Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2016 - 2 StR 326/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch - auch hinsichtlich des Mitangeklagten S. - dahingehend geändert, dass der Angeklagte P. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Mitangeklagte S. wegen Beihilfe zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,
b) im Strafausspruch sowie in der Anordnung über den Vorwegvollzug der Strafe, auch soweit es den Mitangeklagten S. betrifft, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung zum Vorwegvollzug der Strafe getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Entscheidung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken.
- 2
- 1. Der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten P. war um eine tateinheitliche Verurteilung wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinsichtlich des eingeführten Crystal, das zum Eigenverbrauch dienen sollte, zu ergänzen. Soweit die Strafkammer (allein) wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, erfasst dies nur (was die Strafkammer - wie sich der Begründung der Strafzumessungsentscheidung entnehmen lässt, in der sie zu Lasten des Angeklagten den gesamten Wirkstoffgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel berücksichtigt - übersehen hat) den Teil der Betäubungsmittel, der zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Bewaffnetes Handeltreiben in nicht geringer Menge schließt zwar grundsätzlich eine gleichzeitig verwirklichte bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus, doch gilt dies nicht für eine Teilmenge, die für den Eigenkonsum vorgesehen ist und daher von der Handelsmenge nicht erfasst wird (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 22/00).
- 3
- Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass das Gericht keine genauen Feststellungen dazu getroffen hat, welcher Teil der Betäubungsmittel konkret für den Eigenkonsum und welcher für die gewinnbringende Weiterveräußerung vorgesehen war. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass jedenfalls die größte Menge gewinnbringend weiterveräußert werden sollte. Dies trägt bei einer Gesamtmenge von 590 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 62,56% ohne Weiteres die Annahme von (bewaffneten) Handeltreiben in nicht geringer Menge. Aber auch hinsichtlich der Eigenverbrauchsmenge ist vom Vorliegen einer nicht geringen Menge, die beim festgestellten Wirkstoffgehalt schon bei 8 Gramm erreicht wäre, auszugehen. Der Mitangeklagte S. sollte 5 Gramm Crystal aus der Menge zum Eigenkonsum erhalten; zudem stellt das Landgericht fest, dass sich der betäubungsmittelabhängige Angeklagte, der täglich zwischen 3 und 4 Gramm Crystal konsumierte, auch aus der erworbenen Menge bedienen würde (UA S. 14).
- 4
- § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen , da sich der geständige Angeklagte nicht anders hätte verteidigen können.
- 5
- Die Schuldspruchänderung, die bei formaler Betrachtung zwar zu einer Erweiterung des Schuldspruchs führt, in der Sache aber angesichts eines zu großen Schuldumfangs beim Delikt des bewaffneten Handeltreibens zur Reduktion des Schuldvorwurfs führt, war gemäß § 357 StPO auf den zur Haupttat des Angeklagten P. beihilfeleistenden Mitangeklagten S. zu erstrecken.
- 6
- 2. Die Schuldspruchänderung bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs , dem die Strafkammer entsprechend ihrer unzutreffenden rechtlichen Würdigung - wie oben dargelegt - einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Bei der für den Angeklagten günstigsten Annahme, dass nur etwas mehr als die Hälfte der erworbenen Betäubungsmittel zum Verkauf bestimmt gewesen wäre, hätte die Strafkammer lediglich strafschärfend berücksichtigen dürfen, dass insoweit die nicht geringe Menge des Handeltreibens um mehr als das 35fache überschritten gewesen wäre. Soweit sie im Rahmen der Strafrahmenwahl wie auch bei der konkreten Strafzumessung eine Überschreitung um mehr als das 70fache zu Lasten des Angeklagten eingestellt hat, ist - trotz des Umstands, dass auch die Eigenverbrauchsmenge bei der Strafzumessung, allerdings nicht mit dem gleichen Gewicht, zu berücksichtigen gewesen wäre - nicht auszuschließen, dass sie bei zutreffender Würdigung zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre. Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs.
- 7
- Der neue Tatrichter wird eine Neubewertung des Schuldumfangs auf der Grundlage weiterer Feststellungen vorzunehmen haben, die den bisherigen nicht widersprechen.
- 8
- Auch insoweit war die Entscheidung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken; das Landgericht hat auch zu seinen Lasten ausdrücklich berücksichtigt, dass die Grenze zur nicht geringen Menge um mehr als das 70fache bei der Tat überschritten worden sei (UA S. 17).
- 9
- 3. Die Aufhebung des Strafausspruchs zieht den Wegfall des Ausspruchs über den Vorwegvollzug der Strafe nach sich, auch hinsichtlich des Mitangeklagten S. , gegen den ebenfalls eine Maßregelanordnung nach § 64 StPO ergangen ist.
- 10
- Unberührt bleiben die gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten S. angeordneten Maßregelaussprüche (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16).
Zeng Bartel
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:
"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"
"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".
(2) Der Eid ohne religiöse Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:
"Sie schwören, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"
"Ich schwöre es".
(3) Gibt ein Zeuge an, dass er als Mitglied einer Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft eine Beteuerungsformel dieser Gemeinschaft verwenden wolle, so kann er diese dem Eid anfügen.
(4) Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben.