Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 298/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes und versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet er sich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dagegen hat die Revision aufgrund der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen schweren Raubes verurteilt worden ist, hält das Urteil rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
- 3
- Der Angeklagte hat zu dem Vorwurf, zusammen mit zwei nicht ermittelten Mittätern die Geschädigte in ihrem Haus überfallen, gefesselt und anschließend beraubt zu haben, keine Angaben gemacht. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten ausschließlich auf DNA-Spuren, die auf dem Panzerklebeband, mit dem die Geschädigte gefesselt worden war, sichergestellt werden konnten und die mit einem Wert von 1:553 Trilliarden auf den Angeklagten als Spurenleger weisen. Den Zeugenaussagen der Schwester und des Schwagers des Angeklagten, die bekundet haben, dass er zur Tatzeit bei ihnen gewesen sei, hat die Strafkammer nicht geglaubt. Hinsichtlich der Aussage der Schwester begründet sie dies insbesondere damit, dass es nicht plausibel sei, dass die Zeugin derart wesentliche, ihren Bruder entlastende Angaben erstmals in der Hauptverhandlung und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt gemacht habe. Die Zeugin habe dies auch nicht stichhaltig erklären können. Zudem habe sie auf Nachfrage mehrfach und immer lauter werdend beteuert, dass er wirklich bei ihr gewesen sei. Dies stelle ein typisches Verhalten für jemanden dar, der die Unwahrheit sage und sich in die Enge getrieben fühle.
- 4
- Diese Würdigung der Aussage der Schwester des Angeklagten ist rechtsfehlerhaft. Sie verstößt gegen den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Grundsatz, dass die Unglaubwürdigkeit ei- nes zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen nicht daraus hergeleitet werden kann, dass dieser im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in der Hauptverhandlung seine entlastenden Angaben gemacht hat; denn selbst die Verweigerung des Zeugnisses hätte nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden dürfen. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus (zunächst) nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden (BGH, Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 46/87, BGHR StPO § 52 Abs. 1 Verweigerung 1; Beschlüsse vom 22. Mai 2001 - 3 StR 130/01, StV 2002, 4; vom 13. August 2009 - 3 StR 168/09, NStZ 2010, 101, 102).
- 5
- Auf diesem Rechtsfehler beruht der Schuldspruch wegen schweren Raubes. Denn das Landgericht hat zur Begründung der Unglaubhaftigkeit der Aussage der Schwester des Angeklagten entscheidend darauf abgestellt, dass sie das Alibi für ihren Bruder erst in der Hauptverhandlung behauptet habe. Soweit es sich ergänzend auf das Aussageverhalten der Zeugin gestützt hat, das typisch für einen Zeugen sei, der die Unwahrheit sage, ist auch diese Erwägung rechtsfehlerhaft, weil es sich bei dem beschriebenen Verhalten der Zeugin allein um eine Reaktion auf den unzulässigen Vorhalt einer verspäteten Entlastung ihres Bruders gehandelt hat. Hinzu kommt die übrige Beweissituation. Die Strafkammer war zwar aus rechtlichen Gründen nicht gehindert, ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf das Ergebnis der DNA-Untersuchung zu stützen (BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 215 f.). Indes lag damit keine von zahlreichen belastenden Indizien geprägte Beweislage vor, die es dem Senat erlauben würde davon auszugehen , der Tatrichter wäre auch ohne die rechtsfehlerhafte Würdigung des Alibibeweises zur selben Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gelangt.
- 6
- Der Wegfall der für die Tat II. 2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.