Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2016 - 1 StR 99/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:300616B1STR99.16.0
30.06.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 99/16
vom
30. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:300616B1STR99.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 30. Juni 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 17. Juli 2015 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Drei Monate hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt und die Anrechnung in Ungarn erlittener Untersuchungshaft im Maßstab 1:1 ausgesprochen. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als erfolglos. Ergänzend bemerkt der Senat:
3
a) Soweit die Revision die Ablehnung der Beweisanträge, die in Kasachstan ansässigen Zeugen K. und S. im Wege der Rechtshilfe mittels Videokonferenz zu vernehmen, als fehlerhaft rügt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf.
4
Ein Rechtsfehler ist bereits deswegen auszuschließen, weil beide Zeugen eine audiovisuelle Vernehmung abgelehnt haben. Der Zeuge K. hat ausdrücklich erklärt, an einer audiovisuellen Vernehmung nicht teilzunehmen.
5
Hinsichtlich des Zeugen S. kommt das Landgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass dieser für eine audiovisuelle Vernehmung durch ein deutsches Gericht nicht zur Verfügung stand; er hatte nämlich erklärt, allenfalls einer Vernehmung durch ein kasachisches Gericht zuzustimmen. Der Zeuge S. hat mit Schreiben vom 19. Juni 2015 mitgeteilt, dass er „ausschließ- lich“ vor einem entsprechendenGericht der Republik Kasachstan unter Anwesenheit seines Rechtsanwaltes bereit sei, als Zeuge auszusagen. Das Landgericht durfte aus dieser Erklärung ohne weiteres schließen, dass jede andere Form der Vernehmung für den Zeugen nicht in Betracht kam.
6
b) Auch die Rüge, der Beweisantrag auf Vernehmung der Dolmetscherin Sa. als Zeugin über den Inhalt ihrer Telefonate mit dem Zeugen K. sei fehlerhaft abgelehnt worden, bleibt ohne Erfolg.
7
Es lag bereits kein ordnungsgemäßer Beweisantrag vor. Vielmehr handelt es sich bei dem Antrag vom 21. Mai 2015 um einen Beweisermittlungsantrag , dessen Ablehnung hier nur mit einer zulässigen Aufklärungsrüge beanstandet werden kann.
8
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, dass ein Beweisantrag hätte darlegen müssen, welche tatsächlichen Umstände die Kammer zur Prüfung drängen mussten, dass das Telefonat zwischen der Dolmetscherin und dem Zeugen K. vom 14. April 2015 einen völlig anderen Inhalt hatte als schriftlich niedergelegt. Dies gilt umso mehr, als die vereidigte Dolmetscherin in ihrer dienstlichen Stellungnahme die Behauptungen des Angeklagten, die Gespräche zwischen ihr und dem Zeugen K. hätten einen anderen Inhalt gehabt, als „frei erfunden“ bezeichnet hatte.
9
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
10
Das Landgericht hat für beide Fälle der Steuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2003 und 2004 den Strafrahmen für besonders schwere Fälle angenommen und dies mit dem „großen Ausmaß“ des verursachten Steuerschadens von mehr als 150.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2003 und von mehr als 660.000 Euro für den Veranlagungszeitraum 2004 begründet.
11
Die Strafkammer hat dabei aber übersehen, dass sich § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert hatte (Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, BGBl. I 2007, 3198). Für vor dem 1. Januar 2008 begangene Taten bedarf es zusätzlich zum „großen Ausmaß“ noch eines Handelns aus „grobem Eigennutz“.
12
Angesichts der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 am 2. Mai 2006 bei dem zuständigen Finanzamt , kommt die Anwendbarkeit von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF in Betracht, falls die Taten bis zum 31. Dezember 2007 beendet wurden (§ 2 Abs. 1, 2 StGB). Ob dies der Fall war, kann nicht beurteilt werden, da das Landgericht keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Beendigung der Steuerstraftaten getroffen hat.
13
a) Bei Veranlagungssteuern – wie hier der Einkommensteuer – ist der durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung verursachte Erfolg der Steuerverkürzung eingetreten und die Straftat damit vollendet, wenn auf Grund der unrichtigen Erklärung die Steuer zu niedrig festgesetzt und dies dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben worden ist. In diesem Zeitpunkt ist die Tat zugleich beendet (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2001 – 5 StR 613/00, wistra 2001, 309, 310 und vom 7. Februar 1984 – 3 StR 413/83, wistra 1984, 142; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 376 Rz. 26).
14
b) Sollte die Tat vor dem 1. Januar 2008 beendet worden sein, wird das Gericht zu prüfen haben, ob der Angeklagte grob eigennützig gehandelt hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter sein Verhalten von dem Streben nach Vorteil in besonders anstößigem Maße hat leiten lassen. Dabei muss das Gewinnstreben des Täters das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (vgl. BGH, Urteile vom 1. August 1984 – 2 StR 220/84, BGHSt 33, 35 [nicht abgedruckt]; vom 20. November 1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; vom 23. Januar 1991 – 3 StR 365/90, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 4 und vom 24. Juli 1985 – 3 StR 191/85, wistra 1985, 228). Erforderlich ist eine vom Tatgericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände, namentlich der vom Täter gezogenen Vorteile, der Art, Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung und des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. Diese Umstände müssen im Zusammenhang gesehen und daraufhin überprüft werden, ob sie den Schluss auf groben Eigennutz des Täters rechtfertigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 1990 – 3 StR 471/89, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 3 und vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 5).
15
c) Sollte die Strafkammer groben Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF nicht feststellen können, kann ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 – 1 StR 257/12, wistra 2013, 28, 30; Beschluss vom 22. September 2008 – 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159; Jäger in Klein, AO, 13. Aufl., § 370 Rn. 277).
16
d) Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie dürfen um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht entgegenstehen.
17
3. Die Aufhebung des Urteils durch das Revisionsgericht im Strafausspruch lässt die angeordnete Kompensation für die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung unberührt (BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; Beschlüsse vom 16. März 2016 – 1 StR 402/15 und vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115). Etwaige weitere Verzögerungen wird das neue Tatgericht gegebenenfalls ergänzend zu berücksichtigen haben.
Raum Cirener Mosbacher Fischer Bär

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

5 StR 613/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. April 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. Juli 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperschaftsteuerhinterziehung in Tateinheit mit Gewerbesteuerhinterziehung, wegen Gewerbesteuerhinterziehung in vier Fällen, unrichtiger Darstellung und Bankrotts zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß die Taten der Körperschaft- und Gewerbesteuerhinterziehung für das Jahr 1991 nicht verjährt sind. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist dabei nach § 78a StGB die Bekanntgabe des auf die unrichtige Erklärung ergehenden Steuerbescheids (vgl. BGH wistra 1984, 142; Joecks in Franzen /Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 376 Rdn. 15 ff.). Wird dieser Steuerbescheid infolge in späteren Jahren eingetretener Verluste durch einen weiteren Steuerbescheid abgeändert, der den nach § 8 KStG in Verbindung mit § 10d EStG festzusetzenden Verlustrücktrag berücksichtigt, ist dies – entgegen der Auffassung des Landgerichts – für den Lauf der Verjährungsfrist ohne Belang. Die Möglichkeit eines Verlustrücktrags trägt einer später eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklung steuerlich Rechnung, ohne daß damit die bereits erfolgte Beendigung der durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen bewirkten Steuerhinterziehungen berührt wird.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte die Verjährung auch nicht nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung vorgenommenen Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Angeklagten unterbrochen werden, weil insoweit unterschiedliche Steuerarten betroffen sind, die sich zudem auch auf unterschiedliche Steuerschuldner beziehen.
Rechtzeitig unterbrochen wurde diese Verjährung hinsichtlich der Körperschaft- und Gewerbesteuerhinterziehung für das Jahr 1991 aber durch die Bekanntgabe der Steuerfahndung vom 17. Februar 1998 an den Verteidiger des Angeklagten, daß das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren auch auf die Körperschaft-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerhinterziehung für die Jahre 1991 bis 1995 erweitert werde (Bl. 68 der Akten).

II.


Das angefochtene Urteil hält im Hinblick auf die Strafzumessung jedoch rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Landgericht geht hinsichtlich der Verurteilung wegen Körperschaftsteuerhinterziehung für das Jahr 1991 von einem zu großen Schuldumfang aus, weil es in den Hinterziehungsschaden auch einen ungerechtfertigten Verlustrücktrag aus dem Jahre 1993 in Höhe von 575.000 DM eingerechnet hat. Der aufgrund der späteren negativen wirtschaftlichen Entwicklung nach § 8 KStG in Verbindung mit § 10d EStG ermöglichte Verlustrücktrag aus nachfolgenden Veranlagungszeiträumen hat aber im Rahmen der steuerstrafrechtlichen Beurteilung für den Veranlagungszeitraum 1991 außer Betracht zu bleiben. Insofern ist für die Bestimmung des Schuldumfangs allein die Differenz zwischen der bei inhaltlich zutreffenden Angaben geschuldeten Steuern und der durch die unrichtigen Angaben bewirkten niedrigeren Steuerfestsetzung maßgeblich. Der – im übrigen vom Landgericht nicht näher erläuterte – unrichtige Verlustrücktrag beruht aber nicht auf den falschen Angaben des Angeklagten in seiner Erklärung bezüglich des Veranlagungszeitraums für die Körperschaftsteuer 1991, sondern allenfalls auf seiner Erklärung für den Veranlagungszeitraum 1993. Das Jahr 1993 ist aber nicht Gegenstand der Verurteilung.
2. Durchgreifenden Bedenken begegnet die Strafzumessung des Landgerichts, weil es als einen gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkt würdigt, daß er bis in die Hauptverhandlung hinein den Verbleib des im Konkurs beseite geschafften Geldes verheimlichte. Der Angeklagte ist wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden und die hierfür verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten bildete auch die Einsatzstrafe. Wenn er seine Einlage in die R AG und sein Festgeldkonto bei der Bregenzer Sparkasse in der Hauptverhandlung weiterhin verschwieg, räumte er im Ergebnis lediglich insoweit seine Täterschaft nicht ein. Tathandlungen nach der Strafbarkeitsbestimmung des § 283 Abs. 1
Nr. 1 StGB sind nämlich das Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Vermögensbestandteilen im Insolvenzfalle. Der Senat besorgt deshalb, daß das Landgericht das Verteidigungsverhalten des Angeklagten insoweit strafschärfend gewürdigt hat (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 – Verteidigungsverhalten 17, vgl. andererseits zur Offenbarungspflicht nach § 807 ZPO, BGHSt 37, 340).
3. Die Aufhebung der beiden höchsten Einzelstrafen nötigt zu einer Aufhebung des Strafausspruches insgesamt, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß auch die übrigen Einzelstrafen hiervon beeinflußt sind.
Harms Häger Basdorf Raum Brause

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 226/13
vom
13. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 24. Januar 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Höhe der Steuerverkürzungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten macht ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und zur Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen hat die Revision des Angeklagten keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts befasst sich der Angeklagte mit dem Bau und der Vermarktung von Hochseekatamaranen. Die Organisation dieses Unternehmens wird von zahlreichen Firmen getragen, die ihren Sitz überwiegend in sog. Steueroasen haben und die der Angeklagte durch Treuhänder führen lässt. Der Angeklagte zog Anfang 2004 von Lübeck nach Monaco um, wo er bis längstens September 2008 ansässig war. Anschließend übersiedelte er in die Schweiz. Er ist nach wie vor deutscher Staatsangehöriger.
3
1. Im Jahr 2004 erhielt der Angeklagte von seinem Vater im Wege mehrerer Schenkungen Teile von dessen Privatvermögen. Es handelte sich dabei um eine Off-shore-Gesellschaft in der Gesellschaftsform einer Limited , ein Bankkonto und ein Wertpapierdepot mit einem Gesamtwert von 6.762.730,42 Euro. Im Juli 2007 übertrug ihm sein Vater im Wege der Schenkung ein Luxus-Penthouse in Monaco im Wert von 5 Mio. Euro.
4
2. Dem Angeklagten war „von Beginn an“ bewusst, dass er die erhalte- nen Schenkungen in Deutschland „zu versteuern“ hatte und sie dazu binnen einer Frist von drei Monaten bei dem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt deklarieren musste. Dennoch unterließ er diese Anzeige , weil er mit Steuerschulden in Millionenhöhe rechnete. Er verkürzte hierdurch im Jahr 2004 Schenkungsteuer in Höhe von 1.508.271 Euro und im Jahr 2007 von weiteren 1.150.000 Euro.
5
3. Nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens im August 2011 leistete der Angeklagte umfangreiche Aufklärungshilfe und ließ durch einen Schriftsatz seiner Anwälte die Schenkungen und deren Wert bestätigen. Die Steuerschuld aus den Schenkungen tilgte der Angeklagte nach Festsetzung durch die Finanzbehörden.

II.


6
Die Taten sind nicht verjährt. Auch für die Hinterziehung von Schenkungsteuer im Jahr 2004 ist die Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten.
7
1. Zwar betrug die Verjährungsfrist für diese Tat zunächst nur fünf Jahre (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), die bei Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (vgl. § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) bereits verstrichen gewesen wären (zum Fristbeginn bei Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10, Rn. 41 ff., BGHSt 56, 298, 312). Die Verjährungsfrist hatte sich jedoch durch Gesetz vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I, 2794, 2828) für die in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO genannten Fällen auf zehn Jahre erhöht (§ 376 Abs. 1 AO).
8
2. Die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO liegen hier vor, denn die Tat erfüllt das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (Steuerverkürzung in großem Ausmaß). Der Umstand, dass dieses Regelbeispiel bis zur Änderung durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I, 3198, 3209) und damit zum Zeitpunkt der Tatbeendigung enger gefasst war - es enthielt noch das einschränkende Merkmal des Handelns aus grobem Eigennutz -, steht der Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 StR 73/13 mit Nachweisen zum Meinungsstand in der Literatur). Maßgeblich ist allein, dass die Voraussetzungen des § 376 Abs. 1 AO erfüllt sind und die Tat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verjährungsvorschrift (vgl. Art. 97 § 23 EGAO) noch nicht verjährt war (BGH aaO).
Beides ist hier der Fall. Damit kommt die zehnjährige Verjährungsfrist des § 376 Abs. 1 AO unabhängig davon zur Anwendung, ob die Tat zum Zeitpunkt der Tatbegehung eines der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt hat, namentlich, ob der Angeklagte „aus grobem Eigennutz“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF gehandelt hat.

III.


9
Die Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere führen die Verfahrensrügen zu keinem weitergehenden Erfolg.
10
1. Den weitgehend identischen Verfahrensrügen liegt Folgendes zu Grunde:
11
Drei Beweisanträge mit insgesamt 66 Beweisbehauptungen waren auf den Nachweis gerichtet, dass der Angeklagte niemals sein Vermögen vor dem deutschen Fiskus verschleiert hat. In der Begründung der Anträge wird auf ein in den Gerichtsakten befindliches Schreiben der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts an die Staatsanwaltschaft verwiesen. Darin wird näher geschildertes Verhalten des Angeklagten als verschleiernd bewertet und gefolgert, sol- ches Verhalten lasse „einen konkreten Schluss auf die Gesinnung des Beschuldigten bei Tatbegehung zu“. Die Beweisanträge sehen diese Bewertung als bedeutsam für Vorsatz und Strafzumessung (grober Eigennutz) an; könne dagegen nicht von Verschleierungshandlungen ausgegangen werden, so wird im Ergebnis zum Ausdruck gebracht, sei der auf die gegenteilige Annahme gestützten Bewertung der Ermittlungsbehörden der Boden entzogen.
12
Die Strafkammer hat die Anträge als bedeutungslos zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Verschleierungshandlungen seien weder Tatbestandsmerkmal für die Hinterziehung von Schenkungsteuer noch notwendiges Indiz für groben Eigennutz.
13
2. Der Schuldspruch hat Bestand.
14
a) Die Verfahrensrügen, die für den Schuldspruch allein unter dem Blickwinkel des Vorsatzes Bedeutung haben, greifen nicht durch.
15
Im Ansatz zutreffend hat die Revision ausgeführt und belegt, dass die Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos regelmäßig eine konkretisierte Begründung erfordert. Es kann jedoch letztlich auf sich beruhen, ob der Hinweis des Gerichts, Verschleierung betreffe kein Tatbestandsmerkmal, diesen Anforderungen genügt: Wenn der Beweisantrag auf eine bestimmte beweiswürdigende Schlussfolgerung der Ermittlungsbehörden Bezug nimmt (Vorsatz ergebe sich aus der Verschleierung) und andererseits der Ablehnungsbeschluss die dieser Schlussfolgerung zu Grunde liegende Tatsachenbewertung (Verschleierung) für bedeutungslos erklärt, so bringt dies mit noch hinlänglicher Klarheit zum Ausdruck, dass das Gericht die Auffassung der Ermittlungsbehörden , die durch die Anträge widerlegt werden soll, im Ergebnis nicht teilt, letztlich also der Sache nach dem Antrag folgt.
16
Unabhängig davon kann aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine (möglicherweise) unzulängliche Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags dann unschädlich sein, wenn den Urteilsgründen im Ergebnis die Beweisbehauptungen zu Grunde liegen (BGH, Beschluss vom 29. April 2010 - 1 StR 644/09, wistra 2010, 410, 412). Entsprechendes gilt hier, da die Strafkammer auch im Urteil einer Schlussfolgerung der Ermittlungsbe- hörden, der durch die Beweisanträge die Grundlage entzogen werden sollte, nicht gefolgt ist. Die Annahme, der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, ist vielmehr ausschließlich auf Indizien gestützt, die mit der Frage, ob er verschleiernde Maßnahmen ergriffen hat, in keinem Zusammenhang stehen.
17
b) Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Auch vom Tatvorsatz des Angeklagten hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei überzeugt. Die in einem „Exkurs“ enthaltenen Urteilsausführungen (UA S. 10 f.) zur Abgrenzung von Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) und Verbotsirrtum (§ 17 StGB) sind überflüssig; sie gefährden den Bestand des Urteils nicht, weil sich das Landgericht ohne Rechtsfehler davon überzeugt hat, dass der Angeklagte keinem Irrtum unterlegen ist (UA S. 10).
18
c) Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Hinterziehung von Schenkungsteuer in zwei Fällen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte als Beschenkter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) die von seinem Vater in den Jahren 2004 und 2007 erhaltenen Schenkungen den deutschen Finanzbehörden nicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG angezeigt, obwohl die Wegverlegung seines Wohnsitzes aus Deutschland mit dauerndem Aufenthalt im Ausland noch nicht fünf Jahre zurücklag (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG). Dabei war ihm bewusst, dass er diese Schenkungen in Deutschland binnen einer Frist von drei Monaten nach Ausführung der jeweiligen Zuwendung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) bei dem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen hatte (UA S. 6). Er rechnete mit Steuerschulden in Millionenhöhe.
19
3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand und ist aufzuheben.
20
a) Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127; jeweils mwN).
21
b) Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
22
Soweit sich die Verfahrensrügen auf die Annahme von grobem Eigennutz beziehen, gilt allerdings letztlich Vergleichbares wie hinsichtlich des Vorsatzes (vgl. oben Abschnitt III. 2. Buchst. a). Es ist nicht ersichtlich, dass die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe aus grobem Eigennutz gehandelt , (auch) auf Gesichtspunkte gestützt wäre, die mit Verschleierungshandlungen zusammenhängen. Der Strafausspruch kann aber dennoch keinen Bestand haben, weil die Bestimmung des Strafrahmens teilweise auf lückenhafter Tatsachengrundlage und im Übrigen auf einer nicht rechtsfehlerfreien Würdigung der Feststellungen beruht.
23
aa) Das Landgericht hat angenommen, dass die in den Jahren 2004 und 2007 begangenen Steuerhinterziehungen mit einem Hinterziehungsumfang von 1.508.271 Euro und 1.150.000 Euro dem Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO entsprechen. Es hat dabei die Taten - im Ansatz zutreffend - an der zu den Tatzeiten und noch bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung dieser Vorschrift gemessen, bei der das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO neben der Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß auch noch ein Handeln aus grobem Eigennutz verlangte (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1985 - 4 StR 219/85, NStZ 1985, 459). Das Landgericht hat deshalb jeweils den erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO zugrunde gelegt - er reicht von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe - und für die Taten Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.
24
bb) Grob eigennützig handelt, wer sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach Vorteil in besonders anstößigem Maße leiten lässt. Dabei muss das Gewinnstreben des Täters das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1984 - 2 StR 220/84, NJW 1985, 208; Urteil vom 20. November 1990 - 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; Urteil vom 23. Januar 1991 - 3 StR 365/90, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 4; Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 StR 191/85, wistra 1985, 228). Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, hat das Tatgericht einen vom Revisionsgericht hinzunehmenden Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1984 - 2 StR 220/84, NJW 1985, 208; BGH, Urteil vom 7. November 1986 - 2 StR 280/86, wistra 1987, 71). Erforderlich ist jedoch eine vom Tatgericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung sämtlicher Tatumstände, namentlich der vom Täter gezogenen Vorteile, der Art, Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung und des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. Diese Umstände müssen im Zusammenhang gesehen und daraufhin überprüft werden, ob sie den Schluss auf groben Eigennutz des Täters rechtfertigen (vgl. BGH, Be- schluss vom 22. Juni 1990 - 3 StR 471/89, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 3 mwN).
25
cc) Diesen Anforderungen wird die Würdigung des Gewinnstrebens des Angeklagten durch das Landgericht nicht gerecht.
26
(1) Allerdings ist es - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem sehr großen Ausmaß der hinterzogenen Steuer indizielle Wirkung für die Annahme eines grob eigennützigen Verhaltens des Täters beigemessen hat. Denn der Umfang der verkürzten Steuern lässt je nach den Umständen des Einzelfalls Rückschlüsse auf das Maß des Gewinnstrebens des Täters zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 1990 - 3 StR 471/89, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 1 Eigennutz 3, und vom 13. Januar 1993 - 5 StR 466/92, wistra 1993, 109). Auch durfte das Landgericht in den Blick nehmen, dass der Angeklagte zur Entrichtung der Schenkungsteuer finanziell ohne weiteres in der Lage gewesen wäre.
27
(2) Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Tatumstände kann gleichwohl keinen Bestand haben. Denn das Landgericht hat die Annahme , der Angeklagte habe aus grobem Eigennutz gehandelt, letztlich allein auf die Höhe des dem Angeklagten nach Abzug der geschuldeten Schenkungsteuer noch verbleibenden Rests der Schenkungen gestützt. Es hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass der Angeklagte auch bei Abführung der Steuern „ein sehr reicher Mann“ geblieben wäre und „in Saus und Braus“ hätte leben können (UA S. 15).
28
Der Umstand, dass der Angeklagte in der Lage war, aus legal durch Schenkungen erworbenem Vermögen die Schenkungsteuer ohne Einbußen in seiner Lebensführung zu entrichten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 132), belegt groben Eigennutz für sich allein indes nicht. Zudem kommt es für die Frage, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz gehandelt hat, nicht auf die Höhe der erhaltenen Schenkungen an. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Angeklagte gerade hinsichtlich der verkürzten Steuern von besonders anstößigem Gewinnstreben hat leiten lassen. Hierzu hätte das Landgericht eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, die für die Beurteilung des Maßes des Gewinnstrebens des Angeklagten von Bedeutung sein konnten, vornehmen müssen. Zu diesen Umständen gehören neben den vom Täter gezogenen Vorteilen auch Art, Häufigkeit und Intensität der Tatbegehung sowie des Verwendungszwecks der erlangten Vorteile. An einer solchen Gesamtbetrachtung fehlt es hier. Feststellungen zur Handlungsmotivation des Angeklagten, etwa Geldgier, fehlen gänzlich. Somit ist die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern hinterzogen und daran anknüpfend die Annahme besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 AO nicht rechtsfehlerfrei begründet.
29
dd) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch zum Nachteil des Angeklagten auf der rechtsfehlerhaften Begründung der Strafrahmenwahl beruht. Zwar liegt bei sehr hohen Hinterziehungsbeträgen die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 370 Abs. 3 Satz 1 AO auch dann nicht fern, wenn ein Regelbeispiel nach der zur Tatzeit geltenden Fassung nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, Rn. 29, wistra 2013, 28; Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, Rn. 22, NJW 2009, 690). Auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung bedürfte jedoch einer fehlerfreien Gesamtwürdigung aller bestimmenden Strafzumessungserwägungen durch das Tatgericht, an der es hier gerade fehlt. Es bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Strafzumessung.
30
4. Die aufgezeigten Mängel betreffen weder die Feststellungen zum Wert der Schenkungen noch die auf dieser Grundlage festgestellte Höhe der hinterzogenen Steuern (Schuldumfang). Da diese Feststellungen auch sonst rechtsfehlerfrei sind, können sie bestehen bleiben.
31
5. Hinsichtlich der bisher unterbliebenen Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs für Auslieferungshaft weist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts hin.
Wahl RiBGH Rothfuß ist urlaubs- Graf abwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 257/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2011 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte war Finanzvorstand der I. AG . Ihm wird vorgeworfen, für die I. AG keine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 abgegeben und so vom Unternehmen geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von 29.728.541,85 DM (= 15.199.962,08 €) hinterzogen zu haben. Das Landgericht hat den Angeklagten deshalb zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Sechs Monate der erkannten Freiheitsstrafe hat das Landgericht für vollstreckt erklärt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch - Strafausspruch und Kompensationsausspruch - beschränkten Revision insbesondere dagegen, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung und von dem dann grundsätzlich eröffneten weiteren Strafrahmen ausgegangen ist. Denn der Angeklagte habe nicht nur Steuern im großen Ausmaß hinterzogen, sondern - was zur Tatzeit noch weitere tatbestandliche Voraussetzung des Regelbeispiels war - er habe auch aus grobem Eigennutz gehandelt. Dies habe die Strafkammer zu Unrecht verneint. Außerdem liege keine der Justiz vorwerfbare überlange Verfahrensdauer vor, jedenfalls sei die Kompensation, auf die erkannt wurde, überhöht. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.

2
Den Feststellungen des Landgerichts ist Folgendes zu entnehmen:
3
1. Geschäftszweck der Unternehmensgruppe um die I. AG war ein Steuersparmodell durch die Auflage von Filmfonds. Die Fonds traten als Auftraggeber für ausländische Filmproduktionen und damit formell als Filmhersteller auf. Kapitalanleger konnten sich mit Kommanditanteilen in Höhe von mindestens 50.000 DM, von denen allerdings nur 48 % von den Kommanditisten zu erbringen waren, beteiligen. Die Fonds trugen im Namen alle die Firma W. mit vorangestellter fortlaufender Nummerierung. Im vorliegenden Verfahren sind der fünfte und der sechste W. relevant.
4
Federführend bei der Produktion der Filme war allerdings die I. AG auf der Grundlage von mit den Fonds abgeschlossenen Produktionsdienstleistungsverträgen. Danach führte die I. AG die Geschäfte für die Filmfonds , organisierte die Filmproduktionen im Ausland (USA) durch ausländische Unternehmen und deren Bezahlung. Sie stellte dann die Produktionskosten zuzüglich Umsatzsteuer - damals in Höhe von 16 % - den Fonds in Rechnung. Die I. AG nahm auch das Fremdkapital auf zur Abdeckung der restlichen 52 % der Kommanditanteile bei den Fonds. Die Erstellung der Finanzbuchhaltung erfolgte durch die E. Steuerberatungsgesellschaft mbH. Für die Erstellung der Prospekte, die Erstellung der Konzeption der Filmfonds, die Anlegerbetreuung und die Vertriebskoordination war die E. AG verantwortlich. Die Fonds stellten sich im Grunde nur als Gelddurchlaufstationen dar.
5
Der Angeklagte, ein promovierter Diplom-Volkswirt, war zwar nicht Gründer der I. AG. Dies waren die Musikproduzenten M. und A. . Nachdem er aber wegen seiner Fachkompetenz gleich zu Beginn der Unternehmensgeschichte im Jahre 1999 angeworben worden war, beherrschte er - seiner Stellung entsprechend - das wirtschaftliche Geschehen der Unternehmensgruppe.
6
Im September 1999 wurde er als sogenannter Finanzvorstand in den Vorstand der I. AG berufen, um zunächst den Börsengang des Unternehmens zu begleiten. Die Stellung als Finanzvorstand hatte er bis August 2006 inne. In den Jahren 2000 bis Mitte 2002 war er mit ca. 10 % an der I. AG beteiligt.
7
Der Angeklagte war Alleinaktionär der oben genannten E. AG. Weil der Angeklagte nicht gleichzeitig als Vorstand sowohl in dieser Aktiengesellschaft als auch bei der I. AG in Erscheinung treten wollte, wurden bei der E. AG meist formell andere Personen als Vorstand bestellt. An der tatsächlichen Führung der E. AG durch den Angeklagten änderte sich dadurch nichts. Aufgrund von Verwaltungsverträgen mit den einzelnen Fonds hatten diese eine Vergütung an die E. AG in der Höhe zwischen 10 und 11 % der Kommanditanteile einmalig, sowie eine jährliche Zahlung in Höhe von 0,54 % der Anteile zu entrichten.
8
Ob der Angeklagte auch an der E. Steuerberatungsgesellschaft mbH beteiligt war, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Darauf deutet allerdings die Verwendung des Namens E. auch bei dieser Gesellschaft hin. Diese Bezeichnung verwendete der Angeklagte schon zu Studienzeiten für ein von ihm aufgebautes wirtschaftswissenschaftliches Repetitorium.
9
Der Angeklagte war auch Gründungskommanditist jedenfalls des dritten, fünften und sechsten Fonds.
10
Die I. AG erlitt einen wirtschaftlichen Niedergang. Wann dies einsetzte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Im Jahre 2006 wurde sie insolvent. In diesem Zusammenhang verlor auch der Angeklagte sein Vermögen und musste im Januar 2006 die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO abgeben. Wegen von ihm als Finanzvorstand zu verantwortender Insolvenzverschleppung wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
11
2. Zum steuerstrafrechtlichen Vorwurf:
12
Die I. AG stellte - wie oben bereits gesagt - den Fonds die Produktionskosten zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Rechnung. Bei den Fonds ging die ausgewiesene Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer in deren Umsatzsteuererklärungen ein. Dies führte auch zu erheblichen Steuererstattungen sei- tens der Finanzbehörde an die Fonds. Diese Zahlungen sind „weitestgehend“ an die I. AG bzw. an die E. AG weitergeleitet worden.
13
Ende 1999 oder Anfang 2000 kamen aufgrund entsprechender „Beanstandungen“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der I. AG, der K. , Überlegungen auf, dass Umsatzsteuern nicht oder nicht in voller Höhe angefallen sein könnten und zwar möglicherweise schon deshalb nicht, weil es sich um Auslandsproduktionen handelte, jedenfalls aber, da die Leistung zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eventuell nicht oder nicht vollständig erbracht war. In diese Überlegungen war auch der Angeklagte einbezogen. Die Buchhaltung informierte er darüber nicht, sodass weiterhin Rechnungen über Produktionskosten unter Ausweis der Umsatzsteuer an die Fondgesellschaften erstellt wurden , so auch im Jahre 2000.
14
Dabei handelte es sich um eine Rechnung vom 29. September 2000 und fünf Rechnungen vom 29. Dezember 2000 über einen Nettobetrag von insgesamt 184.905.000 DM zuzüglich 29.584.799,97 DM Umsatzsteuer. Aus zumindest vier dieser Rechnungen machten die Fondgesellschaften zeitnah Vorsteuern über insgesamt 15.924.000 DM geltend. 8.142.721,38 - dann schon - Euro erkannte das Finanzamt nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei den Fonds an. Davon wurden 2.758.341 € aufgrund einer Vereinbarung zwischen den be- teiligten Unternehmen mit Steuerschulden der E. AG verrechnet. 4.952.280,98 € wurden bis zum 19. Februar 2002 an die Fonds überwiesen. Davon wurden jedenfalls3.067.751,30 € am 20. Februar 2002 an die I. AG weitergeleitet.
15
Die im Jahre 2000 den Fonds in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erklärte der Angeklagte - für die I. AG handelnd - nicht und führte sie auch nicht ab. Er gab überhaupt keine Umsatzsteuererklärung und auch keine Vor-anmeldungen für das Jahr 2000 ab. Deshalb blieben auch die Umsatzsteuern (ermäßigter Steuersatz) aus weiteren 689.783 DM unberücksichtigt. Hieraus folgt der Gesamthinterziehungsbetrag in Höhe von 29.728.541,85 DM (15.199.962,08 €). Hinsichtlich des Vorwurfs der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2000 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Verfügung vom 25. Juni 2010 (EA Bd. II, Blatt 481) gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
16
Im September 2002 erging auf der Grundlage von Schätzungen ein Steuerbescheid hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000. Die sofortige Vollziehung wurde nach Einspruchseinlegung am 18. Dezember 2002 ausgesetzt. Bereits im August 2002 war gegen den Angeklagten ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
17
Am 5. August 2005 wurden für die I. AG bezüglich der Jahre 2000 bis 2002 Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht. Sie enthielten auch die Hinterziehungsbeträge des Jahres 2000, obgleich im Juli 2005 die hier maßgeblichen Rechnungen der I. AG unter dem Datum 31. Dezember 2002 intern wieder ausgebucht worden waren. An die Fondsgesellschaften wurden diese Korrekturen aber nicht weitergeleitet. Ob für das Jahr 2000 noch Umsatzsteuern durch Verrechnung mit Guthaben beglichen wurden, teilen die Urteilsgründe nicht eindeutig mit.
18
3. Bei der Strafzumessung ist die Strafkammer vom Strafrahmen des § 370 Abs. 1 (Nr. 2) AO (in der Fassung vom 10. September 1998) ausgegangen. Die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der seinerzeit gültigen Fassung hat das Gericht „nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen“ können. Zweifelsfrei habe der Angeklagte Steuern in großem Ausmaß hinterzogen. Die Tat sei auch auf die Erstattung von Vorsteuern angelegt ge- wesen. Es bestünden jedoch Zweifel, ob der Angeklagte im Sinne der damals geltenden Bestimmung aus grobem Eigennutz gehandelt hat. Das Landgericht hat zwar nicht übersehen, dass Vorsteuererstattungsbeträge, sei es durch Überweisung oder Verrechnung, in erheblichem Umfang der I. AG und insbesondere der E. AG, deren Alleinaktionär der Angeklagte war, zu Gute kamen. Nicht feststellen habe sie jedoch können, inwieweit der Angeklagte davon persönlich profitiert hat und ob Zahlungen aufgrund bereits bestehender Forderungen gegenüber den Fonds erfolgten.
19
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Produktionskosten im Ausland nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegen. „Das Gericht hat des- halb bei der Strafzumessung nur den Schaden zugrunde gelegt, der aufgrund der Vorsteuererstattung an die Fonds (15.924.000 DM) entstanden ist. (Bei der Nennung von € an dieser Stelle - UA S. 32 - handelt es sich um ein offensichtli- ches Schreibversehen. Das folgt aus der eindeutigen Bezugnahme auf die erstatteten Beträge, deren Summe den genannten Betrag in DM ergibt. Außer- dem sind 15,9 Millionen € mehr als der tatbestandlich festgestellte Gesamtsteuerschaden in Höhe von 15,19 Millionen €).
20
Strafmildernd habe sich auch ausgewirkt, dass das Finanzamt bei der Geltendmachung der Vorsteuer durch die Filmfonds keine weiteren Nachweise zum Leistungszeitpunkt eingefordert habe.
21
Schließlich hat die Strafkammer dem Angeklagten die lange Verfahrensdauer zu Gute gehalten. Dabei könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die erhebliche Verfahrensdauer auch darauf zurückzuführen gewesen sei, dass der Angeklagte immer wieder Stellungnahmen habe ankündigen lassen, die dann nicht oder erheblich verspätet eingegangen seien. Entsprechend habe es sich mit der Wahrnehmung von Besprechungsterminen verhalten.

III.

22
Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
23
Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Sie ist revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler hin überprüfbar. Solche liegen hier jedoch vor.
24
1. Die Erwägungen zur Strafrahmenwahl weisen Lücken auf und enthalten Bewertungsfehler.
25
a) Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte - wie die frühere Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erforderte - aus grobem Eigennutz handelte , kann es bei dem Ausgangspunkt, nämlich inwieweit der Angeklagte überhaupt Nutznießer des durch Hinterziehung im großen Ausmaß entstandenen Steuervorteils war, letztlich keinen maßgeblichen Unterschied machen, ob die entsprechenden Beträge ihm direkt zu Gute kamen oder einem Unternehmen, dessen Alleinaktionär er war (E. AG) oder an dem er jedenfalls nicht völlig unerheblich als Aktionär beteiligt war (I. AG).
26
Die Strafkammer hat dazu weiter ausgeführt, sie habe nicht feststellen können, „ob die Zahlungen aufgrund bereits bestehender Forderungen gegen- über den Fonds erfolgte“. Da sie hierzu nichts hat feststellen können und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Variante genannt hat, stellt sich die Frage, wie sie überhaupt zu entsprechenden Überlegungen gekommen ist. Sollte dies auf Vermutungen oder der Einlassung des Angeklagten beruhen, ist zu bemerken, dass entsprechenden Äußerungen ohne konkrete tatsächliche Hinweise nicht gefolgt werden muss, allein weil eine Behauptung nicht widerlegt werden kann. Der Tatrichter darf Angaben, für deren Richtigkeit er keine zureichenden Anhaltspunkte hat, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen und seiner Entscheidung zu Grunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Tatsachen gibt (BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06). Außerdem hätten, wenn auf bestehende Forderungen bezahlt worden sein sollte, Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob der entsprechende Fonds auch ohne die Steuererstattungsbeträge zur Zahlung in der Lage gewesen wäre. Das Ergebnis hätte in die Gesamtschau zum groben Eigennutz einbezogen werden müssen.
27
Ebenso hätte es der Erörterung bedurft, ob die E. AG auch ohne die Verrechnung in der Lage gewesen wäre, die Steuerforderung zu begleichen.
28
Es hätte sich der Strafkammer zudem der Gedanke aufdrängen und sie hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob nicht sowohl die I. AG, als auch die E. AG möglicherweise nur mit Hilfe der ihnen zugeflossenen Erstattungsbeträge liquide blieben. Die I. AG wurde 2006 insolvent. Die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass ihm die Rettung der AG nicht gelang. Der Angeklagte wurde in diesem Zusammenhang wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Wann dieses Unternehmen in die Krise kam, etwa schon 2001/2002, hat das Landgericht nicht mitgeteilt. Über das Schicksal der E. AG ist den Urteilsgründen nichts zu entnehmen. Da der Angeklagte aber 2006 die eidesstattliche Versicherung für sich persönlich abgeben musste, dürfte zu diesem Zeitpunkt auch die E. AG nicht mehr aktiv und wertlos gewesen sein. Der Angeklagte könnte in den Jahren zuvor ein massives Interesse daran gehabt haben, die Unternehmen möglichst lange am Leben zu erhalten , da sie seine Existenzgrundlage darstellten. Wenn dies nur - oder überwiegend - mit den Steuererstattungsbeträgen zu bewerkstelligen war, muss auch dieser gewichtige Gesichtspunkt in die Bewertung, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte, mit einbezogen werden.
29
b) Die Strafkammer hätte sich - bei Nichtfeststellung des groben Eigennutzes als der zur Tatzeit neben einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß erforderlichen Voraussetzung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der damals geltenden Fassung - angesichts der Höhe des Hinterziehungsbetrags damit auseinandersetzen müssen, ob nicht jedenfalls ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung zu bejahen ist. Ein Fall ist dann besonders schwer, wenn er sich bei einer im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 276 mwN). Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der "verschuldeten Auswirkungen der Tat" dann besonderes Gewicht. "Auswirkungen der Tat" sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80 mwN). Bei sehr hohen Hinterziehungsbeträgen liegt deshalb ein besonders schwerer Fall jedenfalls nicht fern, auch wenn ein Regelbeispiel nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 370 AO nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, Rn. 22, NStZ 2009, 159).
30
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei umfassender Würdigung aufgrund der erforderlichen Feststellungen bei der Strafrahmenwahl zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Anwendung des erhöhten Strafrahmens gekommen wäre.
31
2. Die Strafkammer hat ihren Strafzumessungserwägungen im Übrigen einen zu geringen Schadens- und damit Schuldumfang zugrunde gelegt. Insoweit verweist sie ausdrücklich - allein - auf die Erstattungsbeträge in Höhe von 15,9 Millionen DM. Das Landgericht übersieht zwar nicht, dass die Umsatzsteuerschuld auch bei unrichtigem Steuerausweis mit der Rechnungsstellung unter Umsatzsteuerausweis entsteht (§ 14 Abs. 2 UStG aF, heute § 14c UStG). Wird die Umsatzsteuer dann nicht erklärt, ist das Steuerhinterziehung, wie die Strafkammer ebenfalls im Grundsatz nicht verkennt. Sie hat die tatbestandliche Steuerhinterziehung auch insoweit festgestellt. Dann ist aber auch der gesamte Hinterziehungsbetrag in die Erwägungen zur Strafzumessung einzubeziehen. Dies sind hier 29,7 Millionen DM. Zwar kommt den erstatteten Beträgen (umgangssprachlich ein - hier tiefer - „Griff in die Staatskasse“) besonderes Gewicht zu. Aber die darüber hinaus hinterzogenen Steuern - hier immerhin in Höhe von weiteren 13,8 Millionen DM - können bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht einfach außer Betracht gelassen werden.
32
Die Nichtbeachtung der aus § 14 Abs. 2 UStG aF (heute § 14c UStG) erwachsenden Steuerpflicht durch einen Steuerpflichtigen stellt nicht nur einen Formalverstoß dar. Der Hintergrund ist, dass derartige Rechnungen regelmäßig , wie auch hier, in die Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen der Rechnungsempfänger als Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) eingehen und zur Minderung von deren Steuerlast oder gar zu Erstattungen führen können. Die Finanzbehörde erkannte im vorliegenden Fall nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei den Fonds die Erstattungsfähigkeit der gesamten geltend gemachten Vorsteuern auch an. Weshalb es über die ausbezahlten bzw. verrechneten 15,9 Millionen DM hinaus zu keinen weiteren Erstattungen mehr kam, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Mitte des Jahres 2002 setzten allerdings schon die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ein.
33
3. Es ist hier nicht angezeigt, der Finanzbehörde ein Mitverschulden an der Erstattung der geltend gemachten Vorsteuer anzulasten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10, Rn. 29 f, wistra 2011, 186, Anm. Meyberg PStR 2011, 58). Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind durch Belege nachzuweisen (UStR Abschnitt 202, Aufzeichnung und Belege , Abs. 1 Satz 1). Das Finanzamt hat bei den Fonds geprüft und Rechnungen einer existenten und aktiven inländischen Aktiengesellschaft vorgefunden, die Umsatzsteuer ausweisen. Es ist nicht Sache der Finanzbehörde, die materielle Berechtigung einer Rechnungsstellung zu überprüfen. Das Steuerrecht und die Finanzverwaltung dürfen - und sind gehalten -, gerade bei Anmeldungssteuern, wie der Umsatzsteuer, zunächst von zutreffenden Angaben der Steuerpflichtigen auszugehen. Die Rechnungen wiesen keine formellen Mängel auf und gaben auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Leistungen noch nicht oder nicht vollständig erbracht wurden. Soweit Produktionskosten in drei der Rechnungen nur anteilig (z.B. 31 % oder 70 %) in Ansatz gebracht wurden, entsprach dies dem Anteil („Beteiligung“) des jeweiligen Fonds an der abgerechneten Filmpro- duktion. Sollten allerdings die Leistungen, deren Bezahlung mit den Rechnungen geltend gemacht wurden, tatsächlich nicht erbracht worden sein, könnte sich die Überlegung aufdrängen, dass es sich insoweit sogar nur um Scheinrechnungen handelte, um unberechtigt Vorsteuererstattungen zu erlangen.
34
Allein schon der bei der Strafzumessung zu berücksichtigende erheblich größere Schuldumfang führt dazu, dass der Strafausspruch keinen Bestand haben kann. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer, wenn sie bei der Festsetzung der Rechtsfolge den gesamten Hinterziehungsumfang im Blick gehabt hätte, auf eine höhere Strafe erkannt hätte.
35
4. Zu den Rechtsfehlern bei der Kompensation verweist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. Mai 2012 und zur Beur- teilung der Verfahrensdauer in Wirtschaftsstrafsachen auf den Beschluss des Senats vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, Rn. 23 ff. (BGHR StPO § 213 Terminierung 1).
36
5. Der Rechtsfolgenausspruch bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher hierzu getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da insoweit lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende Feststellungen sind möglich und auch geboten. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehen.
37
6. Die nunmehr zur Verhandlung berufene Strafkammer wird auch ergänzende Feststellungen zur eventuellen Erledigung der Strafe aus der Verurteilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung zu treffen haben. In den Urteilsgründen wird bislang nur mitgeteilt, dass die Verurteilung nach dem Geschehen, das Gegenstand dieses Verfahrens ist, erfolgte. Dann sind die seinerzeit verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten zur Bewährung und die in diesem Verfahren auszusprechende Strafe aber grundsätzlich gesamtstrafenfähig. Wahrscheinlich unterblieb die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB, da die zehnmonatige Freiheitsstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit bereits erlassen wurde. Zu überprüfen vermag der Senat dies jedoch nicht. Ob und ggf. wann die Erledigung der Strafe eintrat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Auch können aus dem Urteilszeitpunkt und der Bewährungszeit keine Rückschlüsse gezogen werden, da auch diese Informationen fehlen.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 323/08
vom
22. September 2008
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_________________________
Leistet der Gehilfe zu mehreren Taten der Steuerhinterziehung durch jeweils
selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB,
steht der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts
, auf das die einzelnen Haupttaten zurückgehen, beteiligt war,
der Annahme von mehreren im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB)
zueinander stehenden Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht entgegen.
BGH, Beschl. vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 20. November 2007 wird mit der Maßgabe als unbegründet
verworfen, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung
in sieben Fällen schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerverkürzung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, berichtigt der Senat den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes :

I.


2
Die Verfahrensrüge, die gegen die Berufsrichter der Strafkammer gerichteten Befangenheitsanträge seien zu Unrecht zurückgewiesen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt ohne Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4
Im Laufe der knapp ein Jahr dauernden Hauptverhandlung legte ein Verteidiger des Angeklagten nach dem 16. Hauptverhandlungstag Haftbeschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts ein, die mit dem Eröffnungsbeschluss ergangen war. Begründet wurde die Beschwerde insbesondere mit der Behauptung, die Strafkammer habe bei der Terminierung der Hauptverhandlung gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen. Der Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Da nach Auffassung des Angeklagten die Abhilfeentscheidung mit objektiv unwahren Tatsachen begründet worden war, erhob er Gegenvorstellung und erstrebte die Richtigstellung der behaupteten Tatsachen. Diesem Antrag kam die Strafkammer nicht nach und wies die Gegenvorstellung zurück. Mit der Begründung, dass die wiederholten, nach seiner Ansicht objektiv falschen Behauptungen in den vorgenannten Beschlüssen der Strafkammer Misstrauen in die Unparteilichkeit der Berufsrichter der Strafkammer begründen würden, lehnte der Angeklagte sodann am 19. Hauptver-handlungstag die Berufsrichter wegen Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch wurde von der Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbegründet zurückgewiesen ; die Hauptverhandlung wurde dann von der Strafkammer in der ursprünglichen Besetzung fortgeführt. Am 25. Verhandlungstag kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten zu einer verfahrensbeendenden Absprache. Auf die Zusage einer Strafobergrenze von vier Jahren Freiheitsstrafe hin legte der Angeklagte ein von seinem Verteidiger vorgetragenes Geständnis ab. Staatsanwaltschaft und Verteidigung nahmen alle noch nicht erledigten Beweisanträge zurück; einen Rügeverzicht im Hinblick auf die am 19. Hauptverhandlungstag geltend gemachte Befangenheit der Berufsrichter erklärte der Angeklagte nicht.
5
2. Die Befangenheitsrüge ist bereits unzulässig (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 5; BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08). Der Angeklagte hat nach sachlicher Bescheidung des Befangenheitsantrags mit den zuvor als befangen abgelehnten Richtern eine Urteilsabsprache getroffen; Umstände, die trotz dieser Absprache ein Fortbestehen der von dem Angeklagten mit seinem Befangenheitsantrag geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage beruht die Erhebung der Befangenheitsrüge auf einem widersprüchlichen Verhalten des Beschwerdeführers; für sie besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis.
6
a) Ein vorhandenes und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist eine allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515 m.w.N.). Das Rechtsschutzinteresse kann fehlen, wenn die Ausübung eines an sich gegebenen Rechts zu früherem Prozessverhalten in einem unauflösbaren Selbstwiderspruch steht (BGH StV 2001, 100 und StV 2001, 101). Die Rechtsausübung kann dann auch mit dem auch im Strafprozess bestehenden Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. Einl. Rdn. 111; vgl. auch Art. 35 Abs. 3 Var. 3 EMRK) sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515) nicht zu vereinbaren sein. Sie ist dann unzulässig.

7
b) Auch die Mitwirkung an einer Urteilsabsprache kann dazu führen, dass sich daran anschließende Prozesshandlungen als selbstwidersprüchlich erweisen , so dass sie unzulässig sind. Auf die Notwendigkeit der Klärung der Frage, ob und in welchem Maße im Revisionsverfahren etwa unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens bestimmte Verfahrensrügen ausgeschlossen sein können (vgl. dazu auch BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08), hat bereits der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich hingewiesen (BGHSt 50, 40, 52).
8
c) Mit der hier nach einer Urteilsabsprache erhobenen Befangenheitsrüge , mit der die Befangenheit der Richter vor einer Urteilsabsprache beanstandet wird, setzt sich der Beschwerdeführer in diesem Sinne zu seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch. Denn bei der einvernehmlichen Beendigung des Strafverfahrens aufgrund einer Absprache bringen die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich zum Ausdruck, dass für sie ein Grund für ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters nicht (mehr) besteht. Besondere Umstände, die hier eine andere Wertung und damit einen Ausnahmefall rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
9
aa) Maßstab für die Besorgnis der Befangenheit ist, ob der Richter den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt. Dies ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen nach umfassender Information über den zugrunde liegenden Vorgang gegenstandslos we rden kann (vgl. BGHSt 4, 264, 269 f.; BGH wistra 2002, 267; NStZ-RR 2004, 208, 209; NJW 2006, 3290, 3295; jeweils m.w.N.). Die Besorgnis der Befangenheit kann demnach auch durch die dem Ablehnenden bekannt gemachte dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters ausgeräumt werden (BGH, Beschl. vom 3. Juli 1996 - 5 StR 107/96; vgl. auch BGHSt 45, 312, 320; BGH NStZ 1999, 629, 630).
10
bb) Für die Beurteilung, ob ein Befangenheitsantrag begründet ist, ist dabei auf den Zeitpunkt der Entscheidung des nach § 27 StPO zuständigen Gerichts abzustellen. Nur die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Tatsachen und Beweismittel dürfen auch bei der Entscheidung des Revisionsgerichts, das die Befangenheitsrüge nach Beschwerdegesichtspunkten behandelt, berücksichtigt werden (BGHSt 21, 85, 88; BGH NJW 1960, 2106, 2108).
11
cc) Indes gilt der Grundsatz, dass zunächst erscheinendes Misstrauen wieder ausgeräumt werden kann, auch für eine Urteilsabsprache. Wird - wie hier - eine den Grundsätzen von BGHSt 50, 40 entsprechende Urteilsabsprache getroffen, die zur Folge hat, dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt und das Gericht dafür eine Strafobergrenze zusagt, so ist dieses Verhalten des Angeklagten grundsätzlich dahin zu verstehen, dass er die zuvor geäußerte Besorgnis in die Unparteilichkeit des Gerichts nicht mehr hegt (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 4).
12
dd) Lässt sich der Angeklagte auf ein solches Vorgehen ein und legt er im - rechtlich geschützten - Vertrauen auf die Zusage des Gerichts ein Geständnis ab, so belegt das seine veränderte Einschätzung. Jetzt besorgt er nicht mehr, und muss auch nicht mehr besorgen, das Gericht habe sich - zu seinem Nachteil vorschnell - in der Schuld- und Straffrage festgelegt. Diese hat er nunmehr vielmehr mit dem Gericht im Wesentlichen „abgesprochen“ und das zu erwartende Urteil entspricht seiner Verteidigungsstrategie. Ist die Urteilsabsprache fair und ordnungsgemäß zustande gekommen, so vermag auch ein dabei geäußerter Vorbehalt, auf eine Befangenheitsrüge wegen des zuvor gestellten Befangenheitsantrages nicht zu verzichten, nichts daran ändern, dass der Angeklagte mit dem Eingehen auf die Absprache zu erkennen gegeben hat, dass seine Besorgnis entfallen ist.
13
ee) Hegt aber der Angeklagte keine Besorgnis der Befangenheit mehr und geht er deshalb von einer unvoreingenommenen Haltung des Gerichts zum Urteilszeitpunkt aus, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für die Beanstandung einer Zwischenentscheidung, welche die Frage der Besorgnis der Befangenheit der erkennenden Richter in einem früheren Verfahrensstadium zu Gegenstand hatte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Grundrechts des Angeklagten, wonach das Rechtsmittelgericht ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und „leer laufen“ lassen darf (BVerfGE 78, 88, 98 f.).
14
ff) Der Senat verkennt nicht, dass bei besonderen Umständen trotz vorheriger Urteilsabsprache ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Befangenheitsrüge gegeben sein kann. Dies ist etwa der Fall, wenn sich eine neue Sachlage ergibt, die dazu führt, dass das Gericht seine Zusage nicht mehr aufrechterhält. In einem solchen Fall ist auch die Besorgnis des Angeklagten neu zu bewerten. Dasselbe gilt, wenn besondere Umstände vorhanden sind, die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts trotz der Urteilsabsprache ein fortbestehendes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gerichts rechtfertigen. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Soweit die Revision vorträgt, der Angeklagte habe bei Abgabe des Geständnisses bekundet, dass ein Rechtsmittelverzicht ebenso wenig beabsichtigt gewesen sei wie ein Ausschluss von Verfahrensrügen, ist dies nicht geeignet, eine nach der Urteilsabsprache fortbestehende Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Denn mit dieser Erklärung brachte der Beschwerdeführer lediglich zum Ausdruck, dass er trotz der Verständigung mit dem Gericht vor der Absprache liegende Verfahrensverstöße mit dem Rechtsmittel der Revision beanstanden will. Dass er - auch angesichts der Verständigung - nach wie vor die Voreingenommenheit der Richter besorgte, kann der Erklärung indes nicht entnommen werden.
15
d) Der Unzulässigkeit der Erhebung einer Befangenheitsrüge, mit der die vor einer einvernehmlichen verfahrensbeendenden Absprache erfolgte Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs beanstandet wird, steht nicht entgegen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) das Tatgericht im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken darf. Denn der in einem solchen Fall eintretende Rügeverlust ist nicht etwa Folge eines Rechtsmittelverzichts , sondern des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses nach einer Urteilsabsprache für die Beanstandung bestimmter Verfahrensverstöße vor der verfahrensbeendenden Absprache. Die Rechtsmittelbefugnis als solche besteht bei einer Urteilsabsprache uneingeschränkt fort.
16
3. Die Befangenheitsrüge wäre - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.
17
a) Unter Berücksichtigung der dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter hat sich der Senat nicht von der Richtigkeit der Behauptung der Revision überzeugt, die in der Haftbeschwerdeentscheidung zur Terminierung angegebenen Tatsachen seien unwahr. Vielmehr wurden die für die Terminierung bedeutsamen Umstände in den diesbezüglichen Entscheidungen der Kammer einerseits und der Haftbeschwerde sowie der Gegenvorstellung des Angeklagten andererseits von den Verfahrensbeteiligten ersichtlich unterschiedlich interpretiert. Dies wurde durch die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter auch dem Angeklagten deutlich. Schließlich konnte der Senat auch keine Anhaltspunkte für bewusste Falschangaben der abgelehnten Richter zu den Umständen der Terminierung feststellen. Bei dieser Sachlage liegen keine Umstände vor, die geeignet sind, in den Augen eines vernünftigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter zu rechtfertigen.

II.


18
Auch die Sachrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Ergebnis ohne Erfolg. Ergänzend bemerkt der Senat:
19
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unterstützte der Angeklagte eine international tätige Organisation, die Tabakfeinschnitt, der unter Steueraussetzung aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt werden sollte (§ 17 TabStG), während der Beförderung dem Steueraussetzungsverfahren entzog und hiermit in nicht zugelassenen Herstellungsbetrieben in der Bundesrepublik Zigaretten herstellte, die sodann unter der Marke „Marlboro“ in Deutschland vertrieben wurden. Die insoweit nach § 11 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 TabStG entstandenen Steuern wurden nicht entrichtet. Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand nach den Urteilsfest- stellungen einerseits darin, dass er bei der Beschaffung des Tabakfeinschnitts in Argentinien beteiligt war, wo er für den vorgeblichen Endempfänger auftrat. Bei diesem handelte es sich um eine in Kroatien, das zur Tatzeit noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, ansässige Firma. Nachdem der Tabakfeinschnitt aus Argentinien ordnungsgemäß an die belgische Firma T. , die Inhaberin eines Steuerlagers war, geliefert worden war, veranlasste der Angeklagte nacheinander sieben Einzeltransporte mit Tabakfeinschnitt an die von ihm vertretene kroatische Firma im Steueraussetzungsverfahren, aus dem die Transporte dann jeweils entzogen wurden.
20
2. Entgegen der Auffassung der Revision hält der Schuldspruch auch zur Frage des Konkurrenzverhältnisses der Taten rechtlicher Nachprüfung stand. Den Urteilsgründen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte an jedem der sieben verfahrensgegenständlichen Tabaktransporte, die jeweils aus dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wurden, unterstützend mitwirkte (UA S. 5). Er leistete zu jeder der Haupttaten durch selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Die Beihilfehandlungen stehen daher zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB; vgl. BGH wistra 2008, 217). Der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts und an der Beschaffung des Tabaks durch die belgische Firma T. in Argentinien beteiligt war, welche den Tabak zunächst in einem Steuerlager zwischenlagerte, bevor das Steueraussetzungsverfahren eröffnet wurde, führt angesichts seiner Mitwirkung an den einzelnen Tabaktransporten zu keiner anderen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses. Zur Klarstellung berichtigt der Senat das offensichtliche Schreibversehen der Strafkammer „Beihilfe zur Steuerverkürzung“ im Urteilstenor in „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 33).

21
3. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand.
22
Zwar setzt die Annahme eines besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 AO beim Gehilfen eine eigenständige Bewertung aller Umstände einschließlich seines Tatbeitrages voraus (vgl. BGH NStZ 1983, 217; wistra 2007, 461; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 267). Das Landgericht durfte daher beim Angeklagten nicht allein deshalb vom - gemäß §§ 27, 49 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO ausgehen, weil die Taten bei den Haupttätern als besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung zu qualifizieren waren. Gleichwohl ist die Strafrahmenwahl des Landgerichts nicht zu beanstanden. Angesichts der Einbindung des Angeklagten in die Aktivitäten einer international operierenden Tätergruppe, die im großen Stil und mit großer krimineller Energie in illegal eingerichteten Fabrikationsstätten Zigaretten herstellte und unversteuert unter Markenbezeichnungen veräußerte (UA S. 3, 13), kam bei dem hier vorliegenden Tatbild mit einem Gesamtsteuerschaden von weit mehr als 10 Mio. Euro auch bei den Unterstützungshandlungen des Angeklagten nur die Annahme besonders schwerer Fälle im Sinne des § 370 Abs. 3 AO in Betracht. Dass der Angeklagte auf eine seiner Stellung und seiner Aufgabe im Tatgeschehen entsprechende Entlohnung verzichtet haben könnte, ist weder festgestellt, noch wird dies vom Angeklagten behauptet. Der Senat schließt zudem aus, dass sich in den Fällen fünf bis sieben der Urteilsgründe die geringfügige Überschreitung des gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c TabStG in der Fassung vom 23. Dezember 2003 maßgeblichen Tabaksteuersatzes für Zigaretten durch die Strafkammer um knapp 0,13 Cent pro Zigarette auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
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Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
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1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
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Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
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2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
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Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
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Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
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Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
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Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
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Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
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3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer