch von Alkohol einen ungünstigen Prädiktor bezüglich einer Wiederholungsgefahr für ähnlich gelagerte Delikte darstellt, erschließt sich nicht, da eine Alkoholbeeinflussung des Angeklagten bei den verfahrensgegenständlichen Taten nicht festgestellt ist. Auch ist nicht erkennbar, in welchem Zusammenhang „gewisse dissoziale Tendenzen“ des Angeklagten mit seiner geistigen Behinderung stehen. Dass die Strafkammer an anderer Stelle des Urteils die Unterbringung als solche und die damit verbundene Therapie als die einzig sinnvolle und erfolgversprechende Erziehungsmaßnahme bezeichnet, lässt besorgen, dass sie einen unzutreffenden Maßstab für deren Anordnung zugrunde gelegt hat.
10
3. Ebenso wenig sind danach die Voraussetzungen des § 20 StGB sicher auszuschließen. Worauf sich die von der Strafkammer geteilte Einschätzung der Sachverständigen gründet, dass die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erhalten geblieben sei, teilen die Feststellungen nicht mit. Sowohl der Schuldspruch als auch die Anordnung nach § 7 JGG, § 63 StGB können daher keinen Bestand haben.
VRi'inBGH Sost-Scheible Roggenbuck Franke ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Roggenbuck Mutzbauer Quentin

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Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

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Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

9
b) Da sich das Landgericht auf die Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung des Angeklagten durch den psychiatrischen Sachverständigen beschränkt , ist das als gegeben erachtete Eingangsmerkmal auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Zwar kann die hier vom Landgericht angenommene Intelligenzminderung des Angeklagten grundsätzlich die Annahme von Schwachsinn im Sinne des § 20 StGB rechtfertigen, die bloße Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet sie aber nicht (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1994 – 2 StR 366/94, BGHR StGB § 63 Zustand 17). Die Urteilsgründe verhalten sich jedoch nicht genauer zum Grad der beim Angeklagten vorhandenen Intelligenzminderung, die einerseits als leicht bis mittelgradig (UA 4), an anderer Stelle als erheblich (UA 19) bezeichnet wird. Schon im Hinblick auf die denkbare Schwankungsbreite dieser Behinderung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 5 StR 240/10 für die Diagnose "Schwachsinn" ) sind die Urteilsausführungen daher wenig aussagekräftig und für die revisionsgerichtliche Überprüfung unzureichend, zumal nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche psychologischen Testverfahren der Beurteilung zu Grunde liegen. Ferner bleibt offen, in welchem Zusammenhang die Intelligenzminderung mit den beim Angeklagten ebenfalls diagnostizierten Verhaltensauffälligkeiten steht.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.