Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2016 - 4 StR 252/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR252.15.0
bei uns veröffentlicht am19.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 252/15
vom
19. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2016:190116B4STR252.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 19. Februar 2015 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensbeanstandung und der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
2
1. Eine das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzende Tatprovokation liegt nicht vor.
3
a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu- nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertret- bar übergewichtig“ ist(vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
4
b) Daran gemessen hielt sich der Einsatz der polizeilichen Vertrauensperson in den durch den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen.
5
Denn nach den Feststellungen bestand im Zeitpunkt des ersten Einsatzes der Vertrauensperson der Polizei aufgrund von Hinweisen aus der Rockerszene der Verdacht, dass der Angeklagte in der von ihm mitbetriebenen Gaststätte Betäubungsmittel verkauft. Beim zweiten Treffen kamen der Angeklagte und die Vertrauensperson über das Thema Betäubungsmittel ins Gespräch. Dabei fragte der Angeklagte, ob die Vertrauensperson ihm eine Kokainprobe besorgen könne. Als die Vertrauensperson verneinte, rief dies das Misstrauen des Angeklagten hervor. Nachdem die Vertrauensperson bei einem weiteren Treffen bei dem Angeklagten angefragt hatte, ob nicht er etwas besorgen könne, es müsse sich aber um eine größere Menge handeln, „witterte der Angeklagte ein gewinnbringendes Geschäft“ und sagte „auf Drängen“ der Ver- trauensperson hin zu, in einer Woche abzuklären, ob er Amphetamin in größeren Mengen besorgen könne. Er nahm hierauf Kontakt zu dem gesondert verfolgten P. auf, bei dem er in der Vergangenheit Amphetamin gekauft hatte und entfaltete in der Folge eine erhebliche Eigeninitiative, um das angestoßene Geschäft zum Abschluss zu bringen (Ankauf und Weitergabe von 100 Gramm Amphetamin als von der Vertrauensperson zunächst erbetene Probe, Beschaffung weiterer fünf Kilogramm Amphetamin von P. ). Auch nahm er auf die Ausgestaltung des Geschäftes einen bestimmenden Einfluss (Festlegung der Verkaufsmenge auf einmal fünf Kilogramm statt zweier Geschäfte über jeweils zweieinhalb Kilogramm). Zudem gab der Angeklagte vor, bei „Rauschgift- geschäften immer etwas einstecken“ zu haben, was für den Fall, dass etwas schieflaufe, eine „Bleivergiftung“ zur Folge habe.
6
Mit Rücksicht auf die bestehende Verdachtslage beim Erstkontakt, der von dem Angeklagten ausgehenden Anfrage nach dem noch gefährlicheren Betäubungsmittel Kokain und der bei ihm durchgehend handlungsleitenden Gewinnorientierung kommt den weiteren Beiträgen der Vertrauensperson der Polizei nur noch eine nachgeordnete Bedeutung zu. Das festgestellte „Drängen“ der Vertrauensperson war ersichtlich nicht auf das Geschäft als solches, sondern lediglich auf dessen beschleunigte Abwicklung gerichtet. Aus den Verfahrensakten , die der Senat mit Rücksicht auf das mögliche Vorliegen eines Verfahrenshindernisses herangezogen hat, ergeben sich keine weiter gehenden Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation.
7
2. Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 StPO), weil in Bezug genommene Schriftstücke, die für das Verständnis des Rügevorbringens notwendig sind (Protokolle der Vernehmungen der Vertrauensperson, Durchsuchungsbericht vom 15. April 2014), und der Beschluss der Strafkammer , mit dem die gestellten Anträge abgelehnt worden sind, weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, Rn. 14; insoweit in NStZ 2015, 98 nicht abgedruckt , Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 5). Auch ist die Angriffsrichtung der Rüge nicht hinreichend erkennbar.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

24
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein Verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Sie ist nur zulässig, wenn diese gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den § 152 Abs. 2, § 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 f.; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336 f.). Eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person darf hingegen nicht in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet werden. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Ur- teil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 – 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79); im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; Senat, Urteil vom 21. September 1983 - 2 StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
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aa) Die Strafkammer hat zunächst zu Recht angenommen, der Angeklagte A. sei zu seiner Tat rechtsstaatswidrig provoziert worden. Zwar bestand gegen ihn zunächst ein gewisser Anfangsverdacht. In der Folge wurde das tatprovozierende Verhalten aber bei Abwägung aller Umstände „unvertretbar übergewichtig“ (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1983 – 2StR 370/83, NStZ 1984, 78, 79; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 853). Hierbei durfte das Landgericht maßgeblich auf den außergewöhnlich langen Zeitraum abstellen, während des- sen nicht nur durch die VP „M. “, sondern ergänzend durch den VE „Kl. in vielfältiger, einen hohen Tatanreiz schaffenderWeise – auch mit gewissem Druck – auf den Angeklagten eingewirkt sowie die Durchführung der Kokaineinfuhr seitens der Ermittlungsbehörden zudem durch weiteres Tun wesentlich erleichtert worden ist. Es durfte weiter berücksichtigen, dass der Umfang der staatlicherseits initiierten Tat um ein Vielfaches über das Ausmaß des ursprünglichen Anfangsverdachtes hinausging und die übrigen Ermittlungen – soweit sie überhaupt geführt wurden – keinerlei belastende Momente ergeben haben. In der Gesamtschau spricht letztlich nichts dafür, dass der bislang unbestrafte Angeklagte A. die Tat ohne die gewichtigen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden und das dem Staat zuzurechnende (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 336) Vorgehen „M. s“ verübt hätte. Das Verfahren war mithin nicht fair im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (vgl. EGMR [Große Kammer], NJW 2009, 3565, 3568).
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Der Grundsatz des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) kann verletzt
sein, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation durch eine von der Polizei
geführte Vertrauensperson (VP) angesonnene Drogengeschäft nicht mehr in einem
angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem jeweils individuell gegen den
Provozierten bestehenden Tatverdachts steht (Fortführung von BGHSt 45, 321).
BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01 - Landgericht Augsburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 42/01
vom
30. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
29. Mai 2001 in der Sitzung vom 30. Mai 2001, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 26. September 2000 im Ausspruch über die Einzelstrafe im Falle B. II. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Heroin) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Sie macht insbesondere geltend, der Angeklagte sei von einer durch die Polizei geführten Vertrauensperson (VP) in unzulässiger Weise zum Handeltreiben mit Heroin provoziert worden. Den darin liegenden Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK habe das Landgericht ausdrücklich feststellen und bei der Strafzumessung weitergehend als geschehen berücksichtigen müssen. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet; es führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die im Falle B. II. der Urteilsgründe in Ansatz gebrachte Einzelfreiheitsstrafe sowie zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte lernte in einem Lokal durch einen Bekannten eine sog. Vertrauensperson (VP) der Polizei kennen. Diese gab zu verstehen, daß sie Haschisch konsumiere. Während eines Toilettenaufenthaltes der VP folgte ihr der Angeklagte und bot ihr Haschisch an. Die VP ging auf das Angebot ein und es kam zu einem Verkauf von etwa 70 g (4,5 g THC) zum Preise von 700 DM. Bei einem weiteren Treffen - an diesem Tage wurde auch ein weiteres Haschischgeschäft zwischen beiden abgewickelt (22,55 g bei 1,4 g THC) - äußerte nun die VP gegenüber dem Angeklagten, sie sei stark am Erwerb von Heroin guter Qualität interessiert. Der Angeklagte – gegen den nicht der Verdacht bestand, Heroingeschäfte vorgenommen zu haben oder solche vornehmen zu wollen - antwortete zunächst abwehrend sinngemäß, daß solche Geschäfte gefährlich seien. Zwei Tage darauf, als die VP über vermeintliche Bezugsprobleme klagte, versuchte er indessen telefonisch Kontakt zu dem Heroinhändler B. herzustellen. Im weiteren Verlauf gelang ihm dies und er arrangierte ein Treffen der VP mit B. , an dem er teilnahm. Es kam dann zu drei Geschäften: Zunächst erfolgte eine Probelieferung von 5,52 g Heroingemisch mit einem HHCL-Anteil von 1,15 g zum Preis von 400 DM, sodann eine weitere Lieferung von 89,05 g Heroingemisch (HHCL-Anteil = 7,64 g) zum Preis von 7.000 DM; schließlich bestellte die VP 500 g Heroingemisch, die der Angeklagte als lieferbar erklärt hatte, nachdem die VP zunächst 1,2 kg Heroin und 800 g Kokain hatte ordern wollen. Bei den Geschäften war der Angeklagte nach telefonischer Verabredung in den Pkw der VP gestiegen; dann hatten beide B. an einem anderen Ort aufgenommen. Die Verhandlungen mit der VP wickelte im wesentlichen der Angeklagte ab, da B. k aum Deutsch
sprach. Der Angeklagte sollte für die Geschäfte sowohl von der VP als auch von B. eine Provision erhalten. Die Strafkammer ist auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, die VP habe ihn unter Darstellung einer Gefahr für Leib und Leben - weil er seine angeblichen Abnehmer nicht mehr mit qualitativ gutem Heroin habe beliefern können - "angebettelt" Heroin zu besorgen und eine Provision in Aussicht gestellt. Nachdem der Angeklagte den Kontakt zu B. hergestellt hätte und mit der Sache nichts mehr habe zu tun haben wollen, sei er von der VP zum weiteren Mitmachen "gedrängt" worden, weil er als Dolmetscher gebraucht werde. Bei der Übergabe des zuletzt bestellten Heroins an die VP wurden der Angeklagte und B. festgenommen. Im Blick auf die Einlassung des Angeklagten , das Haschisch wie auch das Heroin hätten jeweils einem auf einmal beschafften Gesamtvorrat entstammt, hat die Strafkammer für das Handeltreiben mit Haschisch sowie mit Heroin jeweils eine Bewertungseinheit angenommen. 2. Die Strafkammer hat einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verneint. Zwar habe gegen den Angeklagten vor dem Einsatz der VP kein Verdacht dahin bestanden, daß er gerade Heroingeschäfte vornehmen wolle. Auch könne letztlich nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte durch die VP zum Handeltreiben mit Heroin provoziert worden sei. Eine "eventuelle Provokation" sei dem Staat aber nicht zuzurechnen, da jedenfalls das von dem Wissen und der Kenntnis der Polizei umfaßte Verhalten der VP keine Tatprovokation darstelle. Dennoch hat die Strafkammer bei der Strafzumessung wegen der Veranlassung des Handeltreibens mit Heroin die an sich festzusetzende Einzelfreiheitsstrafe um fünf Monate verringert.

II.

Die Revision hat Erfolg, soweit sie den Strafausspruch im Falle B. II. der Urteilsgründe angreift (Heroingeschäfte). Die Begründung, mit der das Landgericht das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als nicht verletzt erachtet, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Vorgehen der VP der Polizei, durch welches der Angeklagte zum Handeltreiben gerade mit Heroin veranlaßt wurde und das dem Staat hier entgegen der Auffassung des Landgerichts zuzurechnen ist, erweist sich möglicherweise als unzulässige und damit konventionswidrige Tatprovokation. Der Senat läßt offen, ob die Revision nur mit einer Verfahrensrüge oder auch mit der Sachrüge geltend machen kann, das Landgericht habe zu Unrecht einen Konventionsverstoß verneint. Er kann alle insoweit maßgeblichen Umstände sowohl dem Vortrag der Revision zur Verfahrensrüge als auch dem angefochtenen Urteil entnehmen. 1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99 (BGHSt 45, 321) in Anwendung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) und im Blick auf dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR EuGRZ 1999, 660 = StV 1999, 127 = NStZ 1999, 47) für den Fall eines konventionswidrigen Lockspitzeleinsatzes entschieden, daß ein solcher Verstoß in den Urteilsgründen festzustellen und bei Festsetzung der Rechtsfolgen - genau bemessen - zu kompensieren ist. Eine Konventionssverletzung liegt nach der genannten Senatsentscheidung vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte VP in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGHSt 45, 321, Leitsatz und Seite 335).
Der Senat hat diesen Maßstab weiter dahin konkretisiert, daß eine Tatprovokation nicht schon dann vorliegt, wenn eine VP einen Dritten ohne sonstige Einwirkung lediglich darauf anspricht, ob dieser Betäubungsmittel beschaffen könne. Ebenso liegt keine Provokation vor, wenn die VP nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt. Dagegen ist die VP als die tatprovozierender Lockspitzel tätig, wenn sie über das bloße "Mitmachen" hinaus in die Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (BGHSt 45, 321, 338). Erreicht die Intensität der Einwirkung durch den polizeilichen Lockspitzel das Maß einer Tatprovokation, so ist diese nur zulässig, wenn die VP (bzw. ein VE) gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den §§ 152 Abs. 2, 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen zu sein oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein; hierfür müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der VP-Einsatz ursprünglich (bis zur Tatprovokation) der präventiven Gefahrenabwehr diente oder von Anfang an repressiven Charakter hatte. Die Rechtmäßigkeit des Lockspitzeleinsatzes ist selbst im Falle einer "Gemengelage" einheitlich an den Regelungen der StPO zu messen (BGHSt 45, 321, 337). Eine unzulässige Tatprovokation ist dem Staat im Blick auf die Gewährleistung des fairen Verfahrens dann zuzurechnen, wenn diese Provokation mit Wissen eines für die Anleitung der VP verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können. Erteilt die Polizei einen Auftrag an eine VP, hat sie die Möglichkeit und die Pflicht, diese Person zu überwachen. Eine Ausnahme von der sich daraus ergebenden Zurechnung
kann nur dann gelten, wenn die Polizei mit einem Fehlverhalten der VP nicht rechnen konnte (BGHSt 45, 321, 336). 2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall zunächst, daß die Bewertung des Landgerichts, das Verhalten der VP sei hier dem Staat nicht zuzurechnen , von Rechts wegen keinen Bestand haben kann. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat entnehmen, daß die VP eng geführt wurde und deren Treffen mit dem Angeklagten und B. überwacht wurden. Das Verhalten der VP bewegte sich im wesentlichen auf der Linie des ihr erteilten Auftrages. 3. Die rechtsfehlerhafte Verneinung einer Zurechnung des Verhaltens der VP würde allerdings eine Verwerfung der Revision nicht hindern, wenn sich aus den Feststellungen des Landgerichts im übrigen ohne weiteres ergäbe, daß hier keine unzulässige Tatprovokation vorlag. Das ist indessen nicht der Fall.
a) Das Landgericht geht selbst davon aus, daß die VP den Angeklagten zum Handeltreiben gerade mit Heroin in größer werdenden Mengen provoziert hat. Auf der Grundlage des vom Landgericht angenommenen Sachverhaltes liegt eine Tatprovokation nahe. Das Urteil geht davon aus, daß die VP den Angeklagten unter Hinweis auf eine vermeintliche eigene Leibes- und Lebensgefahr um Heroin "anbettelte", ihm etwas "vorjammerte" und nach dem Zustandebringen des Kontaktes zu dem Heroinhändler B. "bedrängte", sich als Dolmetscher weiter am Handeltreiben mit Heroin zu beteiligen. Darin kann eine Einwirkung von einiger Erheblichkeit liegen, die letztlich zu einer Intensivierung der Tatplanung im Sinne einer Provokation führte. Allerdings ist bei einer solchen Bewertung auch zu bedenken, daß es zwischen der Stärke des bestehenden Tatverdachts und dem Maß der für die Annahme einer Tatprovokation
erheblichen Einwirkung eines polizeilichen Lockspitzels eine Wechselwirkung geben kann. Je stärker der Verdacht, desto nachhaltiger wird auch die Stimulierung zur Tat sein dürfen, bevor die Schwelle der Tatprovokation erreicht wird.
b) Die Tatprovokation, von der das Landgericht ausgeht, kann hier unzulässig gewesen sein, weil der Angeklagte bis dahin lediglich des Handeltreibens mit Haschisch verdächtig war. In dem Verleiten zum Handeltreiben mit Heroin lag eine erhebliche Steigerung des Unrechtsgehalts der Tat. Zwar steht insoweit grundsätzlich ein und derselbe Tatbestand in Rede (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln). Die provozierte Tat erhält aber durch Art und Menge des Rauschgiftes ein besonderes Gepräge. Der Unrechtsgehalt ist von erheblich größerem Gewicht, wenn ein des Handeltreibens mit sog. weichen Drogen Verdächtiger zum Handeltreiben mit sog. harten Drogen in großer Menge veranlaßt wird ("Quantensprung"). Wird jemand auf solche Weise gleichsam unter staatlicher Verantwortung weiter in die Kriminalität gedrängt, so liegt darin dann eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation angesonnene Drogengeschäft nach Art und Menge der Drogen nicht mehr in einem angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem jeweils individuell gegen den Provozierten bestehenden Tatverdacht steht. Die Qualität des Tatverdachts , der sich im Verlaufe des Einsatzes der VP hinsichtlich Intensität und Unrechtscharakter auch verändern kann, begrenzt so den Unrechtsgehalt derjenigen Tat, zu der der Verdächtige in zulässiger Weise provoziert werden darf. Diese Begrenzung rechtfertigt sich letztlich daraus, daß es nicht Aufgabe einer dem Fairneßgrundsatz verpflichteten staatlichen Strafrechtspflege sein darf, einen Unverdächtigen durch Provokation in die Täterschaft zu treiben
oder einen zwar Tatverdächtigen, der die ihm angesonnene Tat aber ablehnt, zu einer solchen zu provozieren oder zur Begehung einer im Unrechtsgehalt gegenüber der Tatverdachtslage erheblich gesteigerten Tat zu verleiten. Die Zulässigkeit einer Tatprovokation wurzelt in dem Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens, erhebliche Straftaten wirksam aufzuklären (vgl. BVerfGE 29, 183, 194; 77, 65, 76; siehe weiter zum Einsatz einer VP BVerfGE 57, 250, 284; BVerfG Kammer NJW 1987, 1874, 1875; NStZ 1991, 445; StV 1995, 169, 171). Die kriminalistische Erfahrung zeigt, daß solche Aufklärung namentlich auf dem Felde des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, das durch Abschottung der verschiedenen Handelsebenen und durch konspiratives Vorgehen gekennzeichnet ist, oft nur durch verdeckte Ermittlungen erreicht werden kann und nur so eine beweiskräftige Überführung der Täter möglich ist. Auf der Grundlage dieser Gegebenheiten kann es dem Staat nicht verwehrt sein, auch zum Mittel der Tatprovokation zu greifen, weil anderenfalls ein weites Kriminalitätsfeld - gerade das des Handeltreibens mit Drogen in großem Stile - weitgehend unaufgeklärt bliebe und sich kriminelle Strukturen weitgehend unbehelligt entwickeln könnten. Das Mittel der Tatprovokation muß sich aber auch im Einzelfall noch mit dem Ziel der Aufklärung schwerwiegender Straftaten rechtfertigen lassen. Wird - über den bestehenden Tatverdacht hinausgehend - eine Steigerung der Verstrickung des Tatverdächtigen in qualitativ deutlich höheres Unrecht mit dem Mittel einer Provokation bewirkt, diese also durch die bestehende Verdachtslage nicht mehr getragen, so steht das nicht mehr im Einklang mit dem generellen Auftrag der dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verpflichteten Strafrechtspflege. Das schließt eine bloße Nachfrage, ob der Tatverdächtige sich auf ein erheblich unrechtsgesteigertes Drogengeschäft einläßt, oder ein schlichtes Mitwirken der VP an einem solchermaßen gestei-
gerten Unrecht nicht aus, wenn dadurch die Schwelle zur Provokation nicht überschritten wird. Bei der Beurteilung der Unrechtsqualität des gegen den Provozierten bestehenden Tatverdachts - die ihrerseits die Zulässigkeit der Tatprovokation begrenzt - können neben den tatsächlichen Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, auch die deliktsspezifischen Gegebenheiten mit in Betracht gezogen werden: Cannabisverbraucher beziehen Haschisch oft bei Drogenhändlern , die auch mit sogenannten harten Drogen handeln (sog. Einheitlichkeit des Drogenmarktes, vgl. BVerfGE 90, 145, 181). Es entspricht auch nach der Erfahrung des Senats gängiger Praxis beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nach neu geknüpften Lieferbeziehungen zunächst sogenannte Vertrauenskäufe über kleinere Mengen zu tätigen, deren auch strafrechtliches Risiko aus Sicht der Täter zunächst noch nicht allzu hoch ist. Schließlich ist zu bedenken, daß Rauschgifthändler oft über gute Kontakte und "Geschäftsbeziehungen" zu anderen Drogenhändlern verfügen, die hinsichtlich Art und Menge des zu beschaffenden Rauschgiftes leistungsfähiger sind; sie vermögen solche Beziehungen dann ohne weiteres zu nutzen und sind dazu auch bereit, um daraus eigenen Gewinn zu ziehen. Ist jemand unter diesen Umständen "nur" des Handeltreibens mit Haschisch verdächtig, so erweist sich ein aufklärungsorientiertes Aufgreifen einer vorhandenen Tatbereitschaft im Sinne einer Veranlassung zu einem Heroingeschäft nicht schon deshalb als Tatprovokation, weil ein individueller Verdacht in diesem Sinne bis dahin nicht manifest geworden ist. Es kommt dann vielmehr darauf an, ob sich der Täter auf die ihm angesonnene Intensivierung der Tatplanung ohne weiteres einläßt, sich also geneigt zeigt, auch die Tat mit dem höheren Unrechtsgehalt zu begehen und an ihr mitzuwirken. Geht die qualitati-
ve Steigerung der Verstrickung des Täters indessen mit einer Einwirkung durch die VP einher, die von einiger Erheblichkeit ist (Tatprovokation), so liegt ein Fall der unzulässigen Tatprovokation vor. Nur in diesem Falle kann ein Konventionsverstoß angenommen werden, dem entsprechend Rechnung zu tragen ist (nach den Maßstäben von BGHSt 45, 321). In allen anderen Fällen erweist sich die Tatveranlassung durch eine polizeilich geführte VP als Umstand, der bei der konkreten Strafzumessung zugunsten des Täters berücksichtigt werden kann.
c) Das Landgericht wird die Sache nach Maßgabe dieser Grundsätze erneut zu prüfen haben. Dabei wird es zu versuchen haben, hinsichtlich des Maßes der Einwirkung der VP auf den Angeklagten sowie des Gewichts und der Qualität des Tatverdachts gegen diesen Feststellungen zu treffen. Gegebenenfalls ist eine Konventionsverletzung ausdrücklich festzustellen und ein genau bemessener Abschlag bei der Bemessung der Einzelstrafe für den in Rede stehenden Fall B. II. der Urteilsgründe vorzunehmen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß dieser Abschlag anders ausfallen könnte, falls das Landgericht zu dem Ergebnis käme, daß hier ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt.
4. Der in Rede stehende Rechtsfehler kann sich allein auf die für die Heroingeschäfte (Fälle B. II. der Urteilsgründe) und die für diese zugemessene Einzelstrafe sowie auf die Gesamtstrafe auswirken. Die Einzelstrafe für den Fall B. I. der Urteilsgründe (Haschischgeschäfte) und der Schuldspruch, der einen sachlich-rechtlichen Mangel nicht erkennen läßt, können hingegen bestehen bleiben. Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit
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a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation dann an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein tatprovozierender Lockspitzel ist ge- geben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen , soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht "unvertretbar übergewichtig" ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Urteile vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 18. November 1999 - 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338).

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.