Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2016 - 3 ARs 20/16

bei uns veröffentlicht am15.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 20/16
vom
15. Dezember 2016
in dem Verfahren
der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses
der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, bestehend aus
den Abgeordneten
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -
gegen
den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
,
ebenda,
- Antragsgegner und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter:
hier: Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Vollziehung des
Beschlusses der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom
11. November 2016
ECLI:DE:BGH:2016:151216B3ARS20.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2016 beschlossen :
Die Vollziehung des Beschlusses der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 wird bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss ausgesetzt.

Gründe:

1
Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags hat im Wesentlichen den Auftrag aufzuklären, ob bestimmte ausländische Nachrichtendienste Kommunikationsvorgänge von, nach und in Deutschland auf Vorrat erfassten und/oder daraus gewonnene Daten nutzten bzw. nutzen und inwieweit Stellen des Bundes in diese Vorgänge involviert waren. Das vorliegende Verfahren betrifft die dem Grunde nach am 8. Mai 2014 durch den Ausschuss einstimmig beschlossene Vernehmung des Zeugen Snowden.
2
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Beschluss der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofs vom 11. November 2016 (Az.: 1 BGs 125/16 - 1 ARs 1/16), mit dem diese auf Antrag der Beschwerdegegnerin angeordnet hat, der Untersuchungsausschuss habe nochmals über einen Antrag abzustimmen, die Bundesregierung zu ersuchen, die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu schaffen und dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie diese herstellen könne; sollte der Antrag weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden, habe der Ausschuss ihm zumindest mehrheitlich zuzustimmen.
3
Der Beschwerdeführer beantragt, die Vollziehung dieses Beschlusses bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen. Der Antrag ist zulässig und begründet.
4
1. Für den gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, § 36 Abs. 3 PUAG, § 307 Abs. 2 StPO statthaften Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.
5
a) Nach seinem Wortlaut ordnet der Beschluss der Ermittlungsrichterin die Vornahme von Handlungen an; danach hat die Entscheidung einen vollziehbaren Inhalt. Die nähere Auslegung der erstinstanzlichen Entscheidungsformel sowie die Überprüfung von deren Rechtmäßigkeit und Vollstreckungsfähigkeit ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
6
b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt im Übrigen auch nicht deshalb, weil der Untersuchungsausschuss am 1. Dezember 2016 mehrheitlich beschlossen hat, die erneute Abstimmung über den hier verfahrensgegenständlichen Antrag bis zum Abschluss des hiesigen Rechtsmittelverfahrens zu vertagen. Die Entscheidung, ob einer gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten ist, obliegt auch in Verfahren nach dem Untersuchungsausschussgesetz nicht der Dispositionsbefugnis des Verfahrensbeteiligten, der in erster Instanz unterlegen ist und gegen den sich die Anordnung wendet. Sie richtet sich vielmehr nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, mithin im vorliegenden Fall nach § 307 StPO. Nach § 307 Abs. 1 StPO entfaltet die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung; ihr kommt kein Suspensiveffekt zu. Die vorläufige Aussetzung der Vollziehung kann allein im Verfahren nach § 307 Abs. 2 StPO erreicht werden.
7
2. Der Antrag hat in der Sache Erfolg.
8
a) Nach den allgemeinen Maßstäben ist die Aussetzung der Vollziehung nach § 307 Abs. 2 StPO eine gerichtliche Ermessensentscheidung. Erweist sich das Rechtsmittel bei vorläufiger Prüfung aller Voraussicht nach als unzulässig oder unbegründet, so ist es nicht sachgerecht, den Vollzug einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung auszusetzen. Ist dies nicht der Fall, so ist unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls abzuwägen , ob das Interesse an der sofortigen Vollziehung die dem Beschwerdeführer durch den Vollzug drohenden Nachteile überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juni 2009 - StB 19/09, NStZ 2010, 343, 344; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 307 Rn. 2 mwN).
9
Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, bei Verfahren nach dem Untersuchungsausschutzgesetz dürfe die Vollziehung einer gerichtlichen Entscheidung wegen des hohen Gewichts des parlamentarischen Aufklärungsinteresses sowie des Beschleunigungsgebotes nur unter engeren Voraussetzungen ausgesetzt werden, etwa wenn schwerwiegende oder irreparable Nachteile drohten oder die angegriffene Maßnahme mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig oder ersichtlich von untergeordneter Bedeutung sei (vgl. Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 36 Rn. 53), ist dem in dieser Form nicht zu folgen. Auch im Strafverfahren kommen dem Interesse an der Aufklärung unter Umständen schwer wiegender Straftaten sowie dem Beschleunigungsgebot eine große Bedeutung zu. In der Sache geht es zudem regelmäßig, etwa bei Haftentscheidungen, um einschneidende Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten. Hieraus folgt, dass bei der Prüfung der Aussetzung der Vollziehung einer gerichtlichen Anordnung nach dem Untersuchungsausschutzgesetz kein anderer Maßstab an die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels anzulegen ist als in den sonstigen Fällen des § 307 Abs. 2 StPO. Hierfür spricht auch, dass die Grundsätze, nach denen das Bundesverfassungsgericht bei einstweiligen Anordnungen gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG entscheidet, soweit es die Erfolgsaussicht der zugrunde liegenden Verfassungsbeschwerde betrifft, denen gleichen, die im Rahmen des § 307 Abs. 2 StPO allgemein gelten (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember2016 - 2 BvR 2557/16, juris Rn. 6 ff.). Was die übrigen angeführten Gesichtspunkte angeht, so sind diese, sofern sie im konkreten Fall Bedeutung erlangen, zwar in die erforderliche Abwägung einzustellen; sie stellen indes keine konstitutiven Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs dar.
10
b) Danach gilt im vorliegenden Fall:
11
Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet; der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist vielmehr bei der gebotenen vorläufigen Würdigung des Sach- und Streitstands offen. Im Rahmen der somit zu treffenden Rechtsfolgenabwägung überwiegen die Nachteile, die mit einem sofortigen Vollzug der Anordnung verbunden sind. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass bei einem Vollzug der ermittlungsrichterlichen Entscheidung die Hauptsache unabhängig von deren Ergebnis praktisch vorweggenommen würde. Demgegenüber erscheint ein Zuwarten bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde weniger einschneidend. Der Senat hat dabei die Bedeutung des sich im Ausland aufhaltenden Zeugen für den Untersuchungsgegenstand und die bisherigen Bemühungen bedacht, seine Einvernahme zu erwirken. Schließlich war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Diskontinuität der Zeitpunkt des Ablaufs der Wahlperiode ebenso in den Blick zu nehmen wie der Umstand, dass der den Zeugen betreffende Beweisbeschluss bereits vom 8. Mai 2014 datiert, das bezüglich des auch hier verfolgten Begehrens der Antragstellerin zunächst angestrengte Organstreitverfahren schon mit dem Beschluss des Bundesver- fassungsgerichts vom 4. Dezember 2014 (2 BvE 3/14, BVerfGE 138, 45) endete und das hiesige erstinstanzliche Verfahren erst mit am 24. August 2016 eingegangenem Schriftsatz vom 18. August 2016 eingeleitet wurde.
Becker Schäfer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Berg Hoch

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(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. (2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß

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Tenor

Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat nochmals über Ziffern II.1.a) und b) des von den Antragstellern am 8. Oktober 2015 gestellten Antrags, die Bundesregierung zu ersuchen, unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann (Ausschussdrucksache 423), abzustimmen und ihm - sollte er weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - zu Ziffern II. 1.a) und b) - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.

Gründe

I.

1

Das Begehren der Antragsteller richtet sich gegen die Ablehnung eines im 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gestellten Antrags auf Schaffung der Voraussetzungen für den Vollzug eines Beweisbeschlusses.

2

1. Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags wurde am 20. März 2014 eingesetzt, um u.a. zu klären, "ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königsreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge" ..., "deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge" ... "von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher auf öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasste Daten erfolgte bzw. erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes, insbesondere die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten und gegebenenfalls Nutzen daraus zogen." (B I der BT-Drucks. 18/843) und ferner zu klären, "ob und inwieweit Daten über Kommunikationsvorgänge und deren Inhalte" ... "von Mitgliedern der Bundesregierung, Bediensteten des Bundes sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder anderer Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, durch Nachrichtendienste der unter I. genannten Staaten nachrichtendienstlich erfasst oder ausgewertet wurden." (B II BT-Drucks. 18/843).

3

Aufgrund eines Beschlusses der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 10. April 2014 nahm die Bundesregierung zu einer möglichen Vernehmung des E.    S.      als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss mit Schreiben vom 2. Mai 2014 Stellung. Einleitend stellte die Bundesregierung dabei klar, dass eine Prüfung und Stellungnahme nur in allgemeiner Form erfolgen könne, sofern Erkenntnisse zum tatsächlichen Sachverhalt nicht gesichert oder überhaupt nicht vorliegen. Vertiefend führte sie aus, dass im Hinblick auf ihre Unterstützungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss im Rahmen der gebotenen Abwägung auch zu berücksichtigen sei, ob E.    S.      als Zeuge im Ausland vernommen werden könne und deshalb ihre Weigerung, ihn nach Deutschland einreisen zu lassen, voraussichtlich nicht zur Folge hätte, dass das Beweismittel nicht zur Verfügung stünde. Auch wies die Bundesregierung darauf hin, dass im Falle einer Vernehmung des Zeugen in Deutschland mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen und eine Beeinträchtigung der Kooperation mit US-Sicherheitsbehörden zu rechnen sei. Nachdem die rechtliche Prüfung ergeben habe, dass E.    S.      - vorbehaltlich der Zustimmung der Behörden des Aufenthaltsstaates - auch im Ausland vernommen werden könne, dürften die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung E.    S.     s in Deutschland überwiegen.

4

Am 8. Mai 2014 beschloss der Untersuchungsausschuss aufgrund des Beweisantrages der Antragsteller vom 2. April 2014 einstimmig, zu dem Untersuchungsauftrag Beweis zu erheben durch Vernehmung des E.    S.      als Zeugen.

5

Betreffend den Vollzug des Beweisbeschlusses besteht im Untersuchungsausschuss Uneinigkeit darüber, ob E.    S.      in Deutschland vor dem Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagen soll bzw. dieser an seinem derzeitigen Aufenthaltshort in Russland vernommen werden kann. In diesem Zusammenhang nahm die Bundesregierung auf Fragen des Untersuchungsausschusses in einem weiteren Bericht vom 2. Juni 2014 ergänzend dahingehend Stellung, dass sie weiterhin eine Zeugenvernehmung im Ausland für möglich halte und zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das U.S. Department of Justice gerichtet worden seien, mithin das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grundlage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes noch nicht abschließend beurteilt werden könne.

6

Bereits mit Schreiben vom 19. Mai 2014 hatte der anwaltliche Vertreter E.    S.      s auf Frage dem Untersuchungsausschuss mitgeteilt, dass er seinem Mandanten davon abrate, sich "von Moskau aus zu äußern".

7

Schließlich stellten die Antragsteller am 5. Juni 2014 den Antrag, der Ausschuss möge beschließen, den anwaltlichen Vertreter des Zeugen S.      zu ersuchen, mitzuteilen, ob sein Mandant nur für eine Vernehmung in Deutschland zur Verfügung stehe, bejahendenfalls den Zeugen für den 4. Juli 2014 nach Berlin zu laden und die Bundesregierung zu ersuchen, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtung unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S. in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen. Mit Beschluss vom selben Tage wurde dieser Antrag abgelehnt und beschlossen, E.    S.      zu ersuchen mitzuteilen, ob er für ein (informelles) Gespräch mit dem Vorsitzenden und den Obleuten des Untersuchungsausschusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zur Verfügung stehe. Dies wurde durch den anwaltlichen Vertreter des Zeugen unter dem 19. Juni 2014 verneint.

8

Am 25. Juni 2014 wiederholten die Antragsteller unter anderem ihren Antrag auf Vernehmung des Zeugen in Berlin und Ersuchen der Bundesregierung um Amtshilfe. Dieser Antrag wurde durch Beschluss vom 26. Juni 2014 abgelehnt. Der Untersuchungsausschuss beschloss am selben Tag vielmehr, den Zeugen E.    S.     am 11. September 2014 mittels audiovisueller Zeugenvernehmung entsprechend § 247a StPO durch Übertragung von seinem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Aufenthaltsort in die öffentliche Ausschusssitzung in Berlin zu befragen. Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 teilte der anwaltliche Vertreter des Zeugen S.     abermals mit, sein Mandant stehe trotz grundsätzlicher Aussagebereitschaft für die avisierte Videovernehmung in Moskau nicht zur Verfügung.

9

Unter Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 2 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) erhoben die Antragsteller gegen die Ablehnung ihrer Anträge vom 25. Juni 2014 Widerspruch und beantragten am 21. Juli 2014 erneut die Vernehmung des Zeugen S.      in Berlin sowie ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an die Bundesregierung.

10

Auch dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 11. September 2014 abgelehnt.

11

Daraufhin wandten sich die Antragsteller an das Bundesverfassungsgericht mit dem Rechtsschutzbegehren, festzustellen, dass sie durch die Weigerung der Bundesregierung, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung E.    S.      s in Berlin zu schaffen (Antrag zu 1.), sowie aufgrund der Ablehnung der Beweisanträge gerichtet auf Vernehmung des Zeugen in Berlin (Antrag zu 2.) in ihrem Recht aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt seien.

12

Mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45 ff.) verwarf das Bundesverfassungsgericht die Anträge. Der Antrag zu 1. beziehe sich nicht auf einen tauglichen Angriffsgegenstand, denn die Schreiben der Bundesregierung vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 stellten keine rechtserheblichen Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG dar. Die Einschätzungen der Bundesregierung in den genannten Schreiben seien lediglich vorläufiger Natur, das Schreiben vom 2. Mai 2014 beinhalte nur eine unverbindliche Stellungnahme. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Behandlung eines Amtshilfeersuchens, die Rechte der Antragsteller oder des Antragsgegners berühren könnte, entfalte das Vorgehen der Bundesregierung keine rechtlich relevante Außenwirkung. Auch soweit sich die Antragsteller generell gegen die Weigerung der Bundesregierung wandten, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung des E.    S.      in Deutschland zu schaffen, sei der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig. Solange weder eine Ladung E.    S.      s zur Zeugenvernehmung nach Deutschland vorliege, noch ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners abgelehnt worden sei, verdichteten sich die Stellungnahmen der Bundesregierung mit dem Ziel einer bloßen Unterrichtung noch nicht zu einem rechtserheblichen Unterlassen (vgl. BVerfG aaO Rn. 18 bis 33). Hinsichtlich des Antrages zu 2. sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet. Der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Feststellung begehrten, dass der Antragsgegner die Antragsteller mit der Ablehnung von Verfahrensanträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 in ihren Rechten aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt habe. Zwar griffen die Antragsteller im Organstreitverfahren die Ablehnung von Beweisanträgen an, jedoch handle es sich bei den streitgegenständlichen Anträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 nicht um Beweisanträge, sondern lediglich um Verfahrensanträge zur Ausgestaltung der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich weder aus dem Untersuchungsausschussgesetz, noch könne es im Wege des Organstreits angerufen werden, denn Gegenstand des Antrags sei nicht die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Grundgesetz. Die Antragsteller hätten geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunkts und des Ortes der Zeugenvernehmung zu. Damit machten sie kein in Art. 44 Abs. 1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend. Nicht in Streit stehe das aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitende Beweiserzwingungs- und Beweisdurchsetzungsrecht der qualifizierten Mehrheit im Ausschuss. Die Bestimmung des Vernehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung betreffe vielmehr die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses. Über derartige Verfahrensabläufe entscheide grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung. Nachdem dem Antrag der Antragsteller auf Zeugenvernehmung E. S. s seitens des Antraggegners durch Erlass des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 entsprochen worden sei, sei auch das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Beteiligung nicht streitgegenständlich (BVerfG aaO Rn. 34 bis 41).

13

Am 8. Oktober 2015 beantragten die Antragsteller im Untersuchungsausschuss u.a. folgendes (vgl. Ausschussdrucks. 423):

"Der 1. Untersuchungsausschuss möge beschließen:" ...

II.

"1. Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich a) die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) b) dem Ausschuss mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt sie die genannten Voraussetzungen herstellen kann und c) im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung dieses Ersuchens (spätestens bis zum 4. November 2015) die jeweils maßgeblichen Gründe dem Ausschuss schriftlich darzulegen und mitzuteilen."

14

Entsprechend dem Antrag der Ausschussmehrheit (Ausschussdrucks. 425) beschloss der Ausschuss am 15. Oktober 2015, die Bundesregierung zu ersuchen, ihm bis zum 2. November 2015 mitzuteilen, ob zu den Feststellungen, die sie in den dem Ausschuss mit Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 übermittelten Stellungnahmen getroffen hat, Änderungen eingetreten sind und gegebenenfalls worin diese bestehen. Ferner beschloss der Ausschuss am 5. November 2015 im Kern eine Videovernehmung des Zeugen S.      in Moskau am 12. November 2015. Diese Vernehmung konnte nicht durchgeführt werden, da der Zeuge S.      bei seiner Haltung, für eine umfassende Vernehmung als Zeuge in Moskau nicht zur Verfügung zu stehen, blieb (vgl. dazu die Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 10. November 2015 und 26. Mai 2016, Anlagen 7 und 8).

15

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 (Anlage 9) teilte die Bundesregierung mit, dass sich gegenüber ihren Stellungnahmen vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 keine Änderungen ergeben haben. Mit Email vom 6. Juni 2016 (Anlage 10) teilte die Bundesregierung mit, der an das US Department of Justice zur Entscheidung über das Ersuchen der US-Behörden auf vorläufige Inhaftnahme des E.    S.      gerichtete Fragenkatalog sei bislang nicht beantwortet.

16

2. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Ablehnung des beschlussgegenständlichen Antrags durch den Antragsgegner verstoße gegen § 17 Abs. 2 PUAG, da der Antragsgegner zu Unrecht den Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 verweigere. Der durch den Ausschuss getroffene Beweisbeschluss sei wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt. Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG sei auch dann gegeben, wenn die Ausschussmehrheit den Vollzug einer bereits beschlossenen Beweiserhebung verweigere. Dies sei vorliegend gegeben. Inmitten stehe hier nicht nur die Art und Weise des Vollzugs des Beweisbeschlusses. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen E.    S.     sei aufgrund dessen mehrmals geäußerter eindeutiger Haltung, für eine Vernehmung in Moskau nicht zur Verfügung zu stehen, nur noch in Deutschland möglich. Bei dem durch die Antragsteller begehrten Ersuchen an die Bundesregierung handele es sich daher um keinen Antrag betreffend die Art und Weise des Vollzuges des Beweisbeschlusses, sondern um die Schaffung der unabdingbaren Voraussetzungen für die Durchsetzung der Beweiserhebung. Dem stehe auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45 ff.) nicht entgegen. Tragend für die Verneinung seiner Zuständigkeit sei lediglich die Feststellung, dass ein "Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Zeugenvernehmung" nicht als in der "Verfassung wurzelndes Recht" der Minderheit gelten könne. Keine tragenden Gründe seien die weiteren Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts, nach denen u.a. "über derartige Verfahrensabläufe" ... "grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung" entscheide.

17

Versagungsgründe nach § 17 Abs. 2 PUAG i.V.m. der sinngemäß anzuwendenden Strafprozessordnung lägen nicht vor. Die Beweisaufnahme sei ersichtlich nicht unzulässig, das Beweismittel nach jetzigem Sachstand auch nicht unerreichbar. Vielmehr solle gerade durch das begehrte Verhalten des Ausschusses der Zeuge verfügbar gemacht werden. Eine informelle Befragung des Zeugen anstelle einer förmlichen Zeugenvernehmung sei gegen den Willen der Minderheit zum einen nicht zulässig, zum anderen habe der Zeuge S.      erklärt, dass er zu umfassenden Aussagen in Moskau - auch im Rahmen einer informellen Befragung - nicht bereit sei. Demgemäß komme auch eine audiovisuelle Vernehmung des Zeugen in Moskau nicht in Betracht.

18

Die Antragsteller beantragen daher zu beschließen:

19

Der 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat nochmals über II. 1. a und b des am 8. Oktober 2015 gestellten Antrages (Ausschussdrucks. 423) abzustimmen und ihm - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.

20

Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Antrag sei bereits unzulässig. Er erweise sich als unstatthaft, zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis. § 17 Abs. 4 PUAG gewährleiste keinen umfassenden Rechtsschutz jeder Minderheit in nicht verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen über die Beweiserhebung, sondern ergänze den verfassungsrechtlichen Rechtsschutz im Organstreit lediglich punktuell. Rechtsschutz sei nur dann gewährleistet, wenn der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweise ablehne, bzw. beantragte Zwangsmittel nicht anwende. Zwar vermittle § 17 Abs. 2 PUAG auch einen Vollzugsanspruch, diesem Vollzugsanspruch korrespondiere jedoch kein Rechtsschutzverfahren. Eine erweiternde Auslegung des § 17 Abs. 4 PUAG auf Vollzugsmodalitäten sei aufgrund des numerus clausus der Rechtsbehelfe als Konsequenz des Vorbehalts des Gesetzes für wesentliche prozessuale Weichenstellungen weder zulässig noch geboten. Selbst wenn man davon ausginge, ein Antrag nach § 17 Abs. 4 PUAG sei statthaft, sofern ein Beweisbeschluss missbräuchlich nicht vollzogen würde, würde dies vorliegend dem Antrag nicht zur Zulässigkeit verhelfen. Der Ausschuss habe sich aktiv um einen Vollzug des Beweisbeschlusses durch eine Vernehmung des Zeugen in Moskau bemüht. Den Antragstellern gehe es folglich nur um die Durchsetzung bestimmter Vollzugsmodalitäten. Hierfür stelle jedoch das PUAG keinen selbständigen Rechtsschutz zur Verfügung. Dem Antrag fehle überdies das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag erweise sich als missbräuchlich, weil die Antragsteller ihr materielles Aufklärungsinteresse zwar frühzeitig artikuliert, sich insoweit aber auf eine Zurückstellung der Zeugenladung bis zu einer Klärung der relevanten Rechtsfragen eingelassen hätten. Es erweise sich als treuwidrig, über 20 Monate nach einer prozessualen Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht überraschend dasselbe Rechtsschutzziel nochmals vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs weiterzuverfolgen. Nach so langer Zeit des zumindest duldenden Abwartens hätte der Antragsgegner nicht mehr damit rechnen müssen, dass ein alter - vom Ausschuss vornehmlich aufgrund der Unsicherheit der Rechtslage zurückgestellter - Antrag zum wiederholten Male zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht würde. Zwar kenne das PUAG keine spezifischen Regelungen zu Antragsfristen. Da es sich bei dem Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG jedoch um einen - einfach gesetzlich verwurzelten - Organstreit handele, sei die Frist des § 64 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) entsprechend heranzuziehen. Nach diesen Maßstäben sei der Antrag verfristet. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle auch deshalb, weil das vorliegende Verfahren ein untaugliches Mittel sei, die eigentlichen Rechtsschutzziele der Antragsteller zu erreichen. Die Antragsteller hätten selbst angegeben, mit dem vorliegenden Verfahren lediglich das Zwischenziel zu verfolgen, durch Konkretisierung eines Amtshilfeersuchens behauptete Minderheitenrechte aus Art. 44 Abs. 1 GG gegenüber der Bundesregierung geltend zu machen. Insoweit gehe der Antrag jedoch ins Leere, weil den Antragstellern keine Minderheitenrechte aus Art. 44 GG zustünden. Denn die Antragsteller seien keine einsetzungsberechtigte Minderheit, sondern nur eine Minderheit im Ausschuss, die als solche nicht unmittelbar Trägerin von verfassungsrechtlichen Rechtspositionen ist, die das Grundgesetz nur einsetzungsberechtigten Plenumsminderheiten nach Art. 44 Abs. 1 GG zuweise. Damit würde der Antrag selbst im Erfolgsfall nicht dazu führen, dass sich qua Konkretisierung eines Amtshilfeersuchens verfassungsrechtliche Minderheitenrechte aktualisieren, die dann in konkretisierter Form geltend gemacht werden könnten. Mangels entsprechender Minderheitenrechte wäre die Bundesregierung von vornherein nicht verpflichtet, einem Amtshilfeersuchen nachzukommen, das von der Mehrheit des Ausschusses nicht mitgetragen werde. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Die bisherige Zurückstellung des Begehrens durch die Ausschussmehrheit erweise sich als rechtmäßig. Bei der Frage, ob ein Zeuge in Deutschland oder im Ausland zu vernehmen sei, handele es sich um eine bloße Frage der Verfahrensgestaltung, die zur Verfahrensherrschaft der jeweiligen Ausschussmehrheit gehöre. Hinsichtlich der Modalitäten des Vollzuges komme der Mehrheit im Untersuchungsausschuss ein breiter Beurteilungsspielraum zu. Selbst wenn man mit den Antragstellern einen grundsätzlichen Anspruch auf Vollzug von wirksamen Beweisbeschlüssen annehmen würde, wäre dieser Anspruch nicht verletzt, weil sich vorliegend aus § 17 Abs. 2 PUAG und § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO i.V.m. Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG Gründe ergäben, die ein Absehen von der Vernehmung des Zeugen S. in Deutschland rechtfertigten. Entgegen der Ansicht der Antragsteller könnten Einwände gegen ein konkretes Beweismittel nach § 17 Abs. 2 PUAG auch gegen den Vollzug eines bereits erlassenen Beweisbeschlusses vorgebracht werden. Der Zeuge S.      sei als unerreichbar anzusehen. Die Zeugenvernehmung hänge zum einen von einer rechtlich nicht gebundenen politischen Vorentscheidung der Bundesregierung ab. Die Schaffung der Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung in Deutschland beinhalte auch die Zusage, dass die Bundesrepublik Deutschland Zusicherungen abgebe, den Zeugen nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern. Eine derartige Zusage sei völkerrechtswidrig. Der Ausschuss sei nicht verpflichtet, die Bundesregierung zu einem Verhalten zu bewegen, das voraussichtlich den Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages zur Folge hätte. Der Ausschuss sei im Rahmen etwaiger Amtshilfeersuchen für die Rechtmäßigkeit des ersuchten Exekutivhandels mitverantwortlich, jedenfalls nicht verpflichtet, ein Ersuchen zu stellen, bevor geklärt sei, ob rechtliche Hindernisse einer entsprechenden Zusicherung entgegenstünden. Der Ausschuss sei auch nicht verpflichtet, daran mitzuwirken, dem anderweitig nicht zur Verfügung stehenden Zeugen seine Aussagebereitschaft durch Zusicherung einer nicht erfolgenden Auslieferung "abzukaufen". Nachdem die Gründe für das Absehen von einer Beweisaufnahme in § 17 Abs. 2 PUAG nicht abschließend geregelt seien, sei vorliegend die Ausnahmeregel des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, wonach die Ladung eines Zeugen im Ausland unterbleiben könne, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, anwendbar. Der Ausschuss sei kein politisch neutralisiertes Strafgericht, sondern ungeachtet seines objektiven Aufklärungsauftrages ein Instrument der politischen Auseinandersetzung, in deren Rahmen dann auch politische Erwägungen, die der Deutsche Bundestag treffen kann, Eingang finden dürften. Der Ausschuss dürfe außenpolitische Erwägungen auch ohne vorherige Konsultation der Bundesregierung anstellen. Er sei zumindest berechtigt, Vorsicht walten zu lassen, um mögliche außenpolitische Schäden oder Rechtsverletzungen zu vermeiden. In diesen Fällen könne er entweder auf eine kritische Beweisaufnahme verzichten, wenn nachteilige außenpolitische Folgen wahrscheinlich seien, oder eine Prüfung durch die Regierung abwarten. Die Bundesregierung habe vorliegend bereits eine außenpolitische Einschätzung abgegeben, wonach im Falle einer Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu rechnen sei und insbesondere absehbar die - angesichts der derzeitigen terroristischen Bedrohungslagen unverzichtbare - bilaterale Kooperation der Nachrichtendienste erheblich leiden würde. Insoweit bestehe bislang die außenpolitische prekäre Lage fort, in deren Rahmen eine bewusst provokante Zeugenladung in Deutschland nach vertretbarer Bewertung durch die Bundesregierung, der sich der Ausschuss aus Gründen der Vorsicht anschließen könne, erheblichen Schaden anrichten würde, der in keinem Verhältnis zu den absehbar begrenzten Mehrerträgen im Hinblick auf den Aufklärungsauftrag stünden.

21

Der Antragsgegner beantragt daher, den Antrag als unzulässig, hilfsweise unbegründet zu verwerfen.

22

3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die Antragsschrift vom 18. August 2016 nebst Anlagen und die Erwiderung des Vertreters des Antragsgegners vom 7. Oktober 2016 Bezug genommen.

II.

23

Das Begehren der Antragsteller hat Erfolg. Der Antragsgegner ist verpflichtet, sich nochmals mit Ziffer II. 1. a) und b) des im Tenor genannten Antrags der Antragsteller vom 8. Oktober 2015 zu befassen und ihm - sollte er weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - in Ziffern II. 1.a) und b) (zumindest) mehrheitlich im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG zuzustimmen.

24

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben.

25

a) Der Antrag ist statthaft.

26

Nach § 17 Abs. 2 PUAG ist auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses Beweis zu erheben, wenn dies von (mindestens) einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt wurde und weder die Beweiserhebung unzulässig noch das Beweismittel unerreichbar ist. Lehnt der Untersuchungsausschuss die Beweiserhebung ab, kann (mindestens) ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Beweiserhebung festzustellen, anrufen, § 17 Abs. 4 PUAG.

27

Die Antragsteller repräsentieren ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses.

28

Die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 4 PUAG besteht nicht lediglich, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch wenn ein Beweisbeschluss nicht vollzogen wird (Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 33; Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 PUAG Rn. 25; vgl. auch BayVerfGH, BayVBl 2007, 171, 172; anders wohl Lenz, NJW 2005, 2495, 2496).

29

Der Gesetzgeber verwendet in § 17 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 PUAG die Formulierung "Beweiserhebung". Beweiserhebung bedeutet die Beschaffung von Beweisen (vgl. BayVerfGH, aaO, S. 172). Schon aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich daher, dass nicht nur die Entscheidung, bestimmte Beweise zu erheben, sondern auch der tatsächliche Vollzug der beschlossenen Beweiserhebung durch die Rechtschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sichergestellt werden soll.

30

Auch die Gesetzessystematik, hier die Regelung der Rechte der Ausschussminderheit und die insoweit gegebene Rechtsschutzmöglichkeit in einer Norm sowie die Verwendung des Begriffes "Beweiserhebung" sowohl in § 17 Abs. 2 PUAG als auch in § 17 Abs. 4 PUAG spricht gegen die Argumentation des Antragsgegners, einem Vollzugsanspruch der Ausschussminderheit aus § 17 Abs. 2 PUAG stünde keine Rechtsschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegenüber.

31

Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Mit dem Recht der Minderheit des Ausschusses auf Erhebung von Beweisen aus § 17 Abs. 2 PUAG und der damit korrespondierenden Rechtsschutzmöglichkeit nach § 17 Abs. 4 PUAG sollte sichergestellt werden, dass das der Minderheit in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG eingeräumte Recht, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen, nicht leerläuft (vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, Stand: Juli 2016, Art. 44, Rn. 197/198). Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 8. April 2002 (BVerfGE 105, 197) der Einsetzungsminderheit einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Beweisanträge und grundsätzlich auch des Vollzuges derselben eingeräumt (BVerfGE 105, 197, juris Rn. 102 ff., insbesondere Rn. 109). Mit § 17 Abs. 2 und 4 PUAG hat der Gesetzgeber das, was das Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich geboten hält, weitgehend auf einfachgesetzlicher Ebene umgesetzt, hat jedoch über die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinaus die genannten Rechte einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses eingeräumt, gleichgültig, wie sich diese Minderheit zusammensetzt, mithin auch der Minderheit, die als solche eine einsetzungsberechtigte Minderheit nicht repräsentiert (vgl. Maunz/Dürig/Klein, aaO Rn. 201). In diesen Fällen sind die Minderheitenrechte nur gesetzlicher, nicht verfassungsrechtlicher Natur und daher nicht im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzbar. Der Gesetzgeber hat deshalb zur Sicherstellung der Rechte die Rechtschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eröffnet (vgl. Maunz/Dürig/Klein, aaO Rn. 201). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des einfachrechtlich gewährleisteten Schutzes der nicht einsetzungsberechtigten Minderheit in Abkehr zu dem umfassenderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Rechte der einsetzungsberechtigten Minderheit nur die Beschlussfassung der Beweiserhebung, nicht auch den Vollzug derselben durch die Rechtsschutzmöglichkeit zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sicherstellen wollte, sind nicht ersichtlich.

32

Zweck der Rechtsschutzmöglichkeit aus § 17 Abs. 4 PUAG ist es - wie vorstehend ausgeführt - die Rechte der Ausschussminderheit auf Beweiserhebung sicherzustellen. Eine Auslegung dahingehend, dass nur die Ablehnung der Beschließung einer von der Ausschussminderheit begehrten Beweiserhebung der Überprüfung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, nicht auch die Ablehnung des Vollzuges derselben, unterliegt, würde diesem Zweck zuwider laufen. Könnte das Unterlassen des Vollzuges einer auf Antrag der Ausschussminderheit beschlossenen Beweiserhebung keiner gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, würden das Antragsrecht der Ausschussminderheit und die diesbezügliche Rechtsschutzmöglichkeit faktisch leerlaufen.

33

Das durch die Antragsteller erstrebte Rechtsschutzziel, die Durchsetzung eines Amtshilfeersuchens an die Bundesregierung, die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland zu schaffen, betrifft die Frage, ob der Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses vom 8. Mai 2014 vollzogen wird, nicht wie er vollzogen wird (vgl. dazu auch Roßbach, JZ 2014, 975, 978). Denn zu Recht führen die Antragsteller aus, dass angesichts der unter I. dargestellten mehrmaligen Weigerung des Zeugen trotz grundsätzlich bestehender Aussagebereitschaft, für eine Vernehmung oder informelle Befragung - in welcher Form auch immer - an seinem derzeitigen Aufenthaltsort zur Verfügung zu stehen, der Vollzug des Beweisbeschlusses nur durch eine Vernehmung des Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland möglich ist. Auf sämtliche durch den Untersuchungsausschuss angefragten Varianten der Vernehmung beziehungsweise Befragung an seinem derzeitigen Aufenthaltsort hat der Zeuge ablehnend reagiert, zuletzt mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 10. November 2015 und 26. Mai 2016 im Hinblick auf die durch den Ausschuss intendierte Videovernehmung. Die Antragsgegner haben nicht vorgetragen, dass der Zeuge zwischenzeitlich seine Haltung geändert hätte. Eine Erzwingung der Vernehmung oder informellen Befragung des Zeugen an seinem derzeitigen Aufenthaltsort ist rechtlich nicht möglich.

34

Dieser Bewertung durch das erkennende Gericht stehen keine bindenden Feststellungen aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2014 (BVerfGE 138, 45) gegenüber. Vor dem Bundesverfassungsgericht haben die Antragsteller geltend gemacht, der Antragsgegner verstieße durch die Ablehnung seiner Beweisanträge auf Vernehmung des Zeugen S.      in Berlin gegen die Rechte der Antragsteller aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, nachdem Ausfluss des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auch die Bestimmung von Ort und Zeit einer bereits beschlossenen Zeugenvernehmung sei (BVerfG, aaO, juris Rn. 17, 21). Das Bundesverfassungsgericht verwarf den diesbezüglichen Antrag der Antragsteller als unzulässig, da diese kein in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend machten. Die Bestimmung von Zeit und Ort der Vernehmung eines Zeugen beträfe die Modalitäten des Vollzuges eines Beweisbeschlusses (BVerfG, aaO, juris Rn. 41).

35

Gegenstand des Rechtsstreits der Parteien vor dem Bundesverfassungsgericht war damit ein anderer als in dem vorliegenden Verfahren, in dem die Durchsetzung eines Ersuchens an die Bundesregierung zur Ermöglichung der Aussage des Zeugen S.      vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin als einzig verbliebene Möglichkeit zum Vollzug des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 erstrebt wird.

36

Ein ernsthaftes Bemühen des Ausschusses um eine Vernehmung des Zeugen in Moskau kann unterstellt werden. Inwieweit dies für die Zulässigkeit des Antrages von Belang sein könnte, wurde weder näher dargetan, noch ist dies ersichtlich.

37

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben.

38

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht im Hinblick auf den Zeitablauf von annähernd 20 Monaten seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2014 entfallen.

39

(1) Eine Frist für die gerichtliche Geltendmachung des Minderheitenrechts aus § 17 Abs. 2 PUAG sieht das Parlamentarische Untersuchungsausschussgesetztes nicht vor. Die Übertragung einer Fristenregelung aus einem anderen Gesetz, hier das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, würde die Rechtsschutzmöglichkeit des § 17 Abs. 3 PUAG in unzulässiger Weise beschränken. § 64 BVerfGG spricht im Einzelnen verschiedene Aspekte des Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht an, die hauptsächlich auf der Linie von Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzungen, also von Zulässigkeitsvoraussetzungen, liegen (Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: Februar 2016, § 64 Rn. 1), während die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anrufung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof nach dem Parlamentarischen Untersuchungsausschussgesetz dort in § 17 Abs. 4 geregelt sind. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antrags zum Ermittlungsrichter sind dabei insgesamt weniger restriktiv als die Voraussetzungen des § 64 BVerfGG. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch die isolierte Übertragung der Fristenregelung des § 64 Abs. Abs. 3 BVerfGG umgangen werden.

40

(2) Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ergibt sich auch nicht aus dem durch den Antragsgegner eingewandten Rechtsgedanken der Verwirkung.

41

Eine Verwirkung prozessualer Befugnisse kommt grundsätzlich auch im Strafrecht in Betracht (BVerfG, BVerfGE 32, 305, juris Rn. 21). Nicht erörtert werden muss daher an dieser Stelle, inwieweit mit Blick auf Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG hier die strafprozessualen Grundsätze Anwendung finden (zur Problematik der normativen Festlegung durch das Parlamentarische Untersuchungsausschussgesetz, was unter sinngemäßer Anwendung der strafprozessualen Grundsätze gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG zu verstehen ist vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, Stand: Juli 2016, Art. 44, Rn. 28/29).

42

Eine Verwirkung materieller Rechte oder prozessualer Befugnisse kann dann vorliegen, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Die Tatsache, dass der Berechtigte sich verspätet auf sein Recht beruft, mithin der Zeitablauf für sich betrachtet, führt jedoch alleine noch nicht zur Verwirkung. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerfG, aaO, juris Rn. 18).

43

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt keine Verwirkung des Antragsrechts gemäß § 17 Abs. 4 PUAG vor.

44

Die Antragsteller haben auch nach Dezember 2014 durch entsprechende Handlungen klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ihr Ziel des Vollzuges des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 (durch Vernehmung des Zeugen in Deutschland) weiterverfolgen. Beginnend mit ihrem Antrag vom 8. Oktober 2015 und ihrer weiteren Haltung im Rahmen der Behandlung des Antrages im Ausschuss haben die Antragsteller dies fortlaufend deutlich zum Ausdruck gebracht. Unter dem 26. Mai 2016 hat sich der anwaltliche Vertreter des Zeugen letztmals ablehnend zu einer Vernehmung desselben in Moskau geäußert, die letzte Äußerung der Bundesregierung zu einer Vernehmung in Deutschland datiert vom 6. Juni 2016. Zeitnah nach diesen Stellungnahmen, nämlich am 24. August 2016 ging der Antrag gemäß § 17 Abs. 4 PUAG beim Bundesgerichtshof ein. Der Antragsgegner konnte daher klar erkennen, dass die Antragsteller ihr Ziel, den Beweisbeschluss vom 8. Mai 2014 (durch Vernehmung des Zeugen in Deutschland) zu vollziehen, weiterverfolgen.

45

bb) Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller fehlt auch nicht deshalb, weil diese durch eine positive Entscheidung des Gerichts ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen können.

46

Ziel der Antragsteller ist es, eine Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland und damit die einzige Möglichkeit des Vollzuges des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2014 durch zu setzten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Mitwirkung der Bundesregierung erforderlich. Diese hat diesbezüglich auf entsprechende Anfragen des Ausschusses zwar bereits unverbindliche Stellungnahmen abgeben, mangels eines förmlichen Amtshilfeersuchens jedoch keine definitive Entscheidung kommuniziert. Wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist offen und weder durch die Antragsteller, noch durch das Gericht antizipierbar. Ob gegen eine gegebenenfalls negative Entscheidung der Bundesregierung die Antragsteller weiteren Rechtsschutz vor dem Bundesverfassungsgericht suchen können, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Argumentation würde eine negative Entscheidung der Bundesregierung auf das durch die Antragsteller begehrte Amtshilfeersuchen des Ausschusses bereits voraussetzten. Nicht ersichtlich ist ferner, inwieweit der Inhalt der Entscheidung der Bundesregierung davon abhängig sein soll, ob der Antrag von einer einsetzungsberechtigten Minderheit mit der Möglichkeit der Überprüfung der Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht oder von einer nicht mit den Rechten des Art. 44 GG ausgestatteten Minderheit gestellt wird.

47

2. Der Antrag hat in der Sache Erfolg.

48

Der Beweisbeschluss des Ausschusses vom 8. Mai 2014 kann - wie unter II.1.a) näher dargelegt - nur durch eine Vernehmung des Zeugen S.      in Deutschland vollzogen werden. Das durch die Antragsteller mit dem Antrag nach § 17 Abs. 4 PUAG erstrebte Ersuchen des Ausschusses an die Bundesregierung, die Voraussetzungen für die Vernehmung des Zeugen in Deutschland zu schaffen, ist erforderlich, um den Beweisbeschluss vollziehen zu können.

49

Gründe, die ein Absehen von dem Vollzug des Beweisbeschlusses rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Dahingestellt bleiben kann daher, ob die Ausnahmeregelungen des § 17 Abs. 2 PUAG, wonach Beweise dann nicht zu erheben sind, wenn die Beweiserhebung unzulässig oder das Beweismittel auch nach Anwendung der in dem Parlamentarischen Untersuchungsausschussgesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar ist, nur für den Erlass des Beweisbeschlusses oder auch den Vollzug desselben gelten (vgl. dazu Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 7).

50

Im Einzelnen:

51

a) Der Zeuge S.      ist nach derzeitigem Sachstand nicht unerreichbar im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG.

52

aa) Die Unerreichbarkeit des Zeugen ergibt sich nicht bereits daraus, dass dessen Vernehmung in Deutschland u.a. von der Mitwirkung der Bundesregierung abhängt, denn eine definitive Entscheidung über diese Mitwirkungshandlung soll durch das mit dem vorliegend begehrten Amtshilfeersuchen gerade bewirkt werden. Auch die fehlende rechtliche Pflicht des Zeugen, zu seiner Aussage nach Deutschland einzureisen, macht das Beweismittel nach derzeitigem Sachstand nicht unerreichbar, denn der Zeuge hat bislang bei grundsätzlicher Aussagebereitschaft lediglich eine Vernehmung in Moskau abgelehnt.

53

bb) Auch die durch den Zeugen für den Fall seiner Einreise begehrte Zusicherung der Bundesregierung, ihn nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern, führt derzeit nicht zur Unerreichbarkeit des Beweismittels. Denn die Frage, ob dieses Hindernis überwunden werden kann, ist gerade Gegenstand des Antrages. Die Entscheidung, ob von einer Auslieferung abgesehen werden kann, oder diese rechtlich geboten ist, obliegt der Bundesregierung, nicht dem Ausschuss. Eine definitive Klärung im Sinne einer verbindlichen Aussage der Bundesregierung ist gerade Ziel der durch die Antragsteller erstrebten Entscheidung.

54

Zwar entbindet die gesetzliche Ausgestaltung der Beweiserhebung als Minderheitenrecht nach § 17 Abs. 2 PUAG den Ausschuss nicht von der Beachtung verfassungsrechtlicher Grundprinzipien, insbesondere der Grundrechte (Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., Kap. 27 Rn. 10; vgl. auch BVerfG, NVwZ 2002, 1499, juris Rn. 34). So hat der Ausschuss etwa bei der Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 21 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 6 und § 29 Abs. 2 Satz 1 PUAG die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Betroffenen zu beachten (vgl. BVerfG, aaO, juris Rn. 34) und darf über seinen Untersuchungsauftrag nicht hinausgehen (vgl. Brocker, aaO, Kap. 27 Rn. 10). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ausschuss a priori von einem Amtshilfeersuchen absehen muss, bei dem die Möglichkeit besteht, dass die ersuchte Stelle die Amtshilfe aus Rechtsgründen ablehnen könnte und insoweit eine vollständige Vorabprüfung vornehmen muss. Eine Pflicht des Ausschusses, von einem Amtshilfeersuchen abzusehen, könnte allenfalls dann bestehen, wenn der Gegenstand desselben eine Handlung darstellte, die augenscheinlich rechtswidrig ist, ohne dass es hierzu auf eine weitere Prüfung oder Einschätzung der ersuchten Stelle ankommt. So verhält es sich vorliegend jedoch nicht. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Antragsteller hat die Bundesregierung bislang nur vorläufige Bewertungen abgegeben. So wird in der Stellungnahme vom 2. Mai 2014 ausgeführt, dass die Möglichkeit bestehen könnte, dass der Zeuge S.      für den Fall seiner Einreise in die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden muss. In dem Bericht vom 2. Juni 2014 wird dargelegt, dass zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das Department of Justice gerichtet worden seien und das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grundlage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden könne. Hieraus ergibt sich, dass die Bundesregierung selbst das Vorliegen eines Auslieferungshindernisses nicht von vorneherein für ausgeschlossen erachtet. Aus den Mitteilungen der Bundesregierung vom 28. Oktober 2015 (Anlage 9) und 6. Juni 2016 (Anlage 10) ergibt sich nichts anderes. Eine augenscheinliche Rechtswidrigkeit der zu ersuchenden Handlung liegt damit nicht vor.

55

Gleiches gilt auch für die Frage, ob auf den durch den Zeugen angebotenen "Deal" eingegangen werden muss.

56

Der Untersuchungsausschuss ist ein spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle und der Selbstinformation des Parlaments. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist er berechtigt (und auf Antrag der Ausschussminderheit auch verpflichtet, § 17 Abs. 2 PUAG) in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise zu erheben und dabei nach den Regeln über den Strafprozess zu verfahren, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 GG (Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, S. 28, 29). Im Strafprozess gilt für die Vernehmung von Zeugen der Unmittelbarkeitsgrundsatz, § 250 StPO. Lediglich in Ausnahmefällen kann hiervon abgewichen werden, §§ 251 ff. StPO. Auch im Untersuchungsausschuss ist die Vernehmung des persönlich anwesenden Zeugen das "Leitbild" der Zeugenvernehmung (Brocker, NVwZ 2015, 410, 411; Roßbach, JZ 2014, 975). Warum vor diesem Hintergrund eingedenk des Umstandes, dass faktisch vorliegend ohnehin ausschließlich eine Vernehmung des Zeugen vor dem Ausschuss in Deutschland in Betracht kommt, kein Recht der Minderheit bestehen soll, den Vollzug des Beweisbeschlusses dadurch sicher zu stellen, dass dem Zeugen eine für ihn betreffend die Frage der Auslieferung an die Vereinigten Staaten risikolose Einreise ermöglicht wird, ist nicht ersichtlich.

57

b) Von der Beweiserhebung kann auch nicht gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO, wonach die Ladung eines Zeugen im Ausland unterbleiben kann, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, abgesehen werden. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob die Gründe für das Absehen von einer Beweisaufnahme in § 17 Abs. 2 PUAG abschließend geregelt sind, beziehungsweise die Ausnahmegründe des § 244 StPO ergänzend greifen (vgl. dazu (Gärditz in: Waldhoff/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 18; Brocker in: Glauben/Brocker, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, 3. Aufl., § 17 PUAG Rn. 18). Denn der Antragsgegner hat schon nicht plausibel dargetan, warum die Aussage des Zeugen S.      - offenbar entgegen der ursprünglich bei Entscheidung über die Erhebung des Beweises getroffenen Einschätzung der Beweisbedeutung der Vernehmung des Zeugen - zur Klärung des Untersuchungsauftrages nicht mehr erforderlich sein soll. Allein der Hinweis darauf, dass der Zeuge nicht selbst an der nachrichtendienstlichen Aufklärung gegen Deutschland mitgewirkt hat, ist hierfür nicht ausreichend. Auf die vom Antragsgegner angestellten außenpolitischen Erwägungen und die Frage, ob diese durch den Ausschuss im Rahmen der Beweiserhebung berücksichtigt werden dürfen, kommt es von daher nicht mehr an. Überdies fehlt eine detaillierte Abwägung unter Darstellung des Untersuchungsauftrages, des von dem bereits beschlossenen Zeugenbeweis erwarteten Erkenntnisgewinns und der angestellten außenpolitischen Erwägungen.

58

Das durch die Antragsteller begehrte Ersuchen an die Bundesregierung kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht ersetzen, da er andernfalls - weil sein Ersuchen nicht Gegenstand oder Grundlage eines Organstreitverfahrens sein kann - dieses einem solchen verfassungsgerichtlichen Verfahren entziehen würde (vgl. BGH [Ermittlungsrichter] - 2 BGs 20/2009 - juris Rn. 48). Ob dies auch dann gilt, wenn sich die Mehrheit des Untersuchungsausschusses trotz einer sie zur Zustimmung verpflichtenden gerichtlichen Entscheidung weigert, den Beschluss, ein entsprechendes Ersuchen zu stellen, zu erlassen, bedarf hier keiner Entscheidung.

III.

59

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

60

Ein Gebührentatbestand bezüglich der Gerichtskosten ist weder im Untersuchungsausschussgesetz noch in oder für die hier sinngemäß anzuwendende Strafprozessordnung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG) gegeben; zudem würden solche Gebühren nicht erhoben (§ 2 GKG). Auch für die Überbürdung der Kosten und Auslagen des Antragsgegners mangelt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. zudem § 35 PUAG).

Wimmer

Richterin am Bundesgerichthof

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann der Antragsgegner Beschwerde einlegen (§ 36 Abs. 3 PUAG). Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll bei dem Gericht einzureichen, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat, also beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs. Sie ist an keine Frist gebunden. Auch besteht für die Einlegung der Beschwerde sowie ihre Begründung kein "Anwaltszwang", Verfahrensbeteiligte können das Rechtsmittel also auch durch ein selbst verfasstes Schreiben einlegen und begründen.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Artikel 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

(2) Hält der Bundesgerichtshof den Einsetzungsbeschluss für verfassungswidrig und kommt es für die Entscheidung auf dessen Gültigkeit an, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Satz 1 gilt für den Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes entsprechend.

(3) Gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters oder der Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshofes ist die Beschwerde statthaft, über die der Bundesgerichtshof entscheidet.

(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
_________________
StB 19/09
vom
16. Juni 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juni 2009 gemäß § 304
Abs. 4, § 307 Abs. 2 StPO beschlossen:
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs für den Angeschuldigten und seine Verteidiger wird der Beschluss des Senats vom 23. April 2009 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts vom 2. April 2009 wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1. April 2009 abgeändert.
Die Vollziehung des Beschlusses des Oberlandesgerichts München vom 19. März 2009 wird bis zu der Entscheidung des Senats über die Rechtsmittel des Generalbundesanwalts gegen den vorbezeichneten Beschluss ausgesetzt, soweit darin aufgehoben worden sind - die Beschlagnahmebeschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2006 (1 BGs 192/2006), 7. Dezember 2006 (1 BGs 198/2006) und 21. Mai 2007 (1 BGs 226/2007); - die Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in das Vermögen des Angeschuldigten und der H. Limited, vom 19. Oktober 2006 (1 BGs 142/2006) und 13. Dezember 2006 (1 BGs 208/2006), letztgenannter Beschluss jedoch nur, soweit sich die Aufhebung durch das Oberlandesgericht München auf einen Teilbetrag von 277.041,07 € erstreckt; ein Restbetrag von 133.364,31 € ist daher freizugeben.
Die weitergehende Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1. April 2009 wird verworfen.

Gründe:

1
Mit Beschluss vom 19. März 2009 hat es das Oberlandesgericht München abgelehnt, die Anklage des Generalbundesanwalts vom 7. August 2008 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten zu eröffnen. Zugleich hat es - neben der Aufhebung des Haftbefehls und der Freigabe der Sicherheitsleistung - die in der Entscheidungsformel genannten Beschlagnahme- und Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Anordnung der Beschlagnahme einer Reihe von Gegenständen abgelehnt, die als Beweismittel und Einziehungsgegenstände in Betracht kommen könnten.
2
Der Generalbundesanwalt hat am 27. März 2009 gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens sofortige Beschwerde und gegen die Nebenentscheidungen Beschwerde eingelegt und dies mit dem Antrag verbunden, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidungen auszusetzen. Der Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 1. April 2009 nicht abgeholfen und zugleich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verworfen. Gegen die letztgenannte Entscheidung hat der Generalbundesanwalt am 2. April 2009 Beschwerde eingelegt, soweit sie "die Aufhebung von Beschlagnahme- und Arrestbeschlüssen" betrifft. In diesem Umfang hat der Senat daraufhin mit Beschluss vom 23. April 2009 die Vollziehung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 19. März 2009 ausgesetzt.
3
Der Beschluss des Senats ist aus Gründen der Eilbedürftigkeit ohne Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger ergangen; ihnen ist nachträglich rechtliches Gehör gewährt worden (§ 311 a StPO). Die daraufhin erhobenen Einwände der Verteidiger gegen den Senatsbeschluss vom 23. April 2009 führen zu dessen teilweiser Abänderung, soweit er sich auf den Arrestbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2006 (1 BGs 208/2006) bezieht. Die Vollziehung der Aufhebung dieser Arrestanordnung durch das Oberlandesgericht wird nur noch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang ausgesetzt. Hinsichtlich des überschießenden Betrages von 133.364,31 € liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses dagegen nicht vor. In diesem Umfang erweist sich die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 1. April 2009 daher als unbegründet. Im Übrigen verbleibt es bei dem Beschluss des Senats vom 23. April 2009. Im Einzelnen ist, namentlich mit Blick auf die erhobenen Einwände der Verteidigung, im jetzigen Verfahrensstadium lediglich folgendes auszuführen :
4
1. Der Senat ist befugt, im Beschwerdewege über die vom Generalbundesanwalt erstrebte Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden (vgl. MeyerGoßner , StPO 51. Aufl. § 307 Rdn. 4). Er ist dabei weder an die rechtliche Bewertung der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Handlungen durch das Oberlandesgericht gebunden, noch kommt dem Zeitraum, der zwischen dem Beschluss des Oberlandesgerichts über die Aufhebung der Arrestbeschlüsse und der Vorlage der Beschwerde durch den Generalbundesanwalt an den Senat liegt, eine die Sachentscheidung des Senats ausschließende Wirkung zu. Auch durch § 120 Abs. 2 StPO wird eine Entscheidung über die Fortdauer der Arrestierungen und der Beschlagnahmen nicht gehindert. Diese Regelung betrifft allein die Freilassung eines Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Sie stellt eine Ausnahme von § 307 Abs. 2 StPO dar, die auf weitere Eingriffe nicht ausdehnend anwendbar ist.
5
2. Hinsichtlich eines arrestierten Betrags von 575.093,72 € sowie hinsichtlich der Beschlagnahmebeschlüsse verbleibt es bei der Aussetzung der Vollziehung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses vom 19. März 2009. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass gemäß § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO ohne das Vorliegen dringender Gründe eine Arrestanordnung über zwölf Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden darf.
6
Ob hier dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorliegen, ist eine Frage, die erst mit der Beschlussfassung des Senats über die Rechtsmittel des Generalbundesanwalts gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens sowie der Nebenentscheidungen zu beantworten ist. Diese Entscheidung kann im Verfahren nach § 307 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Hebt das Ausgangsgericht einen Arrestbeschluss lediglich isoliert auf, weil es dringende Gründe im Sinne des § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO nicht (mehr) als gegeben ansieht, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Beschwerdegericht über das Vorliegen der dringenden Gründe erst in der Hauptsache zu entscheiden hat und durch § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO nicht gehindert ist, bis zu dieser Entscheidung den Vollzug des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses auszusetzen. Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich die Aufhebung eines Arrestbeschlusses lediglich als folgerichtige Annexentscheidung zu der Nichtzulassung einer Anklage darstellt mit der Folge, dass die Beantwortung der Frage, ob die für die weitere Arrestierung notwendigen dringenden Gründe weiterhin vorliegen, untrennbar mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens verknüpft ist.
7
Anders liegt es nur dann, wenn sich die Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens schon bei vorläufiger Prüfung als aller Voraussicht nach unbegründet erweist, so dass es schon aus diesem Grund nicht sachgerecht ist, den Vollzug des Nichteröffnungsbeschlusses sowie der daran anknüpfenden Annexentscheidungen auszusetzen. Dies ist hier indes - mit der unter 3. dargelegten Einschränkung - nicht der Fall; denn die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Nichtzulassung der von ihm erhobenen Anklage ist nicht von vorneherein aussichtslos.
8
Bei dieser Sachlage hat der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Arrestierung und der Beschlagnahmen das Interesse des Angeschuldigten am sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung und der Freigabe seiner Vermögenswerte und der Beweismittel überwiegt (vgl. Matt in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 307 Rdn. 5; Engelhardt in KK-StPO 6. Aufl. § 307 Rdn. 7). Dabei ist für den Fall, dass - wie hier - der Erfolg der sofortigen Beschwerde weder auf der Hand liegt noch äußerst unwahrscheinlich ist, von Bedeutung, ob durch die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung (oder durch die Aussetzung des Vollzugs) irreparable Nachteile entstehen würden (vgl. Frisch in SK-StPO § 307 Rdn. 12 m. w. N.).
9
Diese Abwägung ergibt, dass vorliegend in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang die Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung überwiegen. Würden die arrestierten Geldbeträge und die Beweismittel freigegeben werden und würde der Senat sodann in der Hauptsache der sofortigen Beschwerde des Generalbundesanwalts stattgeben, dann ging im Fall einer Verurteilung die Vollstreckung einer Wertersatzverfallsanordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Leere, Beweismittel stünden im Verfahren nicht mehr zur Verfügung. Würde andererseits die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Nichteröffnung des Hauptverfahrens bestätigt oder das Hauptverfahren nur in geringerem Umfang eröffnet, als es dem Anklagevorwurf entspricht, so hätte der Angeschuldigte bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache für einen gewissen Zeitraum den vorläufigen Entzug seines Vermögens und der Beweisgegenstände weiter zu dulden; ihm stünden dann aber Entschädigungsansprüche zu, die diesen Nachteil jedenfalls in einem solchen Umfang ausgleichen würden, dass die trotz einer derartigen Entschädigung zu befürchtenden verbleibenden Nachteile die weitere Arrestierung im jetzigen Zeitpunkt nicht unangemessen erscheinen lassen (vgl. Frisch aaO Rdn. 12 aE).
10
3. Jedoch ist auch im Falle eines umfassenden Erfolgs der sofortigen Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens schon jetzt nicht damit zu rechnen, dass im Falle einer Verurteilung des Angeschuldigten gegen ihn Wertersatzverfall in einer Höhe angeordnet werden wird, die der Gesamtsumme der in den beiden Arrestbeschlüssen bezeichneten Teilbeträgen entspricht. Hierzu gilt:
11
Wie der Generalbundesanwalt im Beschwerdeverfahren selbst dargelegt hat, beträgt die Summe des vom Angeschuldigten im Fall 3 der Anklage Erlangten nur 13.530,00 €. Insgesamt hat der Angeschuldigte danach nach dem An- klagevorwurf aus allen Taten 575.093,72 € erlangt (589.779,86 € abzüglich des der Anklage irrtümlich zugrunde gelegten Mehrbetrags von 14.686,14 €). In Höhe dieses Betrages verbleibt es bei der Arrestierung. Indes sind entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts die Voraussetzungen für die Arrestierung des darüber hinausgehenden Betrages nicht gegeben. Für die vom Beschwerdeführer insoweit vorgenommene Schätzung gezogener Nutzungen ist kein Raum. Zwar können auch Nutzungen für verfallen erklärt und dieser Ausspruch durch Arrestbeschluss gesichert werden, indes setzt eine Schätzung die sichere Überzeugung davon voraus, dass überhaupt Nutzungen gezogen worden sind. Darüber hinaus bedarf es einer gesicherten Schätzungsgrundlage. Zumindest die letztgenannte Voraussetzung ist, wie die wahlweisen Mutmaßungen in der Beschwerdeschrift über die Konditionen verschiedener Geldanlagemöglichkeiten zeigen, nicht gegeben. Danach ist der Betrag von 133.364,31 € nunmehr freizugeben.
Becker Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist.

(1) Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Bei besonderer Dringlichkeit kann das Bundesverfassungsgericht davon absehen, den am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten, zum Beitritt Berechtigten oder Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Wird die einstweilige Anordnung durch Beschluß erlassen oder abgelehnt, so kann Widerspruch erhoben werden. Das gilt nicht für den Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Über den Widerspruch entscheidet das Bundesverfassungsgericht nach mündlicher Verhandlung. Diese muß binnen zwei Wochen nach dem Eingang der Begründung des Widerspruchs stattfinden.

(4) Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverfassungsgericht kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung aussetzen.

(5) Das Bundesverfassungsgericht kann die Entscheidung über die einstweilige Anordnung oder über den Widerspruch ohne Begründung bekanntgeben. In diesem Fall ist die Begründung den Beteiligten gesondert zu übermitteln.

(6) Die einstweilige Anordnung tritt nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen wiederholt werden.

(7) Ist ein Senat nicht beschlußfähig, so kann die einstweilige Anordnung bei besonderer Dringlichkeit erlassen werden, wenn mindestens drei Richter anwesend sind und der Beschluß einstimmig gefaßt wird. Sie tritt nach einem Monat außer Kraft. Wird sie durch den Senat bestätigt, so tritt sie sechs Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft.

(1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt.

(2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist.

Tenor

Die Anträge werden verworfen.

Gründe

A.

1

Der Organstreit betrifft die Frage der Beweiserhebung des 1. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (sogenannter NSA-Untersuchungsausschuss) durch Zeugenvernehmung von Edward Snowden, einem US-amerikanischen Staatsangehörigen und früheren Mitarbeiter des Geheimdienstes National Security Agency. Antragsteller sind die Fraktionen DIE LINKE sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im 18. Deutschen Bundestag (Antragsteller zu 1.), 127 Mitglieder des 18. Deutschen Bundestages (Antragsteller zu 2.) und zwei Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses des 18. Deutschen Bundestages (Antragsteller zu 3.). Sie wenden sich gegen die nach ihrer Ansicht unzulässige Weigerung der Bundesregierung (Antragsgegnerin zu 1.), die Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Edward Snowdens durch den 1. Untersuchungsausschuss des 18. Deutschen Bundestages in Berlin zu schaffen (Antrag zu 1.), sowie gegen die Ablehnung von Anträgen der Antragsteller zu 3. auf Vernehmung Edward Snowdens in Berlin durch den Untersuchungsausschuss (Antragsgegner zu 2. [Antrag zu 2.]).

I.

2

1. Am 14. Juni 2013 wurde beim United States District Court for the Eastern District of Virginia Anklage gegen Edward Snowden erhoben. Ihm wurden wegen der Verbreitung von Informationen über die Internet- und Telekommunikationsüberwachung durch amerikanische und britische Geheimdienste Theft of Government Property (Diebstahl von Regierungseigentum), Unauthorized Communication of National Defense Information (unautorisierte Veröffentlichung von Informationen über die Landesverteidigung) und Willfull Communication of Classified Communications Intelligence Information to an Unauthorized Person (vorsätzliche Weitergabe von als geheim eingestufter Geheimdienstkommunikation an nicht autorisierte Personen) vorgeworfen. Am gleichen Tag wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen. Seit Juni 2013 hält Snowden sich in Moskau auf.

3

2. Am 20. März 2014 setzte der 18. Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss ein (BTDrucks 18/843; BT-Plenarprot. 18/23). Der Untersuchungsausschuss soll im Wesentlichen aufklären, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang durch Nachrichtendienste der Staaten der sogenannten "Five Eyes" (der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, Australiens und Neuseelands) eine Erfassung von Daten über Kommunikationsvorgänge, deren Inhalte sowie sonstige Datenverarbeitungsvorgänge von, nach und in Deutschland auf Vorrat oder eine Nutzung solcher durch öffentliche Unternehmen der genannten Staaten oder private Dritte erfasster Daten erfolgte beziehungsweise erfolgt und inwieweit Stellen des Bundes von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls daraus Nutzen zogen.

4

3. In seiner 2. Sitzung am 10. April 2014 (Ausschussprotokoll [Ausschussprot.] 18/2, S. 9) beschloss der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Ausschussminderheit der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Entscheidung über den Antrag der Antragsteller zu 3. vom 2. April 2014 (Ausschuss-Drucksache [ADrucks] 41) zur Beweiserhebung durch Vernehmung Edward Snowdens als Zeuge zu vertagen.

5

4. Aufgrund eines Beschlusses der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 10. April 2014 (Ausschussprot. 18/2, S. 9 f.) nahm die Antragsgegnerin zu 1. zu den mit einer möglichen Vernehmung Edward Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss verbundenen verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen, aufenthaltsrechtlichen und strafprozessualen Fragen mit einem Schreiben vom 2. Mai 2014 Stellung (ADrucks 104). In einer Vorbemerkung wies sie auf Folgendes hin:

Sofern Erkenntnisse zum tatsächlichen Sachverhalt nicht gesichert oder überhaupt nicht vorlagen, konnten Prüfung und Stellungnahme nur in allgemeiner Form erfolgen. Entscheidungen unabhängiger Gerichte oder von Behörden können hierdurch nicht präjudiziert oder vorweggenommen werden. Die nachfolgende Stellungnahme der Bundesregierung kann insofern auch keine bindende Wirkung entfalten.

6

Vertiefend führte sie aus, dass es für die Wahl der aufenthaltsrechtlichen Instrumente zur Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt Edward Snowdens darauf ankomme, ob dieser im Besitz eines gültigen Passes sei. Dies sei nach ihrer Kenntnis nicht der Fall. Nicht sicher sei, ob die Russische Föderation Edward Snowden ohne Reisedokumente ausreisen lasse. Im Hinblick auf ihre Unterstützungspflicht gegenüber dem Antragsgegner zu 2. sei im Rahmen der gebotenen Abwägung des Weiteren zu berücksichtigen, ob Edward Snowden als Zeuge im Ausland vernommen werden könne und deshalb ihre Weigerung, ihn nach Deutschland einreisen zu lassen, voraussichtlich nicht zur Folge hätte, dass das Beweismittel nicht zur Verfügung stünde. Eine Vernehmung Edward Snowdens in der Russischen Föderation unmittelbar durch den Untersuchungsausschuss oder durch russische Behörden, per Videokonferenz unter Leitung des Untersuchungsausschusses oder russischer Behörden oder in der deutschen Botschaft setze die Zustimmung russischer Stellen voraus.

7

Weiter vertrat die Antragsgegnerin zu 1. die Auffassung, dass im Fall einer Vernehmung in Deutschland mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen und einer Beeinträchtigung der Kooperation mit US-Sicherheitsbehörden zu rechnen sei, die für die Sicherheit Deutschlands von grundlegender Bedeutung sei. Die rechtliche Prüfung habe ergeben, dass Edward Snowden - vorbehaltlich der Zustimmung der Behörden des Aufenthaltsstaates - auch im Ausland vernommen werden könne. Vor diesem Hintergrund dürften die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands gegenüber dem möglichen Interesse des Untersuchungsausschusses an einer Vernehmung Edward Snowdens in Deutschland überwiegen. Es sei möglich, dass Edward Snowden im Fall einer Einreise nach Deutschland an die Vereinigten Staaten auszuliefern wäre. Auch ein etwaiges freies beziehungsweise sicheres Geleit wäre in diesem Fall nicht geeignet, eine Auslieferung umfassend zu verhindern.

8

In einem weiteren Bericht vom 2. Juni 2014 nahm die Antragsgegnerin zu 1. zu fünf Fragen des Antragsgegners zu 2. Stellung (ADrucks 131) und führte ergänzend aus, dass sie weiterhin eine Zeugenvernehmung im Ausland für möglich halte, dass zur Prüfung der Bewilligung einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten noch weitere Fragen an das Department of Justice gerichtet worden seien und dass das Bestehen eines Auslieferungshindernisses auf der Grundlage des bislang mitgeteilten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden könne.

9

5. Am 8. Mai 2014 beschloss der Antragsgegner zu 2. aufgrund des Beweisantrags der Antragsteller zu 3. vom 2. April 2014 (ADrucks 41) einstimmig, zu dem Untersuchungsauftrag (BTDrucks 18/843) Beweis zu erheben durch Vernehmung von Edward Snowden als Zeuge (Beweisbeschluss Z-1). Den weitergehenden Antrag der Antragsteller zu 3., Edward Snowden einzuladen, dem Antragsgegner zu 2. über seine Kenntnisse Auskunft zu erteilen, lehnte der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ab (Ausschussprot. 18/3, S. 7). Weiter beschloss der Antragsgegner zu 2. in dieser Sitzung mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, Edward Snowden zu ersuchen, möglichst bis zum 20. Mai 2014 schriftlich mitzuteilen, ob und in welcher Art und Weise er für eine Befragung durch den Ausschuss zur Verfügung stehen könne (Ausschussprot. 18/3, S. 9). Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 an den Untersuchungsausschuss teilte der Rechtsanwalt Edward Snowdens mit, dass er seinem Mandanten davon abrate, sich unter den derzeitigen aufenthaltsrechtlichen Bedingungen in einer Weise "von Moskau aus zu äußern", die seine Situation verschlechtere und seinen Aufenthaltsstatus möglicherweise gefährde.

10

6. Am 5. Juni 2014 beantragten die Antragsteller zu 3. (ADrucks 134):

Der 1. Untersuchungsausschuss möge beschließen:

1. Herr Rechtsanwalt K. wird gebeten,

a. möglichst bis 15. Juni 2014 mitzuteilen, ob sein Mandant entsprechend dem anwaltlichen Rat nur in Deutschland zu einer Zeugenvernehmung zur Verfügung steht,

b. für diesen Fall (Vernehmung nur in Deutschland) seinem Mandanten eine Ladung für eine Zeugenvernehmung am 4. Juli 2014 in Berlin zu übermitteln.

2. Falls Herr Snowden nur in Deutschland für eine Zeugenvernehmung zur Verfügung steht, wird die Bundesregierung nach Übermittlung der entsprechenden Äußerung ersucht (siehe 1b.), binnen 14 Tagen nach deren Eingang nunmehr in Ansehung dieser Äußerung sogleich alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um eine Vernehmung des Zeugen vor dem 1. Untersuchungsausschuss zu ermöglichen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt, Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes sowie alle notwendigen Vorkehrungen für einen wirksamen Zeugenschutz).

11

Dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 5. Juni 2014 mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD durch den Antragsgegner zu 2. abgelehnt (Ausschussprot. 18/6, S. 7). In derselben Sitzung beschloss der Ausschuss mit den Stimmen der Ausschussmehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Edward Snowden zu ersuchen mitzuteilen, ob er möglichst bis zum 2. Juli 2014 für ein (informelles) Gespräch mit dem Vorsitzenden und den Obleuten des Untersuchungsausschusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zur Verfügung stehe (Ausschussprot. 18/6, S. 7). Der Rechtsanwalt Edward Snowdens teilte in seinem Antwortschreiben vom 19. Juni 2014 mit, dass eine Zeugenvernehmung Snowdens in Moskau nicht in Betracht komme und für ein informelles Gespräch in Moskau derzeit kein Bedarf bestehe (ADrucks 137).

12

7. Am 25. Juni 2014 stellten die Antragsteller zu 3. folgenden Antrag (ADrucks 138):

1. Der Ausschuss möge beschließen:

a. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die erste Sitzung des Ausschusses zur Beweisaufnahme nach der Sommerpause am 11. September 2014 in Berlin zur Vernehmung geladen.

b. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 29. August 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen.

2. Für den Fall einer ablehnenden Beschlussfassung des Ausschusses über den Antrag zu 1.a. erheben das Mitglied der Fraktion DIE LINKE und das Mitglied der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN als Viertel der Mitglieder des Ausschusses dagegen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG Widerspruch und beantragen:

Der Ausschuss möge beschließen:

a. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die nächste Beweisaufnahmesitzung geladen, für die die Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN in entsprechender Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG nach dem sogenannten Reißverschlussverfahren seine Vernehmung verlangen können.

b. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 29. August 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen."

3. Für den Fall einer ablehnenden Beschlussfassung des Ausschusses über den Antrag zu 1.b. oder den Antrag zu 2.b. bei Annahme des Antrages zu 1. bzw. 2. im Übrigen beantragen das Mitglied der Fraktion DIE LINKE und das Mitglied der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN als Viertel der Mitglieder des Ausschusses in Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts auf Beweiserhebung des Ausschusses zu seinem Beweisbeschluss Z-1 (Vernehmung von Edward Snowden als Zeuge):

Der Ausschuss möge beschließen:

Der Vorsitzende erarbeitet und übermittelt bis zur nächsten Beratungssitzung des Ausschusses einen schriftlichen Vorschlag mit detaillierten Ausführungen dazu, wie angesichts der Ablehnung des Antrages auf Ersuchen der Bundesregierung (1.b. bzw. 2.b.) eine Vernehmung des Zeugen Snowden vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin am vom Ausschuss beschlossenen Termin erfolgen kann, insbesondere, wie dem Zeugen Snowden Einreise nach und Aufenthalt in Deutschland ermöglicht und ein wirksamer Schutz des Zeugen vor einer Auslieferung an das Ausland gewährleistet werden soll.

13

Alle drei Anträge wurden durch Beschluss vom 26. Juni 2014 mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD abgelehnt (Ausschussprot. 18/8, S. 9). An demselben Tag fasste der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den folgenden Beschluss (Ausschussprot. 18/8, a.a.O.):

1. Auf Antrag der Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 138 wird die Vernehmung des Zeugen Edward Snowden für den 11.9.2014, 13 Uhr MESZ, terminiert.

2. Diese Vernehmung wird als audiovisuelle Zeugenvernehmung entsprechend § 247a StPO durch Übertragung von seinem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Aufenthaltsort in die - öffentliche - Ausschusssitzung in Berlin durchgeführt.

3. Der Zeuge wird im Wege der förmlichen Ladung ersucht, für diese Vernehmung am 11.9.2014, 13 Uhr MESZ, zur Verfügung zu stehen.

4. Dem Zeugen wird in Aussicht gestellt, dass er auf seinen Wunsch hin an diesem Termin alternativ auch nicht förmlich als sonstige Auskunftsperson gehört werden könnte.

5. Die Bundesregierung wird ersucht, die äußeren Voraussetzungen für die Durchführung dieser Vernehmung entsprechend § 247a StPO zu diesem Termin zu schaffen.

6. Eine mit einem Aufenthalt von Herrn Snowden in Deutschland verbundene Vernehmung wird zum oben genannten Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Bundesregierung (A-Drs. 104 und 131), der Sicherheitsinteressen des Zeugen und der für den Zeugen abgegebenen anwaltlichen Stellungnahmen abgelehnt.

14

Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 teilte der Rechtsanwalt Edward Snowdens mit, dass sein Mandant trotz grundsätzlicher Aussagebereitschaft für die avisierte Videovernehmung in Moskau nicht zur Verfügung stehe.

15

8. Gegen die Ablehnung ihrer Anträge vom 25. Juni 2014 erhoben die Antragsteller zu 3. als Viertel der Mitglieder des Ausschusses unter Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG vom 19. Juni 2001 [BGBl I S. 1142], geändert durch Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 [BGBl I S. 718]) Widerspruch und beantragten am 21. Juli 2014 (ADrucks 180):

Der Ausschuss möge beschließen:

1. Der Zeuge Snowden (Beweisbeschluss Z-1) wird für die nächste Beweisaufnahmesitzung, für die die Mitglieder der Fraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/DIE GRÜNEN in entsprechender Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestages gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 PUAG nach dem sogenannten Reißverschlussverfahren seine Vernehmung verlangen können, zu seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am Sitz des Deutschen Bundestages in Berlin geladen.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, in Erfüllung ihrer grundgesetzlichen Verpflichtungen unverzüglich die Voraussetzungen für eine zeugenschaftliche Vernehmung des Zeugen Snowden in Deutschland zu diesem Termin zu schaffen (insbesondere pass- und ausländerrechtliche Ermöglichung von Einreise und Aufenthalt sowie Zusage eines wirksamen Auslieferungsschutzes) und dies dem Ausschuss verbindlich mitzuteilen sowie - im Falle einer partiellen oder vollständigen Ablehnung bzw. Nichterfüllung dieses Ersuchens - bis spätestens 19. September 2014 die für die Ablehnung bzw. Nichtveranlassung der betreffenden Maßnahme(n) jeweils maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen und dem Ausschuss mitzuteilen."

16

Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner zu 2. mit den Stimmen der Ausschussmehrheit in der Sitzung vom 11. September 2014 ab.

II.

17

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1., die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Edward Snowdens in Berlin zu schaffen, sowie aufgrund der Ablehnung der Beweisanträge gerichtet auf dessen Zeugenvernehmung in Berlin durch den Antragsgegner zu 2. in ihrem Recht aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt worden.

18

1. Die Antragsteller halten ihre Anträge im Organstreitverfahren für zulässig.

19

Insbesondere ergebe sich eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und § 13 Nr. 5 BVerfGG. Das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei vorrangig gegenüber dem Rechtsweg zum Bundesgerichtshof. Die durch das Untersuchungsausschussgesetz eingeräumten Rechtsmittel vor dem Bundesgerichtshof blieben auf Fälle beschränkt, bei denen eine qualifizierte Minderheit im Ausschuss die Verletzung von Rechten geltend mache, die nicht Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts seien. Die Frage der Zulässigkeit eines Beweisantrags könne nicht generell als nicht-verfassungsrechtliche Frage verstanden werden, da der Anspruch der Minderheit auf Beweiserhebung auf Verfassungsrecht beruhe, nämlich dem Einsetzungsrecht der Minderheit gemäß Art. 44 Abs. 1 GG, das sich in der Untersuchungsarbeit des Ausschusses fortsetze. Für die Frage des Rechtswegs komme es darauf an, ob die Maßnahmen des Untersuchungsausschusses einer verfahrensrechtlichen Überprüfung unterzogen werden sollten - dann Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs - oder ob aufeinander bezogene Rechte und Pflichten der verschiedenen Verfassungsorgane beziehungsweise ihrer Untergliederungen in Streit stünden. Ausschlaggebend sei der verfassungsrechtliche Charakter des Rechts, das zur Entscheidung des Streits heranzuziehen sei. Nur wenn die streitentscheidende Norm eine des Untersuchungsausschussgesetzes sei, die nicht Art. 44 GG konkretisiere, oder eine Norm der entsprechend anzuwendenden Strafprozessordnung, komme der Rechtsweg zum Bundesgerichtshof in Betracht.

20

Hinsichtlich des Antrags zu 1. scheide eine Zuweisung an den Bundesgerichtshof gemäß § 17 Abs. 4 PUAG schon deshalb aus, weil das Beweisantragsrecht im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG gar nicht betroffen sei. Andere ausdrückliche Rechtswegzuweisungen, wie die in § 18 PUAG, seien ebenfalls nicht einschlägig. Aus § 36 PUAG ergebe sich auch keine generelle Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs. Jedenfalls handele es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, da die Pflicht der Bundesregierung aus Art. 44 GG, die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses zu unterstützen, in Streit stehe. Die verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Vernehmung Snowdens könnten nur von der der Bundesregierung unterstehenden Exekutive vorgenommen werden. Bei dem Streit um die Grenzen der Pflichten der Bundesregierung aus Art. 44 GG handele es sich um einen Organstreit.

21

Auch hinsichtlich des Antrags zu 2. sei eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Zwar handele es sich bei den vom Untersuchungsausschuss abgelehnten Anträgen zur Zeugenvernehmung um solche im Sinne des § 17 Abs. 2 PUAG. Die Ablehnung beruhe aber nicht auf verfahrensmäßigen, das heißt nicht-verfassungsrechtlichen Gründen. Der Untersuchungsausschuss habe als Begründung angegeben, dass er sich die Erwägungen der Bundesregierung zu Eigen gemacht habe; er habe jedenfalls keine verfahrensrechtlichen Einwände geltend gemacht, die denen des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO ähnlich seien. Streitentscheidend sei, ob die Einwände der Bundesregierung im Untersuchungsausschuss beachtet werden müssten oder dürften. Die Entscheidung darüber bedürfe einer verfassungsrechtlichen Würdigung der Kompetenzen der betroffenen Organe oder Organteile. Mithin handele es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Unzutreffend sei die Annahme, dass allein der Beschluss darüber, ob ein Zeuge überhaupt vernommen werde, Ausfluss des verfassungsrechtlichen Minderheitenrechts sei und demgegenüber die Bestimmung von Ort und Zeit der Vernehmung in die Sphäre der Verfahrensherrschaft der Ausschussmehrheit falle, ohne dass der aus Art. 44 GG folgende Minderheitenschutz Relevanz habe.

22

2. Das angegriffene Verhalten der Antragsgegner verletze die Antragsteller auch in ihren verfassungsrechtlichen Rechten.

23

a) Der Antrag zu 1. sei begründet, weil die Antragsgegnerin zu 1. mit ihren Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 Art. 44 Abs. 1 GG verletzt habe. Sie sei verfassungsrechtlich verpflichtet, die Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens zu schaffen. Es ergebe sich auch über die Aktenvorlagepflicht hinaus aufgrund des Art. 44 GG eine umfassende Pflicht der Antragsgegnerin zu 1. zur Unterstützung des Untersuchungsausschusses. Im Fall der Vernehmung Snowdens, der sich im Ausland aufhalte, sei der Ausschuss auf die Unterstützung der Antragsgegnerin zu 1. angewiesen, da Snowden eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis benötige und da er um die Zusicherung gebeten habe, nicht an die Vereinigten Staaten von Amerika ausgeliefert zu werden. Die Antragsgegnerin zu 1. verfüge dabei über die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten, Snowden Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. § 22 Satz 2 AufenthG ermögliche eine Aufnahme aus dem Ausland aus politischen Gründen. Des Weiteren könne sie Snowden zusichern, im Fall der Einreise nach Deutschland von einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten abzusehen. Eine Auslieferungspflicht bestehe nicht, da der entsprechende Auslieferungsvertrag eine Ausnahme für politische Straftaten vorsehe. Eine solche werde Snowden hier vorgeworfen. Aus der verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht folge hinsichtlich der Entscheidung über die Aufnahme Snowdens und der "Zusicherung der Nicht-Auslieferung" eine "Entscheidungsreduktion". Der Unterstützungspflicht habe sich die Antragsgegnerin zu 1. mit ihren Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 "vorgreiflich" verweigert. Zwar habe die Antragsgegnerin zu 1. noch nicht auf eine konkrete Bitte des Ausschusses reagieren müssen. Sie habe aber die Anfragen des Ausschusses genutzt, um auf indirekte, gewissermaßen diplomatisch kaschierte Weise schon im Vorgriff auf potentielle Erwägungen des Ausschusses ihre Ablehnung und Weigerung zu den notwendigen Unterstützungsmaßnahmen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Die Ablehnung möglicher Unterstützung des Ausschusses sei auch nicht von den Grenzen der verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht (Reichweite des Untersuchungsauftrags, Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, Geheimhaltungsbedürftigkeit aus Gründen des Staatswohls sowie Grundrechte Dritter) gedeckt. Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe seien weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.

24

b) Der Antrag zu 2. sei ebenfalls begründet. Der Antragsgegner zu 2. verletze seine Pflicht gemäß Art. 44 Abs. 1 GG, die erforderlichen Beweise in öffentlicher Verhandlung zu erheben, indem er die Beweisanträge der Antragsteller zu 3. vom 25. Juni 2014 und vom 21. Juli 2014 abgelehnt und zudem die Vernehmung des Zeugen durch offensichtlich nicht zielführende Beschlüsse verhindert habe. Der Antragsgegner zu 2. sei zur Ladung Snowdens zur Vernehmung am Sitz des Bundestages in Berlin verpflichtet, weil die Opposition im Ausschuss dies beantragt habe. Das Bundesverfassungsgericht habe wegen der spiegelbildlichen Besetzung des Ausschusses die Opposition mit besonderen Verfahrensrechten ihrer Repräsentanten im Ausschuss auch im Rahmen der Beweiserhebung gestärkt. Namentlich habe das Bundesverfassungsgericht ein Beweisantragsrecht der Vertreter einer potentiellen Einsetzungsminderheit im Ausschuss sowie ein Recht auf angemessene Berücksichtigung der von der Opposition benannten Zeugen im Ausschuss verlangt. Beides habe § 17 PUAG kodifiziert. Hiermit seien die möglichen Konflikte zwischen Mehrheit und Opposition im Ausschuss aber nicht erschöpfend geregelt. Das Bundesverfassungsgericht habe aus dem Einsetzungsrecht des Art. 44 Abs. 1 GG ein Beweiserzwingungsrecht und daran anknüpfend ein Beweisdurchsetzungsrecht der Opposition im Ausschuss anerkannt. Das Beweiserhebungsrecht umfasse den gesamten Bereich der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Der Opposition im Ausschuss müsse zur Wahrung der Effektivität des Beweisdurchsetzungsrechts und des dahinterstehenden Beweiserhebungsrechts das Recht zustehen, den Vernehmungsort gegen die Ausschussmehrheit durchzusetzen. Angesichts der Anträge der Antragsteller zu 3. sei der Ausschuss also verpflichtet gewesen, Snowden nach Berlin zu laden. Diese Pflicht habe der Antragsgegner zu 2. durch die Ablehnung entsprechender Beschlüsse sowie die Verhinderung und Verzögerung der Vernehmung Snowdens verletzt. Zunächst sei der Beweisantrag gegen den Willen der Antragsteller zu 3. vertagt worden. Die Absicht der Ausschussmehrheit, die Beweiserhebung zu vereiteln, sei auch erkennbar geworden, als der Antragsgegner zu 2. am 5. Juni 2014 beschlossen habe, Snowden um ein informelles Gespräch mit den Obleuten des Ausschusses an seinem momentanen Aufenthaltsort zu bitten, und als er am 26. Juni 2014 anstelle einer Ladung Snowdens nach Berlin dessen audiovisuelle Vernehmung beschlossen habe. Der Antragsgegner zu 2. könne sich zur Rechtfertigung seines Vorgehens weder auf die Verfahrensherrschaft noch auf überwiegende Belange des Staatswohls berufen.

B.

25

Die Anträge sind unzulässig.

I.

26

Mit dem Antrag zu 1. wenden sich die Antragsteller nicht gegen einen tauglichen Angriffsgegenstand. Dabei kann dahinstehen, ob sie sich nur gegen ein schlichtes Unterlassen der Antragsgegnerin zu 1. wenden, das in der Weigerung der Unterstützung der Ausschussarbeit liegen soll, oder ob sie kumulativ die Feststellung begehren, dass sie durch die beiden Schreiben vom 2. Mai 2014 und 2. Juni 2014 in ihren Rechten verletzt seien. In jedem Fall ist das gerügte Verhalten der Antragsgegnerin zu 1. kein zulässiger Gegenstand im Organstreitverfahren.

27

1. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreitverfahren zulässig, wenn der Antragsteller geltend machen kann, dass er durch eine Maßnahme oder eine Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muss rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (vgl. BVerfGE 57, 1 <4 f.>; 60, 374 <381>; 97, 408 <414>; 120, 82 <96>). Als rechtserhebliche Maßnahme kommt jedes Verhalten des Antragsgegners in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 118, 277 <317> m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Antragsteller durch die angegriffene Maßnahme in seinem Rechtskreis konkret betroffen wird (vgl. BVerfGE 1, 208 <228 f.>; 13, 123 <125>; 124, 161 <185>). Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreit aus (vgl. BVerfGE 68, 1 <74 f.>; 97, 408 <414>; 120, 82 <96>).

28

2. Nach diesen Maßstäben bezieht sich der Antrag zu 1. nicht auf taugliche Angriffsgegenstände.

29

a) Die beiden Schreiben vom 2. Mai 2014 und vom 2. Juni 2014 stellen keine rechtserheblichen Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG dar.

30

aa) Die Einschätzungen der Antragsgegnerin zu 1. in dem Schreiben vom 2. Mai 2014 sind nur vorläufiger Natur. Im Hinblick darauf, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Antragsgegnerin zu 1. zu dem Beschluss des Ausschusses vom 10. April 2014 Stellung nahm, wesentliche Erkenntnisse zum relevanten Sachverhalt noch nicht vorlagen oder jedenfalls nicht gesichert waren, ist das Schreiben vom 2. Mai 2014 erkennbar lediglich als erste, nur in allgemeiner Form abgefasste Äußerung ohne Festlegung auf eine bestimmte Bewertung des bisher bekannten Sachverhalts gemeint. Dies betrifft etwa die Fragen, ob Edward Snowden im Besitz eines gültigen Passes ist und ob seitens der Behörden der Russischen Föderation eine Ausreise bewilligt oder eine Zustimmung der russischen Behörden zur Zeugenvernehmung vor Ort erteilt würde. Die Vorläufigkeit der Einschätzung ergibt sich auch daraus, dass der Antragsgegnerin zu 1. zu diesem Zeitpunkt ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners zu 2. zur Beurteilung noch nicht vorlag. Standen die tatsächlichen Umstände eines solchen Ersuchens aber (noch) nicht fest, konnte eine abschließende Bewertung der Antragsgegnerin zu 1. zur Reichweite einer sie möglicherweise treffenden verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht gegenüber dem Antragsgegner zu 2. noch nicht vorgenommen werden.

31

Im Übrigen handelt es sich bei diesem Schreiben um eine lediglich unverbindliche Stellungnahme, die Entscheidungen zuständiger Behörden oder unabhängiger Gerichte über die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder über die Bewilligung einer Auslieferung nicht präjudizieren oder vorwegnehmen sollte oder konnte. Bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Behandlung eines Amtshilfeersuchens, die Rechte der Antragsteller oder des Antragsgegners zu 2. berühren könnte, entfaltet das Vorgehen der Antragsgegnerin zu 1. keine rechtlich relevante Außenwirkung. Die Beantwortung der Anfrage durch die Antragsgegnerin zu 1. erschöpft sich vielmehr darin, den Antragsgegner zu 2. über Abwägungsgesichtspunkte im Umgang mit einem möglicherweise künftig an sie zu richtenden Amtshilfeersuchen zu informieren. Das Schreiben hat insofern nur gutachtlichen Charakter und kann durch den Antragsgegner zu 2. zur Vorbereitung seiner Willensbildung im Hinblick auf eine Entscheidung über die Ladung Edward Snowdens zur Zeugenvernehmung in Deutschland herangezogen werden. Aus dem rein informatorischen Charakter dieses Schreibens folgt auch, dass verfassungsrechtlich garantierte Rechte der Antragsteller nicht berührt werden.

32

bb) Gleiches gilt für das Schreiben der Antragsgegnerin zu 1. vom 2. Juni 2014, in dem sie durch den Hinweis auf offene Sachverhaltsfragen erneut die Vorläufigkeit ihrer Einschätzung herausstellt.

33

b) Soweit sich die Antragsteller generell gegen die Weigerung der Antragsgegnerin zu 1. wenden, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Zeugenvernehmung Snowdens in Deutschland zu schaffen, ist der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens ebenfalls mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin zu 1. unter Umständen von Verfassungs wegen verpflichtet sein kann, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Solange weder eine Ladung Edward Snowdens zur Zeugenvernehmung nach Deutschland vorliegt noch ein konkretes Amtshilfeersuchen des Antragsgegners zu 2. abgelehnt wurde, verdichten sich Stellungnahmen der Antragsgegnerin zu 1. mit dem Ziel einer bloßen Unterrichtung noch nicht zu einem rechtserheblichen Unterlassen.

II.

34

Hinsichtlich des Antrags zu 2. ist der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet.

35

1. Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller die Feststellung begehren, dass der Antragsgegner zu 2. sie mit der Ablehnung von Verfahrensanträgen vom 25. Juni 2014 und vom 21. Juli 2014 in ihren Rechten aus Art. 44 Abs. 1 GG verletzt hat. Zwar greifen die Antragsteller ausweislich des Wortlautes und der Begründung des Antrags im Organstreitverfahren die Ablehnung von Beweisanträgen an. Bei den streitgegenständlichen Anträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 handelt es sich aber nicht um Beweisanträge. Formale Voraussetzung eines Beweisantrags ist auch im Untersuchungsausschussverfahren, dass das Beweismittel hinreichend präzise benannt und das Beweisthema hinreichend bestimmt ist (vgl. Brocker, in: Glauben/Brocker, PUAG, 2011, § 17 Rn. 4). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Demzufolge handelt es sich bei den Anträgen vom 25. Juni 2014 und 21. Juli 2014 lediglich um (Verfahrens-)Anträge zur Ausgestaltung der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses.

36

2. § 36 Abs. 1 PUAG bestimmt bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit, dass zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach dem Untersuchungsausschussgesetz der Bundesgerichtshof ist, soweit Art. 93 GG sowie § 13 BVerfGG und die Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes nichts Abweichendes bestimmen.

37

Aus dem Vorbehalt in § 36 Abs. 1 PUAG sowie aus der Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses nach § 36 Abs. 2 PUAG ergibt sich, dass dem Bundesgerichtshof nach dem Untersuchungsausschussgesetz keine verfassungsrechtliche Zuständigkeit zugewiesen ist, sondern allein die verfahrensrechtliche Überprüfung der Ausschussarbeit im Einzelnen, bei der die - dem Ablauf eines Strafprozesses vergleichbare - Ordnung des Untersuchungsverfahrens im engeren Sinne in Rede steht, zum Beispiel bezüglich der Erhebung bestimmter Beweise, der Verlesung von Schriftstücken oder der Herausgabepflicht von Gegenständen (vgl. BVerfGE 113, 113 <123>; 124, 78 <104>).

38

Das Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG zielt demgegenüber auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (vgl. BVerfGE 104, 151 <193>). Die als verletzt geltend gemachte Rechtsposition muss in einem Verfassungsrechtsverhältnis gründen (vgl. BVerfGE 118, 277 <318 f.>; 131, 152 <191>). Ein Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor, wenn auf beiden Seiten des Streits Verfassungsorgane oder Teile von Verfassungsorganen stehen und um diese verfassungsrechtliche Positionen streiten (vgl. BVerfGE 118, 277 <318>).

39

3. Nach diesen Maßstäben ist eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die vorliegende Streitigkeit nicht gegeben.

40

Sie ergibt sich nicht aufgrund einer abweichenden Regelung im Untersuchungsausschussgesetz (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2, § 18 Abs. 3 Hs. 1, § 23 Abs. 2 Hs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 3 Hs. 1 PUAG).

41

Das Bundesverfassungsgericht kann auch nicht im Wege des Organstreits angerufen werden, da Gegenstand des Antrags nicht die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Grundgesetz ist. Die Antragsteller haben geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch auf Bestimmung des Zeitpunktes und des Ortes der Zeugenvernehmung zu. Damit machen sie kein in Art. 44 Abs. 1 GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber dem Untersuchungsausschuss geltend. Nicht im Streit steht nämlich das aus Art. 44 Abs. 1 GG abzuleitende Beweiserzwingungs- und Beweisdurchsetzungsrecht der qualifizierten Minderheit im Ausschuss (vgl. BVerfGE 105, 197 <223 ff.>). Die Bestimmung des Vernehmungsortes und des Zeitpunktes der Vernehmung betrifft vielmehr die Modalitäten des Vollzugs eines bereits ergangenen Beweisbeschlusses. Über derartige Verfahrensabläufe entscheidet grundsätzlich die jeweilige Ausschussmehrheit nach Maßgabe der §§ 17 ff. PUAG und der sinngemäß anwendbaren Vorschriften der Strafprozessordnung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG). Ihre Verfahrensherrschaft ist durch das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Beteiligung begrenzt (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 226). Nachdem dem Antrag der Antragsteller zu 3. auf Zeugenvernehmung Edward Snowdens seitens des Antragsgegners zu 2. durch Erlass des Beweisbeschlusses Z-1 entsprochen wurde, ist auch dieses Beteiligungsrecht der qualifizierten Minderheit nicht streitgegenständlich. Kern der Auseinandersetzung ist die Klärung der einfachrechtlichen Frage, ob und wie zur Erreichung des Aufklärungszwecks eine unmittelbare Einvernahme vor dem Untersuchungsausschuss vorzunehmen ist. Allein der Umstand, dass der Antragsgegner zu 2. einfachrechtliche und völkerrechtliche Überlegungen der Antragsgegnerin zu 1. in seine Entscheidungen einbezieht, begründet entgegen der Auffassung der Antragsteller keine verfassungsrechtliche Streitigkeit.

C.

42

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.