Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2009 - 4 StR 120/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Lünen vom 28. Januar 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
- 2
- 1. a) Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger des Angeklagten hat zunächst mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 rechtzeitig Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 7. Januar 2009 hat er die Rücknahme der Revision erklärt. Daraufhin hat Rechtsanwältin Os. als (neue) Wahlverteidigerin mit einem am 12. Februar 2009 beim Landgericht eingegangen Schriftsatz vom 10. Februar 2009 (erneut) Revision eingelegt und beantragt, dem Verurteilten nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die vom Pflichtverteidiger erklärte Revisionsrücknahme sei ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten, vielmehr ohne jegliche Absprache mit diesem erfolgt. Erst durch sie, Rechtsanwältin Os. , habe der Angeklagte von der Rücknahme des Rechtsmittels erfahren. Dem hat Rechtsanwalt T. mit Schriftsatz vom 2. April 2009 widersprochen. Der Angeklagte habe ihn aus der Untersuchungshaft heraus telefonisch ausdrücklich mit der Rücknahme der Revision beauftragt und an diesem Auftrag auch nach Belehrung über die Konsequenzen einer solchen Erklärung festgehalten, weil er im Hinblick auf eine weitere, einbeziehungsfähige Verurteilung möglichst schnell Gewissheit über die Gesamtdauer der Haft habe erlangen wollen. Der Angeklagte hat sich in einem persönlichen Schreiben vom 25. Juni 2009 den Ausführungen seiner Wahlverteidigerin Rechtsanwältin Os. angeschlossen.
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- b) Der Senat ist dem Vortrag der Wahlverteidigerin des Angeklagten, Rechtsanwältin Os. , zur fehlenden ausdrücklichen Ermächtigung von Rechtsanwalt T. zur Revisionsrücknahme im Wege des Freibeweises nachgegangen. Rechtsanwalt T. hat dazu eine Stellungnahme seiner Kanzleimitarbeiterin vorgelegt, wonach er diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Rücknahme der Revision zu dem Telefonat mit dem Angeklagten hinzu gebeten habe und die Mitarbeiterin – mit Wissen und Einverständnis des Angeklagten – deshalb selbst mit angehört habe, dass der Angeklagte ihn, Rechtsanwalt T. , ausdrücklich um Rücknahme des Rechtsmittels gebeten habe. Rechtsanwalt T. hat zudem erklärt, dieser Mitarbeiterin unmittelbar im Anschluss an das Telefongespräch den Auftrag zur Fertigung eines entsprechenden Schriftsatzes an das Gericht erteilt zu haben. Die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft gegen den Angeklagten bis zum 2. März 2009 vollzogen wurde, hat auf Anfrage mitgeteilt, soweit Telefongespräche von Untersuchungsgefangenen aus der Anstalt heraus registriert würden, sei ein Telefonat des Angeklagten mit seinem Pflichtverteidiger im fraglichen Zeitraum nicht festgehalten. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass auch ungenehmigte bzw. nicht registrierte Gespräche geführt würden, etwa über Mobiltelefone oder über Anschlüsse in den Fachdiensten oder beim seelsorgerischen Dienst.
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- 2. Danach sind die von der Wahlverteidigerin eingelegte (erneute) Revision sowie der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig, weil der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt T. , die Revision bereits wirksam zurückgenommen hatte.
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- a) Zwar kann ein Verteidiger die Rücknahme des Rechtsmittels nur mit besonderer Ermächtigung des Angeklagten erklären (§ 302 Abs. 2 StPO). Eine bestimmte Form für diese Ermächtigung ist indes nicht vorgeschrieben; sie kann schriftlich oder mündlich – auch fernmündlich – erteilt werden (BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 6; BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6). Der Nachweis der Ermächtigung kann auch noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden (BGHSt 36, 259, 260 f.). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den schriftlichen Erklärungen des Pflichtverteidigers des Angeklagten in Verbindung mit der Erklärung seiner Kanzleikraft, dass der Angeklagte ihn fernmündlich mit der Rücknahme der Revision beauftragt und damit hierzu ermächtigt hat. Zweifel an der Darstellung des Verfahrensgangs durch den Verteidiger bestehen nicht. Solche Zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass sich der Angeklagte nunmehr von der erfolgten Revisionsrücknahme überrascht zeigt und den telefonischen Auftrag an seinen Verteidiger zur Rücknahme der Revision in Abrede stellt. Nach der vom Senat freibeweislich eingeholten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt war dem Angeklagten eine telefonische Kontaktaufnahme mit seinem Verteidiger auch ohne Registrierung des Gesprächs in den Akten der Haftanstalt möglich. Ebenso hat der Senat nach der Erklärung von Rechtsanwalt T. keine Zweifel daran, dass der Angeklagte in dem Telefonat zur Begründung des Rücknahmeauftrags auf seinen Wunsch nach Gewissheit über die zu verbüßende Gesamtstrafe hinwies, also einen triftigen Grund hatte, das Urteil des Landgerichts rechtskräftig werden zu lassen.
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- Daher stellt der Senat die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme zur verbindlichen Klärung in der Beschlussformel fest (vgl. BGH NStZ 2001, 104; 2005, 113).
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- b) Die wirksame Rücknahmeerklärung führt zum Verlust des Rechtsmittels. Die mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009 erneut eingelegte Revision ist daher unzulässig und gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen (BGH NStZ 1995, 356 m.w.N.). Damit ist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 345 Abs. 1 StPO ausgeschlossen (BGH NJW 1997, 2691); der dahingehende Antrag des Angeklagten ist daher ebenfalls zu verwerfen.
Franke Mutzbauer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.