Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2017 - 2 StR 130/17
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und des Diebstahls schuldig ist;
b) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass die im Fall 1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe entfällt. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen Mordes und wegen Diebstahls, jeweils in Tatmehrheit, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und aufgrund eines Härteausgleichs von dieser Gesamtstrafe zwei Monate für vollstreckt erklärt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet in Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 3
- Am 22. Juli 2007 betrat der Angeklagte den Verkaufsraum einer Salatbar in der K. Innenstadt. Er beabsichtigte, in den seines Erachtens leeren Räumlichkeiten nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen. Tatsächlich befand sich im hinteren Teil des Ladenlokals die spätere Geschädigte, die dort die Warenbestellung für den nächsten Tag notierte.
- 4
- Diese bemerkte den Angeklagten und sprach ihn an. Der Angeklagte fasste nunmehr den Entschluss, die Geschädigte zur Herausgabe von Geld zu zwingen. Er griff der Geschädigten an den Hals und forderte sie auf, ihm Geld zu geben. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er ein von ihm mitgeführtes Messer mit feststehender Klinge hervor. Die Geschädigte begann daraufhin aus Angst laut zu schreien.
- 5
- Der Angeklagte fürchtete nunmehr, dass durch die Schreie andere Personen auf das Geschehen aufmerksam werden und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen. In dieser Situation entschloss er sich spontan, das Messer gegen die Geschädigte einzusetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er stach wuchtig auf die Geschädigte ein und brachte ihr mehrere tödliche Stichverletzungen bei.
- 6
- Nachdem die Geschädigte im Verlauf dieses Tatgeschehens zu Boden gegangen war, brachte der Angeklagte die schwer Verletzte in den Kühlraum des Ladenlokals und schloss die Tür von außen. Er wollte hierdurch für einen möglichst langen Zeitraum verhindern, dass das Tatopfer von Passanten und Anwohnern gesehen und/oder gehört würde, um sich unerkannt und unbehelligt vom Tatort zu entfernen.
- 7
- Als er sich anschließend Richtung Ausgang begab, fiel sein Blick auf zwei Taschen im Verkaufsbereich, die die Geschädigte dort zuvor abgestellt hatte. In der Absicht, die Taschen der Geschädigten dauerhaft zu entziehen und deren Inhalt seinem Vermögen einzuverleiben, nahm er diese an sich.
- 8
- Ohne in dem Ladenlokal weiter nach Bargeld zu suchen, verließ er anschließend die Salatbar. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit später am Tatort.
II.
- 9
- 1. Das Landgericht hat die Tat als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung, Mord und Diebstahl gewertet und hinsichtlich der Konkurrenzen jeweils Tatmehrheit angenommen.
- 10
- 2. Diese Wertung des Landgerichts ist unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.
- 11
- a) Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch die Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511, 512). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet , sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war (BGH, Urteil vom 15. Mai 1992 - 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 299; Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511, 512; Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1040; Beschluss vom 29. März 2001 - 3 StR 46/01, NStZ 2001, 371; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 StR 204/02, NStZ 2003, 34; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214; ebenso Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 251 Rn. 4; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 251 Rn. 8, 18 jew. mwN; aA Fischer, StGB, 64. Aufl., § 251 Rn. 5; Sander in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 251 Rn. 11 mwN; Küpper/Grabow, Festschrift für Achenbach, 2011 S. 265, 280 f.; Habetha, NJW 2010, 3133, 3135).
- 12
- Nach diesen Maßstäben ist hier der erforderliche qualifikationsspezifische Gefahrzusammenhang gegeben. Zwar waren die tödlichen Messerstiche nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht mehr vom Willen getragen , das Tatopfer zur Herausgabe von Geld zu nötigen, sondern dienten nur noch dazu, dieses zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Es gehört jedoch stets zu den sich aufdrängenden deliktstypischen Risiken, dass das Opfer einer unter Verwendung eines Messers begangenen räuberischen Erpressung vor Entsetzen schreit, und der Täter das Messer daraufhin in tödlicher Weise gegen das Opfer einsetzt, um eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Zudem war hier die Anwendung der tödlichen Gewalt so eng mit der eigentlichen räuberischen Erpressung verknüpft, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht in adäquater Weise erfasst wäre, wollte man den besonderen Kausalzusammenhang der schweren Folge verneinen. Denn der Angeklagte hat die unmittelbar zuvor angedrohte Gewalt mit der Tötungshandlung unter Einsatz des zuvor vorgehaltenen Messers gegen das Opfer der schweren räuberischen Erpressung umgesetzt, wobei die Tathandlungen der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der Tötungshandlung zeitlich und räumlich fließend ineinander übergingen.
- 13
- b) Die vom Landgericht zu Recht als Mord in Verdeckungsabsicht gemäß § 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9 StGB gewertete Tötung der Geschädigten steht zur versuchten (schweren) räuberischen Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 StR 204/02, NStZ 2003, 34). Hinsichtlich der Wegnahme der Taschen verbleibt es bei einem tatmehrheitlich begangenen Diebstahl.
- 14
- 3. § 265 Abs. 1 StPO steht einer Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen , weil in der Anklage der Tatvorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2, 249 Abs. 1,250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 251, 52 StGB aufgeführt war und der Angeklagte sich gegen den Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9, 253, 255, 251, 22, 23, 52 StGB nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
- 15
- 4. Die Neufassung des Schuldspruchs bedingt die Änderung des Strafausspruchs. Sie führt zum Wegfall der Einzelstrafe von drei Jahren für die tatmehrheitlich ausgeurteilte versuchte besonders schwere räuberische Erpressung. Hinsichtlich des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge verbleibt es gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 2 StGB bei der vom Landgericht bereits für den Mord festgesetzten lebenslangen Freiheitsstrafe. Der vom Landgericht vorgenommene Härteausgleich sowie die weitere Einzelstrafe für den Diebstahl sind unbetroffen.
- 16
- 5. Die weitergehende Revision bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. April 2017 dargestellten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO ohne Erfolg. Appl Bartel Wimmer Grube Schmidt
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.