Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2004 - 1 StR 369/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in zwei Fällen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner wirksam beschränkten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Strafkammer habe insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme minder schwerer Fälle zu Unrecht verneint, jedenfalls unzureichend erörtert. Außerdem sei die Ablehnung erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt ist der Auffassung , die Gesamtstrafe könne wegen Nichtbeachtung der Vorschrift über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) keinen Bestand haben. Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.II.
Das Landgericht hat festgestellt:
Am 9. September 2001 überfielen der Angeklagte und sein rechtskräftig verurteilter Mittäter D. F. - beide mit einem geladenen Revolver bewaffnet und maskiert - die Spielhalle "P. " in R. . Sie bedrohten einen Angestellten mit ihren Waffen, verbrachten ihn ins Untergeschoß des Hauses zu den Toiletten und fesselten ihn mit Klebeband an einen Pfosten. Dann brachen sie Spielautomaten auf und erbeuteten 700,-- DM und richteten einen Sachschaden von 2.000,-- DM an.
Mit den gleichen Waffen überfielen sie - wiederum maskiert - am 24. September 2001 die Spielhalle "Re. " in B. . Sie bedrohten den Geschäftsführer vor dem Gebäude mit ihren Waffen, verklebten ihm mit Klebeband die Augen, nahmen ihm den Hausschlüssel ab, öffneten und brachen wiederum mehrere Spielautomaten auf. Die Beute betrug 4.000,-- DM, der Sachschaden 8.000,-- DM.
III.
1. Soweit sich die Revision gegen die beiden Einzelstrafen in Höhe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe richtet, ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift vom 22. August 2003 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere lag die - mit ausreichender Begründung abgelehnte - Annahme eines minder schweren Falls hier nicht nahe.
2. Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Die Strafkammer hat ersichtlich keine ausreichenden Feststellungen zu den Grundlagen der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Nürnberg vom 8. November 2001 treffen können und in der Folge auch nicht dazu, ob gemäß § 55 StGB mit den dort verhängten Einzelstrafen die nachträgliche Gesamtstrafenbildung letztlich überhaupt in Betracht kommt, wenn dies auch nahe liegt. Das Landgericht durfte die nachträgliche Gesamtstrafenbildung deshalb dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Im vorliegenden Fall ist dies frei von Rechtsfehlern.
Hierzu im einzelnen:
Nach den Urteilsfeststellungen wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 wegen Diebstahls in zwei Fällen - sofort rechtskräftig - zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Die Tatzeiten, der zugrundeliegende Sachverhalt und die Höhe der Einzelstrafen werden nicht mitgeteilt. Nach dem zeitlichen Zusammenhang ist es jedoch wahrscheinlich, daß auch mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001 - zusammen mit den im angefochtenen Urteil am 25. März 2003 (Tatzeiten 9. und 24. September 2001) verhängten Einzelstrafen - eine, insoweit nachträgliche , Gesamtstrafe zu bilden ist. Dem weiteren Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. Juli 2001 (die Taten, die der Verurteilung vom 8. November 2001
zu Grunde lagen, dürften davor begangen worden sein) zu 20 Tagessätzen Gesamtgeldstrafe wegen Leistungserschleichung (Schwarzfahrens) in drei Fällen kommt jedenfalls keine Zäsurwirkung - mehr - zu. Diese Verurteilung ist durch die Verbüßung von zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe und Bezahlung der Restgeldstrafe durch Vollstreckung erledigt (UA S. 6).
Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit BGHSt - GS - 12, 1; vgl. Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 55 Rdn. 47; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72, 73; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34, 35; jeweils m.w.N.; kritisch hierzu: Fitzner, Gesamtstrafenbildung trotz §§ 460, 462 nur noch nach mündlicher Verhandlung?, NJW 1966, 1206) grundsätzlich Sache des Tatrichters. Er darf dies in der Regel nicht dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Der Tatrichter darf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung insbesondere dann dem Beschlußverfahren überlassen, wenn er auf Grund der bislang gewonnenen Erkenntnisse keine sichere Entscheidung fällen kann, etwa weil die Unterlagen für eine möglicherweise gebotene Gesamtstrafenbildung nicht vollständig vorliegen - ohne daß dies auf unzureichender Terminsvorbereitung beruht - und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde (BGHSt - GS - 12, 1 [10]; BGHSt 23, 98 [99], mit Anmerkung Küper, MDR 1970, 885; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 2; BGH NJW 1997, 2892 [2893]; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. § 55 Rdn. 48; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34).
Enthalten die Urteilsgründe keine erschöpfenden Ausführungen zu den Vorverurteilungen, deren Einbeziehung in die Gesamtstrafe im Grundsatz gemäß § 55 StGB zu prüfen gewesen wäre, ohne ausdrücklich mitzuteilen, weshalb die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen werden konnten, so liegt darin kein Erörterungsmangel. Wie sogar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durch Schweigen verneint werden kann (BGH, Urteil vom 2. Februar 1993 - 1 StR 862/92 - m.w.N.), so ist bei fehlenden oder nicht vollständigen Darlegungen zu den Voraussetzungen einer in Betracht kommenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung grundsätzlich davon auszugehen, daß dem erkennenden Gericht die notwendigen Unterlagen zu den Vorverurteilungen und zu deren Vollstreckung nicht zugänglich waren, und daß das Gericht deshalb die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu Recht dem Beschlußverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO überlassen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Juni 1997 - 5 StR 269/97 -). Soll anderes geltend gemacht werden, so wird dies einer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu begründenden Verfahrensrüge bedürfen (so schon OLG Hamm NJW 1970, 1200, mit Anmerkung Küper, NJW 1970, 1559). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.