Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2010 - 3 StR 180/10

published on 06/07/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2010 - 3 StR 180/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 180/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Dezember 2009, soweit es ihn betrifft, - im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe der Unterschlagung und der Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig ist, - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung , Raubes in zwei Fällen, räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung , Erpressung, Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung "unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hannover" vom 4. Juni 2009 "unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtsstrafe" zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls (in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung) im Fall II. 3. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte den Zeugen S. , ihm sein Mobiltelefon zu zeigen. Er nahm ihm dieses sodann aus der Hand und verlangte für die Rückgabe 20 €. Dabei kam es ihm "nicht auf das Handy, sondern auf das Geld" an. Der Zeuge lehnte jedoch eine Zahlung ab (insoweit Fall II. 2. der Urteilsgründe). Hierauf fasste der Angeklagte den Entschluss , das Mobiltelefon zu behalten und für eigene Zwecke zu verwenden. Nach Entnahme der SIM-Karte, die er dem Zeugen aushändigte, steckte er es in seine Tasche und entfernte sich. Der Zeuge folgte ihm und forderte sein Eigentum zurück. "Um sich im Besitz des gestohlenen Handys zu halten", schlug der Angeklagte dem Zeugen daraufhin mit der flachen Hand ins Gesicht und drohte ihm mit Schlägen für den Fall, dass er ihm weiter hinterher ginge. Dem fügte sich der Zeuge.
4
b) Räuberischer Diebstahl setzt nach § 252 StGB als Vortat eine von Zueignungsabsicht getragene vollendete Wegnahme - den Bruch fremden und die Begründung neuen eigenen Gewahrsams - voraus (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 252 Rn. 3 f.). Dies hat das Landgericht nicht verkannt. Es ist indes der Auf- fassung, dass der Angeklagte, als er dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand genommen habe, dessen Gewahrsam nur gelockert habe; gebrochen habe er ihn erst, als er dieses, nunmehr in Zueignungsabsicht, eingesteckt und sich damit entfernt habe. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Der Täter bricht fremden und begründet neuen eigenen Gewahrsam dann, wenn er unter Ausschluss des Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Bei handlichen und leicht zu bewegenden Gegenständen genügt hierfür ein bloßes Ergreifen und Festhalten jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seine ungehinderte Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Täters und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen könnte (BGH NStZ 2008, 624, 625 mwN). Nach diesen Maßstäben war die Wegnahme bereits vollendet, als der Angeklagte dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand nahm, denn um die ungehinderte eigene Verfügungsgewalt wiederzuerlangen hätte der Zeuge es ihm gegen dessen Widerstand entwinden müssen. Der Wille des Angeklagten, den Zugriff des Zeugen hierauf auszuschließen, ergibt sich schon daraus, dass ihm der Sachentzug als Mittel zur Durchsetzung seiner unberechtigten Geldforderung dienen sollte.
5
Da der Angeklagte somit die Absicht, sich das Mobiltelefon zuzueignen, erst fasste (und nach außen kundtat), nachdem er eigenen Gewahrsam begründet hatte, erfüllt sein Verhalten den Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB); tatmehrheitlich treten vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) hinzu. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
6
2. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Zutreffend hat das Landgericht die Gesamtstrafenfähigkeit der hier verwirkten Einzelstrafen mit denen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 4. Juni 2009 und des Amtsgerichts Hannover vom 23. Februar 2009 angenommen. Zwar hatte das Landgericht Hannover seinerseits die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover einbezogen. Dies macht es jedoch nicht entbehrlich, auch in der Urteilsformel die Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 4. Juni 2009 und des Amtsgerichts Hannover vom 23. Februar 2009 - unter Auflösung der jeweils gebildeten Gesamtstrafen - zum Ausdruck zu bringen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.