Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2016 - 3 StR 311/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:051016B3STR311.16.0
bei uns veröffentlicht am05.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 311/16
vom
5. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:051016B3STR311.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 2. Mai 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtmittel ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. August 2016 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
2
1. Der Angeklagte hat seine Revision mit Schreiben vom 13. September 2016 nicht wirksam zurückgenommen. Die Rücknahme einer Revision muss eindeutig und zweifelsfrei erklärt werden, um Wirksamkeit zu erlangen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. August 2016 - 1 StR 380/16, juris Rn. 2; vom 3. November 2011 - 2 StR 353/11, juris Rn. 3; LR/Jesse, StPO, 26. Aufl., § 302 Rn. 21; KK-Paul, StPO, 7. Aufl., § 302 Rn. 11). Als Prozesshandlung ist sie bedingungsfeindlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1953 - 3 StR 435/53, BGHSt 5, 183; Beschluss vom 27. April 2001 - 3 StR 502/99, bei Becker, NStZRR 2002, 97, 101 (Nr. 43)). Die von dem Angeklagten abgegebene Erklärung, die Revision zurückzuziehen, jedoch mit der Bitte, dass er in Therapie gehen kann, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Denn es bleibt auch nach Auslegung dieser Erklärung zweifelhaft, ob die Revision nur unter der Bedingung einer Therapiebewilligung zurückgenommen oder ob die Rücknahme unabhängig von einer Therapiebewilligung und damit unbedingt erklärt werden sollte.
3
2. Das Landgericht hat die Anwendung des § 31 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BtMG rechtsfehlerfrei abgelehnt. Soweit die Revision die Auffassung vertritt, der Angeklagte sei aufgrund seiner Unkenntnis von der Eröffnung des Hauptverfahrens so zu behandeln, als hätte er seine Angaben bereits vor diesem Zeitpunkt gemacht, ist dies nicht zutreffend. Maßgeblich für die Präklusion offenbarten Wissens gemäß § 31 Satz 2 BtMG, § 46b Abs. 3 StGB ist der Zeitpunkt , zu dem der Eröffnungsbeschluss gefasst wird, nicht derjenige, zu dem der Angeklagte Kenntnis von der Eröffnung des Hauptverfahrens erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 1 StR 538/10, StraFo 2011, 61). Zudem hat sich das Tatgericht aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung nicht davon überzeugen können, dass die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung des Zeugen K. an der Tat zutrifft. Eine Anwendung des § 31 BtMG scheidet auch aus diesem Grunde aus (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1982 - 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163,166 f.; vom 18. Juni 2009 - 3 StR 171/09, NStZ-RR 2009, 320, 321; Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 561/08, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 35).
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Der Angeklagte hat die von seinem Verteidiger eingelegte Revision wirksam zurückgenommen. Die erneute Einlegung der Revision ist daher unzulässig. Der Verteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 18. Mai 2016 Revision eingelegt. Der Angeklagte hat mit Schreiben vom 19. Mai 2016 (Bl. 2060 Bd. X d.A.), welches am 25. Mai 2016 beim Landgericht Aschaffenburg eingegangen ist, die Rücknahme der Revision erklärt. Mit Schreiben vom 22. Mai 2016 (Bl. 2065 Bd. X d.A.), eingegangen beim Landgericht Aschaffenburg am 27. Mai 2016, hat er erneut Revision eingelegt. Die Rücknahmeerklärung ('… hiermit ziehe ich den Revisionsantrag zu- rück und nehme die Strafe vom 12.05.16 an.') ist inhaltlich eindeutig. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte - wie von ihm im Schreiben vom 15. Juni 2016 (Bl. 2087 Bd. X d.A.) behauptet - tatsächlich bedingt durch die Einnahme von Medikamenten 'geschäftsunfähig' und 'unzurechnungsfähig' war sowie 'neben sich stand' und dadurch die Bedeutung seiner Erklärung nicht erkannt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Denn es ist für die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme im Hinblick auf den psychischen Zustand ausreichend, dass der Erklärende sich bei Abgabe der Erklärung in einem Zustand geistiger Freiheit und Klarheit befindet, der ihn in die Lage versetzt, die Bedeutung der abgegebenen Erklärung zu erkennen, was sogar durch Geschäftsunfähigkeit oder Schuldfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen wird (BGH, Beschluss vom 19. September 1996 - 1 StR 487/96). Vielmehr sprechen die handschriftliche Abfassung der Rücknahmeerklärung vom 19. Mai 2016 sowie deren gewählte Formulierung dafür, dass der Angeklagte die Bedeutung und die Tragweite seiner Rücknahme zutreffend erfasst hat. Soweit die Rücknahme der Revision auf einem Motivirrtum des Angeklagten beruhen sollte, ist ein solcher Irrtum ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 - 1 StR 158/05 mwN). Umstände, die auf die Erforderlichkeit weiterer Aufklärung im Freibeweisverfahren hindeuten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Sofern man in dem Schreiben des Angeklagten vom 22. Mai 2016, welches am 27. Mai 2016 beim Landgericht Aschaffenburg eingegangen ist, einen Widerruf der zuvor erklärten Rechtsmittelrücknahme erblicken mag, ist dieser unwirksam, da dieser nicht spätestens zeitgleich mit der Rechtsmittelrücknahme am 25. Mai 2016 eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - 1 StR 620/96). An diese Rücknahme ist der Angeklagte gebunden. Denn eine wirksame Rücknahmeerklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 - 1 StR 112/15). Die Unzulässigkeit der Revision infolge wirksam erklärter Revisionsrücknahme kann allerdings nur das Revisionsgericht feststellen (§ 349 Abs. 1 StPO). Für eine Entscheidung des Tatrichters nach § 346 Abs. 1 StPO ist daneben kein Raum. Die Frage der Rechtzeitigkeit der eingelegten Revision stellt sich bei einer zuvor wirksam erklärten Rechtsmittelrücknahme nicht mehr. Der Beschluss des Landgerichts, durch den die - erneut eingelegte - Revision des Angeklagten wegen verspäteter Einlegung als unzulässig verworfen worden ist, ist daher aufzuheben. Einer im Tenor zum Ausdruck kommenden deklaratorischen Feststellung, dass die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 18. Mai 2016 eingelegte Revision wirksam zurückgenommen worden ist, bedarf es nicht (BGH, Beschluss vom 23. November 2005 - 1 StR 436/05)."
3
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, ist für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ohne Belang, da der erklärte Wille des Angeklagten stets vorgeht (vgl. BGHR StPO, § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7 mwN; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 302 Rn. 4 mwN). Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten wahrt die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner aaO Rn. 7) und ist eindeutig und zweifelsfrei.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/10
vom
3. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Passau vom 28. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zur Rüge, das Landgericht habe die Strafe
zu Unrecht nicht gemäß § 46b Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert:
Eine Milderung war hier gemäß § 46b Abs. 3 StGB ausgeschlossen, weil
der Angeklagte sein Wissen erst offenbarte, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens
(§ 207 StPO) gegen ihn bereits beschlossen war. Maßgeblich für die
Präklusion offenbarten Wissens i.S.v. § 46b Abs. 3 StGB ist der Zeitpunkt, zu
dem der Eröffnungsbeschluss erlassen wird, nicht derjenige, zu dem der Angeklagte
- z.B. durch Zustellung des Beschlusses (vgl. § 215 StPO) - Kenntnis von
der Eröffnung des Hauptverfahrens erlangt. Denn mit der Regelung des § 46b
StGB soll dem Gericht ermöglicht werden, ermittlungsrelevante Angaben noch
vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens überprüfen zu
lassen und die Akten gegebenenfalls zum Zwecke weiterer Ermittlungen an die
Staatsanwaltschaft zurückzusenden. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens und
der damit regelmäßig einhergehenden Terminierung der Hauptverhandlung und
Ladung der Zeugen sowie der übrigen Prozessbeteiligten besteht für das Gericht
nicht selten eine nur noch eingeschränkte Möglichkeit, vom Angeklagten
erhobene Behauptungen auf deren Wahrheitsgehalt
ohne wesentliche Verzögerung des Hauptverfahrens zu überprüfen
(BT-Drucks. 16/6268 S. 14).
Wahl Elf Graf
Jäger Sander

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 171/09
vom
18. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juni 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 7. Oktober 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung von Wertersatzverfall gegen den Angeklagten F. unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten F. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. Die den Angeklagten U. und S. durch die Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. 2. Die Revision des Angeklagten F. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten U. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte S. hat es eine Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das sichergestellte Rauschgift sowie den bei den Taten benutzten PKW des Angeklagten F. hat es eingezogen. Die auf die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Revisionsbegründung - ungeachtet des auf Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs gerichteten Revisionsantrags - bei den Angeklagten U. und F. auf die Strafzumessung in den Fällen des Bandenhandels, bei dem Angeklagten F. darüber hinaus auf die Nichtanordnung des Wertersatzverfalls und bei der Angeklagten S. auf die Strafzumessung beschränkt. Der Angeklagte F. wendet sich mit einer nicht ausgeführten Formal- und der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit das Landgericht bei dem Angeklagten F. von der Anordnung des Wertersatzverfalls abgesehen hat; ihr weitergehendes Rechtsmittel sowie die Revision des Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Revision der Staatsanwaltschaft
2
1. Die allein dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält bei allen Angeklagten sachlichrechtlicher Prüfung stand. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, oder dass sich die verhängten Einzel- und Gesamtstrafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung , gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter einzuräumenden Spielraums liegen, zeigt die Revision nicht auf. Zu den einzelnen Einwendungen gilt:
3
a) Das Landgericht hat für die Angeklagten U. und F. in den Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Ergebnis rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle nach § 30 a Abs. 3 BtMG angenommen. Es hat alle im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände in seine umfassende Gesamtbewertung einbezogen und ohne Rechtsfehler darauf abgestellt , dass das äußere Erscheinungsbild der Taten und die jeweilige Persönlichkeit der Angeklagten für die Anwendung des milderen Ausnahmestrafrahmens des § 30 a Abs. 3 BtMG sprechen. Mit seiner - für sich allein betrachtet allerdings bedenklichen - Formulierung, der Regelstrafrahmen des § 30 a Abs. 1 BtMG sei "für einerseits international organisierte Syndikate und andererseits Mengen an Drogen und Verdienstmöglichkeiten, die hohe Gewinne versprechen" gedacht, hat es in der Sache den durch die Feststellungen belegten Umstand in seine Abwägung eingestellt, dass der Zusammenschluss der Angeklagten primär auf einer persönlichen Verbundenheit beruhte und nicht dem Bild der üblichen Bandenkriminalität entsprach, deren Bekämpfung mit der Schaffung des OrgKG erstrebt wurde. Hiergegen ist nichts zu erinnern (vgl. BGHR BtMG § 30 a Bande 2; Weber, BtMG 3. Aufl. § 30 Rdn. 242). Dies gilt auch, soweit die Strafkammer die Menge des jeweils gehandelten Rauschgifts in den Blick genommen hat.
4
b) Die in den Fällen des Bandenhandels vorgenommene Strafmilderung nach § 31 BtMG i. V. m. § 49 Abs. 2 StGB ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG ohne Rechtsfehler bejaht. Danach kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offen legt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 25). Ein solcher Erfolg ist dann gegeben, wenn der Aufklärungsgehilfe durch die Mitteilung seines Wissens die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den von ihm Belasteten voraussichtlich mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden kann (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; § 30 Abs. 2 Strafrahmenwahl 4). Maßgebend hierfür ist die aus der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung des Tatgerichts, dass zum einen die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung anderer an der Tat zutrifft und zum anderen dessen Angaben wesentlich zu einem voraussichtlich erfolgreichen Abschluss der Strafverfolgung beitragen (vgl. Maier in Münch-Komm StGB § 31 BtMG Rdn. 111; Weber , BtMG 3. Aufl. § 31 Rdn. 125).
5
Diese Voraussetzungen hat das Landgericht ausreichend substantiiert sowie mit Tatsachen belegt und damit - jedenfalls bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe - für das Revisionsgericht nachprüfbar dargelegt. Die Strafkammer hat nicht nur pauschal am Ende der Erwägungen zur Wahl des Strafrahmens (UA S. 17) mitgeteilt, die Strafverfolgungsbehörden hätten aufgrund der Angaben der Angeklagten abgesicherte Erkenntnisse gewonnen, die zu einer weiteren Aufklärung der Taten wesentlich beigetragen haben und zur erfolgreichen Überführung der Tatbeteiligten führen können. Vielmehr hat es bereits im Rahmen der Beweiswürdigung auf die ausführlichen, detailreichen Geständnisse der Angeklagten und die Bekundungen des Zeugen POK F. hingewiesen, durch deren Angaben seien zahlreiche Folgeverfahren gegen Abnehmer eingeleitet worden. Sodann hat die Strafkammer bei der Begründung der Strafrah- menwahl zunächst an mehreren Stellen der Urteilsgründe (UA S. 15, 16) ausgeführt , obgleich bei den Ermittlungsbehörden keine Erkenntnisse über die Tat II. 1. der Urteilsgründe vorhanden gewesen seien, hätten die Angaben der Angeklagten U. und F. einen Fahndungserfolg ermöglicht. Aufgrund ihrer Schilderung sei die Identifizierung des Veräußerers der Drogen möglich. Auch könne die Tatbeteiligung des gesondert Verfolgten C. aufgeklärt werden; diese hätten die Angeklagten konkret offenbart. Im Fall II. 8. der Urteilsgründe sei durch die Preisgabe des Drogenverstecks eine konkrete Überprüfung und strafrechtliche Verfolgung des niederländischen Hintermannes eröffnet. In der vom Generalbundesanwalt herangezogenen Urteilspassage war die Strafkammer daher nicht veranlasst, diese Ausführungen noch einmal im Detail zu wiederholen; vielmehr durfte sie sich mit Blick auf die in den Urteilsgründen bereits enthaltenen Angaben mit einer zusammenfassenden Bewertung zur abschließenden Begründung ihrer gewonnenen Überzeugung von sogar mehreren Aufklärungserfolgen begnügen.
6
c) Das Landgericht hat keine bestimmenden Strafzumessungsgründe außer Acht gelassen. Es hat die hohe kriminelle Energie, die bei dem Verbringen des Rauschgifts nach Deutschland durch den Körperschmuggel der Angeklagten S. und der getrennten Einreise des Angeklagten U. sowie des gesondert Verfolgten C. aufgewendet wurde, bei der Strafrahmenwahl für die Angeklagten U. und F. im ersten der abgeurteilten Fälle (Fall II. 1. der Urteilsgründe, UA S. 15) ausdrücklich berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Art des Betäubungsmittels und seine Gefährlichkeit. Gerade aufgrund dieser Umstände hat die Strafkammer bei dieser Tat die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG abgelehnt. Es ist deshalb nicht zu besorgen , dass der Strafkammer diese Strafzumessungsgesichtspunkte bei den weiteren, im Wesentlichen gleichgelagerten Betäubungsmitteldelikten aus dem Blick geraten sind, auch wenn sie dort nicht erneut aufgeführt worden sind.
7
d) Die Bildung der Gesamtstrafen für die Angeklagten U. und F. lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
8
aa) Die Begründung des Landgerichts genügt den an sie zu stellenden Anforderungen. Das Tatgericht braucht insoweit wie bei den Einzelstrafen nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen; eine erschöpfende Darstellung ist nicht erforderlich. Die Urteilsgründe müssen allerdings stets erkennen lassen, dass die für die Gesamtstrafenbildung wesentlichen formellen und materiellen Kriterien beachtet worden sind. Der Gesamtstrafenausspruch ist umso eingehender zu begründen, je mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert (st. Rspr.; vgl. etwa BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8).
9
Diesen Maßstäben werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht. Es hat für beide Angeklagte zunächst auf die bei der Bemessung der Einzelstrafen ausführlich dargelegten Gesichtspunkte Bezug genommen. Dies begründet keinen Rechtsfehler; denn auf die Begründung der Einzelstrafen kann verwiesen werden, wenn die erneute Darlegung sich wie hier in einer unnötigen Wiederholung erschöpfen würde (st. Rspr.; vgl. schon BGHSt 24, 268, 271). Sodann hat die Strafkammer für jeden Angeklagten gesondert die weiteren, aus ihrer Sicht bestimmenden Strafzumessungstatsachen erörtert. Dieses rechtsfehlerfreie Vorgehen ermöglicht dem Senat entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts die Überprüfung, ob sich das Landgericht von dem maßgeblichen Gesamttatunrecht hat leiten lassen. Aus den vom Landgericht angeführten , sich zu Gunsten der Angeklagten auswirkenden Gründen ergibt sich auch in ausreichendem Maße, weshalb die Gesamtstrafe insbesondere bei dem Angeklagten U. relativ nahe an der unteren Grenze des Gesamtstrafrahmens gebildet wurde.
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bb) In der Sache sind die Gesamtstrafen zwar sehr mild, jedoch mit Blick auf die vom Landgericht angeführten Strafzumessungstatsachen und den Seriencharakter der Taten noch nicht unvertretbar.
11
e) Soweit die Revision die Strafzumessung bei der Angeklagten S. rügt, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Es ist nicht zu beanstanden , dass die Strafkammer alle Taten einheitlich mit einer Jugendstrafe geahndet hat, obwohl die Angeklagte bei den Taten II. 5. bis 8. der Urteilsgründe bereits Erwachsene war. Sie hat insbesondere im Hinblick auf die festgestellten Brüche im Lebenslauf der Angeklagten und deren teilweise naive Lebensführung rechtsfehlerfrei angenommen, dass auf die Straftaten, welche die Angeklagte als Heranwachsende beging, gemäß § 1, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden ist, da die Angeklagte nach ihrer Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand. Die nach § 32 JGG erforderliche Beurteilung , ob das Schwergewicht bei diesen oder bei denjenigen Straftaten liegt, die nach allgemeinem Strafrecht zu beurteilen wären, ist im Wesentlichen Tatfrage und daher durch das Revisionsgericht nur dahin überprüfbar, ob der Tatrichter den ihm zuzubilligenden Beurteilungsspielraum eingehalten hat (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 1, 3). Dies ist hier der Fall. Das Landgericht hat in nicht zu beanstandender Weise insbesondere darauf abgestellt, dass die ersten Delikte eine auslösende Bedeutung für die weiteren Straftaten hatten, die Bandenabrede noch im Heranwachsendenalter gefasst wurde und die Angeklagte aus mangelnder Reife und Dankbarkeit gegenüber dem Angeklagten F. handelte sowie sich zur Begehung der Taten verführen ließ.
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2. Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung von Wertersatzverfall (§§ 73, 73 a StGB) gegen den Angeklagten F. unterblieben ist. Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei begründet, weshalb es sich nicht in der Lage gesehen hat, die Einlassung des Angeklagten zu den bei ihm sichergestellten 750 € zu widerlegen. Da der Angeklagte jedoch nach den Feststellungen aus den vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäften - jedenfalls überwiegend - Einnahmen erzielte, hätte Anlass zur Prüfung bestanden, ob aus diesem Grunde Wertersatzverfall anzuordnen ist.
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Der Senat hat die bisherigen, teilweise nicht ausreichend genauen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine Prüfung auf der Grundlage insgesamt widerspruchsfreier Tatsachen zu ermöglichen. Insbesondere mit Blick auf die Tat II. 3. der Urteilsgründe wird auch zu beachten sein, dass bei mehreren Beteiligten nur das für verfallen erklärt werden kann, was der jeweilige Angeklagte tatsächlich in dem Sinne selbst erlangte, dass er zumindest eine Mitverfügungsgewalt hatte (vgl. BGH NStZ 2008, 623).
II. Revision des Angeklagten F.
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Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des§ 349 Abs. 2 StPO. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Becker Pfister von Lienen RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 561/08
vom
13. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 1. September 2008 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und sichergestellte 50 kg Haschisch eingezogen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch hält dagegen bereits sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt hat. Auf die insoweit ebenfalls erhobene Aufklärungsrüge kommt es deshalb nicht an.
2
1. Der Angeklagte, der die äußeren Umstände der Einfuhrfahrt eingeräumt , jedoch bestritten hat, vom Vorhandensein der Betäubungsmittel in dem von ihm gelenkten Fahrzeug gewusst oder dies gebilligt zu haben, hatte bereits im Ermittlungsverfahren angegeben, von B. mit der Durchführung u. a. dieser Fahrt beauftragt worden zu sein und sich am Tattag mit diesem in den Niederlanden verabredungsgemäß getroffen zu haben. Auf Grund der Aussage des Angeklagten wurde gegen B. vom Amtsgericht Dresden Haftbefehl u. a. wegen des dringenden Verdachts seiner Beteiligung an der verfahrensgegenständlichen Kurierfahrt erlassen. Einen Aufklärungserfolg im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG hat das Landgericht gleichwohl verneint. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, das Amtsgericht habe den Haftbefehl gegen B. nach einiger Zeit wieder außer Vollzug gesetzt, weil sich Zweifel an der Aussage des Angeklagten, dem bislang einzigen Beweismittel für eine Tatbeteiligung des B. , ergeben hätten.
3
2. Die fehlende Überzeugung des Landgerichts von einer erfolgreichen Aufklärungshilfe des Angeklagten wird nicht nachvollziehbar belegt.
4
Das Landgericht geht zwar im Ansatz zu Recht davon aus, dass § 31 Nr. 1 BtMG nicht zur Anwendung kommt, wenn der Tatrichter nicht die Überzeugung gewinnt, dass die Darstellung des Täters über die Beteiligung Anderer an der Tat zutrifft (BGHSt 31, 163, 166), wobei der Zweifelsgrundsatz dem Täter hier nicht zugute kommt (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 7; BGH NStZ 2003, 162). Die weiteren Ausführungen des Landgerichts lassen indes besorgen, dass die Annahme, es bestünden berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zu einer Tatbeteiligung des B. , nicht auf einer eigenen Überzeugungsbildung der Strafkammer beruht. Vielmehr legt die Begründung des Landgerichts nahe, dass es sich an die Be- wertung der Aussage des Angeklagten durch das Amtsgericht im Haftverschonungsbeschluss gebunden gefühlt und eine eigenständige Würdigung der für und gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Angeklagten sprechenden Umstände deshalb selbst nicht mehr vorgenommen hat. So gibt das Urteil nicht die Umstände wieder, die dem Amtsgericht Anlass für Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Angeklagten in Bezug auf eine Tatbeteiligung des B. gegeben haben. Das Landgericht hat auch nicht näher dargelegt, ob und inwieweit die vom Zeugen ZAM Br. in diesem Zusammenhang zu weiteren Ermittlungsergebnissen gemachten Angaben die Einlassung des Angeklagten bestätigt haben. Der Senat kann deshalb nicht beurteilen, ob die Strafkammer § 31 Nr. 1 BtMG zu Recht wegen eines fehlenden Aufklärungserfolgs für unanwendbar gehalten hat.
5
3. Sollte sich der neue Tatrichter die Überzeugung verschaffen, dass die Angaben des Angeklagten zur Tatbeteiligung des B. zutreffend sind, hätte der Angeklagte einen Aufklärungserfolg geleistet. Der Umstand, dass es möglicherweise - etwa wegen des Zweifelssatzes - nicht gelingen wird, den vom Angeklagten benannten Mittäter letztlich zu überführen, stünde der Annahme eines Aufklärungserfolgs nicht entgegen (vgl. BGH StV 1997, 639; BGH NStZ 2003, 162).
Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.