Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 3 StR 370/11

bei uns veröffentlicht am10.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 370/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. Januar 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2011 aufgehoben
a) im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten),
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung, und wegen Beleidigung Geldstrafen verhängt und ihn unter Einbeziehung zweier Einzelstrafen aus einem Urteil vom 12. Januar 2010 zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Weiter hat es gegen ihn wegen schwerer Brandstiftung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei Fällen auf eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Bildung der ersten Gesamtstrafe ist rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hätte nach Auflösung der im Urteil vom 12. Januar 2010 verhängten Gesamtstrafe nur die Einzelstrafe für die zweite, nicht auch die für die erste dort abgeurteilte Tat einbeziehen dürfen.
3
Dem Urteil vom 12. Januar 2010 gingen Vorverurteilungen vom 9. Februar 2009 und 16. April 2009 voraus, wobei die Verurteilung vom 16. April 2009 - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend zu entnehmen - Taten vor dem 9. Februar 2009 betraf. Zwar entfaltete das Urteil vom 12. Januar 2010, das Taten vom 25. Oktober 2008 und 21. Februar 2009 zum Gegenstand hatte, damit Zäsurwirkung für die Taten II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe (Tatzeitraum Mai bis Dezember 2009), weil die am 21. Februar 2009 verübte Tat am 9. Februar 2009 noch nicht berücksichtigt werden konnte und der Vorverurteilung vom 16. April 2009 im Hinblick auf die Tat vom 21. Februar 2009 keine Zäsurwirkung zukam (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193; Beschluss vom 24. Oktober 2002 - 4 StR 332/02, NStZ 2003, 200, 201). In die im angefochtenen Urteil gebildete (erste) Gesamtstrafe hätte aber die am 12. Januar 2010 verhängte Einzelstrafe für die Tat vom 25. Oktober 2008 nicht einbezogen wer- den dürfen, weil diese Tat schon am 9. Februar 2009 hätte abgeurteilt werden können. Dass in dem Urteil vom 12. Januar 2010 auf der Grundlage des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Bildung einer Gesamtstrafe mit der früheren Verurteilung vom 9. Februar 2009 abgesehen worden ist, ändert an der Zäsurwirkung der Vorverurteilung vom 9. Februar 2009 hinsichtlich der Tat vom 25. Oktober 2008 nichts (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 194; Urteil vom 12. August 1998 - 3 StR 537/97, BGHSt 44, 179, 184).
4
Durch die rechtsfehlerhafte Bildung der ersten Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert, weil eine im Urteil vom 12. Januar 2010 noch zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe unter Wegfall der Vergünstigung nach § 56 Abs. 1 StGB einbezogen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 1990 - 1 StR 273/90, juris). Das Urteil muss deshalb im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe aufgehoben werden, wobei der neue Tatrichter zu beachten haben wird, dass wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 StPO die neu zu verhängende Gesamtstrafe nur so hoch bemessen werden darf, dass sie zusammen mit der für die Tat vom 25. Oktober 2008 verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten die im angefochtenen Urteil festgesetzte erste Gesamtstrafe von sieben Monaten Freiheitsstrafe nicht übersteigt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 2 StR 513/90, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 4). Bei der Zäsurwirkung als solcher bleibt es ohne Rücksicht auf einen etwaigen zwischenzeitlichen Erlass der am 12. Januar 2010 verhängten Strafe, weil die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung zu bilden ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 4; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 55 Rn. 37 mwN). Die Feststellungen sind durch den Rechtsfehler bei der Bildung der ersten Gesamtstrafe nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
5
2. Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Das Landgericht hat sachverständig beraten ausgeführt, bei dem Angeklagten lägen die "typischen Symptome einer paranoiden Persönlichkeitsstörung" vor, und dies mit dem "Verschenken einer Erbschaft" in den siebziger Jahren aus Verärgerung über die Veranlagung zur Erbschaftsteuer, der Eheschließung im Jahr 1989 allein zum Zwecke der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile , dem Verfassen von "insgesamt über 100 Schreiben an Gerichte und Behörden" und negative Äußerungen über eine Nachbarin und einen Polizeibeamten im Zusammenhang mit gegen ihn geführten polizeilichen Ermittlungen begründet. "Spätestens ab dem Jahr 2009" sei "der Alltag des Angeklagten (neben der Behandlung seiner körperlichen Leiden) durch den Kampf gegen das von ihm empfundene Unrecht und gegen eine - aus seiner Sicht - ihn 'terrorisierende Umwelt' bestimmt" gewesen. Es hat aus diesen Umständen auf eine "Einengung der Lebensführung" und eine "Stereotypisierung des Verhaltens" des Angeklagten, der "unflexible, unangepasste und paranoide Denkstile" zeige , geschlossen und angesichts "der gesamten vom Sachverständigen ausgeführten Umstände und der anderen hier zu Tage getretenen Tatsachen", insbesondere der "besonders starken Zuspitzung" wegen des mit einer "Inhaftierung zusammenhängenden Gesamtszenarios", im Hinblick auf die schwere Brandstiftung die Voraussetzungen des § 63 StGB bejaht.
7
b) Diese Erwägungen belegen schon nicht, dass der Angeklagte die schwere Brandstiftung aufgrund des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat. Ob eine paranoide Persönlichkeitsstörung als schwere andere seelische Abartigkeit qualifiziert werden kann, hängt - wie vom Landgericht grundsätzlich zutreffend gesehen - davon ab, ob es im Alltag des Täters zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen Handlungsvermögens gekommen ist und die Persönlichkeitsstörung sein Leben vergleichbar nachhaltig und mit ähnlichen Folgen belastet oder einengt wie eine krankhafte seelische Störung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2000 - 2 StR 278/00, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 35). Einschränkungen des Alltags des Angeklagten dieses Umfangs hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Die von ihm für eine Einengung des sozialen Handlungsvermögens konkret herangezogenen Umstände beziehen sich zum Teil auf lange zurückliegende Vorgänge. Sie lassen sich überdies - auch, soweit sie das Verfassen zahlreicher Schreiben an Gerichte und Behörden betreffen - innerhalb der Bandbreite "normalen" menschlichen Verhaltens erklären, zumal sich das Landgericht, was gegen seine Annahme eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 27; st. Rspr.) spricht, bei den sonstigen Taten nicht sicher von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit hat überzeugen können. Seine Ausführungen zur "Einengung der Lebensführung" , zur "Stereotypisierung des Verhaltens" und zu unflexiblen, unangepassten und paranoiden Denkstilen nehmen das Ergebnis vorweg, ohne die tatsächlichen Voraussetzungen einer Persönlichkeitsstörung in dem nach §§ 20, 21 StGB erforderlichen Schweregrad nachvollziehbar zu belegen.
8
c) Im Übrigen hat das Landgericht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades , dass der Angeklagte infolge eines nach § 63 StGB relevanten Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 3 StR 385/10, R&P 2011, 30, 31 mwN), nicht rechtsfehlerfrei belegt. Es hat seine Gefährlichkeitsprognose allein an die schwere Brandstiftung geknüpft, weil es weitere rechtswidrige Taten eines die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigenden Schweregrades nicht festgestellt hat. Die Tatumstände der schweren Brandstiftung - Sorge des Angeklagten um seine Habe aus Anlass seiner bevorstehenden Inhaftierung - waren indessen besondere, für deren Wiederholung außer der bloßen Möglichkeit, dass der Angeklagte künftig erneut zum Haftantritt geladen werden könnte, nichts spricht und die damit eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für vergleichbar gewichtige Rechtsbrüche nicht ergeben. Im Gegenteil legen sie eine Gelegenheits- oder Konflikttat nahe, die eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 3 StR 148/91, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 15; Beschluss vom 1. September 1998 - 4 StR 367/98).
9
d) Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus muss daher - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - aufgrund neu zu treffender Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) erneut geprüft und entschieden werden.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

5 StR 459/09
(alt: 5 StR 74/09)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. ,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sc.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt A.
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. Juni 2009 im Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten B. dahin abgeändert, dass dieser Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 14. März 2006 – 21 Ls 57/05 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird; die Anrechnung eines Teils der Strafe als vollstreckt entfällt.
Es verbleibt bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Wegen einer schon 2004 gemeinsam mit der bisherigen Mitangeklagten begangenen Tatserie betrügerischer Arbeitsvermittlung war der Angeklagte B. vom Landgericht Potsdam am 22. August 2008 wegen Betruges in 29 Fällen verurteilt worden. Der Schuldspruch ist nach dem Beschluss des Senats vom 26. März 2009 – 5 StR 74/09 – rechtskräftig. Der Strafausspruch – drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung zweier anderweitig rechtskräftig verhängter Strafen – hatte hingegen keinen Bestand. Der Senat hatte den gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten wegen mehrfach unzulänglich begründeter nachträglicher Gesamtstrafbildung und unzureichender Reaktion auf rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Reduzierung der 29 Einzelfreiheitsstrafen um jeweils einen Monat auf je sieben Monate ohne Einbeziehung weiterer Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung von einem Jahr und drei Monaten Dauer zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Die gegen die erneute Gesamtstrafbildung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
2
Die Beschwerdeführerin beanstandet zutreffend, dass das Landgericht , das die andere vormals einbezogene, indes schon vor dem ersten Urteil erledigte Geldstrafe zu Recht nicht mehr in die Gesamtstrafe einbezogen hat, auch mit der am 14. März 2006 gegen den Angeklagten unter anderem wegen Meineides verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten keine nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet hat. Der Erlass jener Strafe im Mai 2009 hinderte dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Er erfolgte nämlich nach dem ersten Urteil in dieser Sache. Dieser Zeitpunkt ist für die Frage der Erledigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB allein maßgeblich. Anders als das Landgericht meint, soll der Angeklagte hierdurch in weitestgehend möglicher Weise so gestellt werden, wie er bei einheitlicher Aburteilung sämtlicher zuvor begangener Straftaten zum Zeitpunkt der ersten zäsurbegründenden Verurteilung gestanden hätte. Dabei soll nicht nur, worauf das Landgericht allein abstellen möchte, eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angeklagten vermieden werden, sondern er soll hierdurch auch nicht bevorzugt werden. Dies gebietet nach verbindlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die vorliegende Fallkonstellation (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 2; BGH NStZ 1982, 377 m.w.N.) die Einbeziehung einer nach dem maßgeblichen ersten Urteil erlassenen Bewährungsstrafe.
3
In dieser Sache ist nunmehr wiederholt im Revisionsrechtszug die Anwendung der überaus kompliziert ausgestalteten Regeln über die nachträgliche Gesamtstrafbildung zu beanstanden. Die Regeln sind schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Juli 2000 – 5 StR 280/00). Auch grundlegend abweichende Anwendungssysteme (vgl. Wilhelm NStZ 2008, 425) sind ihrerseits überaus kompliziert. Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hält es der Senat zur unbedingt gebotenen Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung für unerlässlich, eine eigene abschließende Rechtsfolgenentscheidung zu treffen. Nach den besonderen Gegebenheiten des Falles erscheint letztlich auch nurmehr eine bestimmte Sanktionierung allein angemessen (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
4
Dies ist auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen , des großen zeitlichen Abstands zur Tatbegehung, bei welcher der Angeklagte B. unbestraft war, und des Umstands des bereits eingetretenen Ablaufs der Bewährungszeit für die einzubeziehende Strafe (Erlassreife) bei der maßgeblichen ersten Verurteilung, dem, wie im genannten ersten Beschluss des Senats in dieser Sache (m.w.N.) hervorgehoben, besondere gesamtstrafmindernde Wirkung zukommt, – auch unter Berücksichtigung der gegen die Mitangeklagte verhängten Bewährungsstrafe – eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Da der Angeklagte ein solches Ergebnis letztlich maßgeblich infolge der eingetretenen Verfahrensverzögerung erreicht, kommt dabei allerdings eine besondere weitere Kompensation für die nunmehr rechtsfehlerfrei festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht in Betracht; nichts anderes könnte auch für eine etwa mögliche Anrechnung von Bewährungsleistungen in der einbezogenen Sache gelten.
5
Die nach der Durchentscheidung ausstehenden Bewährungsfolgeentscheidungen (§ 268a StPO) obliegen dem Landgericht. Die Kostenentscheidung , die, wie im angefochtenen Urteil tenoriert, dem erreichten Teilerfolg der Revision des Angeklagten gegen das erste Urteil Rechnung trägt und den Erfolg der neuen staatsanwaltlichen Revision dem Angeklagten über die ihm auferlegten Verfahrenskosten anlastet, ergibt sich aus den Grundsätzen von BGHSt 19, 226.
Basdorf Raum Schaal Schneider König

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 278/00
vom
26. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Juli 2000 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 27. März 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Angeklagte rügt mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe alle Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen , da er an einer Persönlichkeitsstörung, die die Kriterien einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfülle, leide. Diese Bewertung leitet es aus folgenden Merkmalen und Wesenszügen des Angeklagten her:
Es handele sich um eine Person mit einem niedrigen Selbstwertgefühl, mit einer stark ausgeprägten Angst vor einem Versagen im Berufs- und Familienleben (die bereits im Grenzbereich einer neurotischen Störung anzusiedeln sei), mit einem permanenten Gefühl der Überforderung und mit einer stark ausgeprägten inneren Verletzlichkeit. Hinzu komme eine psychosexuelle Retardierung mit einer deutlichen Neigung zu sexuellen Handlungen an Kindern unter 14 Jahren, wie sie sich bereits in Straftaten in den Jahren 1975 und 1984/1985 gezeigt habe, es handele sich aber nicht um eine Pädophilie im engeren Sinne. Sein äußerst geringes Selbstwertgefühl versuche er kurzfristig durch den sexuellen Verkehr mit schwächeren Personen, nämlich Kindern, zu kompensieren. In der Gesamtschau ergäben die festgestellten Faktoren eine Persönlichkeitsstörung, die, obwohl sie sich einer klaren Einordnung etwa in das Schema des DSM IV entziehe, trotzdem die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) erfülle.
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Diagnose ”Persönlichkeitsstörung” läßt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu. Es bedarf einer Gesamtschau, ob die Störungen beim Täter in ihrer Gesamtheit sein Leben
vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen. Art und Schweregrad der Störung müssen auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewertet werden, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten nach der Tat von Bedeutung sind (st. Rspr. vgl. BGHSt 37, 397, 401; BGH NStZ 1997, 485; BGH, Beschl. v. 18. Januar 2000 – 4 StR 583/99, v. 3. Mai 2000 – 2 StR 629/99 und v. 9. Mai 2000 - 4 StR 59/00). In Betracht zu ziehen ist auch, ob es sich bei der "Persönlichkeitsstörung" letztlich nicht nur um Eigenschaften und Verhaltensweisen handelt, die sich innerhalb der Bandbreite voll schuldfähiger Menschen bewegen und übliche Ursachen für strafbares Verhalten sind (vgl. BGHSt 42, 385, 388).
Die Persönlichkeit des Angeklagten weist zwar psychische Auffälligkeiten auf, die sich auch in seinen Straftaten widerspiegeln. Der Sachverständige vermochte diese Auffälligkeiten aber nicht einmal in das Schema DSM IV einzuordnen. Störungen, deren Wertung als "schwer" i.S. der §§ 20, 21 StGB auf der Hand liegt, sind bei dem Angeklagten daher offensichtlich nicht gegeben. Der Sachverständige meint deshalb auch, eine solche Würdigung folge aus einer Gesamtbetrachtung des Zustandes des Angeklagten. Das ist indessen nicht mit Tatsachen belegt. Wenn aus psychiatrischer Sicht lediglich ein diffuses , nicht näher bestimmbares Beschwerdebild vorliegt, bedarf es zur Würdigung des Gewichts solcher Auffälligkeiten in besonderem Maße der Feststellung ihrer Auswirkungen auf das Leben des Täters und auf die Tat; diese Feststellungen sind im Urteil mitzuteilen. Dieses teilt hierzu neben finanziellen und ehelichen Alltagsproblemen des Angeklagten aber lediglich die - teilweise lange zurückliegenden - einschlägigen Straftaten mit, die es nicht als Ausdruck
einer sexuellen Deviation betrachtet. Damit verbleibt aber im wesentlichen nur der Umstand, daß der Angeklagte rückfällig geworden ist. Das ist, für sich genommen , nicht geeignet, eine schwere seelische Abartigkeit darzutun.
2. Da die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht ausreichend festgestellt sind, kann die Unterbringungsanordnung keinen Bestand haben. Dieser Rechtsfehler führt hier auch zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Die rechtsfehlerhafte Annahme von § 21 StGB beschwert zwar im Bereich der eigentlichen Strafzumessung einen Angeklagten grundsätzlich nicht (vgl. Beschluß des Senats vom 10. Juni 1998 – 2 StR 215/98; BGH, Urt. v. 6. Januar 1998 – 5 StR 446/97, insoweit in BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 32 - Triebstörung nicht abgedruckt).
Die zu den Voraussetzungen des § 21 StGB neu zu treffenden Feststellungen betreffen hier aber sowohl den Straf- wie auch den weiteren Rechtsfolgenausspruch. Der Senat hielt deshalb die Aufhebung der - sehr milden - Einzelstrafen und der an sich in ihrer Höhe dem Gesamtgeschehen gerecht wer-
denden Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen für angebracht. Der neue Tatrichter hat damit die Möglichkeit, die zu verhängenden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe umfassend aufeinander abzustimmen.
Jähnke Detter Bode RiBGH Rothfuß ist infolge Urlaubs verhindert , seine Unterschrift beizufügen. Jähnke Hebenstreit

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 385/10
vom
23. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
23. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 11. Juni 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Anlasstat im Zustand (erheb- lich) verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB begangen hat und bei ihm auch die weitere Anordnungsvoraussetzung eines länger dauernden Zustands im Sinne von § 63 StGB gegeben ist. Indes hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat.
3
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die eine außerordentlich beschwerende Maßnahme darstellt, darf nur angeordnet werden , wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 3 StR 27/09, NStZRR 2009, 169 mwN; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 63 Rn. 14 f.). Diese Voraussetzungen hat das sachverständig beratene Landgericht zwar bejaht. Das angefochtene Urteil genügt aber den Anforderungen nicht, die an die Begründung dieser Bewertung zu stellen sind.
4
Soweit das Landgericht von einem hohen Risiko der Begehung weiterer ähnlicher Delikte wie den früheren Taten des Angeklagten ausgeht, bleibt offen, auf welche strafbare Handlungen des Angeklagten in der Vergangenheit sich diese Annahme bezieht und welchen Vortaten das Landgericht einen Symptomwert für seine Prognose beimisst. Dies kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Zahlreiche Voreintragungen des Angeklagten im Bundeszentralregister weisen nur niedrige Geldstrafen aus, denen ganz unterschiedliche Vergehen und ersichtlich keine Aggressionsdelikte zugrunde liegen. Nur in wenigen Fällen ist der Angeklagte für Taten bestraft worden, die (auch) aggressives Verhalten zum Gegenstand haben könnten (z. B. Sachbeschädigung, Raub, Bedrohung). Dies kann indes schon deshalb nicht zuverlässig beurteilt werden, weil das Urteil die den in Betracht kommenden Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalte in keinem Fall mitteilt. Wegen Körperverletzung ist der Angeklagte bisher nicht vorbestraft. Deshalb ist auch die Annahme des Landgerichts nicht hinreichend belegt , es bestehe ein hohes Risiko weiterer Delikte wie der Anlasstat und ähnliche aggressive Impulshandlungen seien bei dem Angeklagten krankheitsbedingt auch in Zukunft zu erwarten. Hinzu kommt, dass die gegenständliche Tat im Rahmen einer persönlichen Beziehung der Geschädigten mit dem Angeklagten geschehen ist und von diesem aus Eifersucht auf einen früheren Partner der Geschädigten begangen wurde. Auch damit hat sich das Landgericht bei der Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit des Angeklagten nicht erkennbar auseinandergesetzt (vgl. MünchKommStGB/van Gemmeren, § 63 Rn. 43).
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die dargestellten Rechtsfehler zum Maßregelausspruch zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf daher zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus neuer Verhandlung und Entscheidung. Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils bleiben von den aufgezeigten rechtlichen Mängeln unberührt und können deshalb bestehen bleiben.
6
Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die Erwartung autodestruktiver Handlungen, wie sie nach den bisherigen Feststellungen beim Angeklagten besteht, bei der Beurteilung seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit keine Rolle spielen kann.

Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.