Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 4 StR 278/12

published on 28/08/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 4 StR 278/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 278/12
vom
28. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Computers Fujitsu-Siemens "Scaleo" angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung eines Personal-Computers angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Juli 2012 keinen Erfolg.

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
4
2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des PersonalComputers Fujitsu-Siemens "Scaleo" nicht bestehen bleiben.
5
a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Computer gemäß § 74 Abs. 1 Fall 2 StGB grundsätzlich als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, da der Angeklagte auf diesem Computer während der Begehung einiger der abgeurteilten Taten zu seiner Stimulierung kinderpornographisches Material vorführte. Hingegen hält die Wertung des Landgerichts, weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne von § 74b Abs. 2 StGB kämen nicht in Betracht, da angesichts des Alters des Gerätes die für die endgültige Löschung der vorhandenen Bilddateien entstehenden Kosten dessen Wert bei weitem übersteigen würden, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
b) Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maß- nahme zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Vorschrift - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - zwingenden Charakter (BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71). Auf die vom Landgericht herangezogene Erwägung, eine endgültige Löschung sei unverhältnismäßig, weil sie mit Kosten verbunden wäre, die den Wert des Computers bei weitem übersteigen würden, kann die Einziehung des gesamten Gerätes daher nicht gestützt werden. Steht mit der Löschung der betreffenden Dateien ein milderes geeignetes Mittel als die vorbehaltlose Einziehung zur Verfügung , so hat der Tatrichter die Einziehung vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten zu entscheiden , ob er die Anordnung befolgt und damit die Einziehung abwendet oder nicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 74b Rn. 5). Ein Ermessen ist ihm nicht eröffnet (BGH aaO).
7
c) Den Feststellungen im angegriffenen Urteil kann nicht entnommen werden, welche Dateien auf der Festplatte des Computers im Einzelnen betroffen sind und ob deren Löschung technisch möglich ist. Das Urteil war deshalb mit den zugrunde liegenden Feststellungen insoweit aufzuheben; der neue Tatrichter wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Er wird ferner bedenken müssen, dass - weil eine Rückgabe der Datenträger an den Angeklagten zur Löschung der Dateien durch diesen selbst ausgeschlossen ist - die Durchführung entsprechender Maßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnen sein wird. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen gerichtlichen Entscheidung weist der Senat auf § 462 Abs. 1 Satz 2 StPO hin (vgl. Fischer, aaO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
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(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden. (2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bez

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d
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Annotations

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.