Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2017 - 4 StR 11/17

bei uns veröffentlicht am16.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 11/17
vom
16. März 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:160317B4STR11.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 16. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 13. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zu den äußeren Geschehnissen in der Zeit vom 18. Juli 2014 bis 25. Juli 2014 und am 26. Juli 2014 (Seiten 15 bis 17 der Urteilsgründe) sowie am 6. Januar 2013, 7. und 8. Juli 2013, 14. Februar 2016 und 11. März 2016 (Seiten 18 und 19 der Urteilsgründe) bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision der Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Beschuldigte leidet spätestens seit dem Jahr 2003 an einer paranoiden Schizophrenie. Mit Urteil vom 1. Februar 2007 ordnete das Landgericht Nürnberg-Fürth ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Aufgrund der in der Bewährungszeit durchgeführten Maßnahmen (ambulante Therapie, Medikation) kam es bei ihr zu einer Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustands. Nachdem die Beschuldigte mit Ablauf der Bewährungszeit die Einnahme der Medikamente beendet hatte, verschlechterte sich ihre psychische Erkrankung bereits im Laufe des Jahres 2012 wieder. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen mit ihrem geschiedenen Ehemann A. F. , mit dem sie einen Streit um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder D. und L. führte. Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25. Juli 2013 wurde A. F. die alleinige elterliche Sorge für beide Kinder übertragen.
4
Am 18. Juli 2014 fuhr die Beschuldigte ohne die erforderliche Fahrerlaubnis mit dem Auto von Fr. nach N. , wo A. F. mit den gemeinsamen Kindern wohnte. Dort nahm sie Kontakt zu ihrer am 19. Juli 2002 geborenen Tochter L. auf und fuhr mit dieser ohne Absprache mit A. F. zurück nach Fr. , wo sie ihre Tochter für eine Hospitation an einem Gymnasium angemeldet hatte. Am 25. Juli 2014 begab sich A. F. nach Fr.
, um L. nach N. zurückzuholen. Nachdem er sie von der Schule abgeholt hatte, fuhr er mit ihr zur Wohnung der Beschuldigten, um dort befindliche persönliche Gegenstände mitzunehmen. Nachdem A. F. die Beschuldigte dort nicht anzutreffen vermochte, verständigte L. ihre Mutter über das Mobiltelefon. In der Folge beging die Beschuldigte „im Zustand einer krankheitsbedingten Einschränkung ihrer Schuldfähigkeit“ die folgenden Taten:
5
a) Nachdem A. F. das Mobiltelefon seiner Tochter übernommen hatte, drohte ihm die Beschuldigte, ihn umzubringen, falls er nicht verschwinde. Anschließend fuhr sie mit einem Pkw durch das Stadtgebiet von Fr. zu ihrer Wohnung. Die dazu erforderliche Fahrerlaubnis besaß sie, wie sie auch wusste, nicht. Dort ging sie mit einer drohend nach oben gehaltenen Eisenstange (92 cm lang und 2,915 kg schwer) auf A. F. zu und warf diese in Richtung seines Unterkörpers. A. F. vermochte reaktionsschnell auszuweichen , sodass er nicht getroffen wurde. Unmittelbar im Anschluss daran veranlasste die Beschuldigte ihre Tochter L. , in ihren Pkw einzusteigen und auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Als die Zeugin B. , die dasGeschehen beobachtet hatte, hinzutrat und an die Schulter von L. griff, um dassichtlich gezwungene Kind wieder aus dem Pkw zu holen, biss ihr die Beschuldigte ohne rechtfertigenden Grund in die Hand. B. erlitt dadurch, wie von der Beschuldigten billigend in Kauf genommen, Schmerzen und eine kleine Schürfung. Infolgedessen ließ sie von weiteren Versuchen ab, das Wegbringen des Kindes zu verhindern. Die Beschuldigte fuhr sodann mit dem Pkw davon.A. F. , der zwischenzeitlich die Beifahrertür offengehalten hatte, lief noch wenige Schritte neben dem langsam fahrenden Auto her, ehe er die Tür zuwarf, um nicht selbst gegen einen Laternenpfahl zu stoßen (Ziffer II – Taten der Antragsschrift – Nr. 1).
6
b) Am 26. Juli 2014 schrie die Beschuldigte im Hausflur vor ihrer Mietwohnung herum, schlug gegen Wände und warf Gegenstände zu Boden. Außerdem klopfte sie gegen die Wohnungstür ihrer im gleichen Haus wohnenden Vermieter. Als ihr nicht sogleich geöffnet wurde, kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Als ihre Vermieterin, die Zeugin M. , an ihrer Wohnungstür klopfte oder klingelte, um sie zur Rede zu stellen, öffnete die Beschuldigte die Tür und würgte die Zeugin M. unvermittelt für kurze Zeit am Hals. Die Zeugin M. erlitt dadurch, wie von der Beschuldigten vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, Schmerzen am Hals. Für etwa eine Stunde war eine durch das Drücken verursachte Hautrötung am Hals sichtbar (Ziffer II – Taten der Antragsschrift – Nr. 2).
7
2. Die Strafkammer hat angenommen, dass die Beschuldigte rechtswidrige Taten begangen habe, die als versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Bedrohung, Nötigung und Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Körperverletzung zu bewerten seien. Bei allen Taten habe sich die Be- schuldigte aufgrund einer paranoiden Schizophrenie „zumindest im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), nicht ausschließbar sogar im Zustand aufgehobener Schuldfähigkeit“, befunden (§ 20 StGB). Bei ihr liege eine paranoide Schizophrenie und damit ein Zustand von Dauer vor. Von ihr seien aufgrund ihres Zustands den Anlasstaten ähnliche rechtswidrige Taten mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad zu erwarten.

II.


8
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteils- gründe belegen nicht, dass die Beschuldigte eine der Anlasstaten im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB begangen hat.
9
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Dazu bedarf es einer konkreten Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76, 77; Beschluss vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 74, 75; Beschluss vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; Beschluss vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
10
2. Diesen Anforderungen wird das tatrichterliche Urteil nicht gerecht.
11
Konkrete Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoide Schizophrenie der Beschuldigten Auswirkungen auf die Begehung der festgestellten Anlasstaten hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Auch wird nicht zwischen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit unterschieden. Allein die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie vermag diese Feststellungen nicht zu ersetzen. Soweit in den Urteilsgründen psychisch auffällige Verhaltensweisen der Beschuldigten in der Hauptverhandlung am 20. April 2016 und 11. Mai 2016 mitgeteilt werden (rasche Stimmungswechsel, aufbrausendes und verbal aggressives Verhalten etc.), handelt es sich um Geschehnisse, die in keinem zeitlichen Zusammenhang zu den Anlasstaten stehen. Gleiches gilt für die Berichte über Befunde und Einschätzungen anderer Sachverständiger aus den Jahren 2006 (labiler Affekt, inhaltliche Denkstörungen mit paranoid getönten Themenbereichen etc.) und 2007 (psychotische Symptome mit Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn). Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass bei der Beschuldigten im Betreuungsverfahren Erlebtes zu Überwachungsempfinden, der Furcht, abgehört zu werden, und zu der Einschätzung geführt habe, dass ihr Ehemann in ein feindlich gesonnenes Netzwerk eingebunden sei, fehlt es an phänomengebundenen Feststellungen, die dies belegen könnten. Die zu den Anlasstaten getroffenen Feststellungen lassen einen konkreten Bezug zu derartigen Wahninhalten nicht erkennen.
12
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Geschehnissen bei den Anlasstaten und deren Vorgeschichte sowie weiteren im Urteil geschilderten Vorfällen können in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Dies entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts, der zwar im Eingang seiner Antragsschrift eine (umfassende ) Aufhebung des Urteils nach § 349 Abs. 4 StPO beantragt, in der Antragsbegründung die Feststellungen zum äußeren Geschehen aber ausdrücklich als rechtsfehlerfrei bezeichnet und die Voraussetzungen für deren Aufrechterhaltung nach § 353 Abs. 2 StPO für gegeben erachtet hat.
14
Der neue Tatrichter wird sich gegebenenfalls auch mit der Frage zu befassen haben, ob die Beschuldigte von dem Versuch einer gefährlichen Körperverletzung (Wurf mit der Eisenstange) zurückgetreten ist und – soweit dies der Fall sein sollte – welche Auswirkungen dies auf eine zu stellende Gefährlich- keitsprognose haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 4 StR 185/16, StV 2016, 719, 720; Kaspar in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 63 Rn. 16 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 594/16
vom
21. Dezember 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR594.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen zwei jeweils als Bedrohung (§ 241 StGB) gewerteter , im Zustand aufgehobener Einsichtsfähigkeit begangener Anlasstaten angeordnet. Die auf eine ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.

I.


2
Die Anordnung der Maßregel hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unter- zubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN; siehe Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 16).
4
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
5
a) Bereits die Voraussetzungen einer aufgrund aufgehobener Einsichtsfähigkeit ausgeschlossenen Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) des Beschuldigten bei Begehung der beiden Anlasstaten werden nicht in für den Senat nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. Erforderlich ist auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bzw. Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 11; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 und vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98). Daran fehlt es bezüglich beider Anlasstaten.
6
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, aufgrund dessen er „oftmals die Realität (verkennt) und nach seinen objektiv falschen Vorstellungen (handelt)“ (UA S. 7, siehe auch UA S. 10). Im Rahmen der Beweiswürdigung ordnet das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, den psychischen Zustand des Beschuldigten als akute polymorphe psychotische Störung (ICD-10 F.23.1.) ein. Beide Anlasstaten würden auf dieser Störung beruhen, weil sich die krankheitsbedingt wahnhaften Vorstellungen des Beschuldigten über einen Zeitraum erstreckt hätten, der beide Tatzeiten umfasse (UA S. 15).
7
bb) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu der konkreten Ausprägung der psychotischen Störung beschränken sich auf die Beschreibung, der Beschuldigte leide unter der wahnhaften Vorstellung, bereits mehrfach gelebt zu haben und in einem seiner früheren Leben mit der Zeugin S. verlobt gewesen und auch aktuell noch mit ihr verlobt zu sein. Wie sich die „psychotisch intendierte(n) wahnhaft geprägte(n) Psychopathologie“ konkret auf die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bezüglich der Anlasstaten ausgewirkt haben soll, wird in dem angefochtenen Urteil nicht näher ausgeführt. Die Einschätzung des Sachverständigen, der sich das Tatgericht anschließt, erschöpft sich in der Aussage, die Kritikfähigkeit des Beschuldigten sei derart tiefgreifend verändert gewesen, dass die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Handelns sowie in den Realcharakter der Situationen als aufgehoben bewertet werden müsse (UA S. 16). Das lässt eine Darstellung der auf den Beschuldigten bezogenen konkreten Auswirkungen seiner allein konkret benannten wahnhaften Vorstellung mehrfacher Wiedergeburt und des (vermeintlichen) Verlöbnisses mit S. auf die Unrechtseinsichtsfähigkeit bei den beiden Anlasstaten nahezu vollständig vermissen. Näherer Ausführungen sowohl zum psychischen Zustand des Beschuldigten und der Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstaten hätte es aber auch deshalb bedurft, weil sich das Krankheitsbild seit der ersten festgestellten stationären Behandlung des Beschuldigten im November 2008 bis zu den Taten im September 2015 bzw. Januar 2016 verändert hat und im Verlaufe seiner mehrfachen stationären Aufenthalte wechselnde Diagnosen seitens der behandelnden Ärzte gestellt worden sind (UA S. 4 und 5).
