Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2018 - 3 StR 621/17

bei uns veröffentlicht am25.09.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 621/17
vom
25. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:250918B3STR621.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. und 3. auf dessen Antrag - am 25. September 2018 gemäß § 346 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Der Beschluss des Landgerichts Trier vom 13. November 2017, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 11. September 2017 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch und im Ausspruch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit Beschluss vom 13. November 2017 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten nach § 346 Abs. 1 StPO verworfen.

I.


2
Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO ist begründet. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt : "Die Revision ist zulässig. Insbesondere ist sie rechtzeitig begründet worden. Nachdem das Urteil den beiden Verteidigern des Angeklagten am 9. Oktober 2017 zugestellt worden war (SA Bd. II, S. 456, 457), lief die Frist zur Begründung der Revision und Antragstellung (§§ 345 Abs. 1, 43 StPO) am 9. November 2017 ab. Der Wahlverteidiger des Angeklagten , Rechtsanwalt B. , hat die Revision mit Schriftsatz vom 6. November 2017 begründet und einen Revisionsantrag gestellt. Dass dieser Schriftsatz am selben Tag per Fax bei dem Landgericht Trier eingegangen ist, ergibt sich aus den Faxjournalen der KanzleiB. (SA Bd. III, S. 80) und der zuständigen Strafkammer des Landgerichts (SA Bd. III, S. 482) sowie dem Vermerk von Justizinspektor S. vom 21. November 2017 (SA Bd. III, S. 483). Danach gingen am 6. November 2017 um 9:18 Uhr, 9:46 Uhr und 9:49 Uhr drei Fax-Nachrichten der Kanzlei B. bei der Strafkammer ein, die weder zu den Akten gelangten noch bei der späteren Suche auffindbar waren. Wenngleich der Antrag des Rechtsanwalts B. nur die um 9:46 Uhr übermittelte FaxNachricht erwähnt - dabei habe es sich um die Revisionsbegründung gehandelt - und nicht mitteilt, welche weiteren Schriftsätze um 9:17 Uhr und 9:47 Uhr per Fax an die Strafkammer übersandt worden sein sollen, rechtfertigt dies den Schluss, dass sich die Revisionsbegründung unter den am 6. November per Fax eingegangenen, aber nicht zu den Akten gelangten Schriftstücken befand."
3
Dem schließt sich der Senat an. Der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts Trier vom 13. November 2017 nach § 346 Abs. 1 StPO ist danach zu Unrecht ergangen und war aufzuheben.

II.


4
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts packte der alkoholabhängige und an Epilepsie leidende 68jährige Angeklagte, auf den eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 bis 2,6 ‰ einwirkte, im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Verlauf eines Streits, der sich aus unberechtigten Vorhalten des Angeklagten ergeben hatte, die Geschädigte am Hals und würgte sie, bis sie keine Luft mehr bekam und Todesangst verspürte. Er ließ erst los, als sie ihm in den Finger biss. Während die Geschädigte sodann telefonisch die Polizei verständigte, holte der Angeklagte aus der Küche einen hölzernen Fleischklopfer mit einem Gewicht von 250 Gramm und Schlagflächen aus geriffeltem Metall und schlug damit der Geschädigten mit den Worten "Ich bringe Dich um" mindestens vier Mal wuchtig auf den Kopf. Nach dem letzten Schlag gab der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz auf und folgte der Geschädigten nicht, die aus der Wohnung floh. Infolge der Schläge erlitt diese vier Platzwunden am Kopf, von denen drei genäht werden mussten; das Geschehen löste bei ihr zudem eine posttraumatische Belastungsstörung aus.
6
2. Die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils deckt zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Demgegenüber halten der Strafausspruch und die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Im Rahmen der Strafrahmenwahl hat die Strafkammer einen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Erwägung abgelehnt, der Angeklagte sei Alkohol gewohnt und es habe kein Anlass bestanden, die Geschädigte zur Rede zu stellen.
8
Dies begegnet angesichts der festgestellten seelischen Verfassung des Angeklagten zur Tatzeit durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der strafschärfenden Berücksichtigung der Alkoholgewöhnung hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit den Urteilsausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung bedurft, wonach der alkoholabhängige Angeklagte nach den Ausführungen des Sachverständigen "insbesondere Menge, Beginn und Ende des Konsums nicht steuern könne". Auch wenn die Strafkammer die Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit verneint hat, war angesichts dieses Befundes die Alkoholgewöhnung nicht ohne weiteres als ein schulderhöhender Umstand anzusehen, der das Gewicht des vertypten Milderungsgrundes entscheidend verringerte. Soweit die Strafkammer darüber hinaus die Ablehnung eines minder schweren Falles mit der Erwägung begründet hat, der Angeklagte habe ohne Anlass die Geschädigte zur Rede gestellt, ist zu besorgen, dass die Strafkammer das bloße Fehlen eines nicht vorhandenen Strafmilderungsgrundes - etwa einer vom Opfer ausgehenden Provokation - strafschärfend berücksichtigt hat.
9
b) Auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang des Angeklagten und der im Alkoholrausch begangenen Straftat bejaht hat, sind nicht tragfähig.
10
Die Anordnung der Maßregel setzt die belegte Feststellung voraus, dass die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet, sie also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; Beschlüsse vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75; vom 12. März 2014 - 4 StR 572/13, juris Rn. 4). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist; ein solcher Zusammenhang ist vielmehr auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 9 mwN). Der symptomatische Zusammenhang muss ebenso wie die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB bei einer Anordnung sicher feststehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, StraFo 2003, 431; Beschluss vom 18. Juni 2013 - 4 StR 145/13, juris Rn. 13).
11
Dass in diesem Sinne die Ursache der hier abgeurteilten Tat auch in der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten liegt, versteht sich nicht von selbst. Die Urteilsausführungen beschränken sich diesbezüglich auf die Erwägung, der Angeklagte habe sich aufgrund der Alkoholintoxikation aggressiv gezeigt, ohne dies hinreichend zu belegen und einen konkreten Bezug zum Tatgeschehen aufzuzeigen. Dies war hier jedoch erforderlich, da der Angeklagte bereits seit vielen Jahren alkoholkrank, jedoch seit 1984 nicht mehr mit Gewalttätigkeiten in Erscheinung getreten ist. Die Tat entsprang einer - bis dahin gewaltfreien - konfliktbehafteten und gescheiterten Beziehung; unmittelbar vor dem ersten Angriff hatte die Geschädigte den Angeklagten im Streit aus ihrer Wohnung gewiesen (zum symptomatischen Zusammenhang bei Konflikttaten vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 64 Rn. 13b mwN). Überdies zeigt sich beim Angeklagten eine be- ginnende kognitive Schwäche und er erlitt möglicherweise - die Kammer hat offen gelassen, ob sie seiner Einlassung insoweit gefolgt ist - kurz vor der Tat einen epileptischen Anfall (zu den möglichen Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 1992 - 2 StR 580/91, StV 1992, 503; vom 9. April 2002 - 5 StR 110/02, juris Rn. 9). Bei einer solchen Sachlage versteht es sich nicht ohne weiteres, dass die Alkoholsucht des Angeklagten einen zumindest mitbestimmenden Einfluss auf die Tat hatte und weitere hangbedingte erhebliche Taten auch für die Zukunft zu besorgen sind.
12
3. Der Senat hat die jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht unter Zuziehung eines auch auf dem Gebiet der Anfallsleiden erfahrenen Sachverständigen (§ 246a StPO) eine in sich stimmige neue Entscheidung über den Strafausspruch und die Maßnahme nach § 64 StGB zu ermöglichen.
Gericke Tiemann Berg
Hoch Leplow

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(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

4
a) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt setzt nach § 64 Satz 1 StGB – neben dem Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen – voraus, dass die Anlasstat im Rausch begangen wurde oder zumindest mitursächlich auf den Hang zurückgeht, wobei die erste auf die Intoxikationswirkung des Rauschmittels abstellende Alternative einen Unterfall der zweiten Alternative darstellt. Erforderlich ist, dass die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet, sie also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln hat, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (vgl. BGH, Urteile vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Da es sich bei der Unterbringung nach § 64 StGB um eine den Angeklagten beschwerende Maßregel handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7), muss der symptomatische Zusammenhang ebenso wie die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB bei einer Anordnung sicher feststehen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – 1 StR 2 5/03, StraFo 2003, 431; Beschlüsse vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295; vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 191/09
vom
19. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. Mai
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf von 19. Dezember 2008 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Krefeld zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 28. Februar 2008 wegen Totschlags und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt und außerdem Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat mit Beschluss vom 17. Juli 2008 (vgl. NStZ-RR 2008, 335) diese Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Dieses hat den Angeklagten nunmehr mit dem angefochtenen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und erneut die Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
4
a) Der u. a. wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Angeklagte konsumierte seit seiner Jugend bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache regelmäßig und massiv Cannabis und Alkohol. Er hielt sich seit Jahren im Obdachlosenund Alkoholikermilieu auf. Zeugenaussagen zufolge war er häufiger volltrunken. Insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol, allerdings auch in nüchternem Zustand, kam es in der Vergangenheit zu vielfachen, teils erheblichen gewaltsamen Übergriffen gegen seine frühere Ehefrau, seine Stiefkinder und später gegen seine Lebensgefährtin. Auch bei Begehung der vorliegenden Taten war der Angeklagte erheblich alkoholisiert.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat in allen Fällen rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der alkoholischen Beeinflussung bei Tatbegehung und einer beim Angeklagten vorliegenden dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung nicht auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat das Landgericht abgelehnt. Es hat zunächst offen gelassen, ob beim Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln vorliegt und hat sodann - einen Hang unterstellend - in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen angenommen, dass zwischen den abgeurteilten Taten und einem Hang des Angeklagten zu übermäßigem Alkoholgenuss jedenfalls ein symptomatischer Zusammenhang nicht bestehe. Die Taten gingen nicht auf einen solchen Hang zurück, sondern seien vielmehr Ausdruck der dissozialen Wesensart des Angeklagten.
6
b) Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Bei seiner Bewertung ist das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78 f. m. w. N.).
7
So liegt es hier. Das Landgericht hat zur Begründung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auch auf die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit abgestellt, so dass sich deren Mitursächlichkeit für die Begehung der Taten von selbst versteht. Es drängt sich darüber hinaus nach den vom Landgericht zum Konsumverhalten des Angeklagten getroffenen Feststellungen auf, dass die zur Tatzeit vorliegende Alkoholisierung des Angeklagten auf einen Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke zurückzuführen ist.
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2. Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges ausgegangen und hätte sie den Anlasstaten Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefahrprognose, sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte , zumal zwischen der Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten und seinem Rauschmittelkonsum nach den Feststellungen durchaus Wechselwirkungen bestehen.
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3. Danach muss über die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (vgl. BGH StV 2007, 633).
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Für die neue Hauptverhandlung wird es sich empfehlen, einen anderen Sachverständigen beizuziehen.
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4. Der Senat hat von § 354 Abs. 2 2. Halbs. StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - für den Angeklagten R. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird im Fall II. 13. der Urteilsgründe
a) das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, daß ein Verstoß gegen das Waffengesetz von der Strafverfolgung ausgenommen wird,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte R. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 2. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fallen der Staatskasse zur Last. Die den Angeklagten R. und N. insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen tragen sie selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall auch in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie (Fall II.13.) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Den Angeklagten N. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Im übrigen hat es ihn freigesprochen.

Die Unterbringung der Angeklagten R. und N. in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet.
Gegen das Urteil haben der Angeklagte R. und die Staatsanwaltschaft - zugunsten beider Angeklagten - Revision eingelegt. Sie erheben die Sachbeschwerde.
Die Revision des Angeklagten R. richtet sich insbesondere gegen die Annahme bewaffneten Handeltreibens im Fall II. 13. der Urteilsgründe und rügt Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Anordnung der Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den erforderlichen Hang, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht positiv festgestellt, sondern den Zweifelssatz angewendet habe, indem es von den nicht zu widerlegenden Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen sei.
I. Die Revision des Angeklagten R.
Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II. 13. erwarb der Angeklagte R. in den Niederlanden 853 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 611,64 g Kokainhydrochlorid sowie 2.333 g Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 256,63 g Amphetaminbase und führte die Drogen über die deutsche Grenze ein. Sie waren im wesentlichen zum gewinnbringenden Wei-
terverkauf bestimmt. Nur ein geringer Teil des Kokains sollte dem Eigenkon- sum dienen. Bei der Fahrt führte der Angeklagte in dem zum Drogentransport benutzten Pkw einen Teleskopschlagstock mit, der teils in den Urteilsgründen auch als Teleskoptotschläger bezeichnet wird. Nach der Rückkehr wurde der Angeklagte kurz vor seiner Wohnung festgenommen. Die Betäubungsmittel befanden sich im Fußraum der Beifahrerseite. Der Teleskopschlagstock nebst Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw sowie ein Handy mit drei Handykarten wurden in einem Rucksack im Kofferraum aufgefunden und sichergestellt. Der Angeklagte hatte den Teleskopschlagstock auf die Drogenbeschaffungsfahrt mitgenommen, um bei etwaigen Problemen sich dessen bedienen und die Betäubungsmittel verteidigen zu können. Das Landgericht bewertet den mitgeführten Gegenstand als Totschläger im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG aF. Es hat für die Tat 13 eine Einzelstrafe von sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
2. Der Schuldspruch war in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch. Im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

a) Die unerlaubte Einfuhr der Betäubungsmittel bei der Tat 13 würdigt das Landgericht als eine solche im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt. Diese Einfuhr ist aber ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, wenn sie - wie hier - im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes erfolgt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt ...." (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02; BGH NStZ-RR 2000, 91). Der tateinheitliche Schuldspruch hatte insoweit zu entfallen.

b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Angeklagten R. im Pkw mitgeführte Gegenstand war - auch unter Berücksichtigung der Unklarheiten in der Bezeichnung - zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt, ohne daß es einer ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Sowohl bei einem Totschläger als auch bei einem Schlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn, nämlich eine Hieb- und Stoßwaffe gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG aF (Steindorf , Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38). Hieb- und Stoßwaffen fallen auch nach dem WaffRNeuRegG vom 11. Oktober 2002, in Kraft seit dem 1. April 2003, unter den Waffenbegriff gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nF i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände 1.1. Es liegt auf der Hand, daß derartige Gegenstände ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt sind (BGHSt 43, 266, 269; BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 (Teleskopschlagstock); Weber, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 167).
Ein Mitsichführen ist gegeben, wenn der Täter den betreffenden Gegenstand bei der Tat bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz für die konkrete Tat ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (BGHSt 43, 8, 14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).
An diesem Maßstab gemessen, hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts die Waffe jedenfalls während einer bestimmten Phase des Handeltreibens - bei seiner Rückkehr und Festnahme - im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt. Auf die weitergehenden Schlußfolgerungen
des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung kommt es nicht an. Jederzeit griffbereit war die Waffe für den Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie sich im Kofferraum des Pkw's befand, während die Betäubungsmittel im Fußraum der Beifahrerseite lagerten. Der qualifikationsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe sowie die Betäubungsmittel aufbewahrt und sich damit auf einer Drogenverkaufsfahrt oder - wie hier - auf einer Drogenbeschaffungsfahrt befindet (BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 2 und 5; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 20). Bei Bedarf konnte der Angeklagte R. ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen.
Das Bewußtsein der Verfügbarkeit bedurfte hier angesichts der Tatsache , daß es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt und der Angeklagte diese gemeinsam mit dem Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw verstaut hatte, weder näherer Prüfung noch Darlegung (BGHSt 43, 8, 14). Danach kann entgegen der Auffassung der Revision von einem Transport "bei Gelegenheit" keine Rede sein.

c) Wegen der Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Ein Schlagstock ist kein Totschläger (Steindorf, aaO § 37 WaffG Rdn. 15). Die Beschränkung des Verfahrens hatte den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Totschläger zur Folge.

d) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch über die Einzelstrafe für den Fall II.13. und auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe
unberührt. Soweit die Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens bewertet wird, ändert sich dadurch das Tatunrecht nicht (BGH, Beschluß vom 23. Mai 2000 - 1 StR 200/00 - und Beschluß vom 11. März 2003 - 1 StR 50/03). Das weggefallene Waffendelikt hat das Landgericht bei der Zumessung der Einzel- und der Gesamtstrafe nicht strafschärfend berücksichtigt.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Sie sind nicht ausdrücklich beschränkt. Eine Beschränkung allein auf die Maßregelanordnung gemäß § 64 StPO, deren Aufhebung beantragt wird, wäre insoweit unwirksam, als diese nach den Urteilsgründen bei beiden Angeklagten Einfluß auf die Strafzumessung genommen hat (BGHSt 38, 362, 365). Unter Berücksichtigung der Angriffsrichtung ist dem Revisionsvorbringen jedoch eine zulässige Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 13). Diese Beschränkung führt dazu, daß auf die Revision der Staatsanwaltschaft keine Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten R. auszusprechen war.
2. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Sie wurden zugunsten der Angeklagten R. und N. eingelegt, denn die Maßregelanordnung beschwert die Angeklagten (BGHSt 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die angeordnete Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten in der Hauptverhandlung Angaben zu ihrem Drogenkonsum gemacht, die das Landgericht als "letztlich nicht zu widerlegen" bezeichnet hat. Diese Formulierung - isoliert ge-
sehen - könnte zwar besorgen lassen, daß das Landgericht einen Hang der Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen als Grundlage der Taten nicht positiv festgestellt habe. Eine solche positive Feststellung ist aber Voraussetzung für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (BGH NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschluß vom 6. November 2002 - 1 StR 382/02). Die Beweiswürdigung zum Hang in ihrer Gesamtheit läßt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß das Landgericht - trotz mißverständlicher Formulierung - den Zweifelssatz nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, sondern von der Richtigkeit der Angaben der Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen ist (UA S. 238 bis 243 R. , 249 bis 250 N. ). Diese Überzeugung des Landgerichts ist revisionsrechtlich hinzunehmen, auch wenn die Annahme eines Hanges hier nicht nahegelegen hat.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Angeklagten R. und N. erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese gemäß § 473 Abs. 1 und 2 StPO selbst, weil die zu ihren Gunsten eingelegten Rechtsmittel erfolglos blieben (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 473 Rdn. 16).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf
13
Des Weiteren hat sich das Landgericht nicht von der nach § 64 Satz 2 StGB erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung in der Unterbringung überzeugen können, sondern diese lediglich „zu Gunsten“ des Angeklagten S. unterstellt. Dabei hat die Strafkammer verkannt, dass es sich bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB um eine den Angeklagten beschwerende Maßregel handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7), deren tatbestandliche Voraus- setzungen bei einer Anordnung sicher feststehen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, insoweit in NStZ 2004, 111 nicht abgedruckt; Beschluss vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295). Für eine Anwendung des Zweifelssatzes ist insoweit kein Raum.
5 StR 110/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Oktober 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und besonders schwerer Brandstiftung zu zwölf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Es sah den Angeklagten als überführt an, eine von ihm als Pfleger betreute 91jährige Altenheiminsassin heimtückisch und zur Befriedigung des Geschlechtstriebes getötet und anschließend das Bett mit der Leiche in Brand gesetzt zu haben, um Spuren zu vernichten und vorzutäuschen, das Opfer sei mit brennender Zigarette eingeschlafen. Das Schwurgericht stellte bei dem Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit infolge Epilepsie und daraus folgender psychischer Beeinträchtigungen fest.
Die Revision des Angeklagten führt mit einer Verfahrensrüge im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Beweisantrags zur Aufhebung des Urteils.

1. Der Verteidiger hatte die Vernehmung eines Brandsachverständigen zum Beweis der Tatsache rückstandslosen Verbrennens von Windeln beantragt. Der Beweisantrag war eine Reaktion auf einen rechtlichen Hinweis betreffend eine mögliche Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebes. Der Verteidiger wollte damit den – unter Umständen auf die Auffindesituation der teilweise verbrannten Leiche zu stützenden – Nachweis entkräften, daß die Frau in der Tatsituation am Unterleib entblößt gewesen war.
Das Schwurgericht hat den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt. Ein sexueller Tathintergrund sei auch für den Fall nicht ausgeschlossen, daß das Opfer eine Windel getragen habe; der Angeklagte könne “einen sexuellen Tatanreiz auch bei geschlossener Windel bekommen haben”.
Die damit zugesagte Unerheblichkeit der Beweisbehauptung hat das Schwurgericht im Urteil nicht eingehalten. Es hat seine Überzeugung vom Vorhaben des Angeklagten, mit der anschließend getöteten Frau geschlechtlich zu verkehren, auf eine Gesamtbetrachtung der – freilich unter Hinweis auf Erinnerungsmängel lückenhaften – Einlassung des kein Tatmotiv angebenden Angeklagten, des Verletzungsbildes des Opfers und seiner Auffindesituation gestützt (UA S. 21 bis 23). Als Auffindesituation hat es die Stellung der Leiche schräg im Bett, nicht in normaler Schlafposition, mit gespreizten Beinen verwertet; ergänzend hat es ausgeführt, aus Lichtbildern ergebe sich “auch der Anschein, daß das Opfer nicht bekleidet war, also keine Windel und kein Nachthemd trug” (UA S. 23). Die so begründete Beweiswürdigung und die mit dem erwähnten “Anschein” übereinstimmende Feststellung, daß das Opfer keine Windel – freilich im Widerspruch hierzu ein Nachthemd – getragen habe (UA S. 8), belegt – begründet jedenfalls mindestens die Besorgnis –, daß das Schwurgericht im Rahmen seiner Ge- samtbetrachtung zur Feststellung der Tatmotivation auch eine Entblöûung des Unterleibs der getöteten Frau in der Tatsituation mitverwertet hat. Dies steht im Widerspruch zur Begründung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit bei der Ablehnung des Beweisantrags; hierin liegt ein Verstoû gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22 m. w. N.).
2. Dieser widersprüchlichen Verwertung mag zwar im Rahmen der Beweiswürdigung keine vorrangige Bedeutung zuzumessen sein. Angesichts einer insgesamt auûerordentlich knappen Beweisdecke als Grundlage für die Annahme des Mordmerkmals der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes läût sich gleichwohl ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoû nicht ausschlieûen. Wegen des engen Zusammenhangs des gesamten Tatgeschehens und einer möglichen Relevanz sämtlicher Feststellungsdetails für den gesamten Schuldspruch zieht der Verstoû auch die umfassende Aufhebung des Urteils nach sich.
3. Auf die von der Revision vorgetragenen sachlichrechtlichen Bedenken gegen die Beweiswürdigung, das Mordmerkmal ªzur Befriedigung des Geschlechtstriebesº betreffend, wird der neue Tatrichter Bedacht zu nehmen haben. Als Motivationsvariante wird möglicherweise auch eine Tötung im Rahmen einer Überforderungssituation des Angeklagten bei der pflegerischen Versorgung des Opfers zu erwägen sein; dies lieûe ebenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, daû der Angeklagte einen derartigen Tatanlaû nicht eingestehen wollte oder ± auch begründet in seiner psychischen Situation ± nicht eingestehen konnte.
Mit Recht erachtet die Revision zudem die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke als problematisch. Es versteht sich ohne nähere Begründung nicht unbedingt von selbst, daû eine überraschende sexualbezogene Attacke des Angeklagten gegen sein in dieser Situation ahnungsloses Opfer derart schnell in den vorsätzlich tödlichen Angriff umschlug, daû der maûgebliche Überraschungseffekt dabei noch andauerte (so BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vgl. hingegen aaO 4, 6, 13, 16, 22, 27).
Der Senat weist schlieûlich auf die von der Revision und im Terminsantrag des Generalbundesanwalts zum Ausdruck gebrachten Bedenken gegen die Beurteilung der Schuldfähigkeit auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens hin. Trotz der für sich nicht bedenklichen gesicherten Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB erscheint nicht ganz zweifelsfrei , ob das Schwurgericht mit Hilfe des gehörten Sachverständigen sämtliche in Betracht zu ziehenden schwierigen Probleme im Zusammenhang mit der Epilepsieerkrankung des Angeklagten ± mit der denkbaren Folge einer noch stärkeren psychischen Beeinträchtigung bei Tatbegehung ± hinreichend bedacht hat (vgl. dazu nur BGH StV 1992, 503; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 10 m. w. N.; Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie 15. Aufl. S. 379, 404; Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 209 f.). Die neu erkennende Strafkammer wird zu erwägen haben, ob sie sich der Hilfe eines auf dem Gebiet epileptischer Anfallsleiden besonders erfahrenen Sachverständigen versichern sollte (vgl. BGH StV 1992, 503). Jedenfalls wird es sich, wie von der Revision im Rahmen von Verfahrensrügen angesprochen, anbieten, vorhandene diagnostische Erkenntnisse behandelnder Ärzte des Angeklagten in Erfahrung zu bringen und mitzuverwerten.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.