Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 478/13
vom
11. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Nötigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Dezember 2013 gemäß §§ 46,
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision zu gewähren, wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Nötigung in Tateinheit mit Anstiftung zur Falschaussage“ zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen haben das Rechtsmittel sowie der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist keinen Erfolg.
2
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist ist unzulässig, weil das Rechtsmittel - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. September 2013 zutreffend ausgeführt hat - rechtzeitig eingelegt wurde (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2012 - 4 StR 126/12, vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 553/11 und vom 25. Mai 2005 - 2 StR 153/05; s. auch BGH, Beschluss vom 17. Januar 1962 - 4 StR 392/61, BGHSt 17, 94, 96).
3
2. Die Revision hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
4
Das Landgericht hat die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB aus dem Strafrahmen des § 153 StGB i.V.m. § 26 StGB - drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe - gebildet. Es hat dabei u.a. zu Lasten des Angeklagten gewertet , dass er die von ihm angestiftete Haupttäterin „der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hat“ (UA S. 10).
5
Diese Wertung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Anstiftung (§ 26 StGB) setzt voraus, dass ein anderer zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird. Wird - wie hier - die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat begangen, besteht regelmäßig die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (vgl. auch § 160 Abs. 1, § 163 Abs. 1 StPO). Die regelmäßigen Auswirkungen der Anstiftungshandlung stellen aber keinen Strafschärfungsgrund dar (vgl. auch Senat, Beschluss vom 3. April 1998 - 2 StR 101/98, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Beihilfe 3 zu den regelmäßigen Auswirkungen der Beihilfehandlung). Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung eine niedrigere Strafe ausgesprochen worden wäre.
6
3. Der Senat weist auf Folgendes hin:
7
a) Die bisherige Begründung des Landgerichts, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat zunächst die Prüfung unterlassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose zu stellen ist (§ 56 Abs. 1 StGB; vgl. auch Senat, Beschluss vom 22. Dezember 1988 - 2 StR 664/88, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 3). Bei Anwendung der Ausnahmevorschrift (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 - 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 43) des § 56 Abs. 3 StGB hat das Landgericht zudem nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juli 1990 - 2 StR 270/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 7), Untersuchungshaft verbüßt und die Tat gestanden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 1991 - 1 StR 320/91, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 11). Die Überlegungen des Landgerichts laufen zudem auf den - bedenklichen - Gedanken eines generellen Ausschlusses der Aussetzungsmöglichkeit bei Aussagedelikten hinaus. Der Senat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 13. April 2011 - 2 StR 665/10, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 21.
8
b) Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob eine Gesamtstrafe mit der Strafe aus dem - aufgrund des Beschlusses des Senats vom 19. November 2013 (2 StR 527/13) nunmehr rechtskräftigen - Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2013 zu bilden ist.
VRiBGH Prof. Dr. Fischer Appl Eschelbach ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert Appl Ott Zeng

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13 zitiert 10 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Strafprozeßordnung - StPO | § 163 Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren


(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ers

Strafprozeßordnung - StPO | § 160 Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung


(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. (2) Die St

Strafgesetzbuch - StGB | § 153 Falsche uneidliche Aussage


Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2013 - 2 StR 478/13 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2011 - 4 StR 553/11

bei uns veröffentlicht am 21.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 553/11 vom 21. Dezember 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 21. D

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2005 - 2 StR 153/05

bei uns veröffentlicht am 25.05.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 153/05 vom 25. Mai 2005 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Mai 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 2 StR 665/10

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 665/10 vom 13. April 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerde

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 4 StR 126/12

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 126/12 vom 3. Juli 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. Juli 2012 gemäß

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 126/12
vom
3. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 3. Juli 2012 gemäß § 46 Abs. 1,
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung seiner Revision zu gewähren, wird verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. November 2011 wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und die Einziehung eines Schraubendrehers angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel sowie der von einem weiteren Verteidiger des Angeklagten ferner gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist haben keinen Erfolg.
2
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, weil das Rechtsmittel - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 23. April 2012 zutreffend dargelegt hat - rechtzeitig begründet wurde. Er ist daher nicht nur gegenstandslos, sondern - weil auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet - unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 553/11 mwN).
3
2. Die Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 23. April 2012 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
4
Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte bei den Stichen in den Kopf des Nebenklägers einerseits mit dem von der Strafkammer "zumindest" festgestellten bedingten Tötungsvorsatz gehandelt hat, er aber andererseits für den Fall, dass dieser Erfolg nicht eintreten sollte, die tatsächlich eingetretenen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB als sichere Folgen seiner Handlungen vorausgesehen hat (vgl. zum Vorliegen von direktem Tötungsvorsatz und wissentlichem Herbeiführen der schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 2 StGB: BGH, Urteile vom 22. Januar 1997 - 3 StR 522/96, NStZ 1997, 233, 234; vom 14. Dezember 2000 - 4 StR 327/00, NJW 2001, 980, 981, und vom 25. Juni 2002 - 5 StR 103/02, BGHR StGB § 226 Abs. 2 schwere Körperverletzung 2).
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 553/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 21. Dezember 2011 gemäß § 46
Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag der Angeklagten G. , ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung ihrer Revision zu gewähren, wird verworfen.
2. Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. Juni 2011 werden verworfen.
3. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten sowie zwei Mitangeklagte wegen besonders schweren Raubes - teilweise unter Einbeziehung früherer Strafen - zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen verurteilt und unter anderem bei den Angeklagten J. und T. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der (Gesamt-)Freiheitsstrafe angeordnet. Gegen das Urteil richten sich die auf jeweils eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten G. und J. . Der Angeklagte T. beanstandet mit seinem Rechtsmittel allein das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung , nämlich eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Die Rechtsmittel sowie der von der Angeklagten G. zudem gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist haben keinen Erfolg.
2
1. Der Antrag der Angeklagten G. auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, weil das Rechtsmittel - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 7. November 2011 zutreffend ausgeführt hat - rechtzeitig begründet wurde. Er ist daher nicht nur gegenstandslos, sondern - weil auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet - unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 2 StR 153/05; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 44 Rn. 6 mwN).
3
2. Die Revisionen der Angeklagten G. , T. und J. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere liegt das Verfahrenshindernis eines fehlenden bzw. unwirksamen Eröffnungsbeschlusses nicht vor.
4
Ein Eröffnungsbeschluss ist unwirksam, wenn er nicht von der im Gesetz vorgeschriebenen Anzahl an Richtern erlassen wurde, "wobei es nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern nur auf die Zahl der Richter ankommt, die bei der Beschlußfassung mitgewirkt haben" (so bereits BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 - 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279 mwN). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Er ist hieran auch nicht durch die im Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2011 (3 StR 280/11) als entgegenstehend zitierte Rechtsprechung gehindert. Denn der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in späteren Entscheidungen eine etwaige entgegenstehende frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 1977 aufgegeben (vgl. Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Beschluss vom 6. April 2005 - 1 StR 60/05); der 4. Strafsenat hält an einer etwaigen entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest.
5
Da durch die dienstliche Erklärung der drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 2. September 2011 bewiesen ist, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens von diesen Richtern (mündlich ) beschlossen und lediglich der schriftliche Beschluss versehentlich von zwei der Richter nicht unterschrieben wurde, liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 153/05
vom
25. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Mai 2005 gemäß
§§ 46, 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen zu gewähren, wird verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 24. November 2004 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I. Der Generalbundesanwalt hat zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt: "Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, weil die Revision durch den Verteidiger des Angeklagten rechtzeitig begründet wurde, so dass es an einer Fristversäumung fehlt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Antrag auch deshalb unzulässig wäre, weil es an Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses nach § 45 Abs. 2 StPO fehlt (Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 45 Rnr. 5 m.w.N.).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen kommt, wenn die Revision, wie hier, mit der Sachrüge fristgemäß begründet worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht (BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4, 7). Der Fall einer Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nicht vor (Meyer-Goßner aaO § 44 Rnr. 7a m.w.N.)." Dem schließt sich der Senat an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, daß nicht nur der Pflichtverteidiger des Angeklagten sondern auch der Wahlverteidiger form- und fristgerecht mit der Sachrüge die Revision begründet hat. II. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug, die durch die Gegenerklärung des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden. Bode Otten Rothfuß Roggenbuck Appl

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 665/10
vom
13. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. April 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 6. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit von der Bewilligung einer Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in elf Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung betrifft. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB bejaht, aber angenommen, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sei zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten (§ 56 Abs. 3 StGB). Die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe in einer Höhe, in der die Strafaussetzung zur Bewährung noch in Betracht kommt, sei mit Blick auf das Alter des Angeklagten "ausschließlich dem Gedanken der Menschlichkeit geschuldet". Gegen einen jüngeren Angeklagten hätte das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von erheblich mehr als zwei Jahren verhängt. Die Reduzierung der Strafhöhe mit Rücksicht auf das Alter des Angeklagten könne in dem Fall des sexuellen Missbrauchs der eigenen Enkelin durch den Angeklagten von der Allgemeinheit zwar noch akzeptiert werden, nicht aber ein Verzicht auf deren Vollstreckung.
3
Damit hat das Landgericht einen falschen Maßstab angelegt. Die Strafaussetzung zur Bewährung kann zur Verteidigung der Rechtsordnung nur versagt werden, wenn der Verzicht auf die Vollstreckung der Strafe im Hinblick auf schwer wiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Die Gründe für die Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung dürfen nicht dazu führen, dass bestimmte Deliktsgruppen generell von der Möglichkeit der Strafaussetzung ausgenommen werden (vgl. BGHSt 24, 40, 45; Fischer StGB 58. Aufl. § 56 Rn. 16). Dies gilt auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 38). Die Überlegungen des Landgerichts laufen aber auf den Gedanken eines generellen Ausschlusses der Aussetzungsmöglichkeit in Missbrauchsfällen hinaus. Erforderlich ist stattdessen eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (vgl. BGHSt 24, 40, 46; LK/Hubrach StGB 12. Aufl. § 56 Rn. 57). Diese Gesamtwürdigung hat das Landgericht versäumt. Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.