Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2019 - 4 StR 178/19

bei uns veröffentlicht am05.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 178/19
vom
5. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
ECLI:DE:BGH:2019:050919B4STR178.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 13. November 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dassder Adhäsionsausspruch klarstellend wie folgt gefasst wird: Der Anspruch des Adhäsionsklägers auf Zahlung von Hinterbliebenengeld (§ 844 Abs. 3 BGB) ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern F. B. und M. B. so-wie die dem Neben- und Adhäsionskläger A. B. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, sowie die durch den Adhäsionsantrag entstandenen besonderen Kosten, zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Schuld- und Strafausspruch halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Auch die Adhäsionsentscheidung begegnet von Rechts wegen keinen Bedenken; jedoch bedurfte die Urteilsformel der Klarstellung.
2
1. Allerdings ist die strafschärfende Erwägung, die „Erfüllung des subjektiven Tatbestandes der vorsätzlichen Körperverletzung“ sei „für Zwecke der Strafzumessung dem oberen Bereich“ zugeordnet worden, weil es dem Angeklagten darauf angekommen sei, das Tatopfer durch den kraftvoll ausgeführten Stich erheblich zu verletzen, unter den hier gegebenen besonderen Umständen rechtlich nicht unbedenklich. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt , dass der Angeklagte mit Verletzungsabsicht handelte. Bei der Einordnung dieses Gesichtspunkts als strafschärfend hätte jedoch das konkrete Handlungsmotiv des Angeklagten in die Bewertung eingestellt werden müssen. Der Angeklagte handelte, wie das Landgericht an anderer Stelle festgestellt und tragfähig belegt hat, mit Verteidigungswillen; er wollte sich gegen das Tatopfer, das ihn angegriffen und seinen Hals umfasst hatte, zur Wehr setzen. Dieses konkrete Handlungsmotiv des Angeklagten hätte im Rahmen der Bewertung der subjektiven Tatseite berücksichtigt werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 150/15, BGHSt 63, 54, 61 ff.; Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 ARs 22/16, NStZ-RR 2017, 238). Der Senat versteht die Formulierung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe jedoch dahin, dass es nicht dem Vorsatzgrad als solchem, sondern – rechtlich unbedenklich – dem Umstand strafschärfende Bedeutung beigemessen hat, dass das Handeln des Angeklagten auf eine erhebliche Verletzung seines Kontrahenten abzielte.
3
2. Der Adhäsionsantrag ist unbedenklich zulässig.

4
Der Adhäsionskläger – der Vater des Getöteten – ist Verletzter im Sinne des § 403 StPO. Dem Begriff des Verletzten im Sinne dieser Vorschrift unterfallen auch Personen, die mittelbar durch die Straftat geschädigt sind, sofern ihre Ansprüche unmittelbar aus der Straftat erwachsen sind; die verletzte Strafnorm muss nicht dem Schutz des Betroffenen dienen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24 Rn. 18; vgl. jedoch zum Hinterbliebenen als Verletzten im Sinne des § 46a StGB Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18, StraFo 2019, 77). Hierzu gehören nicht nur die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Ersatz des ihnen entgangenen Unterhalts gemäß § 844 Abs. 2 BGB (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 403 Rn. 2; Schroth/Schroth, 3. Aufl., Die Rechte des Verletzten im Strafprozess, Rn. 371), sondern auch auf Ausgleich des ihnen durch die Straftat entstandenen seelischen Leids nach § 844 Abs. 3 BGB.
5
3. Das Landgericht hat den geltend gemachten Anspruch rechtsfehlerfrei dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Allerdings hat die in der Urteilsformel des angefochtenen Urteils aufgenommene Einschränkung, dass der Angeklagte die nach § 844 Abs. 3 BGB geschuldete Entschädigung „bis zu einer Höhe von 10.000 € zu zahlen“ hat, aus Gründen der Klarstellung zu entfallen. Feststellungen über die Höhe des Anspruchs sind im Grundurteil grundsätzlich unzulässig; sie vermögen das mit dem Betragsverfahren gemäß § 406 Abs. 3 Satz 4 StPO befasste Zivilgericht nicht zu binden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 – XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138; Beschluss vom 18. August 2016 – III ZR 325/15, NJW-RR 2016, 1150, 1151 Rn. 11; MüKoZPO /Musielak, 5. Aufl., § 308 Rn. 12). Ein Ausnahmefall, in dem aus Gründen der Klarstellung anderes gilt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1975 – III ZR 28/73, NJW 1975, 2012 Rn. 10 ff.; vom 7. November 1991 – IX ZR 3/91, BGHR ZPO § 304 Anspruchsmehrheit 2), liegt hier nicht vor. Da die in die Urteilsformel aufgenommene Beschränkung auf einen Höchstbetrag eine Bindung für das Betragsverfahren suggeriert, die von Rechts wegen nicht eintreten kann, hatte sie aus Gründen der Klarstellung zu entfallen. Dadurch ist der Angeklagte nicht beschwert.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Bartel

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Nachträglicher Leitsatz
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
1. Der Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, kann beim
vorsätzlichen Tötungsdelikt strafschärfend berücksichtigt werden. Hierin liegt
grundsätzlich kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen
2. Die Entscheidung darüber, ob das Handeln des Täters mit Tötungsabsicht im
Einzelfall als ein Strafschärfungsgrund anzusehen ist, obliegt dem Tatgericht.
Es ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung auch gegenläufig wirkende strafmildernde
Gesichtspunkte, die sich aus den Vorstellungen, Zielen und Absichten
des Täters ergeben können, zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 150/15 - LG Köln
ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR150.15.1
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 150/15 vom 10. Januar 2018 in der Strafsache gegen

wegen Totschlags

ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR150.15.0
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 6. Dezember 2017 in der Sitzung am 10. Januar 2018, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (in der Verhandlung) als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Oktober 2014 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.

A.

2
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts beschloss der 74 Jahre alte Angeklagte R. am 22. Oktober 2013, seine erheblich jüngere und Trennungsabsichten hegende Ehefrau Rü. zu töten. In Ausführung dieses Tatentschlusses griff er sie auf der Kellertreppe des gemeinsamen Wohnanwesens an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch sie zu Fall kam und die Kellertreppe hinabstürzte. Nunmehr ergriff der Ange- klagte einen etwa 2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in Tötungsabsicht mindestens fünf Mal wuchtig auf den Kopf seiner am Boden liegenden Ehefrau ein. Sie erlitt durch diese mehrfachen, massiven Gewalteinwirkungen multiple offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Oberkörper des Tatopfers führten zu zahlreichen Rippenbrüchen , die zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten verstarb aufgrund der erlittenen massiven Verletzungen innerhalb weniger Minuten.
3
Das Schwurgericht hat bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein (sonst) minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB anzusehen ist, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen Tatausführung strafschärfend „die Tatsache“ berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Ehefrau „absichtlich getötet hat“.

B.

4
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Strafausspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

I.

5
1. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde es überwiegend als ein Verstoß gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen und damit als rechtsfehlerhaft angesehen, wenn der Tatrichter das subjektive Tatbestandsmerkmal direkten Tötungsvorsatzes strafschärfend berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 – 1 StR 3/15, NStZ-RR 2015, 171 (Ls.); Senat, Beschlüsse vom 25. Juni 2015 – 2 StR 83/15, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7, vom 21. Januar 2004 – 2 StR 449/03, vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV 1993, 72 und vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, vom 8. Februar 1978 – 3 StR 425/77 und vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204; BGH, Urteil vom 28. Juni 1968 – 4 StR 226/68; Beschlüsse vom 16. September 1986 – 4 StR 457/86, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, vom 26. April 1988 – 4 StR 157/88, NStE Nr. 41 zu § 46 StGB, vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23, vom 3. Februar 2004 – 4 StR 403/03 und vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8). Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren „Regelfall“ die Tötung mit direktem Vorsatz sei (Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624). Dem Handeln mit direktem Tötungsvorsatz komme kein für sich genommen gesteigerter Unrechtsgehalt zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere Tatschwere aufweise (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564).
6
Abweichende Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben. Der 3. Strafsenat hat jedoch in seinem Beschluss vom 17. September 1990 (3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) darauf hingewiesen , dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten sich nicht in jedem Fall als rechtsfehlerhaft erweisen müsse. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 (2 StR 61/12, NStZ 2012, 689) hat der Senat entschieden, dass es zwar „in der Regel“ gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes straferschwerend bewerte, dies jedoch nicht für die Tötungsabsicht gelte.
7
2. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine isolierte strafschärfende Berücksichtigung der Vorsatzform als rechtsfehlerhaft einstufte, hat überwiegend Zustimmung erfahren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 618; LK StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 212 Rn. 45; LK StGB/Theune, 12. Aufl. § 46 Rn. 77; ders. StV 1985, 205, 206; MüKoStGB/Miebach/Maier, 3. Aufl. § 46 Rn. 194; MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 212, Rn. 79; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 212 Rn. 71; Streng, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, 5. Aufl., StGB § 46 Rn. 55; ders., StV 2017, 526 ff. SSW/Momsen, 3. Aufl., § 212 Rn. 27; Matt/Renzikowski/Safferling § 212 Rn. 91; Saliger, ZStW 109 (1997), S. 302, 322 f.; Lackner/Kühl StGB, 28. Aufl. § 46 Rn. 33). Kritische Stimmen (vgl. Jescheck/Weigend Strafrecht AT, 5. Aufl. S. 887; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185; Frisch, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, Band IV, S. 269, 290 f.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, S. 260, 263; Grünewald , Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, S. 148 ff.; Foth, JR 1985, 397, 398; Bruns, JR 1981, 512, 513; Müller, NStZ 1985, 158, 161) haben darauf hingewiesen , dass die Auffassung, wonach die Vorsatzform als eine eigenständige Strafzumessungstatsache ausscheide, den aus dem besonderen Teil des Strafgesetzbuchs ersichtlichen gesetzgeberischen Wertungen widerspreche (vgl. Foth, JR 1985, 398; Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, Diss. 1996, S. 154). Ihr ist außerdem entgegen gehalten worden, dass der Tatbestand des § 212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststellung direkten Tötungsvorsatzes in Form von Tötungsabsicht deshalb als eine Schuldsteigerung anzusehen sei, welche die Tatschuld regelmäßig erhöhe (vgl. Bruns, JR 1981, 513; Fahl, aaO, S. 153 ff.; ders. JR 2017, 391, 393). Die strafschärfende Berücksichtigung der hierin liegenden Schuldsteigerung gerate weder mit dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen (SSWStGB /Eschelbach, aaO, § 46 Rn. 93, 185; von Heintschel-Heinegg, Streng-FS 2017 S. 229, 239) noch mit dem Gedanken in Konflikt, dass es sich um das Regeltatbild des Totschlags handele (Fahl, JR 2017, 391, 393; MüKo/Schneider, aaO, § 212 Rn. 82; Tomiak, HRRS 2017, 225 ff.).

II.


8
Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (NStZ 2017, 216) ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG eingeleitet, weil er von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt. Er ist der Ansicht, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann, und hat bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
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1. Der Senat hat seine Rechtsauffassung, wonach die Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten im Einzelfall strafschärfend berücksichtigt werden könne , in seinem Anfragebeschluss vom 1. Juni 2016 (zustimmend Fahl, JR 2017, 301 ff. und Tomiak, HRRS 2017, 225 ff.: ablehnend Streng StV 2017, 526 ff.) im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB sei die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die Straffrage maßgeblichen Strafzumessungsschuld seien alle Umstände heranzuziehen, die den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichneten. § 46 Abs. 2 StGB benenne beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände , die für die Strafzumessung aussagekräftig seien. Bewertungsrichtung und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmten in erster Linie das Tatgericht , dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet sei.
11
Zu den Tatsachen, die für die Strafzumessung relevant sein könnten, zählten auch die „Beweggründe und die Ziele des Täters“. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat und die mit ihr verfolgten Absichten, seien damit grundsätzlich für die Strafzumessung bedeutsam.
12
a) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitlicher Auffassung seien im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu unterscheiden , die vom bedingten Vorsatz über den „dolus directus 2. Grades“ bis zum „dolus directus 1. Grades“, also der Absicht, reichten. Darin komme eine Schuldschwereskala zum Ausdruck, die – wie der Senat in seinem Anfragebeschluss im Einzelnen dargelegt hat – grundsätzlich auch durch den Gesetzgeber anerkannt sei. Sie gelte auch und gerade im Bereich der Tötungsdelikte.
13
Der mit Tötungsabsicht handelnde Täter setze sich nicht nur über die durch § 212 StGB strafbewehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen, durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg und nehme dabei den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges in Kauf. Es komme ihm vielmehr auf die Herbeiführung dieses tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln ziele im Wortsinne auf die Herbeiführung des Todes einer anderen Person ab, diese sei nicht nur billigend in Kauf genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge, sondern Ziel seines Handelns. Dieses Streben sei in besonderem Maße mit einem sozialen Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Gefahr für das geschützte Rechtsgut darstelle, weil der mit dolus directus 1. Grades handelnde Täter sein Handlungsziel zielstrebig verfolge, liege auf der Hand.
14
Gleichwohl lasse sich nicht feststellen, dass ein Handeln mit direktem Tötungsvorsatz stets und schlechthin auf eine besonders verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines Täters hindeute. Eine mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat könne – je nach den Umständen des Einzelfalls – sogar eine höhere Tatschuld aufweisen als eine mit direktem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb könne der (isolierte ) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld zu kurz greifen.
15
b) Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstoße nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.
16
Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten „Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen“ dürften Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot hindere den Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines – objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen Tatbe- stands zu berücksichtigen. Seien Tatbestandmerkmale steigerungsfähig, so könne die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greife das Doppelverwertungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stelle.
17
Jedenfalls bei Tötungsabsicht handele es sich um gegenüber dem zur Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Steigerung der Vorsatzform, die den Unrechtsgehalt der Tat grundsätzlich erhöhen könne. Sie könne daher strafschärfend berücksichtigt werden. Es handele sich bei der Tötung eines Menschen mit dolus directus 1. Grades oder mit Absicht auch nicht um den normativen Regelfall des § 212 Abs. 1 StGB, der eine strafschärfende Berücksichtigung des zielgerichteten Vorgehens ausschlösse (vgl. zur Begründung im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 1. Juni 2016 – 2 StR 150/15, NStZ 2017, 216).
18
2. Die Strafsenate des Bundesgerichtshofs haben in ihren Antwortbeschlüssen mitgeteilt, dass sie der durch den Senat formulierten Anfrage, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden könne, grundsätzlich zustimmen und entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgeben.
19
a) Der 5. Strafsenat ist in seiner Antwort vom 23. Februar 2017 (5 ARs 57/16, JR 2017, 391) der Rechtsauffassung des anfragenden Senats beigetreten und hat eigene entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben.
20
b) Der 3. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 7. März 2017 (3 ARs 21/16, NStZ-RR 2017, 237) dem im Tenor des Anfragebeschlusses formulierten Rechtssatz unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zugestimmt. Er ist der Auffassung, dass Tötungsabsicht ein taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein könne, wobei dies der Bewertung des Tatgerichts unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls obliege. Die Festlegung, welche Bewertungsrichtung einzelnen Umständen zukomme , sei Teil der dem Tatgericht aufgegebenen Strafzumessung, die nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Der Senat teile die Auffassung des anfragenden Senats, dass das unbedingte Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls geeignet sei, die individuelle Tatschuld zu erhöhen. Nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers, wie sie in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs sichtbar werde, komme den drei Vorsatzformen prinzipiell ein unterschiedlicher Schuldgehalt zu. Die Schuldschwere steigere sich im Grundsatz vom dolus eventualis über den dolus directus 2. Grades (Wissentlichkeit) hin zum dolus directus 1. Grades (Absicht). Die kriminelle Intensität des Täterwillens sei beim dolus directus 1. Grades in der Regel am stärksten ausgeprägt. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass das außertatbestandliche Ziel des „nur“ wissentlich Tötenden ebenso verwerflich wie das tatbestandliche Ziel des absichtlich Tötenden sein könne. Nehme das Tatgericht einzelfallbezogen eine solche Verwerflichkeit an, so werde es das außertatbestandliche Ziel im Rahmen der Strafzumessung ohne weiteres zum Nachteil des wissentlich Tötenden werten; dadurch stünde dieser sogar schlechter als der absichtlich Tötende, wenn die Tötungsabsicht nicht strafschärfend berücksichtigt werden könne. Der Senat hat offen gelassen, ob die strafschärfende Berücksichtigung des dolus directus 2. Grades (Wissentlichkeit) unter dem Gesichtspunkt des „normativen Regelfalls“ gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoße.
21
c) Der 4. Strafsenat hat in seiner Antwort vom 7. Juni 2017 (4 ARs 22/16, NStZ-RR 2017, 238) mitgeteilt, dass er der Rechtsauffassung des 2. Strafsenats beitrete und seine frühere Rechtsprechung, wonach die straf- schärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht bei Verurteilung wegen Totschlags gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen verstoße, aufgebe.
22
Der 4. Strafsenat ist jedoch der Auffassung des vorlegenden Senats entgegengetreten , „dass im Bereich des subjektiven Tatbestands eine vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Schuldschwereskala“ gelte und „deshalb das Vorliegen von Tötungsabsicht schon für sich genommen regelmäßig einen Straferschwernisgrund“ darstelle. Es komme vielmehr jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an. Die in § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB genannten Beweggründe und Ziele des Täters seien „Leitpunkte für die Bestimmung des subjektiven Handlungsunrechts“. Die einzelnen Vorsatzformen träfen dazu – für sich genommen – keine unmittelbare Aussage und bedürften deshalb stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters. Dies gelte auch für die Tötungsabsicht. Diese liege vor, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes ankomme. Dabei sei es gleichgültig, ob die Erreichung des Todeserfolgs für sicher oder nur für möglich gehalten werde. Gleichgültig sei außerdem, ob die Herbeiführung des Todes dem Täter erwünscht sei oder von ihm bedauert werde. Mit Tötungsabsicht handele deshalb auch, wer den Tod eines anderen nicht um seiner selbst willen herbeiführen wolle, in ihm aber ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zu dem eigentlich angestrebten Ziel sehe. Zwar spreche es für eine besonders starke Abweichung von den Maßstäben der Rechtsordnung, dass der Täter den Tod des Opfers als (Zwischen -) Ziel seiner Handlung anstrebe; dies belege jedoch für sich genommen noch nicht das Vorliegen einer besonders verwerflichen Gesinnung oder eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens. Dies zeige sich beispielhaft in Fällen der Mitleidstötung. Wer einem moribunden Angehörigen das Leben nehme, um ihn von schwerem Leiden zu befreien, töte zwar absichtlich. Der Tod des Angehörigen werde aber nur deshalb angestrebt, um ein „fraglos strafmildernd zu bewertendes Handlungsziel“ – den Angehörigen von schwerem Leiden zu befreien – zu erreichen. Ähnlich liege es, wenn ein Täter – wie beispielsweise in den so genannten „Haustyrannen-Fällen“ – aus einer notstandsähnlichen Situation heraus absichtlich töte.
23
Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht am Maßstab einer generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands bei gleichzeitiger Positivbewertung des nur durch eine Tötung erreichbaren Handlungszieles würde zu einer Aufspaltung der Bewertung des „an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führen“. Es bestünde außerdem die Gefahr , dass es zu einer dem Strafzumessungsrecht wesensfremden Schematisierung komme.
24
Tötungsabsicht könne aber für sich genommen dann als ein selbstständiger Straferschwernisgrund herangezogen werden, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes „um seiner selbst willen“ ankomme und keine weiteren relevanten Handlungsziele festzustellen seien. In Fällen der genannten Art nähere sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust an.
25
d) Der 1. Strafsenat hat in seinem Antwortbeschluss vom 27. Juli 2017 (1 ARs 20/16) der Rechtsauffassung des anfragenden Senats grundsätzlich zugestimmt, jedoch darauf hingewiesen, dass entscheidend für eine strafschärfende Berücksichtigung der Tötungsabsicht sei, ob dem Täter angesichts seiner Handlungsweise eine höhere Tatschuld vorzuwerfen sei. Das Tatgericht habe sich daher in den Urteilsgründen stets mit den Vorstellungen und Zielen des Täters auseinander zu setzen und vor diesem Hintergrund zu bewerten, ob danach eine höhere Tatschuld gegeben sei. Sei dies der Fall, stünde § 46 Abs. 3 StGB einer strafschärfenden Berücksichtigung der Vorsatzform nicht entgegen.
Unter dieser Maßgabe hat der 1. Strafsenat etwa entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgegeben.
26
3. Nach dem Ergebnis des Anfrageverfahrens besteht unter den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs Einigkeit darüber, dass der Tatrichter den Umstand , dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, strafschärfend berücksichtigen kann. Die früher vertretene Rechtsansicht, wonach in der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls regelmäßig ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt, ist danach aufgegeben.
27
Keine vollständige Einigkeit wurde darüber erzielt, in welcher Weise der Tatrichter die Tötungsabsicht rechtsfehlerfrei berücksichtigen kann. Während der 3. und 5. Strafsenat mit dem anfragenden Senat ungeachtet des Umstands, dass der isolierte Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld auch zu kurz greifen könne, der Auffassung sind, dass eine vom Tatrichter vorgenommene isolierte Negativbewertung von Tötungsabsicht rechtlich unbedenklich sei, stehen der 1. und der 4. Strafsenat einer solchen isolierten Negativbewertung der Vorsatzform ablehnend gegenüber. Der 4. Strafsenat wendet sich gegen eine isolierte Negativbewertung am Maßstab einer generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands, weil dies zu einer Aufspaltung der Bewertung des an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führe. Er hält daher eine Gesamtbewertung des subjektiven Handlungsunrechts unter strafschärfender Bewertung der Tötungsabsicht bei gleichzeitiger Einbeziehung der konkreten Handlungsmotive, der Beweggründe und der Ziele des Täters für erforderlich. Eine Ausnahme hiervon will der 4. Strafsenat in Fällen anerkennen, in denen es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes des Opfers „um seiner selbst willen“ ankomme und keine weiteren relevanten Handlungsziele festgestellt werden könnten; in Fällen der genannten Art, in denen sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust annähere, könne die Tötungsabsicht isoliert strafschärfend herangezogen werden. Nach Auffassung des 1. Strafsenats ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller das subjektive Handlungsunrecht kennzeichnenden Umstände darzulegen, dass und aus welchen Gründen der festgestellten Tötungsabsicht im konkreten Einzelfall ein die Tatschuld erhöhendes Gewicht beigemessen werde. Das Tatgericht hat sich daher in den Urteilsgründen mit den Vorstellungen und Zielen des Täters auseinanderzusetzen und zu bewerten , ob ihm wegen des Handelns mit Tötungsabsicht eine höhere Tatschuld vorzuwerfen ist.
28
Als Ergebnis des Anfrageverfahrens ist mithin – ungeachtet gewisser Unterschiede im Einzelnen – festzuhalten, dass die Tötungsabsicht nach Auffassung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein kann. Die Frage, ob in der festgestellten Tötungsabsicht ein die Strafhöhe beeinflussender, bestimmender Strafschärfungsgrund zu sehen ist, kann aber nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls getroffen werden. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Tatrichter, der hier – wie stets im Rahmen der Strafzumessung – gehalten ist, gegenläufig wirkende strafmildernde Umstände im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen.
29
Während der 1. und der 4. Strafsenat annehmen, dass die Tötungsabsicht in den gesamten Bereich des subjektiven Handlungsunrechts eingeordnet werden müsse und eine strafschärfende Würdigung nur in Betracht komme, wenn den Vorstellungen, Zielen und Absichten des Täters unter Einschluss der Tötungsabsicht im Einzelfall ein negatives Gewicht beizumessen sei, ist der anfragende Senat mit dem 3. und dem 5. Strafsenat der Auffassung, dass eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht rechtlich unbedenklich sei, wenngleich dies nicht zu einer schematischen Betrachtungsweise führen dürfe; der Tatrichter habe deshalb je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls auch die das Handlungsunrecht mildernden Umstände in den Blick zu nehmen.
30
Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt damit grundsätzlich nicht gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB). Mit der Tötungsabsicht verbindet sich regelmäßig – ergibt sich nicht aus gegenläufig zu gewichtenden Umständen eine andere Beurteilung des Handlungsunrechts – eine erhöhte Tatschuld des absichtsvoll Tötenden.

III.

31
Gemessen hieran begegnen die tatrichterlichen Ausführungen zur strafschärfenden Berücksichtigung der Tötungsabsicht weder unter Berücksichtigung der Auffassung des 2., 3. und 5. Strafsenats noch unter Berücksichtigung des – abweichenden – Maßstabs des 1. und des 4. Strafsenats durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht hat im Rahmen der Prüfung, ob sich die Tat als ein sonst minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB darstellt, zwar zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass „die Tat mit erheblicher Brutalität begangen wurde und der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch hat es im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte den Tod seiner Ehefrau „absichtlich und zielgerichtet herbeigeführt hat“. Das Tatgericht hat sich jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Würdigung bei Abhandlung der Mordmerkmale (Habgier, Heimtücke, niedrige Beweggründe) ausführlich mit den Vorstellungen, Zielen sowie den handlungsleitenden Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt. Dabei hat es zwar Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte, der gegenüber seiner Ehefrau – nicht zuletzt aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitszüge – eine abwertende Haltung eingenommen habe, über ihre Trennungsabsichten frustriert und zornig gewesen sei und Motive der Rache für die erlittene Kränkung bei der Tat eine Rolle gespielt haben könnten. Sichere Feststellungen zur eigentlichen Tatmotivation hat das Schwurgericht aber nicht zu treffen vermocht. Anhaltspunkte, die das Handeln des Angeklagten, in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, sind insgesamt nicht zutage getreten. Das Schwurgericht hat im Übrigen nicht übersehen, dass beim Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat eine „große Enttäuschung, Frustration und Wut“ angesichts der Trennungsabsicht entstanden war.
32
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu besorgen, dass das Tatgericht der Vorsatzform isoliert und undifferenziert strafschärfende Wirkung beigemessen und das subjektive Handlungsunrecht nicht – wie dies nach Auffassung des 1. und des 4. Strafsenats regelmäßig erforderlich und in den Urteilsgründen auch darzulegen ist – insgesamt in den Blick genommen hat.
33
Die tatgerichtliche Wertung, dass der rechtsfehlerfrei festgestellten Tötungsabsicht strafschärfendes Gewicht beizumessen sei, hält sich sonach im Rahmen des tatrichterlichen Wertungsspielraums und ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

IV.

34
Anlass für eine Kompensationsentscheidung bestand nicht.
35
Zwar hat das Revisionsverfahren, das am 5. Juni 2015 beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, lange gedauert. Die Verfahrensdauer ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass die Revisionshauptverhandlung am 1. Juni 2016 zur Durchführung des Anfrageverfahrens ausgesetzt worden ist. Nach Eingang der letzten Antwort auf den Anfragebeschluss am 8. August 2017 wurde mit Verfügung vom 10. August 2017 neuer Hauptverhandlungstermin auf den 6. Dezember 2017 bestimmt. Eine frühere Terminierung war in Ansehung der Terminslage des Senats nicht möglich.
Krehl Eschelbach Zeng Bartel Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 22/16
vom
7. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 1. Juni 2016 – 2 StR 150/15
ECLI:DE:BGH:2017:070617B4ARS22.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2017 beschlossen:
Der Senat stimmt der Auffassung des vorlegenden Senats zu, wonach beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann. An entgegenstehender eigener Rechtsprechung hält er nicht fest.

Gründe:


1
1. Der Senat hat die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht bei einer Verurteilung wegen Totschlags in der Vergangenheit mehrfach als Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bewertet (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23; Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ 2009, 564 f.). Zuletzt hat er diese Frage ausdrücklich offengelassen (BGH, Beschluss vom 26. April 2016 – 4 StR 104/16). Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr fest.
2
2. Der Senat ist allerdings nicht der Ansicht, dass im Bereich des subjektiven Tatbestands eine vom Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Schuldschwereskala gilt und deshalb das Vorliegen von Tötungsabsicht schon für sich genommen regelmäßig einen Straferschwernisgrund darstellt. Stattdessen kommt es auch hier auf den Einzelfall an.
3
a) Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Bei der Entscheidung über die Bewertungsrichtung der zumessungserheblichen Umstände und bei der Strafzumessung überhaupt kann der Tatrichter nicht von einem normativen Normalfall ausgehen. Die Annahme eines normativen Normalfalls widerspräche der Systematik des deutschen Strafrechts, das dem Tatrichter weite Strafrahmen zur Verfügung stellt und in § 46 StGB lediglich einzelne wichtige Strafzumessungsgesichtspunkte aufführt, ohne dass es sich dabei um eine erschöpfende Aufzählung handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350 f.). Soweit in § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB die Beweggründe und Ziele des Täters, die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei der Tat aufgewendete Wille genannt werden, handelt es sich um Leitpunkte für die Bestimmung des subjektiven Handlungsunrechts. Die einzelnen Vorsatzformen treffen dazu – für sich genommen – keine unmittelbare Aussage. Sie bedürfen stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 – 1 StR 708/91, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; Beschluss vom 17. September 1990 – 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4; Beschluss vom 15. Februar 1984 – 4 StR 51/84; Beschluss vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW 1981, 2204; Theune in: Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 102; Bruns, Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl., S. 214).
4
b) Dies gilt auch für die Tötungsabsicht.
5
Absichtlich tötet, wem es bei seinem Tun auf die Herbeiführung des Todes ankommt. Dabei ist es gleichgültig, ob die Erreichung des Todeserfolges für sicher oder nur für möglich gehalten wird. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sie erwünscht ist oder bedauert wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 1967 – 2 StR 368/67, BGHSt 21, 283, 284 f.; Momsen in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 15 Rn. 41; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl., § 12 Rn. 8; zur dogmatischen Entwicklung des Absichtsbegriffs siehe Gehrig, Der Absichtsbegriff in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB, 1996, S. 12 ff. mwN). Mit Tötungsabsicht handelt daher auch, wer den Tod eines anderen nicht um seiner selbst willen herbeiführen will, in ihm aber ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zum eigentlich angestrebten Ziel sieht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 1967 – 2 StR 368/67, BGHSt 21, 283, 284 f. [Verdeckung durch Tötung ]; Mahl, Der strafrechtliche Absichtsbegriff, 2004, S. 6 f. mwN).
6
Dass der Täter den Tod des Opfers als (Zwischen-)Ziel seiner Handlung anstrebt, spricht zwar für eine besonders starke Abweichung von den Maßstäben der Rechtsordnung (vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 499); es belegt aber für sich allein noch nicht das Vorliegen einer besonders verwerflichen Gesinnung oder eine besondere Stärke seines verbrecherischen Willens. Dies zeigt sich beispielhaft bei der Mitleidstötung. Wer einem moribunden Angehörigen das Leben nimmt, um ihn von schwerem Leiden zu befreien, tötet absichtlich. Dabei wird das fraglos strafmildernd zu bewertende Handlungsziel unmittelbar mit der Herbeiführung des nur deshalb angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges erreicht. Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht am Maß- stab einer generellen „Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands“ bei gleichzeitiger Positivbewertung des nur durch eine Tötungerreich- baren Handlungsziels würde zu einer Aufspaltung der Bewertung des an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führen. Auch bestünde die Gefahr, dass es insoweit zu einer dem Strafzumessungsrecht wesensfremden Schematisierung kommt. Ähnlich liegt es, wenn der Täter, wie etwa in den „Haustyrannen -Fällen“, aus einer notstandsähnlichen Situation heraus absichtlich tötet.
7
Tötungsabsicht wird für sich genommen allerdings dann als selbstständiger Straferschwernisgrund herangezogen werden können, wenn es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes um seiner selbst willen ankommt und keine weiteren relevanten Handlungsziele festgestellt werden können. In diesem Fall nähert sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust an (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Juli 1953 – 1 StR 195/53, NJW 1953, 1440 [Ls]; Urteil vom 26. Februar 1986 – 3 StR 18/86).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke

Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.

18
Straftat im Sinne der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 StPO (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 405 Rn. 4 und 7, § 406 Rn. 2; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 403 Rn. 2; Meyer-Goßner, aaO, § 405 Rn. 3). Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entscheidend , aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/13, BGHSt 58, 152, 154; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 254/09, BGHR StGB § 73 Verletzter 14 [jeweils zu § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 gültigen Fassung]).

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 144/18
vom
6. Juni 2018
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Bei einem vollendeten Tötungsdelikt sind die Hinterbliebenen nicht „Verletzte“
im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB.
BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18 – LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:060618B4STR144.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 12. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. April 2018 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Der näheren Erörterung bedarf nur die Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB:

I.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kollidierte der infolge der Beschäftigung mit seinem Mobiltelefon abgelenkte Angeklagte, der in den frühen Abendstunden des 31. August 2016 mit seinem Klein-Lkw eine Kreisstraße befuhr, mit dem beleuchteten Pedelec des 82 Jahre alten F. , der ebenfalls auf dieser Straße unterwegs war. Obwohl er die Kollision wahrgenommen hatte und annahm, dass er einen Menschen erfasst und nicht unerheblich verletzt hatte, setzte er seine Fahrt ohne anzuhalten fort und rief auch keine Hilfe herbei. Damit wollte er vermeiden, für den von ihm schuldhaft herbeigeführten Unfall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Er handelte dabei in dem Bewusstsein, dass F. möglicherweise schwer verletzt überlebt haben und bei unverzüglicher medizinischer Versorgung gerettet werden könnte, nahm aber dessen Versterben als Folge seiner Untätigkeit zumindest billigend in Kauf. Tatsächlich verstarb F. unmittelbar nach der Kollision ohne Rettungsmöglichkeit an seinen Verletzungen.
4
2. Wegen der Unfallfolgen hat der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 25.000 € je zur Hälfte auf eigene und geerbte Ansprüche der beiden Nebenklägerinnen , der Ehefrau und der Tochter des Tatopfers, auf das Kanzleikonto des Nebenklägervertreters gezahlt.
5
Das Landgericht hat eine Anwendbarkeit der § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB abgelehnt und die Zahlung des Geldbetrages an die Nebenklägerinnen nur bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Verletzter bzw. Opfer im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB könne, so die Strafkammer, nur die durch die Straftat unmittelbar betroffene Person sein, also nur der Träger des den Schutzbereich der verletzten Norm bestimmenden Rechtsguts. Komme das Opfer durch die Tat zu Tode, sei ein Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB nicht mehr möglich.

II.


6
Dass das Landgericht die Voraussetzungen von § 46a Nr. 1 StGB im vorliegenden Fall eines vollendeten Tötungsdelikts verneint hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine Einbeziehung der Nebenklägerinnen, hier der Ehefrau und der Tochter des Tatopfers, als Hinterbliebene in den Anwendungsbereich der Vorschrift kommt in einem derartigen Fall nicht in Betracht. Sie sind nicht „Verletzte“ im Sinne der Vorschrift.
7
1. Gemäß § 46a Nr. 1 StGB kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt ein Verständnis dahin, dass auch die Hinterbliebenen eines durch einfahrlässiges oder vorsätzliches Tötungsdelikt zu Tode gekommenen Tatopfers in ihren Anwendungsbereich einbezogen sein könnten, nicht nahe. Das ergibt sich zwar nicht allein aus der Verwendung der ohne nähere Eingrenzung und erkennbar synonym verwendeten Begriffe „Verletzter“ bzw. „Opfer“ (zum Wortlaut vgl.
SSW-StGB/Eschelbach, 3. Aufl., § 46a Rn. 9). Die nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB im Ermessen des Tatrichters liegende Strafmilderung kann aber nur gewährt werden, wenn der Täter in dem Bemühen um „einen Ausgleichmit dem Verletzten“ Wiedergutmachungleistet oder ernsthaft erstrebt. Der strafzumessungsrelevante Ausgleich knüpft danach schon dem Wortlaut nach an die als Folge der jeweiligen Straftat entstandene Beziehung zwischen dem Täter und dem Träger des verletzten Rechtsguts an.
8
2. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs auf den unmittelbar durch die Straftat Verletzten – mit der Folge der Unanwendbarkeit von § 46a Nr. 1 StGB bei einem vollendeten Tötungsdelikt – ergibt sich zudem aus dem Willen des Gesetzgebers.
9
a) Bei der Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs in § 46a Nr. 1 StGB hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG angelehnt, wonach die Erfüllung einer entsprechenden jugendrichterlichen Weisung einen förmlichen, tatsächlich praktizierten Ausgleich in direkter Konfrontation des Täters mit der Situation des Opfers voraussetzt (vgl. Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drucks. 12/6853, S. 21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/8588, S. 4; vgl. auch König/Seitz, NStZ 1995, 1, 2; Kilchling, NStZ 1996, 312; Diemer in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 10 Rn. 43). Schon das gesetzgeberische Konzept von § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG für einen befriedenden Ausgleich setzte danach das Vorhandensein des unmittelbar geschädigten Opfers in Gestalt einer „greifbaren natürlichen Person“ (Diemer, aaO, Rn. 49) notwendig voraus. Angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 10 JGG in den Materialien ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber bei der Übernahme des Täter-Opfer-Ausgleichs in das Erwachsenenstrafrecht von diesem Konzept des Ausgleichs zwischen Täter und unmit- telbar Verletztem abgehen wollte. Für die Annahme, der Gesetzgeber hätte im Fall eines vollendeten Tötungsdelikts den Übergang der Opferstellung auf Hinterbliebene in Betracht gezogen, bieten die Gesetzesmaterialien danach ebenso wenig einen Anhalt wie für die Annahme, in einem solchen Fall seien die Hinterbliebenen – neben dem Getöteten – als zusätzliche Verletzte anzusehen.
10
b) Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre Auffassung, Hinterbliebene seien bei vollendeten Tötungsdelikten in den Täter-Opfer-Ausgleich einzubeziehen , auf § 395 Abs. 2 StPO. Durch diese Bestimmung hat der Gesetzgeber den Hinterbliebenen lediglich anstelle des Getöteten eine prozessuale Befugnis (zur Nebenklage) eingeräumt. Die Möglichkeiten eines Täters, eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu erlangen, sollten dadurch erkennbar nicht erweitert werden (vgl. dazu Richter, Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung im Rahmen von § 46a StGB, 2014, S. 211). Hierfür spricht auch, dass in § 395 Abs. 1 StPO von der „verletzten Person“ die Rede ist, während in Absatz 2 weiteren Personen in abschließender Aufzählung nur die „gleiche Befugnis“ verliehen wird (vgl. dazu SSW-StPO/Schöch, 3. Aufl., § 395 Rn. 5).
11
c) Aus der mit Gesetz zur Einführung eines Hinterbliebenengeldes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2421) vorgenommenen Erweiterung der Ersatzansprüche Dritter bei Tötung durch § 844 Abs. 3 BGB ergibt sich nichts anderes. Diese Neuregelung ist ersichtlich auf die bürgerlich-rechtlichen Ansprüche im Recht der unerlaubten Handlungen beschränkt und billigt dem Hinterbliebenen unter näher bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Nachweis einer medizinisch fassbaren Gesundheitsbeschädigung für dessen seelisches Leid eine Geldentschädigung zu (BT-Drucks. 18/11397, S. 8; vgl. dazu Erman/ Wilhelmi, BGB, 15. Aufl., § 844 Rn. 20).
12
3. Schließlich stehen auch Sinn und Zweck von § 46a Nr. 1 StGB einer erweiternden Auslegung entgegen. Eingedenk der gesetzgeberischen Intention setzt § 46a Nr. 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss. Unverzichtbar ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift, dass das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, NStZ 1995, 492; Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264; Franke, NStZ 2003, 410, 412 f. mwN). Dieser Zweck würde bei einer Einbeziehung mittelbar von der Tat Betroffener nach dem Tod des Opfers schon mit Blick auf die Unbestimmtheit des im Einzelfall in Betracht kommenden Personenkreises und die daraus für den kommunikativen Prozess folgenden praktischen Schwierigkeiten regelmäßig verfehlt.
13
Der Fall des von einer Sexualstraftat betroffenen Kleinkindes, bei dem der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Strafmilderung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB tatrichterliche Feststellungen zu einem kommunikativen Prozess mit dessen Eltern als Inhabern der Personensorge (§ 1627 BGB) und Vertreter (§ 1629 BGB) des – überlebenden – Opfers verlangt hat (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2002 – 1 StR 184/02, BGHR StGB § 46a Begründung 1), ist insoweit anders gelagert.
Sost-Scheible Franke RiBGH Bender ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
Quentin Feilcke

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 66/05 Verkündet am:
20. Dezember 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________

a) Ein Grundurteil beschwert eine Partei, soweit es für sie negative Bindungswirkung
hat. Der bloße Anschein einer Bindungswirkung, der von einem in unzulässiger
Weise die Höhe des Schadens behandelnden Grundurteil ausgeht,
rechtfertigt die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht.

b) Der Anspruch des Darlehensgebers auf Nichtabnahmeentschädigung unterlag
der 30-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F., nicht der vierjährigen
Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a.F..
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - XI ZR 66/05 - OLG Frankfurt am Main
LG Kassel
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter
Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2005 wird verworfen.
Die Revision des Beklagten gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die klagende Bank nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch.
2
Der Beklagte ist Geschäftsführer der T. GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin), die ein Hotelgrund- stück in W. erwerben wollte und zur Finanzierung mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) am 1./8. Juni 1995 drei Annuitäten-Darlehensverträge über jeweils 7 Millionen DM schloss. In den Verträgen wurden eine Abnahmefrist bis zum 30. September 1995, als Verwendungszweck die Mitfinanzierung des Kaufpreises für das Hotelgrundstück und als Auszahlungsvoraussetzungen u.a. die Bestellung von Grundschulden auf dem Hotelgrundstück und der Abschluss des notariellen Kaufvertrages vereinbart. Der Beklagte übernahm durch schriftliche Erklärung vom 1. Juni 1995 die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 2,5 Millionen DM für alle Ansprüche, die der Klägerin aus der Finanzierung des Hotelgrundstücks in W. gegen die Hauptschuldnerin zustehen.
3
Anfang August 1995 teilte die Hauptschuldnerin der Klägerin mit, dass der Erwerb des Hotelgrundstücks gescheitert sei. Die Klägerin wies die Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 9. August 1995 auf ihre Pflicht zur Abnahme der Darlehen hin und stellte ihr anheim, ein anderes Beleihungsobjekt anzubieten. Nachdem mehrere Versuche der Hauptschuldnerin , ein geeignetes Ersatzobjekt zu beschaffen, erfolglos geblieben waren, forderte die Klägerin von der Hauptschuldnerin Schadensersatz wegen Nichtabnahme der Darlehen. Die Klägerin hat den Nichtabnahmeschaden im erstinstanzlichen Verfahren zuletzt auf 1.471.452,54 DM, bezogen auf den 9. August 1995, bzw. auf 1.830.304,80 DM, bezogen auf den 5. Juli 1996, beziffert. Klage gegen die Hauptschuldnerin hat sie erst im Jahre 2003 erhoben.
4
Landgericht Das hat die Teilklage über 1.045.974,06 DM nebst Zinsen abgewiesen, da die Hauptschuld verjährt sei, und auf die Widerklage festgestellt, dass der Klägerin auch kein über diesen Betrag hinausgehender Anspruch zusteht. Nach Erweiterung der Klage im Berufungsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Ersatz des Nichtabnahmeschadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass der Beklagte nur für einen auf den 9. August 1995 berechneten Nichtabnahmeschaden hafte. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision, den Zeitpunkt für die Berechnung des Nichtabnahmeschadens auf den 5. Juli 1996 festzulegen, und erhebt hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde. Der Beklagte begehrt mit seiner Revision die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

I.


6
Berufungsgericht Das hat zur Begründung seiner Entscheidung, die Klage auf Ersatz des Nichtabnahmeschadens sei dem Grunde nach gerechtfertigt, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Klägerin Die habe gegen die Hauptschuldnerin einen Anspruch wegen positiver Vertragsverletzung auf Schadensersatz wegen Nichtabnahme der Darlehen. Die Hauptschuldnerin habe die Erfüllung ihrer Pflicht zur Abnahme der Darlehen vor Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert. Ihr Anspruch auf Auszahlung der Darlehen sei mangels Abschlusses eines notariellen Kaufvertrages und Eintragung von Grundschulden nicht fällig geworden.
8
Darlehensverträge Die seien wirksam zustande gekommen. Sie hätten nicht unter der Bedingung des Erwerbs des Hotelgrundstücks in W. gestanden. Die Darlehensverträge seien nicht gemäß § 313 BGB beurkundungsbedürftig gewesen. Von ihnen sei kein mittelbarer Zwang zum Erwerb des Grundstücks in W. ausgegangen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich auf Verhandlungen über den Erwerb eines Ersatzobjekts einzulassen.
9
DerSchadensersatzans pruch der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung sei nicht verjährt. § 197 BGB sei nicht anwendbar, weil der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung weder auf Zinsen noch auf andere regelmäßig wiederkehrende Leistungen gerichtet sei. Die Nichtabnahmeentschädigung werde zwar anhand der vereinbarten Zinshöhe berechnet. Sie trete aber nicht an die Stelle des Zinsanspruches und werde nicht deshalb geschuldet, weil die Vertragszinsen nicht gezahlt worden seien. Grundlage der Nichtabnahmeentschädigung sei vielmehr, dass der Darlehensnehmer seine Pflicht zur Abnahme der Darlehen verletze und die Durchführung des Vertrages vereitele. § 197 BGB sei auch nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar, weil bei einer einheitlich entstehenden und fällig werdenden Nichtabnahmeentschädigung weder die Gefahr bestehe, dass regelmäßig wiederkehrende Einzelforderungen einen Gesamtbetrag erreichten, den der Schuldner nicht mehr in einer Summe aufbringen könne, noch Schwierigkeiten aufträten, sichere Feststellungen für eine bis zu 30 Jahren zurückliegende Zeit zu treffen. Gemäß § 195 BGB, der folglich anwendbar sei, sei Verjährung noch nicht eingetreten.
10
Der Beklagte hafte als Bürge allerdings nur für den Nichtabnahmeschaden , der sich bei einer Berechnung ab dem 9. August 1995 ergebe, nicht aber für einen Nichtabnahmeschaden aufgrund einer Berechnung zum 5. Juli 1996. Die Klägerin und die Hauptschuldnerin hätten durch den bis Juli 1996 unternommenen Versuch, die Darlehen für ein Ersatzobjekt zu verwenden, das Haftungsrisiko erhöht. Dies wirke gemäß § 767 Abs. 1 Satz 2 (gemeint: 3) BGB nicht zu Lasten des Beklagten. Zwar liege kein rechtsgeschäftliches Handeln der Hauptschuldnerin vor. Ihr Verhalten habe indes darauf abgezielt.

II.


11
Hiergegen wenden sich die Rechtsmittel beider Parteien im Ergebnis ohne Erfolg.
12
A. Revision der Klägerin
13
Die Revision der Klägerin ist unzulässig.
14
1. Der Klägerin fehlt eine Beschwer, die Voraussetzung für die Zulässigkeit jeden Rechtsmittels ist (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2004 - XI ZR 69/02, WM 2004, 466, 467).
15
a) Eine klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihrem in der Instanz gestellten Antrag abweicht (sog. formelle Beschwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020, jeweils m.w.Nachw.). Ausreichend ist bereits der Anschein einer Beschwer, der etwa besteht, wenn die angefochtene Klageabweisung ins Leere geht und keine materielle Rechtskraftwirkung hat (BGH, Urteil vom 10. März 1993 - VIII ZR 85/92, WM 1993, 845, 847; Senat, Urteil vom 20. Januar 2004 - XI ZR 69/02, WM 2004, 466, 467).
16
Hier liegt weder eine formelle Beschwer noch der Anschein einer solchen vor. Die Klage auf Ersatz des Nichtabnahmeschadens ist im Tenor des angefochtenen Urteils uneingeschränkt für gerechtfertigt erklärt worden.
17
b) Ein Zwischenurteil über den Grund gemäß § 304 ZPO kann den Kläger allerdings auch dann beschweren, wenn der Urteilstenor das Klagebegehren dem Grunde nach in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt , in den Entscheidungsgründen aber bindend festgestellt wird, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände abschließend im Grundverfahren geklärt sind. Eine Partei ist daher beschwert, soweit das Urteil für sie negative Bindungswirkung hat (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1985 - III ZR 105/84, WM 1986, 331).
18
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Klägerin nicht beschwert, weil die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils geäußerte Auffassung, der Beklagte hafte nur für eine auf den 9. August 1995, nicht für eine auf den 5. Juli 1996 berechnete Nichtabnahmeentschädigung , keine Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO hat. Da diese Ausführungen entgegen der Ansicht der Klägerin ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, sind sie im Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren nicht (BGHZ 10, 361, 362; BGH, Urteile vom 29. Oktober 1959 - III ZR 150/58, VersR 1960, 248, 251 und vom 12. Juli 1963 - IV ZR 314/62, MDR 1964, 214, 215; MünchKommZPO/Musielak, 2. Aufl. § 304 Rdn. 12; Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 304 Rdn. 21).
19
Der Anschein einer Bindungswirkung, der von einem in unzulässiger Weise die Höhe des Schadens behandelnden Grundurteil ausgehen kann, rechtfertigt, anders als der Anschein einer formellen Beschwer, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht (a.A. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 304 Rdn. 50, ohne Begründung). Da auch im Urteil des Rechtsmittelgerichts Ausführungen zur Schadenshöhe unzulässig wären, könnte der Rechtsmittelkläger mit der Anfechtung des Grundurteils nur die mangelnde Bindungswirkung, nicht aber die inhaltliche Unrichtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Grundurteil feststellen lassen. Das vorinstanzliche Gericht wäre nicht gehindert, seine vom Rechtsmittelkläger angegriffene Auffassung zur Schadenshöhe im Betragsverfahren erneut zugrunde zu legen. Da der Rechtsmittelkläger seine gegenteilige Auffassung ohnehin im Betragsverfahren, ggf. mit den darin zulässigen Rechtsmitteln, weiterverfolgen muss, besteht kein Anlass , ihm gegen das Grundurteil, das ihn tatsächlich nicht beschwert, eine zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit zu eröffnen.

20
c) Die Revision der Klägerin war demnach als unzulässig zu verwerfen.
21
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin bedarf keiner Entscheidung , weil die Bedingung, unter der sie erhoben worden ist, nicht erfüllt ist. Die Klägerin hat sie nur unter der Voraussetzung eingelegt, dass die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht auf das klagestattgebende Grundurteil beschränkt ist. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Klägerin auch für den Fall, dass ihre Revision mangels Beschwer unzulässig ist, eine - ebenfalls eine Beschwer voraussetzende (Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. § 544 Rdn. 6) - Nichtzulassungsbeschwerde erheben wollte.
22
B. Revision des Beklagten
23
Revision Die des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
24
1. Der Klägerin steht gegen die Hauptschuldnerin ein Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung zu.
25
a) Grundlage dieses Anspruchs ist allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht eine positive Vertragsverletzung, sondern § 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB a.F.. Die Hauptschuldnerin hat die Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Abnahme der Darlehen nicht bereits vor Fälligkeit ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. hierzu Senat BGHZ 146, 5, 8). Das Berufungsgericht stellt insoweit rechtsfehlerhaft auf den seines Erachtens nie fällig gewordenen Anspruch der Hauptschuldnerin auf Auszahlung der Darlehen ab. Maßgeblich ist der Anspruch der Klägerin auf Abnahme der Darlehen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2000 - XI ZR 72/00, WM 2001, 350, 352), der durch den Abschluss der Darlehensverträge wirksam begründet worden ist.
26
aa) Die Verträge sind, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht unter einer Bedingung im Sinne des § 158 BGB geschlossen worden. Die Revision des Beklagten beruft sich ohne Erfolg auf die Vereinbarung der am 30. September 1995 endenden Abnahmefrist und der u.a. den notariellen Kaufvertrag umfassenden Auszahlungsvoraussetzungen. Die Verträge enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Abnahmepflicht der Hauptschuldnerin mit dem Ablauf der Abnahmefrist enden oder der Abschluss eines notariellen Kaufvertrages nicht nur Voraussetzung der Darlehensauszahlung, sondern auch Bedingung für den Fortbestand der Darlehensverträge sein sollte.
27
Die bb) Darlehensverträge waren entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten nicht gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. beurkundungsbedürftig. Sie begründeten keine Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben.
28
Formbedürftig können allerdings auch mit Dritten geschlossene Verträge sein, von denen ein unangemessener, die Entschließungsfreiheit erheblich beeinträchtigender Druck zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags ausgeht (BGHZ 76, 43, 46; BGH, Urteile vom 18. Dezember 1970 - VI ZR 1155/68, WM 1971, 190, 191, vom 3. November 1978 - V ZR 30/77, WM 1979, 162, vom 6. Februar 1980 - IV ZR 141/78, WM 1980, 742, 743 und vom 2. Juli 1986 - IVa ZR 102/85, WM 1986, 1438), weil sie einem Vertragsteil für den Fall, dass der Grundstückskaufvertrag nicht zustande kommt, erhebliche finanzielle Nachteile, z.B. die Zahlung einer Vertragsstrafe, einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision oder den Verfall einer Kaufpreisanzahlung, auferlegen (BGHZ 103, 235, 239; BGH, Urteile vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 159/80, WM 1981, 993, vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, WM 1985, 1425 und vom 25. Februar 1987 - IVa ZR 263/85, WM 1987, 693, 694; Senat, Urteil vom 19. September 1989 - XI ZR 10/89, WM 1989, 1692 f.).
29
Eine derartige Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit der Hauptschuldnerin begründen die Darlehensverträge nicht. Sie sind ihrem wirtschaftlichen Sinn nach nicht unmittelbar darauf gerichtet, ein formbedürftiges Grundstücksgeschäft zustande zu bringen, sondern dienen einer davon unabhängigen Zielsetzung, der Zurverfügungstellung der Darlehensmittel gegen Zinszahlung. Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Pflicht zur Abnahme der Darlehen kann zwar einen gewissen wirtschaftlichen Druck auf die Entschließungsfreiheit der Hauptschuldnerin ausüben. Er begründet aber nach dem Schutzzweck des § 313 Satz 1 BGB a.F. nicht das Erfordernis der notariellen Beurkundung der Darlehensverträge. Wer in der Erwartung, ein Grundstück erwerben zu können, Verträge im Hinblick auf dieses Grundstück abschließt , trägt das Risiko, dass sich seine Erwartung - gleich aus welchen Gründen - nicht erfüllt (BGHZ 76, 43, 47; 78, 346, 348; BGH, Urteil vom 8. November 1984 - VII ZR 256/83, WM 1985, 93). Dies gilt auch für Darlehensverträge zur Finanzierung des Erwerbs.
30
b) Der Anspruch der Klägerin auf Abnahme der Darlehen ist aufgrund der Darlehensverträge am 30. September 1995 fällig geworden. Dass die Klägerin und die Hauptschuldnerin die vertragliche Fälligkeitsregelung geändert hätten, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und von den Parteien nicht vorgetragen worden.
31
Einer c) Mahnung, Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung bedurfte es nicht, weil die Hauptschuldnerin die Abnahme der Darlehen nach dem Scheitern ihrer Bemühungen um ein Ersatzobjekt ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 1991 - XI ZR 190/90, WM 1991, 760, 761).
32
Für d) die Nichtabnahme hat die Hauptschuldnerin der Klägerin einzustehen, ohne dass es darauf ankommt, aus welchen Gründen der Erwerb eines geeigneten Grundstücks gescheitert ist. Die Verwendbarkeit der Darlehen fällt allein in den Risikobereich des Darlehensnehmers (BGH, Urteil vom 2. November 1989 - III ZR 143/88, WM 1990, 8, 9; Senat , Urteil vom 12. März 1991 - XI ZR 190/90, WM 1991, 760, 761; jeweils m.w.Nachw.).
33
e) Die Hauptschuldnerin hat entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten keinen Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gegen die Klägerin auf Rückgängigmachung der Darlehensverträge. Die Klägerin war nicht verpflichtet, die Hauptschuldnerin auf die Risiken einer Nichtabnahme der Darlehen und auf die Möglichkeit, die Darlehensverträge erst nach der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages abzuschließen, hinzuweisen. Eine solche Aufklärungspflicht wäre mit der einseitigen Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Darlehensnehmer unvereinbar, insbesondere wenn es sich dabei - wie hier - um einen Kaufmann handelt. Im Übrigen liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die Klägerin als Kreditgeberin zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäfte hätten verpflichten können (vgl. hierzu Senat, Urteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830 und vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, Umdruck S. 9 f.; jeweils m.w.Nachw.).
34
Der f) Schadensersatzanspruch gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB a.F. ist nicht verjährt.
35
aa) Die Verjährung richtet sich gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den §§ 194 ff. BGB n.F., weil der Anspruch am 1. Januar 2002 noch nicht verjährt war. Er unterlag bis zu diesem Zeitpunkt der 30jährigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F., nicht der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a.F..
36
(1) Der Anspruch ist nicht auf Rückstände von Zinsen gerichtet.
37
§ 197 BGB a.F. erfasst zwar nicht nur vertragliche Erfüllungsansprüche , etwa solche, die auf Zahlung rückständiger Zinsen gerichtet sind, sondern auch wirtschaftlich an ihre Stelle tretende Schadensersatzansprüche (vgl. BGHZ 57, 191, 195; 73, 266, 269; BGH, Urteil vom 23. November 1983 - VIII ZR 281/82, WM 1984, 138, 140; BVerwGE 102, 33, 36 f.). Die von der Klägerin geforderte Nichtabnahmeentschädigung dient aber nicht dem Ersatz rückständiger, d.h. in der Vergangenheit fällig gewordener und nicht entrichteter (Staudinger/Frank Peters, BGB Neubearb. 2001 § 197 Rdn. 11) Zinsen. Da die Darlehen nicht ausgezahlt worden sind, ist der vertragliche Zinsanspruch der Klägerin nicht entstanden (§ 198 BGB a.F.). Der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung ist vielmehr auf Ersatz des entgangenen Gewinns der Klägerin während der gesamten Vertragsdauer gerichtet. Dass die vereinbarten Zinssätze und die Wiederanlagezinssätze für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung von wesentlicher Bedeutung sind, ändert in diesem Zusammenhang nichts. Ob § 197 BGB a.F. Zinsen erfasst, die nur einmal zu zahlen sind, also keine wiederkehrenden Leistungen darstellen (so OLG Hamm NJW-RR 1997, 1476; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 197 Rdn. 5), kann offen bleiben.
38
(2) Die Klage ist auch nicht auf Rückstände von anderen regelmäßig wiederkehrenden Leistungen gerichtet.
39
Mit der Klage werden, wie bereits dargelegt, keine Rückstände geltend gemacht. Außerdem erfasst diese Tatbestandsalternative des § 197 BGB a.F. ihrem Wortlaut nach nur Ansprüche, die ihrer Natur nach von vornherein auf Leistungen gerichtet sind, die nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGHZ 98, 174, 182; Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 312/04, Umdruck S. 3; Senat, Urteile vom 15. Februar 2000 - XI ZR 76/99, WM 2000, 811, 812 und vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 273/99, WM 2000, 2423, 2426; jeweils m.w.Nachw.). Dies trifft auf einen Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung , der nicht durch wiederkehrende Leistungen, sondern durch eine einmalige Zahlung zu erfüllen ist, nicht zu. Dass bei der Berechnung der Anspruchshöhe Fälligkeitstermine der vertraglich vereinbarten Zinsraten und damit regelmäßig wiederkehrender Leistungen zu berücksichtigen sind (Senat BGHZ 146, 5, 10 ff.), ändert nichts daran, dass der Anspruch seinem Inhalt nach auf eine einmalige Zahlung gerichtet ist.
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§ 197 BGB a.F. ist auch nach seinem Regelungszweck nicht anwendbar. Die vierjährige Verjährungsfrist soll zum einen verhindern, dass regelmäßig wiederkehrende Einzelforderungen sich mehr und mehr ansammeln und schließlich einen Betrag erreichen, der vom Schuldner nicht mehr in einer Summe aufgebracht werden kann. Zum anderen trägt die Verjährung von länger als vier Jahre zurückliegenden Rückständen dem Umstand Rechnung, dass es bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen oft sehr schwer ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die bis zu 30 Jahren zurückliegt (Senat BGHZ 148, 90, 93 f. m.w. Nachw.). Beide Gesichtspunkte treffen auf den Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung , der auf eine einmalige, sofort fällige Zahlung gerichtet ist und dessen Berechnungsgrundlagen in der Folgezeit unverändert bleiben, nicht zu.
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Die bb) somit maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB n.F. begann gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 1. Januar 2002 und ist durch die Klageerhebung gegen die Hauptschuldnerin im Jahre 2003 rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.).
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2. Der Beklagte hat aufgrund der Bürgschaft vom 1. Juni 1995 gemäß § 765 Abs. 1 BGB für die Erfüllung der Schadensersatzforderung der Klägerin gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB a.F. einzustehen.
Er hat sich wirksam für alle Ansprüche aus der Finanzierung des Hotelgrundstücks in W. verbürgt und haftet gemäß § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - IX ZR 263/86, WM 1988, 212, 213; für Ansprüche auf Vorfälligkeitsentschädigung: OLG Frankfurt am Main ZIP 2002, 567, 568 f.; MünchKomm/Habersack, BGB 4. Aufl. § 767 Rdn. 7; Palandt/Sprau, BGB 65. Aufl. § 767 Rdn. 3). Dies gilt auch dann, wenn es entsprechend dem Vortrag des Beklagten nicht dessen Willen entsprochen haben sollte, sich für Schadensersatzansprüche im Falle eines Scheiterns des Kaufvertrages zu verbürgen. Den hierfür angetretenen Beweis musste das Berufungsgericht nicht erheben. Eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit der Klägerin, dass die Bürgschaft sich nicht auf Schadensersatzansprüche wegen Nichtabnahme der Darlehen erstrecken sollte, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und vom Beklagten nicht vorgetragen worden.
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3. Die Revision des Beklagten war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

III.


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das Für Betragsverfahren weist der Senat - ohne Bindungswirkung - vorsorglich darauf hin, dass der Beklagte, anders als das Berufungsgericht bisher gemeint hat, für einen auf den 5. Juli 1996 berechneten Nichtabnahmeschaden einzustehen hat. Seine Verpflichtung erstreckt sich, wie dargelegt, gemäß § 767 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichtabnahme der Darle- hen. Für die Berechnung der Höhe der Nichtabnahmeentschädigung ist der Zeitpunkt der Zahlung maßgeblich (Senat BGHZ 136, 161, 170; 146, 5, 15; Wimmer/Rössler WM 2005, 1873, 1880). Dies gilt auch dann, wenn sich der Nichtabnahmeschaden nach dem 9. August 1995, dem Zeitpunkt, auf den das Berufungsgericht abgestellt hat, erhöht hat. Denn die damit verbundene Erweiterung der Bürgschaftsschuld beruht nicht auf einem Rechtsgeschäft der Hauptschuldnerin im Sinne des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts liegen ein rechtsgeschäftliches Handeln der Hauptschuldnerin und eine Abänderungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin nicht vor. Dass die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin auf eine solche Änderung abzielten , rechtfertigt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine andere Beurteilung. Die Klägerin war aufgrund der Darlehensverträge verpflichtet, ein gleichwertiges Ersatzobjekt als Sicherheit zu akzeptieren (vgl. Senat BGHZ 158, 11, 16 f.). Dass sie der Hauptschuldnerin anheim gegeben hat, ein solches Objekt vorzustellen, ändert nichts daran, dass ihr nach dem Scheitern der Bemühungen der Hauptschuldnerin um ein Ersatzobjekt ein Anspruch auf Zahlung einer nach den allgemeinen Grundsätzen berechneten Nichtabnahmeentschädigung zusteht. Dieser Anspruch ergibt sich aus den unverändert fortgeltenden Darlehensverträgen vom 1./8. Juni 1995 und ist demnach von der Verpflichtung des Beklagten als Bürgen umfasst.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Schmitt

Vorinstanzen:
LG Kassel, Entscheidung vom 24.04.2001 - 7 O 796/97 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 03.02.2005 - 15 U 122/01 -
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Ein Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) beschwert den Kläger in Höhe eines abgewiesenen Bruchteils oder insoweit, als es hinsichtlich des nachfolgenden Betragsverfahrens eine für ihn negative Bindungswirkung (§ 318 ZPO) auslöst (Senatsbeschluss vom 26. November 2009 aaO Rn. 6); ob Letzteres vorliegt, ist durch Auslegung der Urteilsformel unter Heranziehung der Entscheidungsgründe zu ermitteln (s. Senatsurteil vom 17. Oktober 1985 - III ZR 105/84, juris Rn. 17; BGH, Urteile vom 20. Dezember 2005 - XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138, 139 Rn. 17; vom 14. Juli 2011 - VII ZR 142/09, NJW 2011, 3242, 3243 Rn. 16 f und vom 20. Mai 2014 - VI ZR 187/13, NJW-RR 2014, 1118, 1119 f Rn. 17 f mwN). Ausführungen, die ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, sind im Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren nicht (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 aaO Rn. 18). Der (etwaige) Anschein einer Bindungswirkung, der von einem in unzulässiger Weise die Höhe des Schadens behandelnden Grundurteil ausgehen kann, rechtfertigt die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht; der Rechtsmittelkläger kann seine gegenteilige Auffassung im Betragsverfahren weiterverfolgen, so dass kein Anlass besteht, ihm gegen das Grundurteil, das ihn tatsächlich nicht beschwert, eine zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit zu eröffnen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 aaO Rn. 19).

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.