Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2019 - 3 StR 514/19

bei uns veröffentlicht am10.12.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 514/19
vom
10. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:101219B3STR514.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. April 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im gesamten Strafausspruch,
b) soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen, Körperverletzung in zwei Fällen, Hausfriedensbruchs, Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen und Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie im Übrigen freigesprochen. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
3
a) Die Strafkammer hat wegen des Besitzes und des Erwerbs von Betäubungsmitteln , der Körperverletzung zu Lasten der Nebenklägerin sowie des Hausfriedensbruchs als Einzelstrafen jeweils Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt. Diese Strafaussprüche sind rechtsfehlerhaft, weil in den Urteilsgründen weder ausdrücklich noch nach dem Gesamtzusammenhang Umstände dargetan sind, welche die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung gemäß § 47 Abs. 1 StGB unerlässlich machen (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 8. April 2004 - 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554; Beschluss vom 23. November 2017 - 1 StR 150/17, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 9).
4
b) Die verbleibenden beiden Einzelstrafen sind ebenfalls aufzuheben. Unabhängig davon, dass dem neuen Tatgericht so eine in sich stimmige Strafzumessung ermöglicht wird, sind die Strafzumessungserwägungen auch insofern bedenklich.
5
Die Annahme eines minder schweren Falles des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 3 StGB) ist allein deshalb abgelehnt worden, weil es sich "bei dem mitgeführten Teppichmesser nicht um einen gewöhnlichen Alltagsgegenstand handelt" und von dem Messer ein ähnliches Verletzungspotential wie bei einem Einhandmesser ausgehe. Daraus ergibt sich nicht, dass bei der Prüfung eines minder schweren Falles die gebotene Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände vorgenommen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 423/17, NStZ-RR 2018, 104; Urteil vom 7. Januar 2015 - 2 StR 163/14, juris Rn. 29).
6
Bei der verbleibenden Körperverletzung hat das Landgericht zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Angriff den Geschädigten H. "ohne jegliche Veranlassung seinerseits" getroffen habe. Hierbei ist zu besorgen, dass die Strafkammer letztlich dem Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfende Bedeutung beigemessen hat (s. BGH, Urteil vom 24. August 2016 - 2 StR 504/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Motiv 2 Rn. 17; Beschlüsse vom 8. Januar 2014 - 2 StR 514/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2016 - 3 StR 417/16, juris Rn. 6).
7
c) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Diese begegnet zudem auch für sich genommen Bedenken; denn eine nachträgliche Gesamtstrafe in Bezug auf frühere Strafen ist deshalb nicht gebildet worden, weil "die entsprechenden Akten nicht vorlagen". Das führt in dieser Allgemeinheit noch nicht dazu, dass von der grundsätzlich zwingenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB im tatgerichtlichen Urteil ausnahmsweise abgesehen werden darf (vgl. näher BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 4; Beschluss vom 10. November 2010 - 5 StR 456/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 6 Rn. 4).
8
2. Die Urteilsgründe tragen nicht die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen.
9
Die Strafkammer hat hierzu ausgeführt, dass "die begangenen Taten als Bagatelltaten einzuordnen" seien; allein die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen sei ausreichend, um eine Maßregel anzuordnen. Dieser Diebstahl stelle aber eine einmalige Ausnahme dar. Hieraus ist bereits nicht ersichtlich, obdie - nicht sachverständig beratene - Strafkammer damit die Gefahr künftiger erheblicher Taten im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat ablehnen wollen oder die Unterbringung als nach § 62 StGB unverhältnismäßig angesehen hat. Jedenfalls stehen die Erwägungen nach den gegebenen Umständen einer Anordnung nicht ohne Weiteres entgegen. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass der Angeklagte neben dem Diebstahl mit Waffen auch Körperverletzungsdelikte beging (vgl. dazu MüKoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 51). In einem der Fälle schlug er in alkoholisiertem Zustand einen Unbeteiligten, so dass dieser zu Boden stürzte, sich eine Platzwunde am Hinterkopf zuzog und im Krankenhaus behandelt werden musste. Hierbei handelt es sich nicht um eine "Bagatelltat". Mangels weiterer Ausführungen ist nach den Urteilsgründen nicht auszuschließen, dass die Tat einen symptomatischen Zusammenhang mit einem Hang aufweist.
10
3. Ergänzend bemerkt der Senat, dass sich der Teilfreispruch lediglich auf die weitere Tat vom 20. Februar 2018 bezieht. Soweit der Angeklagte nach den Urteilsgründen auch insofern freigesprochen worden ist, als ihm die mehrfache Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren zur Last gelegt worden ist, bedarf es keines Freispruchs. Der Angeklagte ist wegen dieser angeklagten Taten, wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichts- punkt, verurteilt worden. Wegen ein und derselben Tat kann das Urteil nur einheitlich auf Verurteilung oder Freispruch lauten (s. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 3 StR 264/14, juris).
Schäfer Spaniol Hoch
Anstötz Erbguth

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 150/17
vom
23. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:231117B1STR150.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 206a Abs. 1 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 14. Oktober 2016
a) in den Fällen C.I.5. Nr. 73 bis 107 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 347 Fällen sowie der Hinterziehung von Lohnsteuer in 59 Fällen schuldig ist;
c) im Strafausspruch aufgehoben aa) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen C.I.5. Nr. 128, 175, 176, 179, 212 bis 217, 222, 234 bis 237, 322 bis 327, 330, 333 bis 338, 342 bis 350, C.I.7. Nr. 26 bis 30, C.I.8. Nr. 1 bis 7, 9, 10, 12 bis 19, 21, 22 und 24 bis 29 der Urteilsgründe sowie bb) bezüglich der Gesamtstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung zum Strafausspruch wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 382 Fällen in Tatmehrheit mit 59 Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es hiervon vier Monate für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen C.I.5. Nr. 73 bis 107 der Urteilsgründe (UA S. 46 f., 143 f.) wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) für die Monate November 2005 bis September 2008 zum Nachteil der D. verurteilt hat, ist das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und das Verfahren einzustellen (§ 206a Abs. 1 StPO). Der Verurteilung steht entgegen, dass das Landgericht das Verfahren hinsichtlich dieser Taten in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt hat (Protokollband Bl. 137, 139 f., vgl. auch UA S. 85). Mit dieser Verfahrenseinstellung entstand ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss gemäß § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. August 2016 – 5 StR 313/16 und vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476 mwN). Einen solchen Beschluss hat das Landgericht jedoch nicht erlassen.
3
Das Verfahrenshindernis hat zur Folge, dass der Angeklagte – neben den Taten der Steuerhinterziehung – lediglich in 347 Fällen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt ist. Der Schuldspruch ist daher entsprechend abzuändern. Die für die Fälle C.I.5. Nr. 73 bis 107 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen.
4
2. Die in den 67 Fällen, in denen die „Schäden“ die Betragsschwelle von 2.000 Euro erreicht oder überschritten hatten, verhängten Einzelstrafen – zugleich die Einsatzstrafe – von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Zwar begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht , das die Einzelstrafen den Strafrahmen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB und des § 370 Abs. 1 AO entnommen hat, angesichts der gleichgelagerten Begehungsformen eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, Rn. 32 mwN, wistra 2017, 400). Jedoch fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Wertung des Landgerichts, dass kurze Freiheitsstrafen „jedenfalls bei Schäden ab 2.000 Euro in jedem einzelnen Fall unerlässlich“ waren (UA S. 196).
6
Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur dann, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Dies kann auch bei einer Vielzahl von Einzelfällen mit insgesamt hohem Schaden der Fall sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. September 1995 – 1 StR 456/95 [insoweit in NStZ 1996, 351 nicht abgedruckt] und vom 6. Juni 1994 – 5 StR 229/94; Urteil vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554 sowie Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 47 Rn. 13). In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte , von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt dabei die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nach § 47 StGB auch in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8 und vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08 Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232).
7
Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Das Landgericht hat in keinem der Fälle Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten oder mehr für erforderlich gehalten. Zudem ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der vorliegenden Tatserie bei Schäden bis zu 1.999 Euro Einzelgeldstrafen von nicht mehr als 60 Tagessätzen schuldangemessen sind. Das Landgericht hätte deshalb darlegen müssen, weshalb bei dem nicht vorbestraften Angeklagten gerade die Überschreitung der Schwelle von 2.000 Euro ein Umstand sein soll, der für die betroffenen Einzelfälle die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich macht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. September 1989 – 2 StR 387/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 3). Dieser Erörterungsmangel führt zur Aufhebung aller kurzen Einzelfreiheitsstrafen.
8
b) Mithin kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landgericht in den Fällen C.I.5. Nr. 235 bis 237 der Urteilsgründe von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen ist. Es hat nicht beachtet, dass es gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung der Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) betreffend die Einzugsstelle S. für die Monate Juli bis September 2008 im Hinblick auf die auf die Zeugin L. entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung abgesehen hatte (Protokollband Bl. 144, vgl. auch UA S. 91).
9
c) Angesichts der Aufhebung aller Einzelfreiheitsstrafen kann auch die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben.
10
3. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler bei der Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafen nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter darf ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
11
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
12
5. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das Verfahren hinsichtlich des Tatvorwurfs der Hinterziehung von Lohnsteuer betreffend die H. GmbH für den Anmeldungszeitraum April 2006 (Fall B.II. Ziff. 27 der An- klageschrift vom 31. Juli 2013, Bd. I, Bl. 85 d.A.) noch beim Landgericht anhängig ist, weil dieses hierüber keine Entscheidung getroffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 48/10, NStZ-RR 2010, 251 mwN). Das Hauptverfahren wurde auch insoweit eröffnet und die Anklageschrift ohne Änderungen zugelassen (Bd. I, Bl. 276 d.A.). Lediglich bezüglich der Tatvorwürfe B.II. Ziff. 1 bis 26 dieser Anklageschrift hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Verjährung abgelehnt (Bd. I, Bl. 277 d.A.). Hinsichtlich Fall B.II. Ziff. 27 dieser Anklageschrift sind daher Anklage und Eröffnungsbeschluss noch nicht erschöpft. Graf Jäger Bellay Fischer Hohoff