8
cc) Hinsichtlich der Anlasstat zum Nachteil des früheren Betreuers des Beschuldigten, Rechtsanwalt Sc. , (Tat B.1. der Urteilsgründe) erweisen sich die Feststellungen und die zugehörige Beweiswürdigung zudem als in sich widersprüchlich. Das Landgericht hat festgestellt, der Beschuldigte sei bezüglich des an den Betreuer gerichteten Drohbriefs infolge seiner psychischen Erkrankung der Auffassung gewesen, Rechtsanwalt Sc. sei für die erfolgte Kürzung von Sozialleistungen verantwortlich (UA S. 7). Ein Zusammenhang mit dem dargestellten Störungsbild wahnhafter Annahme mehrfacher Wiedergeburt und eines Verlöbnisses mit der Zeugin S. ist insoweit nicht zu erkennen. Die referierte Einlassung des Beschuldigten, er habe durch den Brief den Wechsel seines Betreuers erreichen wollen (UA S. 10 unten), lässt sich mit der Feststellung krankheitsbedingter Fehlwahrnehmung jedenfalls nicht in Einklang bringen , wenn das Störungsbild ausschließlich als eines beschrieben wird, das sich allein auf die Wiedergeburt und das Verhältnis zur Zeugin S. bezieht. Soweit das Landgericht in der Beweiswürdigung zum symptomatischen Zusammenhang zwischen der psychotischen Störung und der Anlasstat zum Nachteil von Rechtsanwalt Sc. ausführt, der Beschuldigte habe – nach Begehung der Tat – gegenüber ihn behandelnden Ärzten im Bezirkskrankenhaus L. angegeben, sein Betreuer sei in seine Wohnung gegangen und habe seine Freundin geschwängert (UA S. 16), ist dies mit der Feststellung, die Verantwortungszuschreibung an den Betreuer für die erfolgte Kürzung der ALG II-Leistungen sei der auslösende Grund für den Drohbrief an den Betreuer gewesen (UA S. 7), ohne nähere Darlegungen kaum zu vereinbaren. Die Widersprüchlichkeiten zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung können sich auf die Annahme der Unterbringungsvoraussetzungen ausgewirkt haben. Sowohl für die Beurteilung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen der diagnostizierten Störung und der Anlasstat als auch für die Gefährlichkeitsprognose kommt dem Motiv der Tat zum Nachteil des früheren Betreuers Bedeutung zu.
9
b) Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
10
aa) Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2StR 239/15; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN); die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheitsund Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, obwohl das Landgericht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt einer auf einer umfassenden Gesamtwürdigung aufbauenden Prognose erkannt hat. Es beschränkt sich jedoch darauf, dem Sachverständigen in dessen Einschätzung zu folgen, dass im Fall einer erneuten Zuspitzung des psychotischen Geschehens die „Wahninhalte des Beschuldigten impulshaft und handlungsleitend umgesetzt werden“. In sol- chen Situationen sei die Begehung von Aggressions- und Gewaltdelikten bis hin zu Tötungsdelikten sehr wahrscheinlich (UA S. 20). Anknüpfungstatsachen, die die Prognose derartiger zukünftiger Straftaten stützen, führt das angefochtene Urteil nicht auf. Die benannten Umstände der Wiederaufnahme von Alkohol - und Betäubungsmittelkonsum durch den Beschuldigten sowie das Fehlen von Krankheitseinsicht und eines sozialen Empfangsraums stellen zwar allgemein prognostisch ungünstige Umstände dar. Angesichts seit 2008 bestehender – wenn auch bei sich im Verlaufe der Zeit veränderndem Krankheitsbild – psychischer Auffälligkeit, bislang weitgehend ausgebliebener Delinquenz sowie des bisherigen Fehlens von Gewaltdelikten können die genannten Aspekte allein aber nicht tragfähig begründen, warum nunmehr Gewaltdelikte bis hin zu Tötungsdelikten von dem Beschuldigten zu erwarten sein sollen. Konkrete Umstände , die ein Umschlagen von Drohungen hin zu deren Realisierung prognostizieren lassen, benennt das Landgericht nicht. Aus der Art der psychischen Erkrankung als psychische Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenie folgt nichts anderes. Zwar kann bei einer derartigen Störung der Tatrichter auch in Bezug auf einen Täter, der zuvor noch nicht oder kaum mit „gewalttätigen Aggressionsdelikten“ aufgefallen ist, die Überzeugunggewinnen, dieser werde mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zukünftig erhebliche Straftaten, wie etwa Körperverletzungsdelikte, begehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 f.; vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Dazu bedarf es aber gerade der sorgfältigen Darlegung derjenigen Umstände, die die entsprechende tatrichterliche Überzeugung tragen (BGH aaO; siehe auch BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Gerade diese Darlegung enthält das angefochtene Urteil aber aus den genannten Gründen nicht.

II.


12
Der Senat hebt die getroffenen Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter sowohl zu den für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Anlasstaten bedeutsamen Umstände als auch zu sämtlichen prognoserelevanten Aspekten umfassende und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 78/16
vom
12. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:121016B4STR78.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 12. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 15. Oktober 2015 mit den zugehörigen Feststellungen – ausgenommen die Feststellungen zu den Tatgeschehen, die aufrecht erhalten bleiben – aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte in den Fällen A.II.2. (2), (4) bis (7) der Urteilsgründe freigesprochen worden ist, sowie
b) im Maßregelausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung , unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf die Maßregelanordnung beschränkte Revision der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen leidet die Angeklagte spätestens ab Sommer 2000 an einer paranoiden Schizophrenie, die in der Folgezeit gut medikamentös eingestellt war. Nachdem sich im Sommer 2013 ihr langjähriger Lebensgefährte von ihr getrennt hatte und sie gegen Ende des Jahres gegen ihren Willen als Lehrerin in den Ruhestand versetzt worden war, vernachlässigte die Angeklagte zunehmend ihre Lebensführung und isolierte sich.
3
Am 23. Dezember 2013 befuhr die Angeklagte nach vorangegangenem Alkoholgenuss mit ihrem Pkw die Straße vor ihrem Wohnanwesen. Infolge der für sie erkennbaren alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration 0,46 ‰) missachtete sie an einer Kreuzung die Vorfahrt eines anderen Pkws und stieß mit diesem zusammen, wodurch ein Fremdschaden in Höhe von 7.082,62 € entstand. Als der Unfallgegner trotz des Schuldeingeständnisses der Angeklagten dazu ansetzte, die Polizei zu verständigen, entschloss sich die Angeklagte, den Unfallort zu verlassen. Nachdem sie auf Nachfrage ihre Wohnanschrift, nicht aber ihren Namen genannt hatte, fuhr sie unter dem Vorwand , ihr Auto aus dem Weg räumen zu wollen, mit ihrem stark beschädigten Pkw von der Unfallstelle zu ihrem ca. 50 m entfernten Wohnhaus, wobei sie sich aufgrund des vorangegangen Unfalls ihrer Fahruntüchtigkeit nunmehr be- wusst war. Gegenüber einem sie wenig später in der Wohnung aufsuchenden Polizeibeamten trat sie aufgebracht und cholerisch auf (A.II.2. (1) der Urteilsgründe ). Obwohl ihr Führerschein im Anschluss an den Unfall sichergestellt worden war, befuhr die Angeklagte am 3. Januar 2014 mit einem Mietwagen eine öffentliche Straße in K. (A.II.2. (3) der Urteilsgründe).
4
In zwei Telefonaten am 27. Dezember 2013 und 17. Januar 2014 be- schimpfte die Angeklagte ihren Schulleiter als „Arschloch“ bzw. „Mörder“ (A.II.2. (2) und (4) der Urteilsgründe). Als ihr am 28. März 2014 von einer Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamts die Zulassung eines Pkws verwehrt wurde, äußerte sie aus Verärgerung in aggressivem Ton gegenüber der Mitarbeiterin: „Ihr seid doch bescheuert“ (A.II.2. (5) der Urteilsgründe).
5
Nachdem die Angeklagte weiterhin vergeblich versucht hatte, an ein Fahrzeug zu gelangen, beabsichtigte sie am 8. April 2014, bei ihrem Bruder ein Fahrzeug zu entwenden. Zu diesem Zweck ließ sie sich zu dem Haus ihres Bruders fahren und klingelte dort. Als die Haushaltshilfe die Haustür öffnete, stürmte die Angeklagte hinein und ergriff den in der Küche liegenden Fahrzeugschlüssel und die Geldbörse der Ehefrau ihres Bruders, um diese für sich zu verwenden. Anschließend wollte sie das Haus wieder verlassen, wobei es der Haushaltshilfe gelang, ihr die Geldbörse aus der Hand zu schlagen. Als sie von der Ehefrau und dem Sohn ihres Bruders, die ihr den in der Hand gehaltenen Fahrzeugschlüssel wieder abnehmen wollten, festgehalten wurde, widersetzte sich die Angeklagte, indem sie unter erheblicher Kraftentfaltung durch nicht gegen eine Person gerichtetes Umsichschlagen, Sperren und Windenversuchte sich loszureißen, um sich den Besitz des Fahrzeugschlüssels zu erhalten. Für Ehefrau und Sohn bedeutete dies einen erheblichen Kraftaufwand. Schließlich gelang es der Ehefrau, die Angeklagte zu Boden zu drücken, woraufhin der Sohn ihr den Schlüssel entreißen konnte (A.II.2. (6) der Urteilsgründe). Am 6. Juni 2014 wurde der Angeklagten in den Räumlichkeiten der Sparkasse K. wegen einer zwischenzeitlich eingerichteten Betreuung die Umbuchung von Geld für den Kauf eines Autos verwehrt, worüber sich die Angeklagte lautstark aufregte. Als eine Mitarbeiterin der Sparkasse sie beruhigen wollte, schlug die Angeklagte ihr unvermittelt mit der flachen Hand heftig auf die linke Gesichtshälfte , so dass deren Gesicht zurückschnellte. Die Geschädigte erlitt eine Rötung und Schwellung der linken Wange (A.II.2. (7) der Urteilsgründe).
6
Aufgrund der psychischen Erkrankung der Angeklagten war deren Fähigkeit , entsprechend der vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln, bei den Taten am 23. Dezember 2013 und 3. Januar 2014 (A.II.2. (1) und (3) der Urteilsgründe) erheblich gemindert. Bei den übrigen Taten (A.II.2. (2), (4) bis (7) der Urteilsgründe) war die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt, nicht ausschließbar auch gänzlich aufgehoben.

II.


7
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts gemäß § 344 Abs. 2 Satz 1 StPO formwirksam mit der Sachrüge begründet, weil den Ausführungen in der Begründungsschrift vom 14. Dezember 2015 mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin den Maßregelausspruch in materiell-rechtlicher Hinsicht beanstandet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 1997 – 2 StR 386/97, NStZ-RR 1998, 18; vom 21. August 1991 – 3 StR 296/91, NStZ 1991, 597; vom 17. Januar 1992 – 3 StR 475/91, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 1 Revisionsbegründung 2). So macht die Revisionsbegründung eine unzureichende Darle- gung der Gefährlichkeitsprognose im Urteil und die Unverhältnismäßigkeit der Unterbringungsanordnung geltend.
8
2. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der psychotischen Erkrankung der Angeklagten und der von ihr begangenen Straftaten nicht tragfähig begründet ist.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 – 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).
10
b) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung der Angeklagten und den festgestellten Taten nicht gerecht.
11
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in wel- cher Weise die paranoide Schizophrenie der Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der festgestellten Taten hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Die von der Strafkammer allein mitgeteilte Erwägung des Sachverständigen, wonach es für psychisch erkrankte Personen typisch sei, wütend zu werden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, ist nicht geeignet, eine Beeinflussung der von der Angeklagten begangenen Taten durch deren psychotische Erkrankung tragfähig zu belegen. Soweit sich das Landgericht im Übrigen der gutachterlichen Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen hat, lässt das Urteil schließlich die gebotene, für ein Verständnis des Gutachtens und die Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderliche Wiedergabe der wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen vermissen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14 aaO; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37).
12
c) Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO sind auch die Freisprüche der Angeklagten in den Fällen A.II.2. (2) und (4) bis (7) der Urteilsgründe aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 – 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 Rn. 18 insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt). In diesem Umfang ist die Beschränkung der Revision auf die Maßregelanordnung wegen des untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB und den auf § 20 StGB gestützten Freisprüchen unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, NStZ 2013, 424; vom 21. Mai 2013 – 2 StR 29/13, NStZ-RR 2014, 54).
13
Die zu den Tatgeschehen in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen tatsächlichen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und können daher bestehen bleiben.
