Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 7 3 / 1 4
vom
16. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. September 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 26. März 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernten der Angeklagte und die Nichtrevidentin in den frühen Morgenstunden des 14. April 2012 den später geschädigten J. kennen und konsumierten gemeinsam in dessen Wohnung Alkohol, möglicherweise auch Amphetamin. Während einer kurzen Ab- wesenheit des Gastgebers fassten sie aufgrund einer entsprechenden Idee der Nichtrevidentin gemeinsam den Entschluss, diesem dessen Notebook zu entwenden. Die Nichtrevidentin wollte das Gerät als Ersatz für ihren eigenen, defekten Computer nutzen. Sie nahm das Notebook an sich und steckte es samt Ladekabeln in einen Jute-Beutel. Als sie und der Angeklagte die Wohnung des Geschädigten verlassen wollten, stellte dieser sie im Wohnungsflur und näherte sich der Nichtrevidentin, um dieser den Computer wieder abzunehmen. Um "den einmal erlangten Gewahrsam" an dem Notebook nicht wieder zu verlieren, entschloss sich der Angeklagte, die erstrebte Rückerlangung des Notebooks durch Anwendung körperlicher Gewalt zu verhindern. Hierzu versetzte der Angeklagte dem Geschädigten in der Folgezeit mehrere Faustschläge und brachte ihn wiederholt zu Boden, wobei sich der Ort des Geschehens verlagerte, da der Geschädigte der Nichtrevidentin, die ihrerseits mehrfach auf ihn einschlug, und dem Angeklagten immer wieder nacheilte. Zuletzt versetzte dieser dem Geschädigten ohne Wissen der Nichtrevidentin mehrere Schläge mit einem Ast gegen Körper und Kopf.
3
2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte als Mittäter des besonders schweren räuberischen Diebstahls (§§ 252, 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat.
4
a) Allerdings hat das Landgericht zu Recht auf § 252 StGB und nicht auf § 249 StGB abgestellt. Denn der Diebstahl war zum Zeitpunkt der ersten Gewaltanwendung bereits vollendet (hierzu BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 3 StR 180/10, NStZ 2011, 36, 37). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - 3 StR 182/08, NStZ 2008, 624, 625 mwN). Hiervon ausgehend genügt es bei handlichen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung oder in einem seinerseits leicht zu transportierenden Behältnis verbirgt. Das Verlassen des grundsätzlichen Herrschaftsbereichs des Geschädigten ist keine Voraussetzung für die Vollendung der Wegnahme (BGH, Urteil vom 6. November 1974 - 3 StR 200/74, BGHSt 26, 24, 25 f.). Danach war vorliegend - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - der Diebstahl durch das Einstecken des Notebooks in den mitgeführten Jute-Beutel vollendet.
5
b) Indes kann nach allgemeiner Ansicht - bei Unterschieden im Einzelnen (umfassend Weigend, GA 2007, 274) - Täter des § 252 StGB nicht derjenige sein, der weder selbst im Besitz der entwendeten Sache ist (vgl. zum Gehilfen BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 250; hiergegen LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 252 Rn. 14 ff.), noch am Diebstahl mittäterschaftlich beteiligt war. Dies folgt aus der von § 252 StGB verlangten Besitzerhaltungsabsicht. Der Angeklagte erfüllte indes keine der die Täterschaft begründenden Voraussetzungen. Besitz am Notebook hatte die Nichtrevidentin. Dieser kann dem Angeklagten nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Denn die Annahme des Landgerichts von Mittäterschaft bei Begehung des Diebstahls wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Einfügung der Drittzueignungsabsicht durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) hat zwar den Anwendungsbereich der Mittäterschaft aus- gedehnt, die allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Täterschaft und Teilnahme in diesem Bereich jedoch nicht außer Kraft gesetzt. Voraussetzung ist weiterhin die gemeinsame Beherrschung des Tatgeschehens aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses (Weigend aaO, 281). Nach den Feststellungen fehlte es jedoch an jeglichem Einfluss des Angeklagten auf das Geschehen der Wegnahme: diese war eine Idee der Nichtrevidentin, die allein handelte und die allein Nutzen aus der Tat ziehen sollte. Auch der festgestellte, allerdings nicht weiter erläuterte gemeinsame Tatentschluss vermag vor diesem Hintergrund Mittäterschaft nicht zu begründen.
6
3. Die deshalb gebotene Aufhebung des Urteils umfasst auch die in Tateinheit zum räuberischen Diebstahl stehende, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellte gefährliche Körperverletzung (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Eine Schuldspruchberichtigung kommt nicht inBetracht.
Der Senat schließt nicht aus, dass in einer weiteren Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen täterschaftlicher Beteiligung des Angeklagten an einem räuberischen Diebstahl zu tragen vermögen.
Becker Pfister RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Gericke

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafgesetzbuch - StGB | § 252 Räuberischer Diebstahl


Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2008 - 3 StR 182/08

bei uns veröffentlicht am 26.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 182/08 vom 26. Juni 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2010 - 3 StR 180/10

bei uns veröffentlicht am 06.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 180/10 vom 6. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. au
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2014 - 3 StR 373/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. März 2019 - 5 StR 593/18

bei uns veröffentlicht am 06.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 593/18 vom 6. März 2019 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:060319U5STR593.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. März 2019, an

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2019 - 3 StR 342/19

bei uns veröffentlicht am 13.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 342/19 vom 13. November 2019 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes ECLI:DE:BGH:2019:131119B3STR342.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nac

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2019 - 1 StR 386/19

bei uns veröffentlicht am 13.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 386/19 vom 13. November 2019 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2019:131119B1STR386.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Bes

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2018 - 1 StR 79/18

bei uns veröffentlicht am 26.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 79/18 vom 26. Juni 2018 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls ECLI:DE:BGH:2018:260618U1STR79.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2018, an der teilg

Referenzen

Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 180/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Dezember 2009, soweit es ihn betrifft, - im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe der Unterschlagung und der Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig ist, - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung , Raubes in zwei Fällen, räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung , Erpressung, Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung "unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hannover" vom 4. Juni 2009 "unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtsstrafe" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls (in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung) im Fall II. 3. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte den Zeugen S. , ihm sein Mobiltelefon zu zeigen. Er nahm ihm dieses sodann aus der Hand und verlangte für die Rückgabe 20 €. Dabei kam es ihm "nicht auf das Handy, sondern auf das Geld" an. Der Zeuge lehnte jedoch eine Zahlung ab (insoweit Fall II. 2. der Urteilsgründe). Hierauf fasste der Angeklagte den Entschluss , das Mobiltelefon zu behalten und für eigene Zwecke zu verwenden. Nach Entnahme der SIM-Karte, die er dem Zeugen aushändigte, steckte er es in seine Tasche und entfernte sich. Der Zeuge folgte ihm und forderte sein Eigentum zurück. "Um sich im Besitz des gestohlenen Handys zu halten", schlug der Angeklagte dem Zeugen daraufhin mit der flachen Hand ins Gesicht und drohte ihm mit Schlägen für den Fall, dass er ihm weiter hinterher ginge. Dem fügte sich der Zeuge.
4
b) Räuberischer Diebstahl setzt nach § 252 StGB als Vortat eine von Zueignungsabsicht getragene vollendete Wegnahme - den Bruch fremden und die Begründung neuen eigenen Gewahrsams - voraus (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 252 Rn. 3 f.). Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es ist indes der Auf- fassung, dass der Angeklagte, als er dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand genommen habe, dessen Gewahrsam nur gelockert habe; gebrochen habe er ihn erst, als er dieses, nunmehr in Zueignungsabsicht, eingesteckt und sich damit entfernt habe. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Der Täter bricht fremden und begründet neuen eigenen Gewahrsam dann, wenn er unter Ausschluss des Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Bei handlichen und leicht zu bewegenden Gegenständen genügt hierfür ein bloßes Ergreifen und Festhalten jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seine ungehinderte Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Täters und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen könnte (BGH NStZ 2008, 624, 625 mwN). Nach diesen Maßstäben war die Wegnahme bereits vollendet, als der Angeklagte dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand nahm, denn um die ungehinderte eigene Verfügungsgewalt wiederzuerlangen hätte der Zeuge es ihm gegen dessen Widerstand entwinden müssen. Der Wille des Angeklagten, den Zugriff des Zeugen hierauf auszuschließen, ergibt sich schon daraus, dass ihm der Sachentzug als Mittel zur Durchsetzung seiner unberechtigten Geldforderung dienen sollte.
5
Da der Angeklagte somit die Absicht, sich das Mobiltelefon zuzueignen, erst fasste (und nach außen kundtat), nachdem er eigenen Gewahrsam begründet hatte, erfüllt sein Verhalten den Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB); tatmehrheitlich treten vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) hinzu. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
6
2. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Zutreffend hat das Landgericht die Gesamtstrafenfähigkeit der hier verwirkten Einzelstrafen mit denen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 4. Juni 2009 und des Amtsgerichts Hannover vom 23. Februar 2009 angenommen. Zwar hatte das Landgericht Hannover seinerseits die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover einbezogen. Dies macht es jedoch nicht entbehrlich, auch in der Urteilsformel die Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 4. Juni 2009 und des Amtsgerichts Hannover vom 23. Februar 2009 - unter Auflösung der jeweils gebildeten Gesamtstrafen - zum Ausdruck zu bringen.
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 182/08
vom
26. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 2. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Bedrohung verurteilt worden ist;
b) im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen schweren Raubes, und die des Angeklagten, der mit der allgemeinen Sachrüge einen Freispruch anstrebt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg, das des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte hatte vor geraumer Zeit seinen Laptop zur Reparatur in das Computerfachgeschäft des Geschädigten, des Zeugen M. , gebracht. Am Tattag erschien er erneut in dem Ladenlokal. Zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen kam es alsbald zu einem Wortgefecht und der Aufforderung des sehr impulsiven Angeklagten, ihm einen neuen Laptop zu geben, da - was nicht zutraf - der Zeuge das Gerät des Angeklagten beschädigt habe. Daraufhin legte der Zeuge M. den Laptop des Angeklagten auf den Verkaufstresen und forderte ihn auf, das Geschäft zu verlassen. Der Angeklagte nahm ein auf dem Tresen liegendes kleines Messer an sich und hielt es dem Geschädigten kurz an den Bauch. Nachdem der Angeklagte wieder vom Zeugen abgelassen hatte, nahm er einen IBM-Laptop zum Verkaufspreis von 899 Euro aus einem Regal und verließ damit das Ladenlokal. Der Zeuge M. folgte ihm sogleich nach und ergriff, als er den Angeklagten auf dem Gehweg erreicht hatte, das Notebook, um es dem Angeklagten wieder zu entwinden. Dieser versetzte dem Zeugen nunmehr einen Stoß mit dem Kopf, wodurch dieser eine blutende Platzwunde an der Oberlippe erlitt. Das Gezerre um das Notebook setzte sich fort, bis der Angeklagte davon abließ, weil er sein Interesse daran verloren hatte und sich entfernte.
4
2. Das Landgericht hat die Handlungen des Angeklagten lediglich als Bedrohung und als Körperverletzung gewertet. Wegen eines Wegnahmedeliktes hat es den Angeklagten nicht verurteilt, da ein solches nicht vollendet sondern nur versucht worden und der Angeklagte von einem Versuch strafbefreiend zurückgetreten sei.

II.

5
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils.
6
1. Das Landgericht hat seiner Prüfung, ob die Wegnahme des Laptops vollendet war, als der Angeklagte von dem Gegenstand abließ, einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt. Die Annahme, die Wegnahmehandlung sei nicht vollendet gewesen, hält deshalb rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Nach der Rechtsprechung ist die zur Vollendung des Diebstahls führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt 16, 271, 273 ff.) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (Fischer, StGB 55. Aufl. § 242 Rdn. 17 m. w. N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens (BGHSt 23, 254, 255). Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus.
8
Hiervon ausgehend lässt die Rechtsprechung bei handlichen und leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen des Gegenstands als Wegnahmehandlung genügen und weist in Fällen, in denen der Täter einen leicht zu transportierenden Gegenstand an sich gebracht hat, einer Person jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft zu, wenn sie den umschlossenen Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hat (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1967, 896; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 1; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140, 141; Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 42). Daran ändert auch grundsätzlich die Beobachtung des auf frischer Tat betroffenen Täters nichts, da der Diebstahl keine heimliche Tat ist. Die Entdeckung des Täters gibt vielmehr nur die Möglichkeit , ihm die Sache wieder abzunehmen (vgl. BGHR StGB aaO).
9
Diese Grundsätze zugrunde gelegt, war die Wegnahme des Laptops jedenfalls spätestens vollendet, nachdem der Angeklagte mit ihm in der Hand das Ladenlokal und damit den Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hatte. Dem steht - anders als dies das Landgericht meint (UA S. 19) - nicht entgegen, dass der Angeklagte den Gegenstand offen wegtrug und nicht am Körper oder in einer mitgeführten Tasche verborgen hatte. Dass der Angeklagte die alleinige tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand hier bereits durch das bloße körperliche Ergreifen und Fortschaffen des Gegenstands erlangt hatte, ergibt sich schon daraus, dass der Ladeninhaber seine Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Angeklagten und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen konnte (vgl. BGH MDR aaO). Die Verteidigung seines Besitzes durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber erfuhr durch das Fortschaffen des Gegenstands aus seinem Herrschaftsbereich eine zusätzliche Erschwernis. Dem Umstand, dass es dem Angeklagten lediglich gelungen war, sich mit dem Laptop nur wenige Schritte von dem Ladenlokal zu entfernen, kommt deshalb in einem Fall wie dem vorliegenden keine entscheidende Bedeutung zu.
10
2. Der Rechtsfehler führt auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Obwohl die Feststellungen eine vollendete Wegnahme und damit einen vollendeten Diebstahl tragen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, da auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls nach §§ 252, 249 StGB in Betracht kommt. Insoweit bedarf es jedenfalls zur subjektiven Tatseite weitere Feststellungen. Der Aufhebung unterliegt wegen des nicht ausschließbaren sachlichen Zusammenhangs mit der Wegnahmehandlung auch die Verurteilung des Angeklagten we- gen Bedrohung. Der neue Tatrichter wird deshalb Gelegenheit haben, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt einer Raubtat nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu prüfen.

III.

11
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.
12
Die getroffenen Feststellungen belegen weder das Vorliegen der objektiven noch der subjektiven Voraussetzungen des § 241 Abs. 1 StGB. Entgegen § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO geben die Urteilsgründe nicht die für erwiesen erachteten Tatsachen an, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; eine Subsumtion wird nicht vorgenommen.
13
Das Urteil lässt weder erkennen, mit der Begehung welchen Verbrechens der Angeklagte den Zeugen M. bedroht hat, noch, aus welchen Umständen sich das Landgericht eine Überzeugung von dem Vorsatz des Angeklagten bei dessen Messereinsatz gebildet hat. Das bloße Halten eines kleinen Messers vor den Bauch des Geschädigten kann auch die Bedrohung nur mit einem Vergehen, z. B. einer Körperverletzung sein (vgl. zur subjektiven Seite BGHSt 17, 307 ff.; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 14 m. w. N.). Becker Miebach Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Graf Becker

Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).