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 423/17
vom
17. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2017:171017B3STR423.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 21. November 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 3. September 2013 verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie hiervon wegen rechtstaatswidriger Verfahrensverzögerung zwei Monate für vollstreckt erklärt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Gegen den Schuldspruch ist sachlichrechtlich nichts zu erinnern. Die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen lässt hingegen Rechtsfehler erkennen; hierauf beruht das Urteil indes nicht (nachfolgend 1.). Der Gesamtstrafenausspruch kann demgegenüber keinen Bestand haben (unten 2.).
3
1. Die Strafrahmenwahl erweist sich als rechtsfehlerhaft; dies hat sich allerdings nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.
4
Die Strafkammer hat es zu Unrecht unterlassen, minder schwere Fälle nach § 244 Abs. 3 StGB aF zu prüfen. Sie hat die für den Wohnungseinbruchdiebstahl festgesetzte Strafe dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB entnommen; hinsichtlich des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls hat sie eine doppelte Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
5
a) Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte Milderungsgrund - zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich - einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses Milderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696; vom 3. März 2015 - 3 StR 612/14, juris Rn. 7; vom 4. April 2017 - 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524 mwN). Ist der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als derjenige des minder schweren Falls, ist dies in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 - 3 StR 341/87, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl 4; vom 17. Juni 2010 - 5 StR 206/10, NStZ-RR 2010, 305; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 50 Rn. 5).
6
Entsprechendes gilt, wenn - wie hier bezüglich des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls - mehrere vertypte Milderungsgründe vorliegen. Bejaht der Tatrichter unter Heranziehung eines dieser Milderungsgründe einen minder schweren Fall, so steht jeder weitere Milderungsgrund für eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB zur Verfügung (vgl. zum Ganzen MüKoStGB/Miebach/Maier, 3. Aufl., § 46 Rn. 104 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren , Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1107 ff.).
7
Diese Grundsätze hat die Strafkammer nicht beachtet. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht zu minder schweren Fällen.
8
b) Jedoch ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des § 244 Abs. 3 StGB aF mildere Einzelstrafen verhängt hätte (s. § 337 Abs. 1 StPO); denn sie hat den jeweils zugrunde gelegten Strafrahmen unter Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB den Angeklagten begünstigend fehlerhaft bestimmt:
9
aa) Hinsichtlich des Wohnungseinbruchdiebstahls ist in den Urteilsgründen mitgeteilt, der "einfach gemilderte Strafrahmen" des § 244 Abs. 1 StGB sehe eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und siebenMonaten (anstelle - rechnerisch zutreffend - einer solchen von bis zu sieben Jahren und sechs Monaten) vor. Für den versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl ist der Strafrah- men bei "doppelter Strafmilderung" mit "Geldstrafe oder … Freiheitsstrafe ... bis zu drei Jahren und sechs Monaten" (anstatt - richtigerweise - einer Freiheits- strafe von bis zu fünf Jahren und sieben Monaten [und zwei Wochen]) angegeben.
10
bb) Hiernach hat sich die fehlerhafte Strafrahmenwahl auf das konkrete Strafmaß - Freiheitsstrafe von zwei Jahren für den Wohnungseinbruchdiebstahl sowie Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten für den versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl - nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Dabei ist für beide Taten auszuschließen, dass die Strafkammer auch ohne Hinzuziehung eines vertypten Strafmilderungsgrundes minder schwere Fälle angenommen hätte.
11
Der für den Wohnungseinbruchdiebstahl angewendete Strafrahmen liegt hinsichtlich des Mindestmaßes zwei Monate unter und hinsichtlich des Höchstmaßes sieben Monate über demjenigen des § 244 Abs. 3 StGB aF (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren). Trotz der etwas höheren Obergrenze hätte die Strafkammer keine mildere Einzelstrafe verhängt, wenn sie von einem minder schweren Fall ausgegangen wäre. Eingedenk der in den Urteilsgründen angeführten gewichtigen strafschärfenden Strafzumessungsumstände folgt dies daraus, dass die Strafkammer von einer niedrigeren Untergrenze ausgegangen ist und die Strafe der unteren Hälfte des Strafrahmens entnommen hat.
12
Der für den versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl angewendete Strafrahmen erweist sich als für den Angeklagten insgesamt günstiger gegenüber der Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 244 Abs. 3 StGB aF mit einfacher Strafrahmenverschiebung im Sinne des § 49 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und neun Monaten).
13
2. Die Urteilsgründe zur Gesamtstrafenbildung leiden an einem Darstellungsmangel , weil sie sich nicht zur Rechtskraft und zum Vollstreckungsstand einer Vorverurteilung des Angeklagten verhalten.
14
Der Angeklagte hatte die beiden abgeurteilten Taten am 6. Juli 2012 und am 7. August 2012 begangen, noch bevor das Amtsgericht Bremen ihn am 18. September 2012 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt hatte. Damit kommt in Betracht, dass diese Geldstrafe und die in dem angefochtenen Urteil festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückzuführen sind. Das hätte zur Folge, dass der Vorverurteilung vom 18. September 2012 - zumindest teilweise - Zäsurwirkung für die in dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 3. September 2013 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils fünf Monaten zukäme, mit denen die Strafkammer nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hat. Jedenfalls eine der dort abgeurteilten Taten beging der Angeklagte nach dem 18. September 2012; Weiteres ist in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt.
15
Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte auch beschwert. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts führte eine Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus der Vorverurteilung vom 18. September 2012 nicht zwangsläufig zu einem größeren Gesamtstrafübel. Denn entweder könnte die mit Urteil vom 3. September 2013 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung unangetastet bleiben; oder die ihr zugrundeliegenden Einzelstrafen müssten teilweise in diese neue Gesamtstrafenbildung miteinbezogen werden, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gesamtstrafübel zusammengenommen zwei Jahre und zehn Monate nicht übersteigt.
16
Über die Gesamtstrafe ist daher nochmals zu befinden, wobei der Senat von der durch § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Dabei wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer zu beachten haben, dass insoweit der Vollstreckungsstand der gegen den Angeklagten ergangenen früheren Urteile zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (21. November 2016) maßgeblich (s. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 StR 188/11, juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169) und im Fall einer vom Ersturteil abweichenden Gesamtstrafenbildung auch Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten ist (zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276).
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg
29
Schon die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3 StGB erweist sich als rechtsfehlerhaft. Bei der Prüfung, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des für einen minder schweren Fall vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen (vgl. etwa BGHSt 26, 97, 98; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGH NStZ 2009, 37). Eine solche Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten be- und entlastenden Umstände ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Das Landgericht verweist lediglich auf zwei aus seiner Sicht für den Angeklagten sprechende Umstände, die Verwendung einer Spielzeugwaffe und die relativ geringe Tatbeute, ohne sich erkennbar auch mit den gegen ihn sprechenden Umständen , insbesondere etwa den bei der Zeugin noch vorhandenen Tatfolgen, auseinander zu setzen. Hinzu kommt, dass die Annahme eines minder schwe- ren Falles wegen der mit der Schaffung des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB vorgenommenen gesetzgeberischen Wertung jedenfalls nicht allein bzw. wesentlich mit dem Umstand begründet werden darf, dass bei der Tat eine Scheinwaffe eingesetzt worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 265).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 504/15
vom
24. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:240816U2STR504.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Juni 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall II. 2 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung entfällt. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch.
2
Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zum Wegfall des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Nach einer gemeinsam mit Freunden in einer Diskothek verbrachten Nacht begegnete der erheblich alkoholisierte und infolge einer körperlichen Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten aggressiv gestimmte Angeklagte am 19. Oktober 2014 gegen 5.30 Uhr in einer Grünanlage der ihm unbekannten 75 Jahre alten Nebenklägerin. Seine Frage, ob er ihr helfen könne, beantwortete die Nebenklägerin dahin, dass er sie in Ruhe lassen solle. Aus Wut über diese Zurückweisung versetzte der Angeklagte ihr unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht, in dessen Folge die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegene Nebenklägerin zu Boden stürzte. Anschließend schlug der Angeklagte mehrfach wuchtig mit der Faust auf Gesicht und Kopf der Nebenklägerin ein.
Dabei war ihm bewusst, dass diese Faustschläge geeignet waren, die Nebenklägerin lebensgefährlich zu verletzen. Er ließ schließlich von der laut um Hilfe rufenden, erhebliche Gesichtsverletzungen aufweisenden Nebenklägerin ab und entfernte sich.
5
2. Nach einiger Zeit fasste der Angeklagte den Entschluss, zur Nebenklägerin zurückzukehren. Er packte die mittlerweile auf einer Parkbank sitzende , durch die vorhergehenden Misshandlungen erheblich verletzte und wehrlose Nebenklägerin, riss sie zu Boden und setzte sich auf sie. Anschließend versetzte er ihr zielgerichtet einen weiteren wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den sie Schmerzen erlitt; er öffnete seine Hose, entblößte seinen erigierten Penis und forderte die Nebenklägerin durch eine Geste auf, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen. Die sich zur Wehr setzende Nebenklägerin kniff den Angeklagten in die Hoden. Daraufhin schob der Angeklagte Hose und Unterhose der Nebenklägerin gegen ihren Widerstand nach unten, stieß seine flache Hand mit „äußerst massiver Wucht“ in die Vagina der Nebenklägerin und bewegte sie mehrere Male heftig hin und her. Dabei fügte er ihr, wie er erkannte und billigte, schwere, den Bauchraum und den Darm eröffnende lebensgefährliche Pfählungsverletzungen zu. Die Nebenklägerin schrie vor Schmerzen laut auf, rief anhaltend um Hilfe und kotete sich ein. Schließlich ließ der Angeklagte von der schwer verletzten Frau ab und entfernte sich.
6
Die Nebenklägerin wurde von Polizeikräften in ein Krankenhaus transportiert und ihr Leben durch eine sofortige Notoperation gerettet. Die erlittenen ausgeprägten Pfählungsverletzungen erforderten eine Rekonstruktion von Vulva und Vagina der Nebenklägerin; sie befand sich bis zum 27. Oktober 2014 in stationärer Behandlung und litt noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung unter den Folgen des Tatgeschehens.

7
Sachverständig beraten ist das Landgericht, das aufgrund der vagen Trinkmengenangaben des Angeklagten sowie einer sehr langen Trinkzeit zwischen 12.00 Uhr am Vortag und 3.30 Uhr am Tattag eine maximale Blutalkoholkonzentration nicht zu berechnen vermochte, von einer möglichen Blutalkoholkonzentration von 4,34 Promille ausgegangen, es hat angenommen, dass die Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten infolge des zuvor genossenen Alkohols nicht ausschließbar erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen ist.

II.

8
Die Revision des Angeklagten:
9
1. Die Feststellungen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen, tragen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe, nicht jedoch den Schuldspruch wegen tateinheitlich hierzu verwirklichter vorsätzlicher Körperverletzung.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) und b) StGB verwirklicht hat. Die Handlungen des Angeklagten sind – entgegen der Auffassung der Revision – ungeachtet der Frage, ob die Tat eher „Wut- und Bestrafungscharakter“ trug, als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) anzusehen.
11
Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung , aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9, NStZ-RR 2013, 10, 12). Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184g Sexuelle Handlung 2, NStZ-RR 2008, 339, 340). Hieran bestehen ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel.
12
b) Jedoch hält die Annahme, der Angeklagte habe tateinheitlich hierzu den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht , indem er der Nebenklägerin einen Faustschlag versetzte, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13
Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe diente der Faustschlag bereits der Umsetzung des Tatentschlusses des Angeklagten, die Nebenklägerin zur Vornahme einer sexuellen Handlung - der Ausführung des Oralverkehrs an sich - zu nötigen. Er war damit Teil der gezielt zum Zwecke der sexuellen Nötigung seines Opfers eingesetzten Gewalt des Angeklagten, die mit der in unmittelbarem Anschluss verwirklichten besonders schweren Vergewaltigung eine Tat im Rechtssinne bildete. Bei dieser Sachlage wird – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB von § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB verdrängt (Fischer StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 105a).