14
d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zur Tat A.II.2. (6) der Urteilsgründe auf Folgendes hin:
15
Der räuberische Diebstahl gemäß § 252 StGB ist bereits mit dem auf Gewahrsamssicherung gerichteten Einsatz eines Nötigungsmittels vollendet, ohne dass es darauf ankommt, ob es dem Täter gelingt, sich den Besitz des gestohlenen Guts zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1984 – 3 StR 203/84, StV 1985, 13; Sander in MK-StGB, 2. Aufl., § 252 Rn. 18). Bei der Entwendung von Geldbörse und Fahrzeugschlüssel handelt es sich um eine ein- heitliche Diebstahlstat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NJW 2016, 2349, 2350 mwN), die wegen des Fehlens des nach § 247 StGB erforderlichen Strafantrags nicht verfolgt werden kann. Da zwischen dem räuberischen Diebstahl und dem vorangegangenen Diebstahl Gesetzeseinheit besteht (vgl. Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 252 Rn. 77) und eine Verfahrenseinstellung innerhalb einer materiell-rechtlichen Tat nicht in Betracht kommt (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rn. 116 mwN), ist insoweit für eine Teileinstellung des Verfahrens kein Raum.
VRinBGH Sost-Scheible ist Cierniak Franke urlaubsbedingt an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Cierniak Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR419/14
vom
15. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2013, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe und
b) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in vier Fällen, Bedrohung in sechs Fällen und Beleidigung in zwei Fällen zu der Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der zu den Tatzeiten 18 und 19 Jahre alt gewesene, nicht vorbestrafte Angeklagte leidet an einer leichten Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 50) sowie an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen , die insbesondere in einer gestörten Empathiefähigkeit ihren Ausdruck findet. Er steht unter u.a. die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge , Wohnungs-, Vermögens- und Behördenangelegenheiten umfassender Betreuung und lebte seit Mai 2012 bis zu seiner auf landesrechtlicher Grundlage erfolgten Unterbringung am 11. Januar 2013 in einer Einrichtung der evangelischen Stiftung U. in B. , wo es von Beginn an zu Konflikten zwischen dem Angeklagten und anderen Bewohnern der Einrichtung kam, die im Vergleich zu auch in früheren Wohngruppen des Angeklagten vorkommenden Konflikten von größerer Intensität waren.
4
Am 6., 11. und 17. Mai 2012 sandte der Angeklagte u.a. fünf SMS-Nachrichten an seinen leiblichen Vater, von denen eine Nachricht eine beleidigende Äußerung enthielt und vier Nachrichten Tötungsdrohungen zum Gegenstand hatten, die sich gegen den Vater des Angeklagten oder dessen Mutter richteten (II. 1 der Urteilsgründe). Zwischen dem 21. und 23. September 2012 begab sich der Angeklagte in den auf dem Gelände der Stiftung befindlichen Pferdestall und brachte einem dort untergebrachten Pferd mittels eines kleinen Butterflymessers mit 4 cm langer Klinge am Oberschenkel des linken Vorderbeins eine 4 cm tiefe Stichverletzung bei, deren Stichkanal bis zum Knochen reichte (II. 2 der Urteilsgründe). Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Übergriff auf das Pferd wurde der Angeklagte auf einen Igel aufmerksam, auf den er mit seinem Butterflymesser einstach. Anschließend verpackte er den blutenden Igel in eine Plastiktüte und legte ihn im Pferdestall der Einrichtung ab (II. 3 der Urteilsgründe ). Bei anderer Gelegenheit, vermutlich Ende September 2012, bemerkten der Angeklagte und drei andere auf dem Gelände der Einrichtung einen Igel, den sie gemeinsam u.a. durch Schläge mit einer Krücke so schwer verletzten, dass er verendete. Der Angeklagte beteiligte sich an dem Geschehen, indem er mindestens einmal auf den Igel trat (II. 4 der Urteilsgründe). Am 13. Oktober 2012 bezeichnete der Angeklagte einen an ihm vorbeigehenden Bewohner der Einrichtung ohne erkennbaren Anlass als „Arschloch“ und erklärte, er habe seine Mutter und seine Freundin „gefickt“ (II. 5der Urteilsgründe). Nachdem es am Vortag auf Nachfrage seines Bezugsbetreuers zu einer Erörterung über die Herkunft eines beim Angeklagten aufgefallenen ungewöhnlich hohen Bargeldbetrages gekommen war und der Angeklagte das Thema unmittelbar nach dem Aufstehen am Morgen des 6. Januar 2013 gegenüber dem Betreuer im sehr aufgeregten Zustand wieder angesprochen hatte, kam der Angeklagte dem Betreuer kurze Zeit später mit einem Tafelmesser in der Hand entgegen und er- klärte sinngemäß „ich stech dich ab, ich bring mich um“. Im weiteren Verlauf legte der Angeklagte auf Aufforderung des Betreuers das Messer mit dem Griff in dessen Richtung auf den Boden. Um sich gleich wieder mit dem Betreuer zu versöhnen, kam der Angeklagte auf diesen zu und wollte ihn umarmen (II. 6 der Urteilsgründe). Am selben Tag begab sich der Angeklagte zusammen mit einem anderen auf dem Gelände der Stiftung zu dem von ihm bereits zuvor verletzten Pferd. Mit einem von seinem Begleiter übergebenen Messer brachte er dem Pferd eine ca. 4 cm lange oberflächliche Schnittverletzung an der Außenseite des rechten Oberschenkels bei (II. 7 der Urteilsgründe).
5
Schließlich sollte der Bezugsbetreuer des Angeklagten diesen am 11. Januar 2013 zur neuen medikamentösen Einstellung des Angeklagten zu einer Psychiaterin nach B. bringen. Der Angeklagte, der frei entscheiden konnte, ob er zur Psychiaterin fahren wollte oder nicht, lehnte die ihm bereits am Vorabend angekündigte Fahrt zunächst ab, entschied sich dann aber anders und erklärte, doch fahren zu wollen. Im Laufe der anschließenden Autofahrt änderte der Angeklagte noch mehrfach seine Meinung. Zum Teil gab er an, wenn man bei der Ärztin ankomme, werde er nicht aussteigen. Da es dem Angeklagten freistand, die Psychiaterin aufzusuchen oder nicht, ging der Betreuer jedes Mal, wenn der Angeklagte angab, nicht fahren zu wollen, darauf ein und erklärte umzudrehen, woraufhin sich der Angeklagte wieder anders entschied. Obwohl der Betreuer jedes Mal auf die Meinungsänderung des Angeklagten reagierte, war dieser während der Fahrt sehr aufgebracht und bedrohte und beleidigte den Betreuer. Er erklärte, er wolle nicht zur Psychiaterin und bräuchte auch nicht dorthin zu fahren, wenn er das müsse, dann würde er die Psychiaterin und den Betreuer abstechen. Auch gab er an, sich selbst umzubringen. Nachdem er darüber hinaus geäußert hatte, er werde dem Betreuer ins Lenkrad fassen, und sich auch in diese Richtung bewegt hatte, brach der Betreuer die Fahrt ab und fuhr zur Einrichtung zurück (II. 8 der Urteilsgründe).
6
Aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung und der kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat am 13. Oktober 2012 nicht ausschließbar, bei den übrigen Taten sicher erheblich herabgesetzt.
7
Die Annahme, dass vom Angeklagten infolge seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades gewalttätige Übergriffe auf beliebige Menschen ggf. unter Zuhilfenahme von Werkzeugen oder Waffen zu erwarten sind, stützt die Jugendkammer – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – maßgeblich darauf, dass der Angeklagte zwei wesentliche Hemmschwellen überschritten habe. Zum einen liege mit der Verletzung von Pferden und Igeln ein wichtiger Prädiktor für Gewaltdelikte gegen Menschen vor. Darüber hinaus habe der Angeklagte mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten. Hierzu bedürfe es keines Angriffs auf eine andere Person. Bereits eine Selbstverletzung bedeute ein hohes Risiko, dass der Angeklagte diese Schwelle zur Verletzung von Menschen erneut – und dann auch durch Verletzung anderer Personen – überschreite.

II.


8
1. Die Verurteilung wegen Bedrohung im Fall II. 8 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Wertung des Landgerichts, bei der Äußerung des Angeklagten gegenüber seinem Betreuer habe es sich um eine objektiv ernstzunehmende Drohung gehandelt, auf einer unvollständigen tatrichterlichen Wertung beruht.
9
Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 241 Rn. 2), setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint , den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (vgl. BVerfG aaO; OLG Naumburg, StV 2013, 637; OLG Koblenz, NStZ-RR 2007, 175; Sinn in MükoStGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 2, 4; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 241 Rn. 2, 4). Ob einer Erklärung oder einem schlüssigen Verhalten die objektive Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens zukommt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines durchschnittlich empfindenden Beobachters, wobei auch Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können (vgl. Träger/Schluckebier in LK-StGB, 11. Aufl., § 241 Rn. 10; Sinn aaO Rn. 5; Eser/Eisele aaO).
10
Zwar kann eine Bedrohung auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 1 StR 288/61, BGHSt 16, 386, 387), so dass die Verknüpfung der Todesdrohung des Angeklagten mit einem zwangsweisen Verbringen zu seiner Psychiaterin grundsätzlich der Erfüllung des Tatbestands des § 241 Abs. 1 StGB nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall sollte nach den Feststellungen jedoch gerade kein Arztbesuch gegen den Willen des Angeklagten durchgesetzt werden. Vielmehr konnte der Angeklagte den in seinem Belieben stehenden Arztbesuch jederzeit ablehnen, was er während der Fahrt auch wiederholt tat. Der Betreuer ging auch jeweils auf die entsprechenden Willensäußerungen ein und erklärte umzudrehen. Es stand daher schon bei der Äußerung des Angeklagten fest, dass der Umstand, von dem die Tötungsdrohung nach dem Wortlaut der Äußerung abhängen sollte, nicht eintreten würde. Diesen für die Bestimmung des Erklärungsgehalts der Äußerung bedeutsamen situativen Kontext hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.
11
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da eine tatrichterliche Entscheidung über das Absehen von der Verhängung der Jugendstrafe nach § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG unterblieben ist.
12
Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen.
13
3. Schließlich begegnet auch der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 StGB nicht tragfähig begründet.
14
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244; vom 30. Juli 2014 – 4 StR 183/14 Rn. 5).
15
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Gefährlichkeitsprognose nicht gerecht. Soweit die Jugendkammer die Gefährlichkeit des Angeklagten maßgeblich damit begründet, dass er mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten habe, entbehren die Erwägungen einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Urteil gibt insoweit lediglich die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wieder, wonach aufgrund der ansonsten widersprüchlichen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration, die aber hinsichtlich der Schilderung von Schnitten in den Unterarm wegen der am Unterarm zu erkennenden Narbenbildung stimmig gewesen seien, von einem Impuls zur Selbstverletzung beim Angeklagten auszugehen sei. Konkrete Feststellungen zu Selbstverletzungen des Angeklagten inder Vergangenheit hat das Landgericht aber nicht getroffen. Die Urteilsgründe verhalten sich weder zu Zeitpunkt, Ausmaß und Häufigkeit von selbstverletzenden Handlungen des Angeklagten noch dazu, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Selbstverletzungen und dem psychischen Defektzustand des Angeklagten besteht. Entsprechende Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob einem entsprechenden Verhalten des Angeklagten indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose beigemessen werden kann.
16
Die Unterbringungsanordnung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der eher geringfügigen Anlasstaten , die während des Tatzeitraums keine Steigerung der Deliktschwere erkennen lassen, wird der neue Tatrichter im Rahmen derGefährlichkeitsprognose – eingehender, als bisher geschehen, – die vom Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen gezeigten aggressiven Verhaltensweisen in den Blick zu nehmen und sich mit der im angefochtenen Urteil offen gebliebenen Frage zu befassen haben, inwieweit dieses Verhalten des Angeklagten bereits zu tätlichen Übergriffen auf andere Personen geführt hat. Der Senat weist ferner darauf hin, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 4 StR 452/04). Schließlich wird angesichts der besonders gelagerten Sachlage die Hinzuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu erwägen sein.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR171/14
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
2
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.


3
1. Nach den Feststellungen kam es in einem Zeitraum von vier Jahren bis zum Tattag, dem 6. Januar 2013, zwischen dem u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, vorbestraften Angeklagten und der Geschädigten, seiner Wohnungsnachbarin in einem Zweifamilienhaus in P. , regelmäßig zu Spannungen. Am Tattag schlug er der Geschädigten im Treppenhaus zunächst zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, brachte sie danach durch einen Stoß mit seinen Händen so zu Fall, dass sie die Treppe zunächst bis zur Hälfte und dann – infolge erneuten Schubsens und Schlagens – die restlichen Stufen der Treppe hinunterfiel, wo sie vor ihrer Wohnungstür liegen blieb. Dort versetzte ihr der Angeklagte noch einen Fußtritt gegen die Rippen. Die Geschädigte erlitt durch den Vorfall eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes an ihrem rechten Knie sowie multiple Prellungen. Beim Einschreiten der daraufhin herbeigerufenen Polizeibeamten schlug der Angeklagte mehrfach um sich und versuchte, sich aus den Haltegriffen der Beamten zu befreien. Zum Tatzeitpunkt betrug seine Blutalkoholkonzentration 1,2 ‰.
4
2. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Dieser hat nach Auswertung der Akten und Anwesenheit in der Hauptverhandlung , jedoch – mangels Einwilligung – ohne Exploration des Angeklagten, ausweislich der Urteilsgründe im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
5
Der „ursprünglich intelligent“(e) Angeklagte habe um das Jahr 2000 einen „Leistungsknick“ erlebt. 2002 sei bei ihm zunächst ein „sensitiver Bezie- hungswahn“ diagnostiziert worden, später sei man „ziemlich sicher“ von einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie ausgegangen. Die häufigen Umzüge seien aus medizinischer Sicht als paranoide Symptomatik gedeutet worden; der Angeklagte habe dadurch versucht, sich den wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Er leide gegenwärtig unter einer zunehmenden Unfähigkeit zur Fortsetzung seiner Ausbildung; die auftretenden Verwahrlosungstendenzen sowie psychosozialen Defizite „sprä- chen für eine Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie“ mit „möglicherweise“ bereits eingetretener Chronifizierung und einer Neigung zu akuten Exazerbationen. Es „spreche viel dafür“, dass das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten aus einer krankheitsbedingten paranoiden Symptomatik resultiere; jedenfalls sei es „am ehesten“ mit dem Vorliegen einer solchen Symptomatik erklärbar. Für ein anderes Eingangsmerkmal des § 20 StGB hätten sich keine Hinweise ergeben; eine isolierte Alkoholproblematik liege beim Angeklagten nicht vor. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei „mit allerhöchster Sicherheit“ eingeschränkt gewesen. Deren vollständige Aufhe- bung sei nicht sicher festzustellen, zumal beim Angeklagten statt eines Wahns auch psychotisch bedingter Ärger „ernsthaft in Betracht komme“. „Allgemein“ gelte, dass an Schuldunfähigkeit in einem akuten psychotischen Schub „kaum je“ ein Zweifel bestehe.

II.


6
Mit diesen Ausführungen werden die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
7
1. Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39 mwN). Dies gilt auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 aaO; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Diese Darlegungsanforderungen hat der Tatrichter auch dann zu beachten, wenn der Angeklagte – wie im vorliegenden Fall – eine Exploration abgelehnt hat (BGH, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 2 StR 668/96, BGHR StGB § 63 Zustand 21).
8
2. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
9
Dabei kann dahinstehen, ob die im Allgemeinen verbleibende, zusammenfassende Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen schon nicht hinreichend deutlich macht, ob die Einschränkung der Schuld- fähigkeit auf dem für die Anordnung der Maßregel erforderlichen, länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Defekt beruht hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. November 1987 – 5 StR 575/87, BGHR StGB § 63 Zustand 6 mwN), weil der Sachverständige eine Chronifizierung der in Betracht gezogenen Erkrankung lediglich für möglich gehalten hat. Jedenfalls fehlt eine nähere Darlegung des Einflusses des diagnostizierten Störungsbildes auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Die Urteilsgründe teilen auch insoweit lediglich das Ergebnis der medizinischen Diagnose des psychiatrischen Sachverständigen mit, wonach das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten und den Polizeibeamten die Annahme einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie mit paranoider Symptomatik nahelege. Als Anknüpfungspunkte für diese Diagnose werden Umstände herangezogen, die zum einen in der früheren Krankengeschichte des Ange- klagten liegen, so etwa sein vor über zehn Jahren eingetretener „Leistungsknick“ , zum anderen Umstände von nur begrenzter und nicht näher erläuterter Aussagekraft, wie etwa häufige Umzüge, durch die der Angeklagte versucht habe, sich wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Demgegenüber wird das Vorliegen eines akuten psychotischen Schubs – im Rahmen der Erörterung einer möglicherweise vollständig aufgehobenen Schuldfähigkeit – lediglich abstrakt als Möglichkeit in Betracht gezogen und mit der Erwägung, es komme auch psychotisch bedingter Ärger ernsthaft in Betracht, wieder relativiert. Eine situationsbezogene Erörterung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten unter dem Einfluss der psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Taten fehlt. So wird auch nicht erkennbar erwogen, dass der Angeklagte vor den Widerstandshandlungen gegenüber den Polizeibeamten freiwillig in den Streifenwagen stieg, sich mithin situationsangepasst verhielt.
10
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht zur ersten Anlasstat getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in seiner Auslegung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31) grundsätzlich geeignet sind, die Anordnung der Maßregel zu tragen. Der neue Tatrichter wird jedoch bei der Gefährlichkeitsprognose das bislang nicht näher erläuterte spannungsgeladene Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnenden Geschädigten in einem Zeitraum von vier Jahren vor der hier verfahrensgegenständlichen Tat eingehender in den Blick nehmen müssen.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 185/16
vom
10. Mai 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:100516B4STR185.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 3. November 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Seine hiergegen gerichtete Revision hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte „seit mindestens zehn Jahren“ an einer psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen For- menkreis, die erstmals im Jahr 2005 diagnostiziert wurde. Seine Krankheit zeichnet sich durch Affektstörungen und einen Abstammungs- und Größenwahn aus. Hinzu kommen Allmachts- und Gewaltphantasien sowie ein paranoides Beeinträchtigungserleben.
3
a) Am 25. März 2013 schlug der sich „in einem akut psychotischen Zu- stand“ befindende Beschuldigte dem Mitarbeiter eines privaten Sicherheits- dienstes mit der Faust ins Gesicht, als dieser seine Personalien feststellen wollte. Am 17. Januar 2014 beschädigte er in der Wohnung des Zeugen T. eine Holztür durch Tritte und Schläge. Nachdem er die Wohnung verlassen hatte , schlug er mit einem 1,25 Meter langen und drei Zentimeter breiten Holzstab auf den Rücken des an ihm mit seinem Fahrrad vorbeifahrenden Zeugen H. . Dabei traf er jedoch lediglich dessen Rucksack, weshalb der Zeuge H. weder Verletzungen erlitt noch Schmerzen verspürte. Als ihn der Zeuge zur Rede stellte , fuchtelte der Beschuldigte mit dem Stock herum und fragte, ob er noch mehr wolle. Der Zeuge H. redete nun beschwichtigend auf den Beschuldigten ein, der daraufhin weiterging. Kurze Zeit später traf der Beschuldigte auf den Zeugen P. , der seinen Hund ausführte und sich mit einem Freund unterhielt. Der Beschuldigte schubste beide Personen beiseite und ging zwischen ihnen hindurch. Als der Zeuge P. ihn fragte, was er da mache, drehte sich der Beschuldigte um. Dabei schwang er den Holzstab in Richtung des Gesichts des Zeugen P. . Der Holzstab traf den Zeugen – wie von dem Beschuldigtenfür möglich gehalten und billigend in Kauf genommen – an der Nase. Der Zeuge erlitt hierdurch eine Schürfwunde. Herbeigerufene Polizeibeamte konnten den Beschuldigten beruhigen. Ihrer Aufforderung, seinen Stock niederzulegen, kam er nach. Kurz darauf legte er sich auf die Motorhaube des Polizeifahrzeugs und schlug mit beiden Fäusten auf diese ein. Als der Beschuldigte daraufhin von einem Polizeibeamten mit einem Armhebel zu Boden gebracht wurde, löste er sich mit großem Kraftaufwand aus dem Griff und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen seine Festnahme. Dabei fasste er mit einer Hand an die Dienstwaffe des Beamten, riss an ihr und sagte sinngemäß, dass er ihm jetzt die Waffe wegnehmen werde. Der Polizeibeamte verhinderte dies durch einen gezielten Faustschlag. Der Einsatz von Reizstoff zeigte keine Wirkung. Schließlich konnte der Beschuldigte mit der Hilfe von Verstärkungskräften fixiert werden. Bei seiner anschließenden Einweisung in die LWL-Klinik D. zeigte sich der Beschuldigte sehr aggressiv und erklärte, Kindermörder, Messerstecher und „einer in der Dusche“ hätten ihn angegriffen. Er werde von einer auslän- dischen Bande bedroht und verfolgt. Ein Bandenmitglied – ein Mann mit Hund – habe ihn angegriffen. Am 11. Januar 2015 schlug und trat der „akut psychoti- sche“ Beschuldigte zusammen mit seinem Begleiter T. auf den Zeugen S. ein, der dadurch Prellungen und Hämatome erlitt. Bei seiner anschließenden Festnahme versuchte er einen der eingesetzten Polizeibeamten anzugreifen.
4
b) Das Landgericht hat die Vorfälle vom 17. Januar 2014 als versuchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlag auf den Rücken des Zeugen H. ), gefährliche Körperverletzung gemäß § 224Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlag gegen die Nase des Zeugen P. ), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Sachbeschädigung gemäß §§ 113, 303 StGB (Verhalten bei der Festnahme) sowie Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB (Beschädigung der Tür) gewertet und als Anlasstaten für die Maßregelanordnung herangezogen. Daran anknüpfend ist die sachverständig beratene Strafkammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschuldigte aufgrund seiner psychischen Erkrankung auch künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Delikten vergleichbare, wenn nicht gar schwerwiegendere Taten begehen werde. Dabei hat sie auch den Faustschlag des Beschuldigten zum Nachteil des Sicherheitsdienstmitarbeiters vom 25. März 2013 (Körperverletzung gemäß § 223 StGB), seine Schläge und Tritte zum Nachteil des Zeugen S. am 11. Januar 2015 (gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und den sich anschließenden Angriff auf die Polizeibeamten (§ 113 StGB) mit berücksichtigt.
5
2. Die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei dargetan.
6
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme. Sie setzt neben der sicheren Feststellung mindestens einer im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangenen Anlasstat voraus, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, die schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die dazu notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN).
7
b) Das Landgericht hat mit der Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen P. , den Sachbeschädigungen und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zwar mehrere im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene rechtswidrige Taten ausreichend festgestellt und in der Beweiswürdigung belegt. Die Gefahrenprognose begegnet aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Denn die Strafkammer hat bei der Erstellung der Gefahrenprognose auch den von ihr als versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) bewerteten Schlag mit dem Holzstab zum Nachteil des Zeugen H. als prognoseungünstigen Umstand herangezogen und darin eine erhebliche Tat gesehen. Dass der Beschuldigte bei der Ausführung des Schlages tatsächlich mit einem auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gerichteten Vorsatz gehandelt hat, wird durch die Urteilsgründe aber nicht ausreichend belegt. Auch fehlen Feststellungen dazu, ob der Beschuldigte gegebenenfalls von der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Fall StGB strafbefreiend zurückgetreten ist, nachdem der Zeuge H. auf ihn beschwichtigend eingeredet hatte. Sollte der Beschuldigte tatsächlich durch den Zuspruch des Zeugen dazu veranlasst worden sein, von als möglich erkannten weiteren Gewalthandlungen Abstand zu nehmen, hätte dies bei der Gefährlichkeitsbeurteilung Berücksichtigung finden müssen.
9
Schließlich hat das Landgericht zur Stützung seiner Prognose auch auf einen Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 1. Dezember 2011 verwiesen , mit dem der Beschuldigte unter anderem wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war. Zwar werden in den Urteilsgründen die dazu getroffenen Feststellungen mitgeteilt. Aus diesen ergibt sich aber nicht, dass diese Taten auf der Erkrankung des Beschuldigten beruhten, sodass deren Prognoserelevanz nicht beurteilt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2007 – 2 StR 296/07, StraFo 2007, 468).
10
Die Sache bedarf danach erneuter Prüfung.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin