Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2017 - 2 StR 257/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge des Angeklagten hat im Schuld- und Strafausspruch keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
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- 2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn u.a. zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 74, 75; Senat, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 2 StR 545/15, StV 2016, 720, 722, jeweils mwN).
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- b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Vorliegen eines länger andauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB beim Angeklagten ist nicht ausreichend belegt.
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- Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten infolge einer Kombination aus einer nicht behebbaren Intelligenzminderung, einer Abhängigkeit von Cannabis und Amphetamin, einem schädlichen Alkoholgebrauch und einer Persönlichkeit mit emotional-instabilen, selbstunsicheren und dependenten Zügen erheblich vermindert gewesen sei. Nach den Ausführungen des Landgerichts haben Intelligenzminderung und Persönlichkeitsstruktur nicht alleine, sondern nur im Zusammenwirken mit dem Substanzmissbrauch zur Annahme des § 21 StGB geführt.
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- Ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand liegt im Fall einer Kombination aus Intelligenzminderung, Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum indes regelmäßig erst vor, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. Senat, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42; Senat, Urteil vom 17. Februar 1999 - 2 StR 483/99, BGHSt 44, 369, 373 f.). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
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- Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. Juni 2017 u.a. Folgendes ausgeführt: „Eine krankhafte Alkoholabhängigkeit des Angeklagten hat die Strafkammer nicht festgestellt. Die hier festgestellte ‚zumindest psychische Drogenabhängigkeit‘ des Angeklagten (UA S. 26) genügt nicht, den länger andauernden Zustand im Sinne des § 63 StGB zu begründen, da der Angeklagte nicht in Alltagssituationen, sondern nach den Feststellungen im Wesentlichen in ihn überfordernden Situationen zu Substanzmissbrauch neigt (UA S. 34). […] Die Feststellungen belegen aber auch nicht hinreichend eine länger dauernde geistig-seelische Störung des Angeklagten, bei der bereits alltägliche Ereignisse die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auslösen können. Die festgestellte ‚Desaktualisierungsschwäche‘ des Angeklagten, die dazu führt, dass er sich ihm aufdrängende Handlungsimpulse nur eingeschränkt zu unterdrücken vermag (UA S. 27), zeigt sich zwar nicht nur in Belastungs- sondern auch in Alltagssituationen (UA S. 34). Aber nach den Feststellungen führt sie nur in Verbindung mit Alkohol oder Drogenkonsum dazu, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert ist (UA S. 24). Es bedarf bestimmter Außenreize und der enthemmenden Wirkung von Alkohol oder Amphetamin (UA S. 34). Nach den Urteilsgründen ist der Substanzmissbrauch ein wesentlicher, die Grundbefindlichkeit des Angeklagten verstärkender konstellativer Faktor (UA S. 34). Nach den Feststellungen neigt der Angeklagte in ihn überfordernden Situationen zu Substanzmissbrauch. Führt aber die Persönlichkeitsstörung erst in Kombination mit einer zusätzlichen Belastungssituation und hierauf folgenden Alkohol- oder Drogenkonsums zu einer zusätzlichen Enthemmung, so ist ein dauerhaft bestehender, den Täter beeinträchtigender psychischer Zustand damit nicht ausreichend belegt […].“
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- Dem tritt der Senat bei.
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- c) Da sich nicht ausschließen lässt, dass sich noch weitere Feststellungen treffen lassen, ist die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Appl Eschelbach Zeng Bartel Schmidt
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.