Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2002 - 5 StR 110/02

bei uns veröffentlicht am09.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 110/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Oktober 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und besonders schwerer Brandstiftung zu zwölf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Es sah den Angeklagten als überführt an, eine von ihm als Pfleger betreute 91jährige Altenheiminsassin heimtückisch und zur Befriedigung des Geschlechtstriebes getötet und anschließend das Bett mit der Leiche in Brand gesetzt zu haben, um Spuren zu vernichten und vorzutäuschen, das Opfer sei mit brennender Zigarette eingeschlafen. Das Schwurgericht stellte bei dem Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit infolge Epilepsie und daraus folgender psychischer Beeinträchtigungen fest.
Die Revision des Angeklagten führt mit einer Verfahrensrüge im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Beweisantrags zur Aufhebung des Urteils.

1. Der Verteidiger hatte die Vernehmung eines Brandsachverständigen zum Beweis der Tatsache rückstandslosen Verbrennens von Windeln beantragt. Der Beweisantrag war eine Reaktion auf einen rechtlichen Hinweis betreffend eine mögliche Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebes. Der Verteidiger wollte damit den – unter Umständen auf die Auffindesituation der teilweise verbrannten Leiche zu stützenden – Nachweis entkräften, daß die Frau in der Tatsituation am Unterleib entblößt gewesen war.
Das Schwurgericht hat den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt. Ein sexueller Tathintergrund sei auch für den Fall nicht ausgeschlossen, daß das Opfer eine Windel getragen habe; der Angeklagte könne “einen sexuellen Tatanreiz auch bei geschlossener Windel bekommen haben”.
Die damit zugesagte Unerheblichkeit der Beweisbehauptung hat das Schwurgericht im Urteil nicht eingehalten. Es hat seine Überzeugung vom Vorhaben des Angeklagten, mit der anschließend getöteten Frau geschlechtlich zu verkehren, auf eine Gesamtbetrachtung der – freilich unter Hinweis auf Erinnerungsmängel lückenhaften – Einlassung des kein Tatmotiv angebenden Angeklagten, des Verletzungsbildes des Opfers und seiner Auffindesituation gestützt (UA S. 21 bis 23). Als Auffindesituation hat es die Stellung der Leiche schräg im Bett, nicht in normaler Schlafposition, mit gespreizten Beinen verwertet; ergänzend hat es ausgeführt, aus Lichtbildern ergebe sich “auch der Anschein, daß das Opfer nicht bekleidet war, also keine Windel und kein Nachthemd trug” (UA S. 23). Die so begründete Beweiswürdigung und die mit dem erwähnten “Anschein” übereinstimmende Feststellung, daß das Opfer keine Windel – freilich im Widerspruch hierzu ein Nachthemd – getragen habe (UA S. 8), belegt – begründet jedenfalls mindestens die Besorgnis –, daß das Schwurgericht im Rahmen seiner Ge- samtbetrachtung zur Feststellung der Tatmotivation auch eine Entblöûung des Unterleibs der getöteten Frau in der Tatsituation mitverwertet hat. Dies steht im Widerspruch zur Begründung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit bei der Ablehnung des Beweisantrags; hierin liegt ein Verstoû gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22 m. w. N.).
2. Dieser widersprüchlichen Verwertung mag zwar im Rahmen der Beweiswürdigung keine vorrangige Bedeutung zuzumessen sein. Angesichts einer insgesamt auûerordentlich knappen Beweisdecke als Grundlage für die Annahme des Mordmerkmals der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes läût sich gleichwohl ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoû nicht ausschlieûen. Wegen des engen Zusammenhangs des gesamten Tatgeschehens und einer möglichen Relevanz sämtlicher Feststellungsdetails für den gesamten Schuldspruch zieht der Verstoû auch die umfassende Aufhebung des Urteils nach sich.
3. Auf die von der Revision vorgetragenen sachlichrechtlichen Bedenken gegen die Beweiswürdigung, das Mordmerkmal ªzur Befriedigung des Geschlechtstriebesº betreffend, wird der neue Tatrichter Bedacht zu nehmen haben. Als Motivationsvariante wird möglicherweise auch eine Tötung im Rahmen einer Überforderungssituation des Angeklagten bei der pflegerischen Versorgung des Opfers zu erwägen sein; dies lieûe ebenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, daû der Angeklagte einen derartigen Tatanlaû nicht eingestehen wollte oder ± auch begründet in seiner psychischen Situation ± nicht eingestehen konnte.
Mit Recht erachtet die Revision zudem die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke als problematisch. Es versteht sich ohne nähere Begründung nicht unbedingt von selbst, daû eine überraschende sexualbezogene Attacke des Angeklagten gegen sein in dieser Situation ahnungsloses Opfer derart schnell in den vorsätzlich tödlichen Angriff umschlug, daû der maûgebliche Überraschungseffekt dabei noch andauerte (so BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vgl. hingegen aaO 4, 6, 13, 16, 22, 27).
Der Senat weist schlieûlich auf die von der Revision und im Terminsantrag des Generalbundesanwalts zum Ausdruck gebrachten Bedenken gegen die Beurteilung der Schuldfähigkeit auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens hin. Trotz der für sich nicht bedenklichen gesicherten Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB erscheint nicht ganz zweifelsfrei , ob das Schwurgericht mit Hilfe des gehörten Sachverständigen sämtliche in Betracht zu ziehenden schwierigen Probleme im Zusammenhang mit der Epilepsieerkrankung des Angeklagten ± mit der denkbaren Folge einer noch stärkeren psychischen Beeinträchtigung bei Tatbegehung ± hinreichend bedacht hat (vgl. dazu nur BGH StV 1992, 503; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 10 m. w. N.; Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie 15. Aufl. S. 379, 404; Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 209 f.). Die neu erkennende Strafkammer wird zu erwägen haben, ob sie sich der Hilfe eines auf dem Gebiet epileptischer Anfallsleiden besonders erfahrenen Sachverständigen versichern sollte (vgl. BGH StV 1992, 503). Jedenfalls wird es sich, wie von der Revision im Rahmen von Verfahrensrügen angesprochen, anbieten, vorhandene diagnostische Erkenntnisse behandelnder Ärzte des Angeklagten in Erfahrung zu bringen und mitzuverwerten.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.