Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2016 - 4 StR 192/16

bei uns veröffentlicht am11.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 192/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016B4STR192.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 20. November 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Handys IPhone 5, des Laptops MacBook Pro und der externen Festplatte Backup 1 angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren sexuellen Miss- brauchs in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung eines Mobiltelefons, eines Laptops sowie einer externen Festplatte des Angeklagten angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Juni 2016 keinen Erfolg.
3
2. a) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
4
b) Jedoch begegnet die auf § 201a Abs. 4 StGB aF i.V.m. § 74 Abs. 4 StGB gestützte Anordnung der Einziehung eines Mobiltelefons, eines Laptops sowie einer externen Festplatte, sämtlich dem Angeklagten gehörende Gegenstände , durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
Gemäß § 74b Abs. 2 StGB ist in Fällen der Einziehung nach §§ 74, 74a StGB zwingend (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2014 – 4 StR 128/14, NStZ-RR 2014, 274, und vom 28. August 2012 – 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1) zu prüfen, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme hätte getroffen werden können, durch die der Zweck der Einziehung gleichermaßen hätte erreicht werden können. Da eine Rückgabe der Geräte bzw. Speichermedien mit den betreffenden Bilddateien an den Angeklagten nicht in Betracht kommt, hätte das Landgericht prüfen müssen, welche Dateien auf den Geräten die entsprechenden Aufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch in einer Weise möglich ist, die ihre Wiederherstellung dauerhaft verhindert. Stünde damit ein milderes, im Vergleich zur sonst gebotenen Einziehung gleichermaßen geeig- netes Mittel zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen (Senatsbeschluss vom 18. Juni 2014 aaO).
VRinBGH Sost-Scheible befin- Roggenbuck Franke det sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Roggenbuck Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 74 Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern


(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden. (2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bez

Strafgesetzbuch - StGB | § 74a Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen


Verweist ein Gesetz auf diese Vorschrift, können Gegenstände abweichend von § 74 Absatz 3 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen, 1. mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie

Strafgesetzbuch - StGB | § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträg

Strafgesetzbuch - StGB | § 74b Sicherungseinziehung


(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn 1. der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 4 StR 278/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 278/12 vom 28. August 2012 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführer

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bei uns veröffentlicht am 18.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR128/14 vom 18. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers a

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

Verweist ein Gesetz auf diese Vorschrift, können Gegenstände abweichend von § 74 Absatz 3 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen,

1.
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder
2.
sie in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR128/14
vom
18. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Laptops Acer „Aspire 5315“ angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet, unter denen sich auch ein Laptop Acer „Aspire 5315“ befindet.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
4
Zur Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei den vom Angeklagten mit seinem Mobiltelefon bei der Tat zum Nachteil seines Sohnes gefertigten Videoaufnahmen um eine einzige Videoaufnahme handelt, bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Mai 2014:
5
Da es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 372/12, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 51, Tz. 12 mwN; dazu LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 110 ff.), begegnet die Auffassung des Landgerichts, es fehle dem Beweisbegehren hier wegen einer „aufs Geratewohl“ aufgestellten Beweisbehauptung die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrags, rechtlichen Bedenken. Auf einem möglichen Rechtsfehler würde das angefochtene Urteil jedoch nicht beruhen. Die eingehende, die Verteidigungsinteressen des Angeklagten in jeder Hinsicht berücksichtigende Begründung des Ablehnungsbeschlusses ergibt, dass die Strafkammer den Antrag auch unter Berufung auf ihre – hinreichend dargelegte – eigene Sachkunde abgelehnt hat.

II.


6
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
7
2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des Laptops Acer „Aspire 5315“ nicht bestehen bleiben.
8
a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Laptop als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, weil der Angeklagte ihn zur Speicherung der von ihm angefertigten Videoaufzeichnungen benutzt hat. Auch dass es die Einziehung nicht auf § 201a Abs. 4 Satz 1 StGB gestützt hat, macht die Anordnung für sich genommen noch nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn durch diese Bestimmung werden die allgemeinen Voraussetzungen der Einziehung für Straftaten nach § 201a StGB lediglich erweitert (vgl. § 74 Abs. 4 StGB; dazu MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 74 Rn. 52). Nach den Feststellungen waren im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB gegeben.
9
b) Das Landgericht hat jedoch die für alle Fälle der obligatorischen oder fakultativen Einziehung geltende Bestimmung des § 74b Abs. 2 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. März 1988 – 1 Ss 85/88, StV 1989, 156; Altenhain in Matt/Renzikowski, StGB, § 74b Rn. 5) übersehen und daher nicht erkennbar geprüft, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen war, sofern der Zweck der Einziehung auch dadurch erreicht werden konnte. Als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Vorschrift – anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm – zwingenden Charakter (Senatsbeschluss vom 28. August 2012 – 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1 mwN).
10
Da eine Rückgabe des Laptops mit den betreffenden Videodateien an den Angeklagten nicht in Betracht kommt, hätte hier geprüft werden müssen, welche Dateien auf der Festplatte des Laptops im Einzelnen die Videoaufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten, ob er die Anordnung befolgt und dadurch die Einziehung abwendet oder nicht. Ein Ermessen, etwa hinsichtlich der anfallenden Kosten für die Löschung im Verhältnis zum Wert des Computers , ist dem Tatrichter bei dieser Entscheidung schon nach dem Gesetzeswort- laut nicht eröffnet (Senatsbeschluss aaO). Diese Prüfung wird nunmehr nachzuholen sein.
Mutzbauer RinBGH Roggenbuck ist wegen Cierniak Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Franke Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 278/12
vom
28. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Computers Fujitsu-Siemens "Scaleo" angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung eines Personal-Computers angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Juli 2012 keinen Erfolg.

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
4
2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des PersonalComputers Fujitsu-Siemens "Scaleo" nicht bestehen bleiben.
5
a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Computer gemäß § 74 Abs. 1 Fall 2 StGB grundsätzlich als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, da der Angeklagte auf diesem Computer während der Begehung einiger der abgeurteilten Taten zu seiner Stimulierung kinderpornographisches Material vorführte. Hingegen hält die Wertung des Landgerichts, weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne von § 74b Abs. 2 StGB kämen nicht in Betracht, da angesichts des Alters des Gerätes die für die endgültige Löschung der vorhandenen Bilddateien entstehenden Kosten dessen Wert bei weitem übersteigen würden, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
b) Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maß- nahme zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Vorschrift - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - zwingenden Charakter (BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 71). Auf die vom Landgericht herangezogene Erwägung, eine endgültige Löschung sei unverhältnismäßig, weil sie mit Kosten verbunden wäre, die den Wert des Computers bei weitem übersteigen würden, kann die Einziehung des gesamten Gerätes daher nicht gestützt werden. Steht mit der Löschung der betreffenden Dateien ein milderes geeignetes Mittel als die vorbehaltlose Einziehung zur Verfügung , so hat der Tatrichter die Einziehung vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten zu entscheiden , ob er die Anordnung befolgt und damit die Einziehung abwendet oder nicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 74b Rn. 5). Ein Ermessen ist ihm nicht eröffnet (BGH aaO).
7
c) Den Feststellungen im angegriffenen Urteil kann nicht entnommen werden, welche Dateien auf der Festplatte des Computers im Einzelnen betroffen sind und ob deren Löschung technisch möglich ist. Das Urteil war deshalb mit den zugrunde liegenden Feststellungen insoweit aufzuheben; der neue Tatrichter wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Er wird ferner bedenken müssen, dass - weil eine Rückgabe der Datenträger an den Angeklagten zur Löschung der Dateien durch diesen selbst ausgeschlossen ist - die Durchführung entsprechender Maßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnen sein wird. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen gerichtlichen Entscheidung weist der Senat auf § 462 Abs. 1 Satz 2 StPO hin (vgl. Fischer, aaO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Schmitt Quentin

(1) Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn

1.
der Täter oder Teilnehmer ohne Schuld gehandelt hat oder
2.
die Gegenstände einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 wird der andere aus der Staatskasse unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des eingezogenen Gegenstandes angemessen in Geld entschädigt. Das Gleiche gilt, wenn der eingezogene Gegenstand mit dem Recht eines anderen belastet ist, das durch die Entscheidung erloschen oder beeinträchtigt ist.

(3) Eine Entschädigung wird nicht gewährt, wenn

1.
der nach Absatz 2 Entschädigungsberechtigte
a)
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass der Gegenstand als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen ist, oder
b)
den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, in verwerflicher Weise erworben hat oder
2.
es nach den Umständen, welche die Einziehung begründet haben, auf Grund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts zulässig wäre, dem Entschädigungsberechtigten den Gegenstand oder das Recht an dem Gegenstand ohne Entschädigung dauerhaft zu entziehen.
Abweichend von Satz 1 kann eine Entschädigung jedoch gewährt werden, wenn es eine unbillige Härte wäre, sie zu versagen.