Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 31/18
vom
5. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug u. a.
ECLI:DE:BGH:2018:050918B2STR31.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziff. 2. auf dessen Antrag – am 5. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 206a Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Oktober 2017
a) mit den zugehörigen Feststellungen aa) hinsichtlich der Taten II.13 bis II.18 der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten ; bb) darüber hinaus aufgehoben, (1) soweit der Angeklagte in den Fällen II.11 sowie II.12 c) bis II.12 e) der Urteilsgründe verurteilt worden ist, (2) im Ausspruch über (a) die Einzelstrafen in den Fällen II.3 bis II.8 und II.10 der Urteilsgründe, (b) die Gesamtstrafe, (c) die Einziehung eines Betrages in Höhe von 3.900 €,
b) im verbleibenden Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Betrug in acht Fällen schuldig ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in 18 Fällen sowie Beihilfe zum versuchten Betrug in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Einziehung eines Betrages in Höhe von 3.900 € sowie eines näher bezeichneten Mobiltelefons angeordnet und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Hinsichtlich der Taten II.13 bis II.18 der Urteilsgründe ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt.
3
1. Die Staatsanwaltschaft erhob im Juli 2017 wegen der urteilsgegenständlichen Taten II.1 bis II.12e) sowie weiterer Taten, wegen derer die Strafkammer den Angeklagten freigesprochen hat, Anklage (805 Js 1011/16) zum Landgericht Aachen. Die Strafkammer ließ diese am 21. August 2017 zur Hauptverhandlung zu und bestimmte, dass das Gericht in der Hauptverhandlung mit zwei Richtern einschließlich dem Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt ist. Am 18. September 2017 übersandte die Staatsanwaltschaft der Strafkammer eine weitere Anklage (805 Js 512/17), die die urteilsgegenständlichen Taten II.13 bis II.18 zum Gegenstand hatte. In der laufenden Hauptverhandlung , die zunächst nur wegen der früheren Anklage stattfand, beschloss die Strafkammer am 9. Oktober 2017 in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen, die weitere Anklage vom 18. September 2017 zur Hauptverhandlung zuzulassen und diese mit der bereits eröffneten ersten Anklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
4
2. Der Eröffnungsbeschluss vom 9. Oktober 2017 ist unwirksam, so dass es an einer Zulassung der Anklage vom 18. September 2017 fehlt. Hinsichtlich der Taten II.13 bis II.18 der Urteilsgründe besteht damit ein Verfahrenshindernis , das zur endgültigen Einstellung des Verfahrens zwingt.
5
Für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1 1. Halbsatz GVG). Schöffen können am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne von § 203 StPO beurteilen können. Auch dann, wenn eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250 mwN). Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der Eröffnungsbeschluss einer Strafkammer, der nur von zwei statt von drei Berufsrichtern unter Mitwirkung der Schöffen gefasst wurde, ist daher unwirksam (Senat, Beschluss vom 21. September 2017 – 2 StR 327/17, StraFo 2017, 509, 510; Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, aaO). Dies führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a Abs. 1 StPO (BGH, Beschluss vom 5. Juni 2018 – 5 StR 133/18, juris Rn. 2).
6
Die Verfahrenseinstellung führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.13 bis II.18 der Urteilsgründe. Bereits dies entzieht dem Gesamtstrafenausspruch und der Einziehungsentscheidung hinsichtlich des Betrages in Höhe von 3.900 €, die die Strafkammer auf die Feststellungen zu den Fällen II.17 und II.18 der Urteilsgründe gestützt hat, die Grundlage. Sie erledigt das Verfahren zu den Vorwürfen der Anklage 805 Js 512/17 in seiner Gesamtheit. Ein neues gerichtliches Verfahren setzt daher die Erhebung einer neuen Anklage voraus.

II.

7
Die Verurteilung – soweit die Anklage 805 Js 1011/16 betroffen ist, – wegen Beihilfe zum Betrug in zwölf Fällen und Beihilfe zum versuchten Betrug in sechs Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
8
1. Spätestens im Frühjahr 2016 vereinbarte der Angeklagte mit einem unbekannten Hintermann, für diesen Geldbeträge auf seinem Bankkonto entgegenzunehmen und – nach Abzug einer Aufwandsentschädigung von 50 bis 100 € – an diesen beziehungsweise weitere Hintermänner in die Türkei weiter- zuleiten. Zu diesem Zweck gab der Angeklagte diesem seinen Namen, sein Geburtsdatum, seine Adresse und seine Kontaktdaten bekannt. Der Angeklagte wurde in der Folgezeit in ein betrügerisches System einer Mehrzahl von Personen eingebunden, die überwiegend ältere, leichtgläubige Opfer telefonisch oder schriftlich kontaktierten, um durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (Gebühren für die Auszahlung aus einem angeblichen Gewinnspiel; Gebühren für die Auszahlung eines angeblichen Kontoguthabens; notwendige Begleichung von angeblichen Verbindlichkeiten, um Weiterungen zu vermeiden) ohne Rechtsgrund Gelder von diesen zu erlangen. Die Strafkammer konnte weder Einzelheiten zu der Organisation oder der Identität der Hintermänner feststellen, noch, dass der Angeklagte von den einzelnen Täuschungshandlungen seiner Hintermänner Kenntnis hatte. Der Angeklagte wusste jedoch, dass seine Unterstützungshandlungen den Betrugshandlungen der Tatgenossen dienten und er sich durch sein Mitwirken eine dauerhafte Erwerbsquelle sicherte. Zur weiteren Unterstützung stellte er seinen Hintermännern ab dem 12. Mai 2016 mehrere deutsche Telefonnummern als Voice-over-IP-Anschluss zur Verfügung. Da er die Telefonrechnung nicht bezahlte, wurde der Anschluss jedoch am 6. Juli 2016 gesperrt. Es kam zu folgenden Einzeltaten:
9
a) Im April 2016 wurde der Geschädigte W. von einem Hintermann des Angeklagten angerufen und – unter Vorspiegelung eines angeblichen Schuldenausgleichs – veranlasst, am 21. April 2016 1.300 € auf das Konto des Angeklagten bei einer Sparkasse zu überweisen (Fall II.1a) der Urteilsgründe). Auf neuerliche Aufforderung durch den Hintermann überwies der Geschädigte einen Tag später weitere 1.650 € (Fall II.1b) der Urteilsgründe) und am 27. Mai 2016 noch einmal 1.300 € (Fall II.1c) der Urteilsgründe). Der Angeklagte verfügte die Gelder jeweils am Tag des Eingangs in bar an die Hintermänner ab, wobei er von der letzten Zahlung 100 € einbehielt.
10
b) Am 29. April 2016 überwies die Geschädigte B. auf wiederholte telefonische Aufforderung durch einen Hintermann des Angeklagten für die angebliche Auflösung eines Kontoguthabens 950 € auf das Konto des Angeklagten , der den Betrag an den Hintermann weiterleitete (Fall II.2 der Urteilsgründe).
11
c) Ab dem 29. April 2016 wurde die Geschädigte L. durch einen Hintermann des Angeklagten angerufen, wobei dieser eine vom Angeklagten zur Verfügung gestellte Telefonnummer nutzte. Der Aufforderung des Hintermannes , 3.500 € auf das Konto des Angeklagten zu überweisen, kam die Geschädigte nicht nach (Fall II.3 der Urteilsgründe).
12
d) Ab dem 7. Juni 2016 kontaktierten mehrere Hintermänner des Angeklagten den Geschädigten G. , wobei sie teilweise die vom Angeklagten zur Verfügung gestellten Telefonnummern nutzten. Sie forderten, im Ergebnis vergeblich, dass dieser für eine angebliche Forderung von Gläubigern 1.650 € auf das Konto des Angeklagten bei der Sparkasse überweisen sollte (Fall II.4 der Urteilsgründe).
13
e) Am 10. Juni 2016 rief ein Hintermann des Angeklagten die Geschädigte O. an und forderte diese auf, für die Überweisung eines angeblichen Gewinnguthabens 840 € auf das Konto des Angeklagten bei der Sparkasse zu zahlen. Für eventuelle Rückrufe hinterließ er eine vom Angeklagten zur Verfügung gestellte Telefonnummer. Als die Mitarbeiterin des Finanzinstituts, die auf Bitte der Geschädigten die geforderte Eilüberweisung vornehmen sollte, die Rückrufnummer kontaktierte, spiegelte der Hintermann wahrheitswidrig vor, es handele sich um Gebühren für eine Erbschaft. Die Eilüberweisung wurde nicht ausgeführt (Fall II.5 der Urteilsgründe).
14
f) Am 20. Juni 2016 übersandte ein Hintermann des Angeklagten mittels ePostbrief der Geschädigten O. eine Zahlungsaufforderung für eine an- geblich nicht beglichene Rechnung in Höhe von 1.750 €. Als Kontakt wurden der Angeklagte mit seiner Anschrift sowie eine von diesem zur Verfügung gestellte Telefonnummer angegeben. Die Zahlung auf das Konto des Angeklagten unterblieb, da die Täuschung erkannt wurde (Fall II.6 der Urteilsgründe).
15
g) Am 24. Juni 2016 übersandte ein Hintermann des Angeklagten unter dem Briefkopf eines Finanzinstituts ein gefälschtes Schreiben, in dem der Geschädigten H. wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, über ein angebliches Kontoguthaben in Höhe von 34.190,17 € zu verfügen. In dem Schreiben war an zwei Stellen auf eine vom Angeklagten zur Verfügung gestellte Telefonnummer hingewiesen. Unter Nutzung dieser Telefonnummern wurde der Geschädigten in der Folge mitgeteilt, dass sie diesen Betrag gewonnen habe, jedoch zunächst 420 € an Steuern zu begleichen seien. Die Geschädigte überwies den geforderten Betrag am 23. September 2016 per Auslandsüberweisung in die Türkei (Fall II.7 der Urteilsgründe).
16
h) Am 13. Juli 2016 wurde der Geschädigten S. per Fax wahrheitswidrig von einem Hintermann des Angeklagten vorgespiegelt, dass gegen sie noch eine Gesamtforderung in Höhe von 10.743,17 € offen stehe. Sie wurde aufgefordert , den Betrag auf ein neues Konto des Angeklagten zu überweisen. Der Angeklagte hatte diese Kontoverbindung eingerichtet und die Bankverbindungsdaten seinen Hintermännern mitgeteilt, nachdem sein vorheriges Konto bei der Sparkasse aufgrund der Geschehnisse im Fall II.5 der Urteilsgründe gekündigt worden war. Eine Zahlung unterblieb, da die Geschädigte die Täuschung erkannte (Fall II.8 der Urteilsgründe).
17
i) Im Juli 2016 spiegelte ein Hintermann des Angeklagten dem Geschädigten Gr. wahrheitswidrig vor, er verfüge über ein Gewinnkonto in Höhe von 34.190,17 €. Die Auszahlung erfordere eine Kündigung seinerseits sowie die Zahlung einer „Grundauflösungssumme“ in Höhe von 1.255 €. Der Geschädigte überwies am 21. Juli 2016 den geforderten Betrag weisungsgemäß auf das angegebene Konto des Angeklagten, der hiervon 1.250 € zur Weiterleitung an den Hintermann abhob (Fall II.9 der Urteilsgründe).
18
j) Kurze Zeit nach der Überweisung meldete sich der Hintermann erneut bei dem Geschädigten und behauptete wahrheitswidrig, das Geld sei nicht eingegangen. Der Geschädigte glaubte dies und überwies am 28. Juli 2016 weitere 1.295 € auf das Konto des Angeklagten, wobei er jedoch versehentlich einen unzutreffenden Empfängernamen eintrug. Das Geld wurde deshalb am 29. Juli 2016 wieder auf das Konto des Geschädigten zurückgebucht (Fall II.10 der Urteilsgründe

).

19
k) Mit Schreiben vom 3. August 2016 wurde der Geschädigte Gr. von einem Hintermann des Angeklagten aufgefordert, 1.459 € auf das Konto einer näher benannten weiteren Person zu überweisen. Auf dem Schreiben war eine von dem Angeklagten zur Verfügung gestellte Telefonnummer vermerkt. Die Überweisung unterblieb (Fall II.11 der Urteilsgründe).
20
l) Am 24. September 2016 erhielt der Geschädigte R. die Mitteilung über die angebliche Auflösung eines Kontos über 34.190,17 €. Um die Auszahlung des Betrages zu erreichen, wurde der Geschädigte in mehreren Schreiben von einem Hintermann des Angeklagten aufgefordert, per Western Union Geld an den Angeklagten sowie eine weitere Person in der Türkei zu überweisen. Entsprechend der jeweiligen Aufforderung überwies der Geschädigte am 26. September 2016 546 € (Fall II.12a) der Urteilsgründe) und am 30. September 2016 845 € (Fall II.12b) der Urteilsgründe) an den Angeklagten, der die Beträge unmittelbar an den Hintermann weiterleitete. Zudem transferierte der Geschädigte auf demselben Weg am 4. Oktober 2016 780 € (Fall II.12c) der Urteilsgründe), am 27. Oktober 2016 und 3. November 2016 jeweils 680 € (Fälle II.12d) und II.12e) der Urteilsgründe) an die dritte Person in der Türkei. Die verschiedenen Aufforderungsschreiben wiesen jeweils eine vom Angeklagten den Hintermännern zur Verfügung gestellte Telefonnummer aus.
21
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des angefochtenen Urteils hat mehrere den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler ergeben.
22
a) Soweit der Angeklagte in den Fällen II.11 und II.12c) bis II.12e) der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt worden ist, wird dies von den Feststellungen nicht getragen. Insoweit unterliegt das Urteil der Aufhebung.
23
aa) Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN; Beschluss vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 – 1 StR 108/18, juris Rn. 7).
24
bb) Die Feststellungen der Strafkammer, in den verschiedenen Aufforderungsschreiben sei eine der vom Angeklagten zur Verfügung gestellten Telefonnummern angegeben gewesen, belegt für sich genommen keine tatsächlich erfolgte Förderung oder Erleichterung der im August beziehungsweise Oktober 2016 begangenen Haupttaten. Denn diese Telefonnummern waren bereits ab dem 6. Juli 2016 abgeschaltet, nachdem der Angeklagte die Telefonrechnung nicht bezahlt hatte. Eine objektive Förderung der Haupttat ist damit nicht belegt. Die Tathandlung des Angeklagten, das Zurverfügungstellen der Telefonnum- mern für die Kommunikation mit den Geschädigten, konnte nach deren Abschaltung keine Förderung oder Erleichterung der Haupttat mehr bewirken.
25
b) Im Fall II.10 der Urteilsgründe tragen die Urteilsfeststellungen lediglich eine Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Betrug.
26
aa) Die Vollendung des Betrugs setzt einen zumindest teilweisen Eintritt des Vermögensschadens beziehungsweise eine konkrete Vermögensgefährdung voraus (BGH, Urteil vom 13. Juni 1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 246; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 159). Ein tatbestandsmäßiger Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts zur Folge hat. Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines solchen Schadens genügt demgegenüber nicht (BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 StR 497/15, juris Rn. 9).
27
bb) Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsfeststellungen eine schadensgleiche Vermögensgefährdung und damit eine Vollendung des Betrugs zum Nachteil des Geschädigten Gr. nicht. Da dieser bei seiner Überweisung vom 28. Juli 2016 einen unzutreffenden Empfängernamen eintrug , unterblieb die beabsichtigte Gutschrift auf dem Konto des Angeklagten. Dementsprechend bestand zu keinem Zeitpunkt für den Angeklagten die Möglichkeit , auf den Überweisungsbetrag zuzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 – 1 StR 372/95, juris Rn. 14). Die naheliegende Möglichkeit eines Vermögensverlustes bestand für den Geschädigten demnach nicht.
28
c) Die im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar einen Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug in acht Fällen (Fälle II.1a) bis II.1c), II.2, II.7, II.9, II.12a) und II.12b) der Urteilsgründe) sowie, unter Ein- schluss des vorstehenden Falles II.10 der Urteilsgründe, wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in sechs Fällen (Fälle II.3 bis II.6, II.8 und II.10 der Urteilsgründe ). Jedoch hat die Strafkammer, die in allen Fällen von einer tatmehrheitlichen Begehung ausgegangen ist, das Konkurrenzverhältnis der Tatbeiträge des Angeklagten nicht in allen Fällen zutreffend beurteilt.
29
aa) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 17. März 2018 – 4 StR 75/17, juris Rn. 3). Ob bei der akzessorischen Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist danach anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Haupttaten unterstützt werden. Dagegen liegt nur eine einzige Beihilfe vor, wenn der Gehilfe mit seiner Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet. Handlungseinheit liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (Senat , Urteil vom 5. Dezember 2012 – 2 StR 117/12, wistra 2013, 310, 311).
30
bb) Danach ist der tatmehrheitliche Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug in sieben Fällen (Fälle II.1a) bis II.1c), II.2, II.9, II.12a) und II.12b) der Urteilsgründe) nicht zu beanstanden. Durch die Weiterleitung der empfangenen Beträge leistete der Angeklagte bei diesen realkonkurrierenden Taten eigenständige Beihilfehandlungen im Ausführungsstadium der jeweiligen Haupttat. Seine darüber hinausgehende, tatübergreifend alle Taten erfassende Mitwirkung im Vorbereitungsstadium dieser Haupttaten führt angesichts seines individuellen Tatbeitrags im Ausführungsstadium zu keiner anderen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, juris Rn. 20; Fischer, aaO, § 27 Rn. 31a; Haas in Matt/Renzikowski, StGB, § 27 Rn. 49). Der deutlich geringere strafrechtliche Unwert des Tatbeitrags im Vorbereitungsstadium vermag, jedenfalls hier, die den Tatkern verkörpernden individuellen Unterstützungshandlungen im Ausführungsstadium der Haupttaten nicht zu einer einheitlichen Tat zu verbinden. Denn der aus Sicht des Angeklagten maßgebliche Tatbeitrag lag in der Weiter- leitung der empfangenen Gelder, da er gerade hierfür die „Aufwandsentschädigung“ erhielt. Insofern ist die Fallkonstellation nicht mit derjenigen vergleichbar, bei der sich mehrere Unterstützungshandlungen auf die dieselbe Haupttat beziehen und von daher nur eine Beihilfetat anzunehmen ist.
31
cc) Hingegen hat der Angeklagte in den Fällen II.3 bis II.8 und II.10 der Urteilsgründe lediglich im Vorfeld der Haupttaten Beihilfehandlungen erbracht, die die Haupttaten der Hintermänner, im Fall II.7 der Urteilsgründe vollendet beziehungsweise in den Fällen II.3 bis II.6, II.8 und II.10 der Urteilsgründe versucht , gleichzeitig gefördert haben, indem er diesen die Nutzung seiner Kontodaten (Fällen II.3 bis II.6, II.8 und II.10 der Urteilsgründe) sowie darüber hinaus auf ihn lautender Telefonnummern (Fälle II.3. bis II.7 der Urteilsgründe) ermöglichte. Dies rechtfertigt, hinsichtlich der auf sieben Betrugstaten bezogenen Beihilfehandlungen , einen weiteren Schuldspruch wegen einer Beihilfe zum vollendeten Betrug in sieben tateinheitlichen Fällen, wobei es in sechs Fällen beim Versuch blieb.
32
dd) Der Senat hat den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Betrug in acht Fällen schuldig ist. Er hat mit Blick auf die Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen, die gleichartige Tateinheit in den Fällen II.3 bis II.8 und II.10 im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493, 494; Beschluss vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, juris Rn. 69).
33
Dass in einer neuen Hauptverhandlung zu diesen Taten noch ergänzende Feststellungen zu jeweils eigenen Unterstützungshandlungen des Angeklagten getroffen werden können, schließt der Senat aus. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafen in den Fällen II.3 bis II.8 und II.10 der Urteilsgründe. Vorsitzender Richter am BGH Krehl Richterin am BGH Dr. Bartel Dr. Schäfer ist an der Unter- ist an der Unterschriftsleisschriftsleistung gehindert. tung gehindert. Krehl Krehl Grube Schmidt

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Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 601/18 vom 23. Mai 2019 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Umgang mit Abfällen u.a. ECLI:DE:BGH:2019:230519U4STR601.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2019 - 1 StR 267/19

bei uns veröffentlicht am 22.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 267/19 vom 22. August 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Beihilfe zum Betrug hier: Revision des Angeklagten R. ECLI:DE:BGH:2019:220819B1STR267.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach A

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2019 - 3 StR 379/19

bei uns veröffentlicht am 15.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 379/19 vom 15. Oktober 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Betruges zu 2.: Beihilfe zum Betrug ECLI:DE:BGH:2019:151019B3STR379.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Gen

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 327/17
vom
21. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210917B2STR327.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. September 2017 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 206a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 12. April 2017
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit dieser Angeklagte wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwölf Fällen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln auf sonstige Weise verurteilt ist;
c) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, tatmehrheitlich dazu wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwölf Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Hinsichtlich des Tatvorwurfs des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwölf Fällen ist das Verfahren einzustellen, da es insoweit an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.
4
a) Die Staatsanwaltschaft erhob wegen des Tatvorwurfs des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 22 Fällen am 30. Januar 2017 Anklage zum Amtsgericht Gera. In der Hauptverhandlung vom 30. März 2017, in der die Jugendkammer mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt war, übernahm sie das beim Amtsgericht Gera im Zwischenverfahren anhängige Verfahren. Gleichzeitig beschloss sie in der Hauptverhandlung , die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 30. Januar 2017 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren vor der „2. Großen Strafkammer“ des Landgerichts Gera zu eröffnen. Darüber hinaus legte sie fest, in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen zu verhandeln. Ferner verband sie das übernommene Verfahren zu dem bei ihr geführten Verfahren. Später beschränkte sie gemäß § 154 Abs. 2 StPO das Verfahren zu diesem Tatkomplex auf die letztlich ausgeurteilten zwölf Fälle.
5
b) Der Eröffnungsbeschluss vom 30. März 2017 ist unwirksam. Insoweit besteht ein Verfahrenshindernis, das zur Einstellung zwingt.
6
Für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1, 1. Halbs. GVG). Schöffen können am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne von § 203 StPO beurteilen können. Auch dann, wenn eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung erst in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250 mwN). Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der Eröffnungsbeschluss einer Strafkammer, der nur von zwei statt von drei Berufsrichtern unter Mitwirkung der Schöffen gefasst wurde, ist daher unwirksam (Senat, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 45/14, aaO).
7
Es mangelt an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Kammer hat die Eröffnung des Verfahrens wegen des Tatvorwurfs des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in 22 Fällen in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern unter Mitwirkung der Schöffen beschlossen. Mangels wirksamen Eröffnungsbeschlusses , der den Prozessgegenstand bestimmt und die Zuständigkeit des Gerichts festlegt, fehlt eine Prozessvoraussetzung für das Hauptverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1980 - StB 29-31/80, BGHSt 29, 351, 354). Das Verfahren war einzustellen (§ 206a Abs. 1 StPO), soweit es von diesem Mangel betroffen ist.
8
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat, von der Änderung des Schuldspruchs abgesehen, keinen Erfolg.
9
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredeten der Angeklagte und die Mitangeklagten A. , F. und K. gemeinsam, den später Geschädigten S. in dessen Wohnung in G. aufzusuchen, um von diesem Marihuana, gegebenenfalls unter Einsatz von Gewalt, zu erlangen. Der Angeklagte führte ein Springmesser, seine Mittäter jeweils Küchenmesser mit sich.
10
Der Mitangeklagte F. klingelte an der Tür des S. . Die in der Wohnung mitanwesende Zeugin Ko. erklärte ihm durch die leicht geöffnete Tür, dass er nicht hereinkomme. F. drückte die Tür mit Gewalt auf, und alle vier Angeklagten begaben sich in die Wohnung. F. schlug S. mit der Faust ins Gesicht. Dieser ging zu Boden, wo ihn F. weiter schlug und trat. Als Ko. dazwischen ging, verlangten die Angeklagten die Herausgabe von Marihuana, was Ko. verweigerte. Daraufhin zogen mindestens drei der vier Angeklagten ihre Messer, woraufhin S. 15 g Marihuana herausgab. Die Angeklagten entfernten sich und teilten das erbeutete Marihuana unter sich auf.
11
b) Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist rechtsfehlerfrei.
12
aa) Die Strafkammer hat sich rechtsfehlerfrei von der mittäterschaftlichen Begehung überzeugt. Es kommt daher im Ergebnis nicht, wie die Revision meint, darauf an, welche der drei Angeklagten ihre Messer bei der Tatausführung gezogen hatten. Denn aufgrund der mittäterschaftlichen Begehung werden die sich ergänzenden Tatbeiträge wechselseitig als jeweils eigene Handlung den Mittätern zugerechnet (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 1/02, BGHSt 48, 189, 192 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 25 Rn. 24).
13
bb) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Schuldspruchberichtigung.
14
Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 1. Var. StGB. Wer unter Einsatz einer Waffe einen anderen mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, macht sich der besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig (vgl. Senat, Urteil vom 16. August 2017 - 2 StR 335/15, juris Rn. 20; Urteil vom 22. September 2016 - 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264; Urteil vom 7. Dezember 2016 - 2 StR 522/15, NStZ-RR 2017, 111, 112). § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO verlangt dabei die Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel, bei welcher der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2009 - 3 StR 297/09, NStZ-RR 2009, 377 mwN).
15
Die weitere tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG bedarf ebenfalls der Abänderung. Infolge der angewandten Gewalt und Drohung haben die Angeklagten die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Marihuana erlangt. Sie konnten frei verfügen und das Marihuana unter sich aufteilen. Sie haben damit den Verschaffenstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllt, hinter den der (einfache) Besitz zurücktritt (vgl. Patzak in Körner/ Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 11 Rn. 27).
16
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen.
17
3. Der Straffolgenausspruch unterfällt der Aufhebung.
18
a) Der Strafausspruch hat bereits aufgrund der teilweisen Einstellung des Verfahrens keinen Bestand.
19
b) Er ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil das Landgericht von der Prüfung der Einbeziehung der Vorverurteilung des Angeklagten durch das Amtsgerichts Gera vom 20. Dezember 2016 abgesehen hat. Nach den Feststellungen hat das Amtsgericht den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Gera vom 1. Juni 2016 zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen bleibt offen, ob das Urteil rechtskräftig bzw. ob die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten vollstreckt ist. Die Urteilsgründe lassen ferner nicht erkennen, dass die Strafkammer gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG davon abgesehen hat, die abgeurteilten Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen bzw. ob sie sich dieser Möglichkeit bewusst war.
20
c) Im Zuge der neuen Hauptverhandlung wird das Landgericht im Hinblick auf die sich beim Angeklagten abzeichnende Suchtproblematik auch eine mögliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB, § 7 Abs. 1, 2. Var. JGG) zu prüfen haben. Appl Krehl Zeng Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 45/14
vom
20. Mai 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
Beschließt die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern
und zwei Schöffen, dass das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage
eröffnet wird, die Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen
besetzt ist und das Verfahren hinzuverbunden wird, sind der Eröffnungsbeschluss
und die Besetzungsentscheidung unwirksam. Ersteres führt zu einem
Verfahrenshindernis für den neuen Verfahrensgegenstand. Im Übrigen kann die
Besetzung der Strafkammer mit einer Verfahrensrüge beanstandet werden
(Fortführung von BGHSt 50, 267).
BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 45/14 - LG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2013 1. im Fall II.2. der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; 2. das vorgenannte Urteil im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Betäubungsmittel , Streckmittel und Verpackungsmaterial sowie die Schusswaffe mit Munition hat es eingezogen. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 65.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit den Verfahrensbeanstandungen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts besaß der Angeklagte bis zum 17. Januar 2012 eine halbautomatische Selbstladepistole mit zwei Patronen , die er auf dem Rahmen einer Aufzugtür versteckte (Fall II.1. der Urteilsgründe ). Am 18. September 2012 verkaufte er in seiner Gaststätte für etwa 38.000 Euro rund 700 Gramm Kokaingemisch an die gesondert verfolgten Zeugen A. und D´A. (Fall II.2.). Weitere 494,5 Gramm Kokaingemisch verkaufte er am 28. Juni 2013 für rund 27.000 Euro an dieselben Abnehmer (Fall II.3.).

II.

3
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil macht zu Recht im Fall II.2. der Urteilsgründe ein Verfahrenshindernis geltend. Im Übrigen greift die Verfahrensrüge durch, die Strafkammer sei falsch besetzt gewesen.
4
1. Der Eröffnungsbeschluss vom 31. Oktober 2013 zu Fall II.2. ist unwirksam. Insoweit besteht ein Verfahrenshindernis, das zur Einstellung zwingt.
5
a) Rechtshängig war bei der 27. Großen Strafkammer aufgrund einer Anklage der Staatsanwaltschaft vom 8. Juli 2013 zunächst nur das Verfahren hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3. der Urteilsgründe. Dazu hatte die Strafkammer am 13. August 2013 mit drei Berufsrichtern einen Eröffnungsbeschluss gefasst und zugleich beschlossen, dass sie in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sei. Der Vorwurf zu Fall II.2. der Urteilsgründe aufgrund einer weiteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 9. Oktober 2013 wurde bei der 2. Großen Strafkammer anhängig, welche die Sache an die 27. Große Strafkammer abgab. Diese erklärte am 29. Oktober 2013 die Übernahme des Verfahrens.
6
Nach Beginn der Hauptverhandlung am 31. Oktober 2013 teilte der Vorsitzende mit, dass beabsichtigt sei, die Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs beschloss die Strafkammer in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen, dass die Anklageschrift vom 9. Oktober 2013 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet werde, weiter, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt sei, und schließlich, dass die Verfahren verbunden werden.
7
b) Der neue Eröffnungsbeschluss ist unwirksam.
8
Für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1 GVG). Schöffen können am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne von § 203 StPO beurteilen können (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267, 271). Auch dann, wenn eine zunächst unterbliebene Eröffnungsentscheidung erst in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 388/11, NStZ 2012, 50 f.; Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 50/14, NStZ 2014, 664 mit Anm. Hoffmann). Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein schwerer Verfahrensfehler vor. Der Eröffnungsbeschluss einer Strafkammer, der nur von zwei statt von drei Berufsrichtern gefasst wurde, ist daher unwirksam (vgl. RG, Urteil vom 29. April 1880 - Rep. 1030/80, RGSt 1, 402; Urteil vom 3. Februar 1910 - III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; Urteil vom 9. November 1920 - II 944/20, RGSt 55, 113; BGH, Urteil vom 14. Mai 1957, BGHSt 10, 278, 279; Beschluss vom 13. Oktober 1982 - 3 StR 236/82, StV 1983, 2, 3; Beschluss vom 2. November 2005 - 4 StR 418/05, BGHSt 50, 267, 269; Beschluss vom 13. Juni 2008 - 2 StR 142/08; Beschluss vom 22. Juni 2010 - 4 StR 216/10, StraFo 2010, 424). Weil das Vorliegen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses, der den Prozessgegenstand bestimmt und die Zuständigkeit des Gerichts festlegt, eine Prozessvoraussetzung für das Hauptverfahren darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1980 - StB 29-31/80, BGHSt 29, 351, 354), ist das Verfahren einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit es von diesem Mangel betroffen ist.
9
2. Das Prozesshindernis berührt nicht das Verfahren hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Urteil aber aufgrund der Besetzungsrüge des Angeklagten aufzuheben.
10
a) Die vom Angeklagten erhobene Rüge, die Strafkammer sei in der Hauptverhandlung falsch besetzt gewesen, ist zulässig. Eine Präklusion entsprechend § 222b StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 343/98, BGHSt 44, 328, 333) kommt nicht in Betracht, weil der Verfahrensfehler erst in der Hauptverhandlung eingetreten ist. Er war nicht aus der Besetzungsankündigung gemäß § 222a StPO zu entnehmen, weshalb die an die Besetzungsmitteilung anknüpfende Begrenzung der Möglichkeiten zur Geltendmachung eines Besetzungsfehlers gemäß § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO nicht anzuwenden ist.
11
b) Die Rüge ist begründet, denn die Strafkammer hätte in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln müssen. Es lag keine wirksame Reduzierung der Besetzung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG vor. Die Verhandlung mit zwei Berufsrichtern nebst Schöffen verstieß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 1 StPO und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
12
aa) Das Gesetz sieht Beschlüsse über die Reduzierung der Besetzung der Strafkammer im Allgemeinen nur außerhalb der Hauptverhandlung vor. Die Entscheidung über die Besetzung ist grundsätzlich bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG) und in derselben Besetzung. Eine bereits beschlossene Besetzungsreduzierung kann nachträglich abgeändert werden, wenn sich vor Beginn der Hauptverhandlung neue Umstände ergeben, die nach Maßgabe von § 76 Abs. 2 und 3 GVG die Mitwirkung eines weiteren Berufsrichters erforderlich machen (§ 76 Abs. 4 GVG). Auch dann erfolgt die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung. Selbst wenn aufgrund eines Besetzungseinwands in der Hauptverhandlung zu entscheiden ist, bleibt die Besetzung der Strafkammer für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung zuständig (§ 222b Abs. 2 Satz 1 StPO). Es gibt demnach keine Entscheidung über die Besetzung der Strafkammer im Sinne von § 76 Abs. 2 GVG, die in der für die Hauptverhandlung selbst maßgeblichen Besetzung getroffen werden könnte. Schließlich sind die Beurteilungsfaktoren mangels Aktenkenntnis nicht durch die Schöffen zu bewerten, die bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung aus dem Quorum ausscheiden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG).
13
Die Besetzungsentscheidung durch zwei Berufsrichter und zwei Schöffen ist daher fehlerhaft getroffen worden. Sie ist unwirksam. Dies führt dazu, dass die Besetzung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG maßgeblich war.
14
bb) Der Beschluss vom 13. August 2013 über die Reduzierung der Besetzung wirkte, anders als in dem vom 3. Strafsenat durch Urteil vom 29. Januar 2009 - 3 StR 567/08 (BGHSt 53, 169, 171 ff.) entschiedenen Fall, in dem das Hauptverfahren über eine hinzuverbundene Sache bereits eröffnet und eine Besetzungsreduzierung dazu ordnungsgemäß beschlossen worden war, nicht ohne Weiteres fort.
15
Dieser Beschluss war durch die Übernahme des Verfahrens zu Fall II.2., die Absicht der Verbindung mit dem bisherigen Verfahren und die tatsächlich getroffene neue Besetzungsentscheidung überholt. Die Übernahme des Verfahrens zu Fall II.2. und die Absicht der Strafkammer, eine Verfahrensverbindung herbeizuführen, hatten den Umfang und die Schwierigkeit der Sache im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GVG verändert. Bei der Auslegung dieser Merkmale stand der Strafkammer ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268, 313; BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 343/98, BGHSt 44, 328, 330; Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09, NJW 2010, 3045, 3046). Diesen konnte sie in der fehlerhaften Besetzung nicht wirksam ausfüllen.
16
Da die Strafkammer in anderer Besetzung entschieden hat als bei dem ersten Beschluss über die Reduzierung der Besetzung, kam ihrem neuen Beschluss keine deklaratorische Bedeutung zu. Selbst für die Beibehaltung der bisherigen Besetzungsreduktion und deren Bestätigung wäre die Strafkammer nur in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zuständig gewesen. Das inkompetente Quorum konnte die Fortgeltung der bisherigen Besetzungsentscheidung ungeachtet der neuen Umstände nicht wirksam beschließen. Vielmehr hat die Strafkammer die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Besetzungsentscheidung und für die Verhandlung in reduzierter Besetzung verkannt. Gesetzlicher Richter ist nicht nur das sachlich zuständige Gericht und der geschäftsplanmäßig zuständige Spruchkörper, sondern jeder zur Mitwirkung berufene Richter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 329).
17
Weil es um den gesetzlichen Richter für die Hauptverhandlung über die verbundenen Verfahren ging, in der das angefochtene Urteil erlassen wurde, kann dem Verfahrensfehler nicht mit Überlegungen zur angemessenen Besetzung der Strafkammer nach der erst durch den Senat ausgesprochenen Teileinstellung des Verfahrens eine Bedeutung abgesprochen werden.
18
c) Der Besetzungsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Fälle II.1. und II.3., das darauf beruht (§ 338 Nr. 1 Halbsatz 1 StPO). Für die Hauptverhandlung vor dem neuen Tatrichter gilt § 76 Abs. 5 GVG. Fischer Krehl Eschelbach RiBGH Zeng ist wegen Bartel Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

2
1. Hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe liegt kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor, weil die Entscheidung nicht in der gesetzlich bestimmten Besetzung getroffen worden ist. Dies führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 212).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

10
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN).
7
Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 – 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344 und vom 4. Februar 2016 – 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteil vom 16. Januar 2008 – 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht allerdings nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar schon ein bloßes „Dabeisein“ die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 2 StR 505/11, StV 2012, 287; Urteil vom 10. Februar 1982 – 3 StR 398/81, StV 1982, 517, 518). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, NStZ 1993, 233 und vom 24. März 1993 – 2 StR 99/93, NStZ 1993, 385).
9
aa) Ein tatbestandsmäßiger Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts zur Folge hat (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 159 mwN). Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines solchen Schadens genügt nicht. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen , etwa bei einem ohne Weiteres greifbaren Mindestschaden, muss der Vermögensschaden der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 117/12
vom
5. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten T. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2011, soweit es ihn betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. 2. Auf die Revision der Angeklagten T. wird das vorgenannte Urteil unter Aufrechterhaltung der getroffenen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit sie wegen Beihilfe zur Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in zehn Fällen (Fälle II.B.6, 7, 9, 12 - 18 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten O. und T. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten O. und T. werden verworfen. II. Die Revision des Angeklagten S. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte S. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten O. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Betrug in dreizehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten und die Angeklagte T. wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Betrug in fünf Fällen sowie wegen Beihilfe zur Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel der Angeklagten O. und T. haben in dem aus der Urteilsformel erkennbaren Umfang Erfolg; die Revision des Angeklagten S. ist aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte die Angeklagte T. im Jahre 2008 über den Mitangeklagten O. einen unbekannt gebliebenen "M. " kennen, der sie dazu überredete, für ihn mit gefälschten Kreditkarten möglichst viele Pay-Safe-Karten und U-Cash-Karten zu erwerben. Zur Entlohnung sollte sie die falschen Kreditkarten auch für eigene Zwecke einsetzen dürfen , wovon sich die Angeklagte T. eine laufende Einnahmequelle versprach. "M. " besorgte Daten von Originalkreditkarten, die der Mitangeklagte S. , den die Angeklagten T. und O. seit dem Jahre 2006 kannten, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans auf Kreditkartenrohlinge kopierte. Im Zeitraum von März bis Mai 2009 fertigte der Angeklagte S. in fünf Fällen mit den von "M. " jeweils unmittelbar zuvor erhaltenen Daten (insgesamt) mindestens elf Kreditkartenfalsifikate, die er danach der Angeklagten T. zur Verfügung stellte. Dabei wusste er, dass die Fälschungen zu betrügeri- schen Handlungen verwendet werden sollten. Jeweils mehrere Falsifikate lauteten auf denselben Inhaber. Die Angeklagte T. setzte an fünf verschiedenen Tagen die Falsifikate bei Einkäufen ein oder ließ durch den Zeugen H. solche Einkäufe durchführen. Dabei erwarb sie in den ersten drei Fällen nicht nur Guthabenkarten für "M. ", sondern auch Waren für sich (Fälle II.A.1 - 3 der Urteilsgründe), während sie in den letzten beiden Fällen nur PaySafe - oder U-Cash-Karten für "M. " beschaffte (Fälle II.A.4 - 5).
3
Der Angeklagte O. floh am 26. Oktober 2009 aus der Haft und benötigte Geldmittel. Er wollte sich Kreditkartenfalsifikate verschaffen, indem er heimlich Daten von Kreditkarten auslas, die von Freiern der damals als Prostituierte tätigen Angeklagten T. mitgeführt wurden. In den meisten Fällen geschah dies, indem die Angeklagte T. die Freier ablenkte und der Angeklagte O. dies ausnutzte, um deren Kreditkartendaten auszuspähen (Fälle II.B.6, 7, 9, 12 - 18); in drei Fällen war eine Ablenkungshandlung der Angeklagten T. nicht festzustellen (Fälle II.B.8, 10, 11). Die Daten wurden vom Angeklagten O. an einen unbekannten Fälscher weitergeleitet, der sie auf Kreditkartenrohlinge kopierte und die Falsifikate an O. übergab. In der Zeit von Herbst 2009 bis Februar 2010 wurden auf diese Weise insgesamt in dreizehn Fällen Kreditkartendaten verschiedener Freier ausgespäht, Falsifikate der Kreditkarten erstellt und damit bei Einkäufen Waren bezahlt (Fälle II.B.6 - 18).

II.

4
Die Revisionen der Angeklagten O. und T. sind aufgrund der Sachrüge in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet, weil die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten durch das Landgericht rechtlichen Bedenken begegnet. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.
5
1. Im ersten Tatkomplex ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen , dass die Zahl der Herstellungsakte durch den Angeklagten S. bzw. das fünfmalige Sich-Verschaffen von Falsifikaten durch die Angeklagte T. die Anzahl von deren rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bestimmt. Die Tathandlungen der Angeklagten O. und T. gemäß § 152b in Verbindung mit §§ 152a Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 1, 27 StGB können dagegen im zweiten Tatkomplex in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil identisch sein und daher zu einer geringeren Anzahl von Taten führen, als sie das Landgericht angenommen hat.
6
a) Zwar begründen der gleichzeitige Entschluss zur Begehung mehrerer Taten, die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung, eine Teilidentität von nicht selbständig strafbaren Vorbereitungshandlungen oder aber eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen jeweils noch nicht die Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2000 - 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153). Jedoch kommt bei mehreren Fälschungsvorgängen im Sinne des § 152a Abs. 1 Nr. 1 StGB eine natürliche Handlungseinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) dann in Betracht, wenn die Fälschungen durch Codierung von mehreren Kartenrohlingen in einem Arbeitsgang in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 243/10, BGHR StGB § 152a Konkurrenzen 3). Die Beschaffung von Falsifikaten als ein nach §§ 152a Abs. 1 Nr. 2, 152b Abs. 1 StGB strafbarer Vorbereitungsakt zur Täuschung im Rechtsverkehr durch Gebrauchen der falschen Zahlungskarten bildet zusammen mit dem Gebrauchen als Ausführungsakt eine Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2000 - 2 StR 314/00, BGHR StGB § 152a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 26. Januar 2005 - 2 StR 516/04, BGHR StGB § 152b Konkurrenzen 1; Beschluss vom 7. März 2008 - 2 StR 44/08, NStZ 2008, 568 f.; Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 243/10, BGHR StGB § 152a Konkurrenzen 3; Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 383/10, wistra 2010, 483 f.). Verschaffen und Gebrauchen sind in § 152a Abs. 1 Nr. 2 StGB prinzipiell gleichrangig. Damit zusammentreffende Betrugstaten stehen in Tateinheit mit der Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion (§ 152b i.V.m. § 152a Abs. 1 Nr. 2, §§ 263 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB).
7
b) Nach diesem Maßstab tragen die Feststellungen des Landgerichts im ersten Tatkomplex die Annahme der Begehung von fünf rechtlich selbständigen Taten der Angeklagten S. und T. . Auf die Art der Datenbeschaffung durch "M. " kommt es dafür ebenso wenig an, wie auf die Zahl der betrügerischen Handlungen, bei denen von den falschen Kreditkarten Gebrauch gemacht wurde, wohl aber auf die Zahl der Herstellungsakte durch den Angeklagten S. bzw. die Beschaffungsakte der Angeklagten T. . Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte S. mit Hilfe der jeweils unmittelbar zuvor von "M. " erlangten Daten in fünf Fällen insgesamt mindestens elf Kreditkartenfalsifikate hergestellt und die Angeklagte T. diese bei fünf Gelegenheiten übernommen hat. Gegen die Annahme von fünf selbständigen Handlungen ist auf dieser Grundlage rechtlich nichts zu erinnern.
8
c) Anders liegt es im zweiten Tatkomplex. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten richtet sich bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter zunächst für jeden Beteiligten danach, welche Tathandlungen er selbst vorgenommen hat. Ob bei der akzessorischen Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt aber sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist danach nur anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden. Dagegen liegt eine einzige Beihilfe vor, wenn der Gehilfe mit einer Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet. Handlungseinheit liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen. Die Akzessorietät der Beihilfe gilt schließlich auch in Fällen einer Bewertungseinheit , so dass mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, wenn dies nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit auch bei den Haupttaten der Fall ist, zu denen Beihilfe geleistet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 3 StR 393/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 12).
9
Im zweiten Tatkomplex kann sich der als Täter handelnde Angeklagte O. nach diesem Maßstab - zum Teil unter Mithilfe der Angeklagten T. - mehrere Falsifikate zugleich von dem unbekannten Fälscher verschafft haben, um sie zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen; dies wäre für ihn eine Handlung im Rechtssinne. Die Zahl der Verschaffungsdelikte kann danach geringer sein als die Anzahl der Fälle des betrügerischen Gebrauchens einzelner Kreditkarten. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher, dass sich der Angeklagte O. nach jedem Ausspähen von Kreditkartendaten gesondert ein Falsifikat hat herstellen und übergeben lassen. Dagegen spricht die zeitliche Überlappung zumindest eines Teils der weiteren Tathandlungen und die mehrfache Verwendung desselben angeblichen Inhabernamens auf verschiedenen Falsifikaten.
10
Die Zahl der Taten des Haupttäters O. ist nach den genannten Grundsätzen dann auch für die Zahl der Beihilfedelikte der AngeklagtenT. maßgebend.
11
d) Da weitergehende Feststellungen zum Konkurrenzverhältnis möglich erscheinen, kann der Senat den Schuldspruch nicht selbst abändern. Der mögliche Wegfall eines großen Teils der Einzelstrafen für die Angeklagte T. zwingt auch zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
12
2. Die Strafzumessung bezüglich der Angeklagten T. im ersten Tatkomplex weist dagegen keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil auf, weshalb sie Bestand hat.
13
Eine Verletzung von § 46 Abs. 3 StGB liegt entgegen der Auffassung der Revision nicht schon deshalb vor, weil das Landgericht erwähnt hat, "der jeweils entstandene Schaden" spreche gegen sie. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsbegründung lässt erkennen, dass damit nicht die nur den Unrechtstatbestand begründende Schadensverursachung als solche, sondern auch der jeweilige Umfang des in den einzelnen Fällen verursachten Schadens gemeint sein soll, der in den Fällen II.A.4 und 5 "deutlich geringer" war als in den Fällen II.A.1 - 3.
14
Auch die Erwägung, dass die Angeklagte T. den gesondert verfolgten Zeugen H. , der ihr "hörig" war, ausgenutzt habe, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Sie hat ihn aufgrund der Geneigtheit in das betrügerische Gebrauchen der Kreditkartenfalsifikate eingebunden. Das rechtfertigt unabhängig von der Tatsache, dass H. eigenverantwortlich gehandelt hat, eine Strafschärfung.
Becker Schmitt Berger Eschelbach Ott

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

69
Die Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a StPO im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe führt zu einer Änderung und Neufassung des Schuldspruchs. Dabei sieht der Senat davon ab, in den Fällen, in denen sich der Angeklagte S. zugleich mehrfach wegen Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Betrug strafbar gemacht hat, die jeweils gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO genügt die Angabe der rechtlichen Bezeichnung der Tat; daher reicht hier die Bezeichnung „Steuerhinterziehung“, „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ und „Betrug“ aus. Zwar kann es sich grundsätzlich auch bei gleichartiger Tateinheit empfehlen, dieses Konkurrenzverhältnis im Urteilsspruch kenntlich zu machen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn - wie hier - der Tenor unübersichtlich würde. Denn dies widerspräche dem auch zu berücksichtigenden Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 5 StR 127/07, wistra 2007, 388, 391; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 525/05; BGH, Beschluss vom 27. Juni 1996 - 4 StR 3/96, NStZ 1996, 610, 611). Für die Bezeichnung der Tat gemäß § 260 Abs. 4 StPO genügt bei einer Straftat nach § 370 AO im Übrigen die Angabe „Steuerhinterziehung“. Die Angabe der Steuerart gehört nicht zur Deliktsbezeichnung gemäß § 370 AO (BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - 5 StR 292/07, BGHR, StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 9).

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.