14
Die Korrektur des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die Strafkammer hat die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts ausdrücklich nicht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 53). Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn er die Konkurrenzverhältnisse, die den Schuldgehalt der Tat im Übrigen unberührt lassen, rechtsfehlerfrei beurteilt hätte.
15
3. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
16
a) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer „aus nichtigem Anlass angegriffen“ und die Tat aus „nicht nachvollziehbarem Anlass“ begangen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
17
aa) Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn der Tatrichter dem Angeklagten mit der genannten Erwägung das Fehlen verständlicher Motive für seine Tat strafschärfend zur Last gelegt hätte. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 23. März 2011 – 2 StR 35/11; Beschluss vom 17. April 2012 – 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Beschluss vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 9. Januar 2013 – 5 StR 395/12, BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen (Niemöller, GA 2012, 337 ff.).

18
bb) Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich jedoch am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen – Formulierungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; Senat, Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, StV 2014, 478, 479). Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und da- mit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19
b) Zu einer Erörterung des vertypten Strafmilderungsgrunds des TäterOpfer -Ausgleichs (§ 46a StGB) bestand vorliegend kein Anlass. Zwar hat der Angeklagte an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld gezahlt und sich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrags verpflichtet. Es fehlt jedoch – wiedie tatrichterliche Feststellung, die Nebenklägerin habe diese Entschuldi- gung des Angeklagten „mit starrer Miene aufgenommen“ (UA S. 17) belegt – erkennbar an dem von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen, auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der Tatfolgen angelegten Prozess zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 3. November 2011 – 3 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 43; Senat, Urteil vom 11. September 2013 – 2 StR 131/13, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 4, NStZ-RR 2013, 372).
20
c) Auch die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Strafkammer insoweit zunächst pauschal auf die für die Bemessung der Einzelstrafen maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verwiesen (vgl. UA S. 54). Anschließend hat sie jedoch auf den strafmildernden Umstand des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs beider Taten abgestellt und den gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen eigenständigen Strafzumessungsakt damit – wie geboten – an „gesamtstrafenspezifischen Kriterien“ (Senat, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 340/10; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN) orientiert. Ausgehend hiervon hat sie die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe maßvoll auf acht Jahre und sechs Monate erhöht. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

III.

21
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
22
Die ungeachtet der Schuldspruchkorrektur im Fall II. 2 der Urteilsgründe wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 149/96, NStZ-RR 1996, 267) hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die zugunsten des Ange- klagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
23
1. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
24
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom 7. September 2015 – 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74; BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15; Beschluss vom 1. März 2016 – 5 ARs 50/15; weitergehend aber BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15, NStZ 2016, 203; Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NJW 2003, 2394; Beschluss vom 28. April 2016 – 4 ARs 16/15). Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen , dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40). Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, und vom 10. Mai 2016 – 1 ARs 21/15). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
25
2. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Ermessensentscheidung im Fall II. 1 und im Fall II. 2 auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
26
Die vom Landgericht angestellten Erwägungen lassen besorgen, dass es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
27
Das Landgericht ist von einer verschuldeten Trunkenheit ausgegangen. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Angeklagte nur fünf Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat wegen einer unter dem Einfluss von Alkohol begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und ihm mit Bewährungsbeschluss vom 20. Mai 2014 aufgegeben worden ist, mit seinem Bewährungs- helfer „die eventuelle Notwendigkeit von Therapiemaßnahmen zu den Problembereichen Alkohol und Aggressivität zu klären“.Ungeachtet dieser Vorverurteilung hat es dem Angeklagten eine Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht versagt, weil es nicht festzustellen vermochte, dass „der Angeklagte selbst davon ausging, dass er erneut eine anlasslose Gewalttat bzw. ei- ne noch darüber hinausgehende Gewalttat begehen könnte“ (UA S. 45) und dass er „sich in Bezug auf die von ihmgetrunkene Alkoholmenge überschätzt und gedacht“ habe, „es wird schon gut gehen“ (UA S. 46). Diese Formulierun- gen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und nicht hinreichend bedacht hat, dass die Versagung einer Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht voraussetzt , dass der Täter Art und Schwere der unter Alkoholeinfluss begangenen konkreten Tat sicher voraussieht oder hätte vorhersehen können undmüssen. Es genügt insoweit, dass er bei Anspannung der ihm möglichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er unter dem Einfluss von Alkohol zu Straftaten neigt. Dies lag hier jedenfalls nahe. Die vom Landgericht festgestellten und im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung nicht gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Vorverurteilungen betrafen jeweils Gewaltdelikte und belegen, dass der Angeklagte zu aggressivem Verhalten neigt. Dass Alkohol generell geeignet ist, aggressive Verhaltensweisen zu verstärken, liegt auf der Hand. Bei dieser Sachlage erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern den Angeklagten unter Schuldgesichtspunkten entlasten sollte, dass er unter diesen besonderen Vorzeichen nicht bereit war, den von ihm und seinem Freundeskreis gepflegten „Lebensstil“, zu dem der übermäßige Genuss von Wodka am Wo- chenende gehörte, zu verändern und hinsichtlich der enthemmenden Wirkung von Alkohol eine gewisse „Gleichgültigkeit“ an den Tag legte.
28
3. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
29
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat der Tatrichter, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl körperlich schwer misshandelt (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB) als auch in die Gefahr des Todes gebracht (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b) StGB) und damit zwei Qualifikationstatbestände mit jeweils fünfjähriger Mindeststrafandrohung verwirklicht hat. Unberücksichtigt blieb außerdem, dass der Angeklagte zunächst erfolglos versuchte, die Nebenklägerin zum Oralverkehr zu nötigen, und nach dem Misslingen dieses Versuchs eine sie besonderserniedrigende, sadistisch anmutende sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
30
b) Bedenken begegnet schließlich auch die strafmildernde Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft von sechs Monaten. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersuchungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen , über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist (Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 303/13, NStZ-RR 2014, 82, 83). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (Senat, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
31
Diese Mängel führen zur Aufhebung der Einzelstrafen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen , die den bereits getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, sind möglich.

IV.

32
Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung über die gegen die tatrichterliche Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

34
Die der inzwischen verstorbenen Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren dem Angeklagten aufzuerlegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 1983 – 3 Ws 180/83, MDR 1984, 250; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 59. Aufl., § 472 Rn. 1; a.A. KKStPO /Gieg, § 472 Rn. 2). Fischer Krehl Eschelbach RinBGH Dr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer Bartel

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 369/03
vom
17. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. März 2003 wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in zwei Fällen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner wirksam beschränkten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Strafkammer habe insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme minder schwerer Fälle zu Unrecht verneint, jedenfalls unzureichend erörtert. Außerdem sei die Ablehnung erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt ist der Auffassung , die Gesamtstrafe könne wegen Nichtbeachtung der Vorschrift über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) keinen Bestand haben. Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.

II.


Das Landgericht hat festgestellt:
Am 9. September 2001 überfielen der Angeklagte und sein rechtskräftig verurteilter Mittäter D. F. - beide mit einem geladenen Revolver bewaffnet und maskiert - die Spielhalle "P. " in R. . Sie bedrohten einen Angestellten mit ihren Waffen, verbrachten ihn ins Untergeschoß des Hauses zu den Toiletten und fesselten ihn mit Klebeband an einen Pfosten. Dann brachen sie Spielautomaten auf und erbeuteten 700,-- DM und richteten einen Sachschaden von 2.000,-- DM an.
Mit den gleichen Waffen überfielen sie - wiederum maskiert - am 24. September 2001 die Spielhalle "Re. " in B. . Sie bedrohten den Geschäftsführer vor dem Gebäude mit ihren Waffen, verklebten ihm mit Klebeband die Augen, nahmen ihm den Hausschlüssel ab, öffneten und brachen wiederum mehrere Spielautomaten auf. Die Beute betrug 4.000,-- DM, der Sachschaden 8.000,-- DM.

III.


1. Soweit sich die Revision gegen die beiden Einzelstrafen in Höhe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe richtet, ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift vom 22. August 2003 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere lag die - mit ausreichender Begründung abgelehnte - Annahme eines minder schweren Falls hier nicht nahe.

2. Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Die Strafkammer hat ersichtlich keine ausreichenden Feststellungen zu den Grundlagen der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Nürnberg vom 8. November 2001 treffen können und in der Folge auch nicht dazu, ob gemäß § 55 StGB mit den dort verhängten Einzelstrafen die nachträgliche Gesamtstrafenbildung letztlich überhaupt in Betracht kommt, wenn dies auch nahe liegt. Das Landgericht durfte die nachträgliche Gesamtstrafenbildung deshalb dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Im vorliegenden Fall ist dies frei von Rechtsfehlern.
Hierzu im einzelnen:
Nach den Urteilsfeststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 wegen Diebstahls in zwei Fällen - sofort rechtskräftig - zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Die Tatzeiten, der zugrundeliegende Sachverhalt und die Höhe der Einzelstrafen werden nicht mitgeteilt. Nach dem zeitlichen Zusammenhang ist es jedoch wahrscheinlich, daß auch mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 - zusammen mit den im angefochtenen Urteil am 25. März 2003 (Tatzeiten 9. und 24. September 2001) verhängten Einzelstrafen - eine, insoweit nachträgliche , Gesamtstrafe zu bilden ist. Dem weiteren Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. Juli 2001 (die Taten, die der Verurteilung vom 8. November 2001
zu Grunde lagen, dürften davor begangen worden sein) zu 20 Tagessätzen Gesamtgeldstrafe wegen Leistungserschleichung (Schwarzfahrens) in drei Fällen kommt jedenfalls keine Zäsurwirkung - mehr - zu. Diese Verurteilung ist durch die Verbüßung von zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe und Bezahlung der Restgeldstrafe durch Vollstreckung erledigt (UA S. 6).
Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit BGHSt - GS - 12, 1; vgl. Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 55 Rdn. 47; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72, 73; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34, 35; jeweils m.w.N.; kritisch hierzu: Fitzner, Gesamtstrafenbildung trotz §§ 460, 462 nur noch nach mündlicher Verhandlung?, NJW 1966, 1206) grundsätzlich Sache des Tatrichters. Er darf dies in der Regel nicht dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Der Tatrichter darf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung insbesondere dann dem Beschlußverfahren überlassen, wenn er auf Grund der bislang gewonnenen Erkenntnisse keine sichere Entscheidung fällen kann, etwa weil die Unterlagen für eine möglicherweise gebotene Gesamtstrafenbildung nicht vollständig vorliegen - ohne daß dies auf unzureichender Terminsvorbereitung beruht - und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde (BGHSt - GS - 12, 1 [10]; BGHSt 23, 98 [99], mit Anmerkung Küper, MDR 1970, 885; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 2; BGH NJW 1997, 2892 [2893]; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. § 55 Rdn. 48; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34).
Enthalten die Urteilsgründe keine erschöpfenden Ausführungen zu den Vorverurteilungen, deren Einbeziehung in die Gesamtstrafe im Grundsatz gemäß § 55 StGB zu prüfen gewesen wäre, ohne ausdrücklich mitzuteilen, weshalb die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen werden konnten, so liegt darin kein Erörterungsmangel. Wie sogar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durch Schweigen verneint werden kann (BGH, Urteil vom 2. Februar 1993 - 1 StR 862/92 - m.w.N.), so ist bei fehlenden oder nicht vollständigen Darlegungen zu den Voraussetzungen einer in Betracht kommenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung grundsätzlich davon auszugehen, daß dem erkennenden Gericht die notwendigen Unterlagen zu den Vorverurteilungen und zu deren Vollstreckung nicht zugänglich waren, und daß das Gericht deshalb die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu Recht dem Beschlußverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO überlassen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Juni 1997 - 5 StR 269/97 -). Soll anderes geltend gemacht werden, so wird dies einer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu begründenden Verfahrensrüge bedürfen (so schon OLG Hamm NJW 1970, 1200, mit Anmerkung Küper, NJW 1970, 1559). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 4 / 1 4
vom
24. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Juli 2014 einstimmig

beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 18. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jedoch wird die Urteilsformel dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Untreue zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt ist; der Freispruch im Übrigen entfällt.
Mit dem Wegfall des Freispruchs im Übrigen entfällt insoweit die teilweise Auferlegung der Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Der Senat bemerkt zu der Änderung der Urteilsformel: Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten wegen Untreue in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen angeklagt, weil er durch die verfahrensgegenständliche Überweisung nicht nur die Vermögensinteressen der Ne. sondern auch die der N. GmbH verletzt habe. Das Landge- richt hat dies mit der Begründung abgelehnt, das geschädigte Vermögen könne nur einem Inhaber, der Ne. , zugeordnet werden.
Nimmt - wie hier - die Anklageschrift und ihr folgend der Eröffnungsbeschluss in vertretbarer Weise Tateinheit an, wird aber nicht wegen aller tateinheitlich angeklagter Delikte verurteilt, so kommt ein Teilfreispruch nicht in Betracht. Denn wegen ein und derselben Tat kann das Urteil nur einheitlich auf Verurteilung oder Freispruch lauten (Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 260 Rn. 12 mwN).
Das Verbot der "reformatio in peius" (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Änderung der Urteilsformel nebst Kostenentscheidung zu Ungunsten des Angeklagten nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 3 StR 176/02, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 14).
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol